Titel: | Ueber den Wolframstahl; von J. Sperl, Localdirector der österreichisch-steiermärkischen Stahlwerksgesellschaft zu Weyer. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. LXXVI., S. 265 |
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LXXVI.
Ueber den Wolframstahl; von J. Sperl, Localdirector der
österreichisch-steiermärkischen Stahlwerksgesellschaft zu Weyer.
Vorgetragen während der Versammlung von
Berg- und Hüttenmännern zu WienAus dem „Bericht über die erste allgemeine Versammlung von Berg-
und Hüttenmännern zu Wien (im Mai 1858); redigirt und herausgegeben vom
Comité der Versammlung. Mit 9 Figurentafeln und 15 Holzschnitten.
Wien 1859. Verlag von L. Förster's artist.
Anstalt.“
, Section für Hüttenwesen, am 14. Mai 1658.
Sperl, über den Wolframstahl.
Ich erlaube mit kurze Mittheilung zu machen von den Eigenschaften eines Minerals,
welches seit Jahrhunderten als werthlos erachtet auf die Halde gestürzt wurde, nun
aber einer vortheilhaften technischen Verwendung zugeführt ist.
Dieses Mineral, das Wolfram, wird in Böhmen zu
Schlaggenwald und Zinnwald, besonders aber an letzterem Orte, als Begleiter des
Zinnsteines in ansehnlicher Menge und bemerkenswerther Reinheit bergmännisch
gewonnen.
Das Wolfram hat schon in früheren Zeiten die Aufmerksamkeit der Chemiker und
Metallurgen in hohem Grade in Anspruch genommen. Im Jahre 1787 entdeckte Scheele im Tungstein die Wolframsäure, das Metall selbst
wurde zuerst von zwei spanischen Chemikern, den Brüdern d'Elhuyar, dargestellt, und durch sie, so wie durch Hassenfratz, Buchholz etc., namentlich durch Berzelius und Wöhler, seine Eigenschaften
kennen gelehrt. Das reine metallische Wolfram hat nach Platin und Gold das höchste
specifische Gewicht (17,6 nach Wöhler), und bildet, in
sehr hoher Temperatur (150° Wedg.) dargestellt, eine zusammenhängende poröse
Masse, eine Art Schwamm, welcher aus kleinen krystallinischen Körpern bestehend, von
der Feile kaum merkbar angegriffen wird. Es kann als ein für sich allein beinahe
unschmelzbares Metall betrachtet werden, obwohl man behauptet, daß es, der
heftigsten Hitze ausgesetzt, welche man in unseren Oefen hervorzubringen im Stande
ist, zu einem stahlartigen Metallkönig reducirt werden könne, welche Behauptung
jedoch bisher der technischen Begründung noch entbehrt.
Daß sich das Wolfram mit vielen Metallen legire, hat schon Berzelius nachgewiesen; diese und ähnliche Versuche haben jedoch bis vor
Kurzem die Gränzen des Laboratoriums nicht überschritten, erst in letzterer Zeit
wurde dieses interessante Metall durch die rastlosen Bemühungen eines unserer
Bergwerksbesitzer, des Hrn. Joh. Jakob in Wien, in den
Kreis industrieller Verwendung eingeführt. Erst nachdem er sich die Ueberzeugung
verschafft hatte, daß das bisher als Seltenheit geschätzte Mineral in für technische
Zwecke ausreichenden Quantitäten wirklich vorhanden sey, brachten ihn die analogen
Versuche von Hassenfratz und Berthier auf den Gedanken, Wolfram zur Legirung mit mehreren Metallen,
insbesondere mit verschiedenen Stahlsorten, zu verwenden.
Durch gelungene Versuche im Kleinen aufgemuntert, veranlaßt er nach erhaltener
höherer Bewilligung in den Jahren 1855 und 1856 durch Hrn. Dr. Franz Köller in der ärarischen unter meiner
Leitung stehenden Gußstahlhütte zu Reichraming Versuche, in größerem Maaßstabe,
welche nach Besiegung mancher Schwierigkeiten die glänzendsten Resultate
ergaben.
