Titel: Armstrong's Kanone.
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. CII., S. 416
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CII. Armstrong's Kanone. Aus dem Mechanics' Magazine vom 25. Februar 1859. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Armstrong's Kanone. Die (englische) Regierung war mit ungewöhnlicher Sorgfalt bemüht, die Construction des Armstrong'schen Geschützes geheim zu halten. Wenn wir es für möglich hielten zu verhindern, daß die Agenten der ausländischen Regierungen Alles über diese Erfindung erfahren, so würden wir unsere Regierung in jenem Bestreben unterstützen. Dieß ist aber nicht möglich; es gibt stets Mittel, um die Schranken zu durchbrechen, welche eine Regierung wie die unserige in einem solchen Falle ziehen kann, daher wir im Folgenden veröffentlichen, was wir über das neue Geschütz wissen. Armstrong's Kanone besteht aus einem Stahlrohr, welches mit einer zusammengeschweißten spiralförmigen Umhüllung von gewalztem Eisen versehen ist, in der Art, daß die zwei über einander liegenden Umwickelungen sich kreuzen. Diese Construction ist zwar kostspielig, aber es wird durch sie eine große Widerstandskraft mit einem sehr geringen Metallgewicht erzielt. Die Seele des Stahlrohrs ist mit einer sehr großen Anzahl seichter Züge versehen, welche dicht an einander gereiht sind; auf die ganze Länge einer Kanone von 2 1/2 (engl.) Zoll Bohrung dürften etwa 40 Züge kommen. Das hohle Spitzgeschoß macht Armstrong gewöhnlich von Gußeisen; die Länge desselben entspricht beiläufig dem dreifachen Durchmesser; dasselbe wird auf seiner ganzen Oberfläche mit einer dünnen Bleihülle überzogen, daher es durch die Gewalt des Pulvers leicht in die Züge der Seele getrieben werden kann. Zum Laden der Kanone von Hinten ist in der Nähe des Stoßbodens eine länglich-viereckige Oeffnung angebracht, welche von Oben in die Bohrung hinabreicht; dieselbe hat eine hinreichende Länge um das Hohlgeschoß und die Pulverladung aufzunehmen, und eine etwas größere Breite als die Seele. Der Pulversack des Rohrs ist ein wenig weiter als die Bohrung, damit man das Geschoß und das Pulver, nachdem man sie in jener Austiefung hinabgelassen hat, leicht in den Pulversack einschieben kann. Um die Seele nach dem Laden der Kanone zu schließen, dient ein Stoßbodenstück, welches in die erwähnte Vertiefung paßt und oben mit zwei Griffen versehen ist, mittelst deren es ausgehoben und wieder eingesenkt werden kann. An diesem Stoßbodenstück ist vorn eine Kupferscheide angebracht, welche ein wenig in den Pulversack eingreift, so daß, wenn das Stoßbodenstück ein wenig vorwärts getrieben wird, die Scheibe an der Ladung ansteht und durch ihre Ausdehnung im Moment der Explosion alle Gasentweichung verhindert. Das geringe Vorwärtstreiben des Stoßbodenstücks bewerkstelligt man mittelst einer starken Schraube, welche durch den hintern Theil des Rohrs in der Achse desselben geht und das Stoßbodenstück an das Schlußende der Seele solid andrückt und unverrückbar festhält. Diese Schraube wird mit einem Schlüsseldorn bewegt. Im vordern Ende des Stoßbodenstücks ist eine Kammer ausgebohrt; in diese Bohrung, welche sich durch die Kupferscheibe erstreckt, wird zur Zeit des Ladens eine kleine Zündpatrone gebracht. Das Zündloch geht von Oben nach der Zündkammer. Das Abfeuern der Kanone geschieht mittelst eines Schlages auf die Percussionszündung, wodurch die Ladung entzündet wird. Hr. Armstrong