Titel: | Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in Zürich. |
Autor: | Pompejus Alexander Bolley [GND] |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. CXVI., S. 431 |
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CXVI.
Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie
der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in
Zürich.
(Schluß von S. 374 des vorhergehenden
Heftes.)
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Bolley's kritische und und experimentelle Beiträge zur Theorie der
Färberei.
Wir wollen zuerst die Beobachtungen, welche über die Art und
Weise der Ablagerung der Farbstoffe auf den Fasern gemacht wurden, einem
prüfenden Blick unterwerfen.
Während Persoz sich am allgemeinsten für äußere Anhaftung
ausspricht, hält W. Crum (der sich indeß nur mit
Baumwolle beschäftigt) eine Ablagerung in dem Schlauche für den wahren Sachverhalt.
Oschatz und Verdeil
erklären sich für ganz gleichmäßige Durchdringung aller
Fasern, lassen jedoch einige Ausnahmen zu. Maschke endlich spricht der Cellulose die Eigenschaft ab, für
Farbstofflösungen durchdringlich zu seyn, wohingegen er den thierischen
stickstoffhaltigen Gebilden ein Anziehungsvermögen gegen die Farbstoffe durch die
ganze Masse hindurch vindicirt.
Hinsichtlich der Wolle und Seide finden wir eine gewisse Uebereinstimmung unter den
letztgenannten drei Autoren; Persoz's Ansicht, die aber
nicht von eigenen Beobachtungen unterstützt, sondern mehr von Plausibilitätsgründen
getragen scheint, steht ihnen allein gegenüber.
Eines ist richtig: so oft man mittelst des Mikroskops die Entscheidung der Frage
sucht, ob die Farbe durch die Wolle und Seide
hindurchgedrungen sey, wird man sie bejaht finden,
vorausgesetzt daß man Fasern untersucht, die nicht mit nur suspendirten Pigmenten
gefärbt wurden. Ich habe in zahlreichen und mannichfach abgeänderten Versuchen immer
die Bestätigung dieser Annahme gefunden. Das aber kann unter allen Umständen nicht
zugegeben werden, was Verdeil sagt: daß die Seide nur in
einigen Ausnahmsfällen durch eine äußerlich anhängende
Kruste gefärbt sey. Es stehen dieser Behauptung sowohl Gründe, die aus der Natur
gewisser Färbeprocesse genommen sind, als eine Reihe von Beobachtungen entgegen, die
nachfolgend aufgeführt werden sollen.
Erinnern wir uns des Färbeverfahrens mit grünem Indigo (vert
de Chine, Lo-Kao), dessen sich die Chinesen bedienen,Polytechn. Journal Bd. CLI. S.
288. so müssen wir unabweisbar eine Ablagerung des Farbstoffes auf der Faseroberfläche annehmen. Es kann durchaus nicht
anders seyn beim Safflor oder Safflorcarmin, weil wir auch hier nur mit einer Suspension der Farbstoffe färben.
Fig. 6Die Figuren
6–9, Seidemuster,
sind in 100facher Vergrößerung nach einem Keller'schen Mikroskop dargestellt. Die Stellen, an welchen die Farbe
in äußerlich adhärirender Schicht niedergeschlagen ist, sind dunkler gegeben, ohne auf die Art der Farbe
Rücksicht zu nehmen, was nur bei einer weniger einfachen lithographischen
Behandlung zuläsig gewesen wäre. stellt Fäden entschälter Seide dar, die mit Safflorcarmin gefärbt sind. Man
sieht nach dem Benetzen unter dem Deckgläschen deutlich das Loslösen und Aufquellen
der äußerlich anhängenden Farbstoffkrusten. Der Fäden selbst erscheint zwar nicht
ganz in seiner natürlichen Farbe, aber doch nur sehr wenig gefärbt.
Ein ähnliches Verhalten finden wir aber nicht nur da, wo man es von vornherein
erwarten konnte, sondern eine ganze Reihe anderer Farben zeigen sich ganz
ähnlich.
Fernambukroth z.B., das auf abgekochte Seide, die vorher in Alaun gebeizt worden,
mittelst Rothholzabkochung und Zinnchlorid (s. g. Physik) gefärbt ist, zeigte sich
mit unter dem Mikroskop ganz ähnlich. Fig. 7.
Am deutlichsten tritt dieß Verhalten beim Schwarz auf. Wie den Praktikern wohl
bekannt, gibt es ein sogenanntes „Schwerschwarz“ auf Seide,
d.h. ein solches, in welchem nicht nur der etwaige Verlust, den die Seide durch
Abkochung erlitten, durch Farbe ersetzt, sondern wobei sogar zuweilen (auf
unabgekochter Seide) bis 100 Procent an Gewicht, durch dickes Auffärben des Schwarz
gewonnen wird. Bei weitem der meiste Farbstoff (mit Einschluß der Beize u.s.w.)
hängt hier an der Oberfläche in perlschnurartigen Krusten. Fig. 8.
Der Fäden erscheint an den nicht bedeckten Stellen transparent schwärzlich. Man kann
leicht mit einem Lösungsmittel die Seide entfernen und die Krusten des Farbstoffs
werden losgeschält und bleiben zum Theil in flachgedrückten ringförmig gebliebenen
Stücken, zum Theil in aufgeschlitzten platten Fetzen liegen. Fig. 9. Dieß läßt sich mit
Aetznatron wie mit Kupferoxydammoniak, dessen Dienste indeß bei der
Baumwolleuntersuchung wichtiger sind, bewirken.
Bei noch vielen anderen Farben habe ich ganz das Nämliche beobachtet, daß nämlich
fast durchgängig, neben der Durchtränkung der Seide, auch ein Auffärben auf deren
Oberfläche stattgefunden hat, so bei Cochenillerosa, Königsblau, Grün,
Orseillefarben u.s.w.
Bei der Wolle tritt das erstere Verhältniß, die
Infiltration der Farbe in die Masse der Faser, bedeutend in den Vordergrund, das
zweite, die äußere Ablagerung der Farbe, ist aber keineswegs ausgeschlossen. Man
findet bei aufmerksamer Untersuchung größerer Farbmusterreihen eine stärkere
Anhäufung der farbegebenden Substanz in den kleinen Versenkungen, die sich an der
Haaroberfläche finden, namentlich bei Behandlung mit verdünntem Aetznatron in den
Fällen, wo die Farbe nicht von dem Alkali zerstört wird. Ich habe Wolle in ähnlicher
Weise schwarz gefärbt, wie das Schwerschwarz auf Seide erzeugt wird, und fand, daß
beträchtliche Farbmengen auf der Oberfläche hingen.
Die Sache ist viel verwickelter bei Baumwolle und wohl bei
allen vegetabilischen, aus Zellen bestehenden Spinnfasern, daher die großen
Widersprüche, der Beobachter. Oschatz und Verdeil erklären es als die Regel, daß die Masse der
Zellwand durchweg und gleichmäßig gefärbt sey, beide geben Ausnahmen zu Maschke dagegen behauptet, daß die Cellulose gar nichts
aus einer Pigmentlösung aufnehme, wobei er freilich nur die ungeheizte Cellulose in
Frage nahm. W. Crum nimmt Eindringen und Ablagern des
Pigments in den Schlauch an, und Persoz, wie wir sahen,
läßt nur äußere Ablagerung des Pigmentes auf der Faser zu.