Der mit Wolfram legirte Gußstahl zeigte nämlich, wie die hier ausgestellten Proben
beweisen, bei einem äußerst feinen, muschligen, seidenartigen Bruche eine
außerordentliche Dichte, Feinheit und Härte, ohne bis zu einem gewissen Grade die
Zähigkeit und die bekannten guten Eigenschaften des Reichraminger Gußstahles zu
entbehren, er läßt sich so wie jeder andere Stahl ohne Anwendung künstlicher Mittel
schweißen und bearbeiten, erfordert jedoch eine der eigenen Härte entsprechende
Behandlung beim Härten und Ablassen. Zum Zerreißen desselben war auf der
Zerreißmaschine des k. k. polytechnischen Institutes in Wien eine größere Belastung
erforderlich, als bei dem besten Huntsmanstahl, was auf eine besondere absolute
Festigkeit des Wolframstahles schließen läßt. Ich erlaube mit nur, von den vielen
abgeführten Proben einige zu erwähnen.
Zusammenstellung der Versuche, welche am 3. und 4.
April 1856 an der Zerreißmaschine des k. k. polytechnischen Institutes in Wien über
die absolute Festigkeit von Stahlmustern der k. k. Gußstahlhütte Reichraming bei
Stadt Steyer vorgenommen wurden.
Bezeichnung der Muster.
KleinsterQuerschnitt
ZumZerreißennöth. Gewicht.
AbsoluteFestigkeit.
Anmerkung.
Quadratzoll.
Centner.
Centner.
Nr. 1. Reichramingerstahl
0,065
74,5
1146
„
0,062
64,0
1032
„
0,062
65,5
1058
Nr.
2.
„
0,070
45,0
643
Fehler im Bruche.
„
0,068
69 0
1015
„
0,065
78,0
1200
Nr.
3.
„
0,062
86 4
1393
„
0,064
83,5
1305
„
0,070
75 0
1071
Nr. 4. Engl. Huntsmanstahl
0,055
57,5
1045
„
0,062
66,55
1072
„
0,065
62,0
954
Mitte der Bruchflächeunganz.
Nr. 5. Wolframstahl
0,060
76,0
1267
„
0,058
77,5
1354
„
0,062
90,0
1451
Bruch nicht imkleinsten Querschnitt.
Chr.
Starke., Vorstand
der Werkstätte des k. k. polyt. Institutes.
Die mit dem Wolframstahl unter der Leitung des Hrn. Moriz Arzberger in mehreren Maschinen-Fabriken des In- und
Auslandes, namentlich in Berlin bei Hrn. Egells, dann bei
den HHrn. Schwarzkopff und Freund durch längere Zeit gemachten Proben haben gezeigt, daß der Wolframstahl viel mehr leistet, als der beste bisher in dem
Handel gebrauchte Gußstahl, indem mit ihm sogar gehärteter Gußstahl
abgedreht und durchbohrt wurde, kurz, daß er als Werkzeugstahl bisher unübertroffen
dasteht.
Auch zu Schneidwerkzeugen, Waffen und feinen Uhrbestandtheilen wurde Wolframstahl als
vorzüglich erprobt, und es sollen bekanntlich die als unverwüstlich geltenden
Damascenerklingen nach chemischen Analysen. Spuren von Wolfram enthalten, welcher
wahrscheinlich in gewissen indischen Eisenerzen vorkommt.
Die in der großen Gußstahlhütte zu Bochum in Westphalen
durch längere Zeit sehr gründlich abgeführten Versuche, so wie jene, die gegenwärtig
in der ärarischen
Gußstahlhütte zu Reichenau vorgenommen werden, zeigten dieselben günstigen
Resultate.
Die Darstellung des Metalles, wie es zur Stahlfabrication verwendet wird, ist höchst
einfach, billig, und es läßt sich das Verfahren bei jeder Gußstahlhütte ohne alle
besonderen Vorrichtungen alsogleich einführen. Es ist bemerkenswerth, daß der
Wolframzusatz in Reichraming weder der Schmelzbarkeit des Gußstahles Eintrag gethan,
noch die Tiegel besonders angegriffen hat.
Da nach den an verschiedenen Orten angestellten Versuchen kaum mehr ein Zweifel
zulässig ist, daß das Wolfram auf alle, besonders aber auf die Stahlsorten von
geringerer Qualität veredelnd einwirkt, so scheint dieses Metall die Eigenschaft zu
haben, demnächst in der Gußstahlfabrication, welche in der Neuzeit eine so hohe
technische Bedeutung erlangt hat, eine wichtige Rolle zu spielen; überdieß dürfte
meiner. Ansicht nach Wolfram auch auf jene Eisensorten, deren geringe Festigkeit
nachtheilig ist, die analoge günstige Wirkung wie auf den Stahl ausüben.