benutzt bei seinen Hohlgeschossen einen von ihm erfundenen Percussionszünder, welchen wir bereits nach einer Abbildung beschrieben haben (Seite 265 in diesem Bande des polytechn. Journals). Es ist uns nicht gelungen, eine genaue Zeichnung von einem der Armstrong'schen Geschütze zu erhalten; wir müssen uns daher begnügen, durch eine Skizze das Verständniß vorstehender Beschreibung zu erleichtern. Fig. 10 ist ein senkrechter Längendurchschnitt der neuen Kanone, Fig. 11 eine Seitenansicht und Fig. 12 eine obere Ansicht derselben. A ist die Kanone selbst, welche aus einem Stahlrohr mit aufgeschweißter bandartiger Umhüllung von gewalztem Eisen besteht; B ist das besprochene Stoßbodenstück; C ist die gezogene Seele und D der Pulversack des Rohrs; E ist die Kupferscheibe vorn am Stoßbodenstück B: F ist die im Stoßbodenstück ausgebohrte Kammer: G ist das Zündloch; H sind die Griffe des Stoßbodenstücks; I ist die Schraube zum Vorwärtstreiben des Stoßbodenstücks. – Wir müssen noch bemerken, daß diese Figuren nicht nach einem bestimmten Maaßstab und auch die einzelnen Theile nicht genau nach ihren relativen Verhältnissen gezeichnet sind. Die Vortheile, welche ein leichtes Geschütz von großer Tragweite für die Feldartillerie gewährt, sind Jedermann einleuchtend; wir wollen daher speciell nur den Einfluß der neuen Kanone auf die Marine betrachten. Versuche haben bereits gezeigt, daß ein nach Armstrongs System construirter 32Pfünder eine größere Tragweite und dabei eine größere Trefffähigkeit hat, als die gegenwärtig auf der Marine gebräuchlichen GeschützeWir verweisen auf die zur Prüfung der Tragweite, Trefffähigkeit und Eindringungsfähigkeit der Armstrong'schen Geschosse angestellten Versuche, S. 315 in diesem Bande des polytechn. Journals., und doch wiegt ein solcher nur 26 Centner26 engl. Ctr. = 1320,6 Kilogr. = 2358 1/3 bayer. Pfund., während der gegenwärtige 68Pfünder nicht weniger als 95 Ctr. wiegt. Wir können daher jetzt das Gewicht unserer Schiffskanonen fast um drei Viertel vermindern, ohne deren Tragweite und Trefffähigkeit zu beeinträchtigen; dadurch würde deren Handhabung außerordentlich erleichtert und es wäre dazu auch viel weniger Mannschaft erforderlich. Da bei der neuen Kanone sowohl die Bohrung als die Metallstärke bedeutend reducirt ist, so wird auch ihr äußerer Durchmesser so klein, daß nur sehr kleine Pfortluken erforderlich sind, was wesentlich zur Sicherheit der Kanoniere beiträgt. – Andererseits hält aber das Armstrong'sche hohle Spitzgeschoß hinsichtlich der zerstörenden Wirkung mit den jetzt auf der Marine gebräuchlichen kugelförmigen Hohlgeschossen den Vergleich nicht aus; hierzu ist seine Pulverlabung viel zu klein. Das Armstrong'sche Geschoß durchdringt auch keineswegs dicke schmiedeeiserne Platten, wie vermuthet wurde, sondern hat auf dieselben nach den angestellten Versuchen nur eine geringe Wirkung. Schließlich bemerken wir, daß der Erfolg des neuen Geschützes nicht auf der eigenthümlichen Verbindung seiner Theile beruht, sondern lediglich davon abhängt, daß bei demselben das Geschoß die Bohrung dicht passend ausfüllen muß, wie es bei den durch die Mündung zu ladenden Kanonen nicht in solchem Grade erreichbar ist; jede zweckmäßig construirte von Hinten zu ladende Kanone würde gute Resultate geben, obgleich Armstrong's mit Bleiumhüllung versehenes Geschoß unzweifelhaft besonders vortheilhaft ist.

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