Es kann auch hier nicht als Regel zugegeben werden, was Oschatz und Verdeil dafür erklären, nämlich die
Durchfärbung der Zellwände. Es sind im Gegentheil die Fälle selten, in welchen man
mit Sicherheit das Gefärbtseyn der Zellwände erkennt, bei weitem am häufigsten kommt
es vor daß sie es nicht sind.
Ich habe zwei verschiedene Wege der Untersuchung eingeschlagen.Es war mit von Wichtigkeit und ich erwähne es hier ausdrücklich und mit Dank,
daß mein College, Hr. Dr. Cramer, die Güte hatte, die Beobachtungen an einzelnen der
markantesten Fälle zu wiederholen und dieselben bestätigte. Theils wurden Querschnitte über in Gummilösung eingeweichte und darin
getrocknete Baumwollefadenbündel gemacht, und bei passender Vergrößerung
(360–700) unter der Vorsicht beobachtet, daß man suchte sie mittelst des
Deckgläschens um sich selber zu drehen, d.h. ihnen eine wälzende Bewegung zu geben,
um das Verhältniß der Färbung auf der äußern und auf der Schnittfläche vergleichen
zu können.
Nur in einem einzigen Falle unter einer großen Reihe von Beobachtungen konnte man
sagen, es erscheine die Zellwand durch und durch etwas gefärbt. Es war dieß
Baumwolle, die mit Fernambukholzabkochung, nachdem sie
mit Zinnchlorid gebeizt worden, gefärbt war. Aber auch hier war unverkennbar die
äußere Wand stärker mit Farbe belegt. Ein ähnliches Verhältniß fand sich bei mit
sogenanntem Kaliblau (d. i. Berlinerblau) gefärbter
Baumwolle, nur mit dem Unterschied, daß der Querschnitt, verglichen mit der
Außenwand, noch viel blasser erschien.
Es war aber gar keine Färbung des Zellwandkörpers zu bemerken bei Küpenblau, bei Türkischroth, Krapp,
Rosa und Violett, Chromgelb, Chromschwarz, Catechubraun, Nanking
(Eisenoxydhydrat), Eisenschwarz und anderen Farben.
In dem Hohlraum der Faser wurde bei diesen Farben nur sehr selten, und man kann sagen
nur stellenweise etwas Färbung bemerkt. Dagegen zeigte sich dieses ganz unzweideutig
bei derjenigen Baumwolle, die mit Murexid gefärbt war.
Die Zellwände selbst waren nicht gefärbt, die Farbe und Beize hieng zum größten
Theil außen, aber ziemlich vieles war auch in den Schlauch eingedrungen. Fig. 10 kann
eine Vorstellung von dem Aussehen dieser Querschnitte geben. Es versteht sich von
selbst, daß damit die Anschauung W. Crum's nicht
gutgeheißen wird; von zwei parallelen seitlich an der plattgedrückten Faser
liegenden Schläuchen ist keine Rede.
Die Methode der Untersuchung von Querschnitten läßt einige Täuschung zu, insofern als
in Fällen, wenn der Querschnitt nicht ganz senkrecht ist, die geneigten Stellen der
Außenwand etwas durch die zugeschärften Schnittflächen hindurch scheinen.
Es darf nach meinem Dafürhalten die folgende als sicherer angesehen werden. Das
Kupferoxydammoniak löst nach der Beobachtung von Prof. E. Schweizer
Polytechn. Journal Bd. CXLVI S.
361. Baumwolle auf, die aus der Lösung wieder niedergeschlagene Cellulose ist
desorganisirt, gallertartig. Unter dem Mikroskop erscheint dieses Reagens ganz
ähnlich wirkend wie Jod und Schwefelsäure.
Die Erscheinungen des Aufquellens, die Dr. Cramer
Ueber das Verhalten des Kupferoxydammoniaks zur Pflanzenzellmembran, von sehr genau beschreibt, sind ganz ähnlich denen, die man erhält, wenn man
Schwefelsäure von passender Concentration neben Jod einwirken läßt. Das
KupferoxydammoniakIch bediene mich seit längerer Zeit eines Gläschens, auf dessen Boden sich
Kupferoxydul befindet und das zu 3/4 mit starkem Achammoniak gefüllt ist.
Durch mehrmaliges Schütteln der Mischung und Wiederöffnen des Gläschens
erhält man in kurzer Zeit ein sehr geeignetes und lange Zeit kräftig
bleibendes Reagens. hat aber den Vorzug, daß es viel weniger zerstörend oder lösend auf die
meisten in der Färberei zur Anwendung kommenden Pigmente und Metalloxyde der Beizen
einwirkt. Einige derselben widerstehen freilich auch ihm nicht, z.B. Safflor.
Ich habe hier zuerst hervorzuheben, daß ich die Angabe von Schloßberger
Journal für praktische Chemie, Bd. LXXIII S. 372. nicht verstehen kann, wenn er sagt: „Ebenso widerstand Baumwolle,
die ich mit einer Lösung von NaCl; NH₄O, NO₅ getränkt hatte, dem
gut bereiteten Reagens so vollständig, daß sie nicht einmal darin
aufquoll.“
Ich werde sogleich zu berichten haben, daß kein einziges Muster von in einer Färberei
gebeizter und gefärbter Baumwolle dem Reagens widerstand. Durch Schloßberger's Mittheilung bestimmt, habe ich
Flockbaumwolle in verschiedene Salzlösungen eingelegt (Kochsalz, Salmiak,
phosphorsaures Natron, salpetersaures Natron, Chlorbaryum u.s.w.), damit gekocht,
herausgenommen, zwischen Fließpapier ohne Auswaschen getrocknet und mit
Kupferoxydammoniak unter das Mikroskop gebracht. Sie löste sich immer. Es mag wohl
der Fall seyn, daß Zusatz verschiedener Salze dem Reagens seine Wirksamkeit schwäche
oder raube, und einem solchen Zusatz käme es ganz gleich, wenn Schloßberger die mit Salzlösung noch stark benetzte Faser in das
Kupferoxydammoniak brachte; die mit Salzen nur „getränkte“ Faser löst sich aber auf.
Die Erscheinung, welche man unter diesen Umständen an der gefärbten Baumwolle
bemerkt, ist bei den meisten Farben eine und dieselbe.
Die Baumwolle quillt unter wurmartigen Windungen und Bewegungen stark auf. Die
Stellen, an welchen die gelöste Gallerte liegen bleibt, sind selten gefärbt, aber
sie sind gewöhnlich von einer Spirale umgeben, oder es scheiden sich seitlich von
der Baumwollegallerte dünne Streifen ab, die zuweilen auch zerstückelt und
unregelmäßig umherliegen. Diese bandartigen, dem Lösungsmittel widerstehenden
Stücke, die Dr. Cramer als
die Cuticula erklärte, sind immer dunkler gefärbt als
das Magma oder die Lösung. Sie behalten, je nach dem
Verhalten des Farbstoffs, entweder ihre ursprüngliche Farbe, oder die Farbe
verändert sich etwas; immer aber sieht man, daß diese Theile der Baumwolle es sind,
auf welche Farbe und Beize abgelagert ist. Fig. 11 versinnlicht die
beschriebene Erscheinung. Ich habe dieselbe beobachtet bei Blauholzblau,
Blauholzviolett, Gallusschwarz, Holzbraun, Chromgelb, Chromorange, Türkischroth,
Krapprosa, Berlinerblau und mehreren anderen Farben.