Es ist demnach erlaubt zu hoffen, daß die rastlos fortschreitende Industrie unserer
Tage sich dieser Entdeckung, die nur durch das Zusammenwirken vieler Kräfte und mit
Aufwand bedeutender Opfer zu Stande gekommen ist, in Kürze bemächtigen, und daß man
nicht zögern wird, dem Wolfram wegen seiner erprobten schätzbaren Eigenschaften den
gebührenden Rang unter den gesuchtesten Metallen einzuräumen.
Nachtrag.
Die Beilage zu Nr. 167 der „Kölnischen Zeitung“ enthält über die
Darstellung des Wolframstahls folgende Notizen:
„Das Wolfram-Mineral (wolframsaures Eisen- und Manganoxydul)
wird zuerst befreit von den mechanisch beigemengten Schwefel- und
Arsenmetallen durch gelinde Röstung und nachfolgende Auslaugung der
schwefelsauren und arseniksauren Salze mittelst verdünnter Mineralsäuren
(Salzsäure) und schließlichen Aussüßens der ausgelaugten Masse mit Wasser bis
zur gänzlichen Entfernung der letzten Spuren der angewandten Säuren. Ein
vorhergehendes Rösten des Minerals, um alles Eisen- und Manganoxydul auf
die Stufe des Oxydes zu erheben, ist als vortheilhaft erkannt worden, da das
geröstete Mineral weniger leicht schmilzt und daher die Reduction leichter
gelingt. Ist das Mineral kieselsäurehaltig oder enthält es Quarz in feiner
Vertheilung, so ist dieses Oxydiren um so nothwendiger, weil sonst leicht eine
Schlacke von kieselsaurem Eisenoxydul entsteht, welche ebenfalls störend auf die
Reduction wirkt. Das gereinigte, gepulverte Mineral oder der gereinigte, gepulverte Wolframschlich
wird nun in einem mit Kohlenpulver gefütterten Tiegel einer intensiven Glühhitze
bis zur erfolgten Reduction ausgesetzt. Die hierzu erforderliche Zeit ist nach
der Güte des Ofens, des Brennmaterials und der Größe der Tiegel eine
wechselnde, nach Umständen bis 24 Stunden dauernde. Die Wirkung ist eine
Reduction der Wolframsäure zu Oxyd oder zu Metall, je nach der Dauer der Hitze
und ihrem Grade, und ein Ueberführen des im Erze enthaltenen Eisens in niedere
oder höhere Carburete. Die vollkommen reducirte Masse hat eine dunkle Farbe,
leicht gesintertes Ansehen, hohes specifisches Gewicht und ist ein Gemenge von
metallischem Wolfram mit Eisen- und Mangan-Carbureten.
„Passende Oefen sind alle in der Technik bereits in anderen Zweigen in
Anwendung gebrachten mit langer Glühdauer und hohen Hitzegraden. Nur Tiegel vom
besten feuerfesten Material und höchst sorgfältiger Ausführung haben sich als
verwendbar erwiesen. Zeigt der aus dem Tiegel genommene Regulus statt eines
grauen körnigen Bruches und großer Porosität ein mit glänzenden Flächen
versehenes, mehr dichtes und braunes Aussehen, so ist derselbe zu rasch erhitzt
worden und vor der Zeit geschmolzen, daher die reducirenden Gase denselben nicht
mehr durchdringen und nur unvollständig reduciren konnten. Das aus dem
ungerösteten oder gerösteten Material durch Reduction gewonnene Product, aus
metallischem Wolfram- und Eisen-Mangan-Carburet bestehend,
wird zur Verbesserung des Gußstahles verwandt, indem es in diesem Falle einfach
der Stahleinwaage nach Bedarf (von 1/2–25 Proc.) zugesetzt und dann im
Tiegel wie gewöhnlicher Stahl geschmolzen wird, wodurch letzterer an Dichte,
Härte und Festigkeit gewinnt, welche Eigenschaften selbst noch in der Rothgluth
bemerkbar bleiben. Auch kann man durch einen Zusatz von Wolfram künstlichen
Damaststahl erzeugen, wie dieß auch der Herzog v. Luynes in Paris wirklich gethan hat; denn wie bekannt, enthält der
indische Stahl (Wootz), aus welchem seiner Zeit die berühmten indischen und
persischen Säbelklingen verfertigt wurden, Spuren von Wolfram
(0,05–0,10), welcher wahrscheinlich zufällig in den hiezu verwandten
Eisenerzen vorgekommen seyn mag.“