Bei Amaranth mittelst Murexid gefärbt zeigt sich die gleiche Erscheinung,
gleichzeitig aber auch das deutlich, daß auch im Innern des Schlauches Farblack
abgelagert ist. Bei diesem, fast wie eine Ausnahme sich darstellenden Falle, erhebt
sich die Frage, ob dieß nicht der Wirkung des Aetzsublimat, das sonst in der
Färberei nur sehr wenig Anwendung findet, zugeschrieben werden dürfe.
Daß die Röhrenform der Baumwollfaser wenigstens die ausschließliche Bedingung ihrer
Färbbarkeit nicht sey, geht auch aus dem Umstande hervor, daß sich die amorphe, d.h.
aus der Lösung in Kupferoxydammoniak gallertartig niedergeschlagene Baumwolle beizen
und färben läßt, wie andere Baumwolle.
Es ergibt sich aus diesen Beobachtungen, daß die Ablagerung des Farbstoffs auf der
Oberfläche der Baumwolle die Hauptursache ihres
Gefärbterscheinens ausmacht. Die Durchtränkung der Baumwollfaser mit Farbstoff kommt
in beschränktem Maaße vor, auch in den Schlauch scheint nur in den wenigsten Fällen
Farbe einzudringen. Wolle und Seide dagegen inbibiren sich in allen Fällen mit
Farbstoff, die äußerliche Anlagerung desselben beziehungsweise des Farblacks ist
aber eine ganz gewöhnliche begleitende Erscheinung, namentlich bei gefärbter
Seide.
Wir wenden uns nun zur andern Frage: ob wir beim Färbeproceß
eine chemische Anziehung anzunehmen haben oder nicht.
Dieselbe ist in bejahendem Sinn namentlich von Chevreul
beantwortet worden. Er und später Verdeil, vor beiden
aber namentlich Thenard und Roard haben einige Versuche angestellt über das Anziehungsvermögen der Fasern gegen solche
Salze, die in der Färberei als Beizmittel dienen.
Wir haben die Aufgabe, zuerst den Werth dieser Untersuchungen kritisch zu prüfen,
sodann sie zu erweitern, da sie keineswegs in hinreichender Zahl und mit dem Aufwand
der nöthigen Sorgfalt angestellt sind.
Verdeil glaubte genug gethan zu haben, wenn er gebeizte
Wolle und Seide einäscherte und das Gewicht der Asche bestimmte, um aus dieser
Untersuchung den Schluß zu ziehen: „Daß diese Substanzen thierischen
Ursprungs die Eigenschaft besitzen, eine gewisse Menge von der
„Basis“ der Beize, mit welcher man sie in Berührung
brachte, zu fixiren.“ Es blieb bei seinen Untersuchungen außer Acht
– wenigstens berührt der Bericht in den „Comptes rendus“ nichts davon – 1) wie groß der
Aschengehalt der Wolle selbst ist; 2) ob nicht auch von der Säure, an welche die Basis gebunden war, etwas aufgenommen wurde. Wir
haben oben die Zusammenstellung der Resultate gegeben, die er mit Wolle und Seide
erhielt; Cellulose (Baumwolle?) soll nach ihm unter denselben Umständen keine Spur
der Basis fixiren. Abgesehen von den gerügten Mängeln läßt seine
Untersuchungsmethode gar kein Urtheil darüber zu, ob die gefundenen Werthe das
Verhältniß der wirklich aufgenommenen Beize ausdrücken, denn wer wollte bestimmen,
wie viel einerseits von der Beize nur adhärirte und dem Waschen widerstand, oder ob
andererseits nicht mehr aufgenommen worden war und durchs Waschen wieder entfernt
wurde. Gerechte Zweifel darf man aber darüber hegen, daß die mit essigsaurer Alaunerde gebeizte Baumwolle gar keine Asche
zurückgelassen haben sollte, in der sich etwas von der Basis der Beize befand. Die
Leichtzersetzbarkeit der essigsauren Thonbeizen durch Verdunstung, Erhitzung oder
Verdünnung ist bekannt genug, und gerade diese Eigenschaft macht dieselben geschickt
zum Beizen, d.h. in diesem Falle Abgeben eines basischen schwerlöslichen Salzes. Man
findet auch in fabrikmäßig gebeizter oder gebeizter und gefärbter Baumwolle,
Leinwand, Stroh immer einen Aschenrückstand, der viel Thonerde enthält. Dient ja
doch sogar die Einäscherung eines gefärbten Baumwollzeugstücks und der Nachweis der
Basis der Beize in der Asche als Anzeige für die Art der Färbung, die der Stoff
erfuhr.
Nach dem Gesagten glauben wir uns füglich der Mühe überheben zu können,
Untersuchungen weiter zu besprechen, die so wenig Beweisendes enthalten.
Die Untersuchungen Chevreul's und die früheren von Roard und Thenard, auf die er
sich in seiner Abhandlung über die Theorie der Färberei beruft, sind nicht zahlreich
und variirt genug, um zu einer deutlichen Charakteristik der Gruppe von Phänomenen zu führen, die
sich beim Zusammenbringen von Salzlösungen und Fasern ergeben. Dieser Umstand und
die Vermuthung, daß eine Wiederaufnahme der Frage in vielen einzelnen Fällen zu
abweichenden Ergebnissen führen werde, waren Bestimmungsgrund eine größere Reihe von
Versuchen, aus welchen Aufklärung zu erwarten war, anzustellen. Chevreul führt einige Versuche, die er anstellte, an über
die Anziehung der Fasern gegen Schwefelsäure und Salzsäure aus deren verdünnten
Lösungen. Er bestimmte in der verdünnten Säure den Gehalt vor dem Zusammenbringen
mit der Faser und nach der Digestion mit derselben. Dieser Weg ist der allein
richtige. Unter Zugrundlegung dieser Idee und mit Benützung der gegenwärtig sehr
vervollkommneten Titrirmethoden, zugleich aber unter Beachtung aller bei genauen
Abwägungen gebräuchlichen Vorsichtsmaßregeln dursten Resultate erwartet werden, die
frei sind von Nebeneinflüssen, deren Größe unbestimmbar ist.
Zur Untersuchung kam Seide und zwar 1) gelbe Mailänder
Rohseide; 2) dieselbe, die im Laboratorium sorgfältig entschält worden war; 3)
gewaschenes und gebleichtes Kammwollgarn; 4) reine Flockbaumwolle.
Von jeder dieser Substanzen wurde vor jedem Versuch eine gewisse Menge in einem
vollkommen getrockneten, durch den Aspirator hervorgebrachten Luftstrom und in einer
Temperatur von 100° C. so lange gelassen, bis keine Gewichtsabnahme mehr
erfolgte. Die Abwägung geschah nach dem Erkalten über Chlorcalcium, in einem
verschlossenen Kölbchen, demselben, worin die Austrocknung stattfand. Die Säuren
oder Salzlösungen, mit welchen man die Fasern in Berührung bringen wollte, wurden in
einer passenden Concentration und in so großer Menge hergestellt, daß sie für alle
vier Faserarten und zur Roth zu mehrmaliger Wiederholung der Versuche ausreichten.
Diese Lösungen waren vorher genau titrirt, oder, wo keine Titrirmethode zulässig
war, analysirt. Zu jedem Versuche wurde möglichst annähernd zehnfach soviel der
Lösung in Kubikcentimetern genommen, als das Gewicht der getrockneten Faser in
Grammen betrug. Nach vierundzwanzigstündiger Behandlung wurde die Faser
herausgenommen und die Flüssigkeit aufs neue titrirt oder auf andere Weise
analysirt.
Auf diese Weise war der bei Seide und Wolle oft sehr beträchtliche
Feuchtigkeitsgehalt einflußlos gemacht, und die Fasern ganz gleich gehalten
hinsichtlich der Stärke der Lösungen, ferner möglichst
gleich hinsichtlich der Menge der Lösungen und der Dauer ihrer Einwirkung.
Nachfolgend die Uebersicht der Resultate aus 37 Versuchen.
VersuchsreiheundVersuchs-nummer
Name und Gewichtder digerirten Substanzin
Grammen.
Mengeder Lösungin Kub. Cent.
Gehalt
oder Titre der Lösung.
A.
Verdünnte
Schwefelsäure.
10 K. C.
= 25 K. C. NaO.lösung
1.
3,551 Wolle
35
„
= 24
„
„
2.
8,454 „
80
„
=
23,8 „
„
3.
2,312 Rohseide
25
„
=
24,0 „
„
4.
2,949 „
29
„
=
24,0 „
„
5.
3,279 entschälte Seide
25
„
=
24,5 „
„
6.
2,830
„ „
30
„
=
24,5 „
„
7.
4,770 Baumwolle
48
„
=
25,0 „
„
8.
4,656 Thierkohle
46,5
„
=
24,6 „
„
B.
Indigblau-Schwefelsäure.
100 K. C.
= 56 K. C. Camäleon
100 K. C. = 0,9365 SO₃
für Indigo.
9.
3,857 Wolle
77,0
„
= 36
„ „
„
= 0,8259
„
10.
4,2975 „
86,0
„
= 35
„ „
„
=
0,827 „
11.
4,316 Rohrseide
86,0
„
= 4
„ „
„
=
0,907 „
12.
3,867 entschälte Seide
77,0
„
= 5
„ „
„
=
0,909 „
13.
4,8335
„ „
96,6
„
= 6
„ „
„
=
0,904 „
14.
4,186 Baumwolle
84,0
„
= 52
„ „
„
=
0,938 „
15.
4,290 Thierkohle
85,8
„
= 20
„ „
„
=
0,891 „
C.
Blutlaugensalzlösung
10 K. C.
= 10,2 K. C. Chamäleon
= 0,5616 Kaliumeisencyanür
16.
5,864 Wolle
58,3
„
=
10,2 „ „
= 0,5616
„
17.
5,724 Rohseide
57,2
„
=
10,2 „ „
= 0,5616
„
18.
5,293 entschälte Seide
53,0
„
=
10,2 „ „
= 0,5616
„
19.
4,577 Baumwolle
45,8
„
=
10,2 „ „
= 0,5616
„
D.
Weinsteinlösung.
32 K. C.„
= 6,72 K. C.
1/10= „ „
Normalnatronlös. =
0,088704 „
= 0,03912
wasserfr. Weins.Kali
wasserfr. Weins.
Kali 100
: 43,9Normalmäßig sollte im Weinstein auf 100 wasserfreie Weinsäure
35,6 Kali kommen. In der angewendeten frischen Lösung wurde durch
Abdampfen, Glühen, Versetzen mit ClH, Wiederabdampfen und Erhitzen
ein Rückstand (von Kali) erhalten, der 43,9 KO
entspricht.
20.21.
4,577
Wolle4,410 „
45,844,1
„„
=
2,2 „= „ „
„
=
0,0290 „
= 0,0379
wasserfr. Weins.Kali
100
: 130,689
VersuchsreiheundVersuchs-nummer
Name und Gewichtder digerirten Substanzin
Grammen.
Mengeder Lösungin Kub. Cent.
Gehalt oder Titre der Lösung.
22.23.
4,57
Rohseide4,22 „
45,742,2
32 K. C.„
= 0,8 K. C. 1/10=
„ „
Normalnatronlös. „
= 0,0106 = 0,039
wasserfr. Weins.Kali
wasserfr. Weins.:
Kali.
100 : 367,923
24.25.
4,569 entschälte
Seide4,336 „ „
45,743,4
„„
=
3,7 „=
„ „
„ „
= 0,050 = 0,038
wasserfr. Weins.Kali
100 :
77
26.27.
4,8415
Baumwolle5,120 „
48,451,2
„„
=
5,7 „=
„ „
„ „
= 0,752 = 0,049
wasserfr. Weins.Kali
100 :
54,52
E.
Bleizukcerlösung
10 K. C.
= 0,28338 Bleioxyd.
Es bedurfte bis zum Eintreten des NiederschlagsDiente als Anzeige, ob freie Essigsäure oder saures Bleisalz
vorhanden sey.
28.
4,750 Wolle
47,5
„
= 0,2588
„
1,2 K. C. .
Zehenkalilösung
29.
5,951 Rohseide
59,5
„
= 0,2387
„
1,5 „
„
30.
5,4705 entschälte Seide
54,7
„
= 0,2580
„
1,2 „
„
31.
4,883 Baumwolle
48,8
„
= 0,28338 „
0,4 „
„
F a.
Alaunlösung.
10 K. C.
= 0,0758 Al₂O₂ und
0,2289 SO
das ist
100 Al₂O₃ : 301,99 SOIm
Ammoniakalaun kommen der Formel nach auf 100 Alaunerde 316,65
SO₃, der etwas zu geringe Schwefelsäuregehalt war
Bestimmungsgrund mit noch einer zweiten Lösung Versuche
anzustellen.
32.
4,5210 Wolle
90,4
„
= 0,0685
„ „
0,2193 „
„
„
„ :
320,29 „
33.
4,44 „
44,4
„
= 0,0661
„ „
0,2284 „
„
„
„ :
345,84 „
34.
3,9710 Baumwolle
39,7
„
= 0,0705
„ „
0,2192 „
„
„
„ :
310,92 „
35.
4,7105 Rohseide
47,0
„
= 0,0651
„ „
0,2323 „
„
„
„ :
356,99 „
F b.
Alaunlösung.
40 K. C.
= 0,3985 Al₂O₃ und
1,2618 SO₃
das ist
100 Al₂O₃ : 316,38 SO₃Im
Ammoniakalaun kommen der Formel nach auf 100 Alaunerde 316,65
SO₃, der etwas zu geringe Schwefelsäuregehalt war
Bestimmungsgrund mit noch einer zweiten Lösung Versuche
anzustellen.
36.
7,2785 Wolle
73
„
= 0,3655
„ „
1,225 „
„
„
„ :
335,16 „
37.
6,9350 „
70
„
= 0,3690
„ „
1,224 „
„
„
„ :
331,70 „
G.
Versuche mit möglichst neutraler Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxyd ergaben, daß alle drei Arten von Fasern sich bald gelb
unauswaschbar färbten, was als ein deutliches Zeichen der
Ablagerung eines basischen Salzes angenommen wurde.
Die Folgerungen, die sich aus dieser Uebersicht ziehen lassen, sind:
ad A. Daß zwar Wolle, Seide und Kohle
durch Aufnahme von etwas Schwefelsäure die Lösung
schwachen, jedoch nicht bedeutend; daß dagegen Baumwolle ohne Einfluß sey (Chevreul fand, daß die Baumwolle Wasser aus der
Lösung anziehe und die Säure etwas stärker zurücklasse).
ad B. Daß Seide das größte
Anziehungsvermögen gegen den Indigo, der sich in
schwefelsaurer Lösung befindet, zeige, daß auf sie die Kohle und auf
diese die Wolle folge, daß endlich die Baumwolle einiges, aber ein sehr geringes
Anziehungsvermögen habe. Daß ferner die Thierfasern und die Kohle neben dem
Indigo auch kleine Mengen Schwefelsäure aufnehmen, daß dieß aber bei Baumwolle
nicht der Fall sey.
ad C. Daß der Gehalt einer Blutlaugensalzlösung von der angegebenen Stärke durch
Digestion mit den Fasern nicht geändert werde. (Chevreul sagt, daß sich das Cyaneisenkalium bei einer viel größern
Menge Wasser, als zur Auflösung des Salzes erforderlich ist, mit der Seide und
Wolle vereinige.)
ad D. Daß durch Wolle, entschälte Seide
und Rohseide mehr von den Bestandtheilen des Weinsteins absorbirt werde, als durch Baumwolle; daß ferner die
zurückbleibende Flüssigkeit einen Kaligehalt, verglichen mit dem
Weinsäuregehalt, hat, der beträchtlich größer ist, als im Weinstein; daß also
vorzugsweise Weinsäure und nur sehr wenig oder gar kein Kali aufgenommen
werde.
ad E. Daß Bleizuckerlösung an Wolle und Seide etwas von dem aufgelösten Salze
abgebe, an Baumwolle jedoch nicht. Daß ferner die thierischen Fasern das Salz in
der Weise zerlegen, daß der Lösung desselben mehr Basis als Säure entzogen wird.
(Dieser Fall kommt bei der Einwirkung gewisser Salze auf Thierkohle –
stehe unten – häufig vor.)
ad F. Daß eine Alaunlösung an Wolle und Seide von dem aufgelösten Salze abgebe, an
Baumwolle aber (wenn dieß geschieht), jedenfalls nur sehr wenig, und daß ferner
mehr Alaunerdeatome entzogen werden im Verhältniß zu den daran gebundenen
Schwefelsäureatomen; es haben nämlich bei allen Versuchen die Alaunerdeatome um
weniges ab, die Schwefelsäureäquivalente aber, verglichen mit jenen der Basis,
etwas zugenommen.Die Abnahme der Basis sowie die Zunahme an Säure sind zwar gering, da sie
aber bei allen Flüssigkeiten, in welchen Faser digerirt worden,
übereinstimmendgefunden wurde, dürfen wir eine zerlegende
Wirkung der Fasern annehmen, obwohl wir nicht verkennen dürfen, daß die
Verdünnung der Lösungen und der Temperatureinfluß auf die dem Maaß nach
zur Analyse genommenen kleinen Mengen, genaue Bestimmungen sehr
erschweren. (Thenard und Roard
gaben an, daß der
Alaun zu den Salzen gehöre, die zwar einer wässerigen Lösung durch Wolle und
Seide zum Theil entzogen, von diesen jedoch so ausgenommen werden, daß eine
Veränderung in der Zusammensetzung nicht stattfindet; der Alaun soll ferner
durch Auswaschen mit Wasser vollständig wieder entzogen werden können.)
Wenn wir in sämmtlichen Versuchsreihen A – F
erkennen, daß die Baumwolle schwächer wirkt als Wolle und Seide, d.h. nur sehr wenig
oder (wenigstens bei den gegebenen Verdünnungen) nichts aufnimmt, so liegt darin
kein Widerspruch gegen die bekannte Thatsache, daß concentrirte Salpetersäure, sowie
starke Aetzkalilösung kräftig auf die Baumwollfaser einwirken, indem sie ihre
chemische (Schießbaumwolle) oder mechanische (mercerisirte Baumwolle) Constitution
zu ändern vermögen.
Allgemeinere Consequenzen aus diesen Versuchsreihen wollen wir dann zu ziehen
versuchen, nachdem wir die Versuche und Ansichten anderer Autoren gewürdigt
haben.
Verdeil legt, wie wir gesehen haben, ein großes Gewicht
auf den Unterschied, den Wolle und Seide einerseits, Baumwolle andererseits gegen
die Beizen zeigen. Er sagt: „Wolle und Seide scheinen eine wirkliche
Verwandtschaft zu den mit den Beizen gemischten Farbstoffen zu besitzen, während
um Baumwolle, Flachs etc. färben zu können, der Farbstoff nothwendig, nachdem er
die Substanz der Faser durchdrungen hat, unauflöslich gemacht worden seyn
muß.
Richtig ist zwar, daß man fast durchgängig in der Baumwollfärberei vorher beizt, und
erst dann, wenn die Beizbase fixirt worden ist, zum Färben schreitet, während es in
der Seide- und Wollefärberei – und zwar in letzterer noch mehr als in
ersterer – Färbeoperationen gibt, in welchen Beize und Pigmentlösung sich
beisammen in einem Bade befinden. Ferner ist richtig, daß der gewöhnliche Alaun an
und für sich in der Wolle- und Seidefärberei vielfach gebraucht wird, während
man sich des abgestumpften (sogenannten neutralen oder cubischen) Alauns, der
leichter Basis abgibt, oder der essigsauren Alaunerde, die ebenfalls unter
Zurücklassung von Basis leicht zersetzt wird oder ähnlicher leicht zerlegbarer
Verbindungen in der Baumwollfärberei bedient.
Man darf aber gegenüber diesem von Verdeil hervorgehobenen
Unterschiede der Färbemethode für thierische Faser einerseits und Pflanzenfaser andererseits, nicht
vergessen, daß beim sogenannten Dampffarbendruck Beize und Farbstoff gleichzeitig
miteinander auf Baumwollstoffe gebracht werden, und man wird doch wohl nicht
annehmen wollen, daß das Princip der Farbenfixirung beim Zeugdruck (Albumindruck
natürlich ausgenommen) ein anderes sey als beim Färben.
Daß gewöhnlicher Alaun, mit dem man Wolle oder Seide imprägnirte, im Stande ist,
Farblösungen das Pigment zu entziehen und auf den Fasern niederzuschlagen, beruht
nicht auf einer starkem chemischen Anziehung letzterer gegen das Pigment, sondern
darin, daß, wie wir gesehen haben (f. Tabelle), diese eben sich mit Alaun
durchtränken, während Baumwolle fast gar keinen aufnimmt. Man sagt, der Alaun ist im
Stande, in Verbindung mit thierischer Faser, kräftiger auf die Pigmentlösung zu
wirken, einen Lack zu bilden, als er es an und für sich oder in Gesellschaft mit
Baumwolle ist. Diese Lehre ist falsch, obschon sie durch viele Handbücher, worin die
Eigenschaften der Farblösungen abgehandelt werden, hindurch zieht.
Man gibt z.B. an: 1) daß die Lösungen des blauen Pigments, des CampecheholzesPersoz, Traité de l'impression des
tissus, vol. I. p. 350. (die Decocte, von welchen allein in der Praxis die Rede seyn kann, nicht die
Lösungen der reinen Farbstoffe), sich gegen Alaunlösung verhalten, wie gegen eine
Säure, d.h. daß sie dadurch ins Gelbliche gezogen werden, ohne Niederschlag zu
bilden; 2) daß eine Fernambukholzabkochung durch eine Alaunlösung ins Carmesinrothe
gefärbt werde, aber klar bleibe;Vitalis, Cours élémentaire de
teinture. 3) daß Cochenilleabkochung durch Alaunlösung carmesinroth gefärbt werde,
ohne daß sich ein Niederschlag bilde.E. L. Schubarth, Elemente der technischen Chemie.
Bd. III. Niederschläge würden, so wird angenommen, nur dann gebildet, wenn andere
Anlässe zum Niederfallen der Alaunerbe hinzutreten und diese flockig ausgeschiedene
Vase Farbstoff mit niederreiße.
Diese Beobachtung ist höchst mangelhaft. Diese drei Pigmentlösungen, sowie mehrere
andere, geben allerdings, namentlich beim Erwärmen, Niederschläge mit Alaunlösung, wenn man nur die Vorsicht gebraucht, von
dieser möglichst wenig zuzusehen, bei raschem Zugießen einer größern Menge derselben
werden jedoch nur Färbungen, den beschriebenen ähnlich,
hervorgebracht. Sowie Alaunlösung verhält sich auch die des Zinnchlorids, was in der
sogenannten „Physik“ der Seidenfärber vielfach gemeinschaftlich
mit Farbstofflösung in Anwendung kommt.
Maschke endlich leitet die Annahme, daß chemische
Anziehung zwischen Thierfasern und den Pigmenten stattfinde, daher ab, daß dieselben
mittelst Durchtränkung gefärbt werden. Man kann aber diesem Schlusse Folgendes
entgegenhalten.
Die Färber wissen, daß Indigblauschwefelsäure sowohl Wolle als Seide auch ungebeizt
färbt; wenn dieß keinen Zweifel erleidet, so scheint doch unbeachtet geblieben zu
seyn, daß die auf solche Weise gefärbte Seide, nachdem sie in Wasser so lange
gespült worden, bis dieß ungefärbt abläuft, in eine größere Menge destillirten
Wassers längere Zeit eingelegt, sich allmählich und bei häufiger Wassererneuerung
vollständig entfärbt. Dasselbe läßt sich auch, nur
viel weniger leicht, mit Wolle bewirken.
Cochenilleauflösung und Fernambukabkochung färben allerdings Seide und Wolle direct,
aber auch in diesem Falle werden die letzteren durch fortgesetztes Behandeln mit
destillirtem Wasser völlig entfärbt.
Es muß überdieß doch daran erinnert werden, daß der mikroskopischen Beobachtung
vielleicht die Berechtigung ganz abgeht zu dem Schlusse, den Maschke und Andere ziehen. Wenn in der gefärbten Wolle- und
Seidefaser nichts darauf hindeutet, daß der Farbstoff an bestimmten Stellen
abgelagert ist, sondern dieselbe ganz gleichmäßig gefärbt erscheint, so ist dieses
Verhältniß ganz dasselbe, wie in der gefärbten Leimfolie. Die klare Leimlösung gibt
mit verschiedenen Farbstofflösungen, und zwar solchen von beliebiger Intensität,
eine klare Gallerte und nach dem Trocknen eine transparente, unter dem Mikroskop
völlig gleichartig erscheinende Folie. Eine klare
Gummilösung verhält sich ganz auf gleiche Weise. Es beweisen die Beobachtungen Maschke's direct nur die Aufsaugungsfähigkeit der Thierfasern gegen Farbstofflösungen.
Wir kommen nun zur Entscheidung der Frage: Ist man bei diesem Stand der Dinge
genöthigt oder berechtigt, alle, mit oder ohne Dazwischenkunft von Beize, gefärbten
Fasern als chemische Verbindungen anzusehen?
Schon Persoz hebt hervor, daß eine Gruppe von
Erscheinungen den Chemikern wohlbekannt ist, mit welchen die in Frage stehenden
große Analogie bieten: die Anziehung der Kohle und anderer feinvertheilter fester
Körper gegen Farbstofflösungen und gelöste Salze. Nachdem er die bis zur Zeit des
Erscheinens seines Werkes gemachten Erfahrungen über die entfärbende und
absorbirende Kraft der Kohle, welche freilich seither beträchtlich erweitert worden,
aufgezählt hat, gelangt er jedoch zu dem Ausspruch, daß wenn auch eine ähnliche
Juxtaposition der färbenden Theile und der Faser angenommen, also eine chemische
Anziehung geläugnet werden müsse, dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen der
Anziehung der Kohle gegen gelöste Salze und Pigmente und der der Fasern gegen
dieselben Stoffe
bestehe. Es hat sich bei ihm die Meinung festgesetzt, die färbende Verbindung lagere
sich nur an der Oberfläche der Faser ab, diese vorgefaßte Meinung bewegt ihn, eine
Cohäsionserscheinung zweier fester Körper, die verschieden ist von derjenigen, die
sich zwischen Kohle und färbenden Flüssigkeiten ergibt, anzunehmen. Letztere Ansicht
motivirt er durch die angebliche (jedenfalls unrichtige) Beobachtung: Die Fasern (er
sagt nicht welche) müßten, wenn sie sich ganz so wie Kohle verhielten, ein
Cochenille-, Wau-, Krappbad ebenso entfärben, wie die Kohle, das
Gegentheil aber sey constatirt; denn man wisse, daß die von fremden Stoffen gut gereinigten Fasern gar keine Farbstoffe aus den Lösungen
anziehen, während dieß um so leichter geschehe, je mehr Metalloxyd oder
Fettsubstanz auf der Faser hafte.
Es ist das Verhalten der Thier- und Pflanzenfaser (gut gereinigter) gegen
Indigblauschwefelsäure, das der animalischen Faser gegen Cochenille,
Campeche- und Fernambukholz berichtet worden; dieß, sowie die mikroskopischen
Beobachtungen von Maschke, und sogar die Erfahrungen der
Färber, daß Krapp, Curcuma, Gelbholz und einige andere Farbstoffe auch in
ungeheizte, vollständig gebleichte Baumwolle etwas einfärben, – alles das
zusammen zeigt deutlich, daß die reinsten Fasern Pigmente aufzunehmen vermögen. Wir
wollen nicht bestreiten, daß der Regel nach ein Gewichtstheil gut präparirter
Thierkohle im Stande ist, eine größere Menge Farblösung zu entfärben, als ein
Gewichtstheil Wolle oder Seide; wir können sogar zwei sich einander ergänzende
Thatsachen namhaft machen, die ein deutlicheres Licht auf das Verhalten dieser
Körper gegen Pigmentlösungen werfen:
1) Wolle und Seide können nicht dazu dienen, eine Pigmentlösung
gänzlich zu entfärben, wie Kohle; ihre Wirkung reicht
nur bis zu einer gewissen Verdünnung, die letzten Farbstofftheilchen lassen sich
aber nicht aus der Lösung entfernen;
2) was wir von Wolle und namentlich Seide schon gemeldet haben,
daß die Pigmente (ohne Beize), die sie aufgenommen haben, sich durch vieles Wasser
wieder daraus entfernen lassen, ist bei Kohle nicht, oder nur in sehr schwachem
Maaße möglich.
Beide Versuche beweisen, daß die Kraft, mit der die Farbstoffe in Wasser gelöst
werden, vollständiger überwunden wird durch Kohle, als durch die thierischen
Fasern.
Die Baumwolle wirkt, wie wir aus obigen Versuchsreihen gesehen haben, weit weniger
als Wolle und Seide, sowohl auf Salz- als Pigmentlösungen; das aber darf uns
nicht überraschen, wenn wir ihren Bau mit jenem der letztem vergleichen, und uns erinnern, wie diese
eben in Folge ihrer Konstitution (was schon lange bekannt ist) sich als stark
Feuchtigkeit aufsaugende – hygroskopische – Körper ausweisen.
Dieselben quellen auf in Feuchtigkeit, vermöge einer gewissen Porosität oder
lockeren Aneinanderlagerung ihrer Theilchen, sie werden leicht ihrem ganzen
Querschnitt nach von Feuchtigkeit durchdrungen. Aehnlich nun (von jeder.
Nebenwirkung vorläufig abgesehen) verhalten sie sich gegen Salz- und
Pigmentlösungen, während die Zellwand der Baumwolle sehr dicht, also weniger
durchdringlich, und zudem dünn, also wenig Flüssigkeit zurückzuhalten im Stande ist.
Argumentirt man endlich, um einen principiellen Unterschied zwischen Thier-
und Pflanzenfaser zu beweisen, damit, daß letztere erst durch eine auf ihr
abgeschiedene, d.h. unlöslich gemachte Beizbasis mehr wirksam werde, so erinnern wir
an Versuche von Stenhouse, der die entfärbende Kraft von
Holzkohle beträchtlich dadurch vermehrte, daß er auf ihr einen Alaunerdeniederschlag
hervorbrachte. Wir vermögen demnach, wenn wir die Kraft der Fasern und Kohle, sey es
Salzlösungen, sey es Pigmentlösungen in ihrem Gehalte zu schwächen, betrachten,
zwischen diesen Substanzen nur einen Unterschied zu erkennen, der sich auf den Grad
der Wirkung, nicht aber auf die Natur der Kraft bezieht.
Die Fasern aber, namentlich die thierischen, äußern nicht nur Anziehungen gegen die
mehrgenannten Lösungen, sondern sie bewirken auch Zersetzungen. Ist nicht hierin der
Beweis chemischer Einwirkung zu suchen? Wir lernen aus zahlreichen Untersuchungen
– den älteren – von Payen, Bussy, Graham,
Chevalier – und späteren – von Filhol,Compt. rend. T. XXXIV p. 247; polytechn. Journal Bd.
CXXIV S. 450.
Weppen,Annalen der
Chemie und Pharmacie, Bd. LV S. 241; polytechn. Journal Bd. CXVIII S. 404.
Esprit,Journal de Pharmacie, 3e Ser., Vol. XVI. p. 192 et 264;
polytechn. Journal Bd. CXVIII S.
45.
Schönbein,Poggendorff's Annalen Bd. LXXVIII S. 521;
polytechn. Journal Bd. CVIII S.
236.
Guthe,Archiv der
Pharmacie, 2te Reihe, Bd. LXIX S. 121.
Stenhouse,Annalen
der Chemie und Pharmacie, Bd. CI S. 243; polytechn. Journal Bd. CXLIV S. 148. trotz
manchen Abweichungen in den Einzelnheiten, einige übereinstimmende Resultate
kennen:
1) Daß eine und dieselbe Kohle stärker auf eine Lösung wirke,
und schwächer auf die andere.
2) Daß Kohlen von verschiedener Abstammung oder Präparation
sehr verschiedene Wirkungen haben können.
3) Daß die Kohle einige Salze im unveränderten Zustand aus
ihren Lösungen abscheide, daß sie aber in anderen gleichzeitig Zersetzungen hervorbringe. Die letzteren bestehen entweder in kräftigerem
Anziehen der Basis und Zurücklassen der Säure oder eines sauren Salzes, oder in
einer Reduction der Basis auf eine niedrigere Oxydationsstufe.
Reductionen der Basen durch Berührung von Metall-Salzlösungen mit Fasern sind
unseres Wissens noch nicht beobachtet worden, dagegen Zerlegungen neutraler in saure
und basische Verbindungen finden wir in obiger Tabelle mehrere notirt. Also auch in
diesem Verhalten stellen sich die Fasern der Kohle sehr nahe.
Fassen wir die Folgerungen, die theils aus den angeführten Beobachtungen, theils aus
allgemeinen Betrachtungen gezogen werden dürfen, zusammen, so ist als festgestellt
zu betrachten:
A. Mit Hinsicht auf die Stellen der Faser, an welchen
sich die Farben absetzen.
1) Die Durchdringung der Fasern mit Farbstoff ist durchaus nicht
so allgemein der Fall, wie es Verdeil und Oschatz annehmen, und die äußerliche
Farbstoffablagerung darf nicht als Ausnahmsfall angesehen werden.
2) Die Ansicht von Persoz, daß nur
oberflächliche Farbstoffablagerung das Gefärbtseyn der Faser bedinge, ist
ebensowenig richtig.
3) Seide und Wolle erscheinen in allen den Fällen, wo nicht mit
nur suspendirten Farbstoffen gefärbt worden, durch ihre ganze Masse mit den
Pigmenten oder Lacken imprägnirt.
4) Diese beiden Faserarten, namentlich aber die erstere, sind in
der Mehrzahl der Fälle nicht nur innen, sondern auch durch äußerlich angelegte
Pigmentschichten gefärbt.
5) Bei der Baumwolle findet die Färbung mittelst Durchdringung
der Zellwand oft gar nicht und gewöhnlich nur in sehr schwachem Maaße statt. Bei
weitem die Hauptmasse der färbenden Materie liegt auf der
Faseroberfläche.
6) Die Anschauung von Walter Crum, daß
zwei parallellaufende angeschwollene Canäle in der Baumwollfaser den Farbstoff
besonders aufnehmen, ist unrichtig. Dagegen sind einzelne Fälle nachweisbar, daß
die Farbsubstanz in das Innere des Schlauches eindrang und diesen zum Theil
erfüllte.
B. Mit Hinsicht auf die Kraft, welche Farbsubstanz und
Faser zusammenhält.
7) Das Anziehungsvermögen, das Baumwolle gegen Salzlösungen,
verdünnte Säuren u.s.w., zeigt, ist in allen Fällen geringer als das der Wolle und Seide. Ein Fall, daß erstere Faserart
in entgegengesetztem Sinn wirke, als die letzteren,
ist nicht constatirt. (Chevreul, Thenard und Roard geben an, die Seide und Wolle wirke verdünnend
auf Schwefelsäurelösung, die Baumwolle aber wasseranziehend, also
concentrirend.)
8) Es ist kein Grund vorhanden, die Ansicht festzuhalten, welche
hauptsächlich und am einläßlichsten von Chevreul
entwickelt wurde, daß nämlich die Färbung eine Folge chemischer Anziehung sey. Weder die von ihm und vor ihm gemachten
Versuche über das Anziehungsvermögen der Fasern gegen gewisse in Lösung
befindliche Körper, noch selbst die seither gemachten Beobachtungen, daß
einzelne Fasern mittelst Durchdringung (Infiltration) gefärbt seyen, nöthigen zu
dieser Ansicht, es stehen ihr vielmehr wichtige Thatsachen geradezu
entgegen.
9) Die Beizen dienen zur Herstellung unlöslicher Farben (Lacke).
Das Verhalten derselben zu den Farbstofflösungen muß auf Rechnung einer
chemischen Verbindung geschrieben werden, in die aber die Faser nicht mit
hineingezogen wird. Sogenannte substantive Farben sind nur solche, die aus
anderen Ursachen als wegen des Zusatzes von Beize in unlöslichen Zustand
übergehen.
10) Das Verhalten der Fasern, sey es gegen Salzlösungen (Beizen),
sey es gegen gelöste Pigmente, oder gegen beide bei gleichzeitigem oder
successivem Zusammenbringen mit denselben, gehört in dieselbe Classe von
Erscheinungen, die wir beim Zusammenbringen solcher Lösungen mit fein
vertheilten mineralischen oder organischen Stoffen, z.B. Kohle, beobachten. Die
Bedenken, welche seiner Zeit Persoz bestimmten diese
allgemeine Theorie für unzulässig zu halten, fallen dahin, da sie auf der
Voraussetzung eines Thatbestandes beruhen, der sich, wie es seitherige
Untersuchungen beweisen, nicht erwahrt.
Nachschrift.
Es ist mir, nachdem der größere Theil der vorstehenden Abhandlung schon gedruckt war,
das 7te Heft 1859 des „Journal für praktische Chemie von O. L. Erdmann und Werther“ zugekommen. Aus diesem Hefte (Bd. LXXVI S. 385)
erhielt ich Kenntniß von einer Mittheilung von Prof. Erdmann
„über die Wirkungsweise der Beizmittel, namentlich des Alauns, beim Färben
der Baumwolle.“ Ich bin – wäre es auch nur um der Vollständigkeit
willen – genöthigt, über die Arbeit, welche der geehrte Herausgeber dieser
Zeitschrift mit einem seiner Praktikanten, Mittenzwey,
ausführte, hier kurz zu berichten und die folgenden Bemerkungen zu derselben zu
machen:
1) Wenn darin gesagt wird: „so sind die Vorgänge beim Färben der Zeuge kaum
jemals Gegenstand einer genauem wissenschaftlichen Untersuchung
gewesen,“ so darf wohl entgegnet werden, daß, wie aus meiner kurzen
historischen Zusammenstellung gewiß hinlänglich hervorgeht, mit diesem Urtheil die
Thätigkeit der Vorgänger als stark unterschätzt erscheine.
2) Es ist wohl einem Versehen zuzuschreiben, daß meines früher mitgetheilten
Versuches „über das Färben der amorphen Baumwolle“S. Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. CVI S.
235, daraus übergegangen in O. L. Erdmann's
Journal für prakt. Chemie Bd. LXXIV S. 381, und in das polytechn. Journal
Bd. CXLIX S. 142. gar
keiner Erwähnung in der Erdmann'schen Mittheilung
geschieht. Es wird gesagt: Hr. Mittenzwey habe das
Verhalten structurloser Cellulose gegen Beizmittel zunächst gegen Alaun untersucht,
um die Frage zu entscheiden: „ob die Structur der Baumwollfaser, wie unter
Anderm W. Crum's Theorie voraussetzt, beim Proceß des
Färbens wesentlich sey.“ Diese Frage wird mit Recht verneint, wie es
aber schon durch mich im Frühling 1858 geschehen war.Zur Unterstützung dieser Ansicht habe ich
damals, gerade wie es jetzt von Prof. Erdmann und
Mittenzwey geschah, schwefelsauren Baryt und
andere pulverige mineralische Körper gebeizt und mit verschiedenen
Farbholzabkochungen gefärbt, und diese Präparate in der Sitzung der
zürcherischen naturforschenden Gesellschaft vorgewiesen. Die betreffende Stelle heißt: „Ich möchte in vorliegender
Mittheilung in Kürze nur das erwähnen, daß sich aus diesem Verhalten die
Folgerung ableiten läßt, daß die Structur der Baumwollfaser mit deren
Farbanziehungsvermögen nichts zu thun hat. Bekanntlich steht diese Annahme in
Widerspruch mit einzelnen der über den Färbeproceß aufgestellten Theorien (W.
Crum's z.B.).“
3) Das Resultat, daß sich die Baumwolle (structurlose und organisirte) weder mit
Alaun verbindet, noch ein basisches Salz oder Thonerde abscheidet, ist durch meine
Versuche über das Verhalten der Fasern gegen dieses Salz bestätigt.
4) Bestätigt wird ferner ein Theil meiner seit Jahren gemachten, nicht
veröffentlichten, aber bei meinen Vorlesungen häufig mitgetheilten Beobachtungen
über das Verhalten der Farbstofflösungen gegen Alaunlösung bei geringem Zusatz des letztern. Man wird beim Durchlesen meiner Abhandlung
finden, daß meine Erfahrungen in dieser Beziehung etwas weiter ausgedehnt sind,
als die von Prof. Erdmann mitgetheilten, und daß ich sie
in einer andern Nutzanwendung anführe, von der sogleich die Rede seyn soll.
5) In der Abhandlung von Erdmann heißt es: „Es
wurde Alaunlösung gewählt, nicht nur, weil sie eines der gewöhnlichsten
Beizmittel ist, sondern vorzüglich deßhalb, weil sie in der Wärme nicht zersetzt
wird.“ Der letztere Grund läßt sich sehr leicht verstehen, gegen den
erstem ist aber zusagen, daß Alaunlösung keineswegs in der
Baumwollfärberei eines der gewöhnlichsten Beizmittel ist. Es dient im
Gegentheil fast ausnahmslos sogen, abgestumpfter, d.h. mit Soda theilweise
zersetzter Alaun, oder essigsaure Alaunerde, oder schwefelsaure Alaunerde, oder nach
dem Alaun ein Seifebad etc. in den Operationen des Baumwollefärbers. Dieses
Verhältnisses wird in der Erdmannschen Abhandlung an
einer andern Stelle freilich auch gedacht, dann aber hinzugefügt: „Diese
Erklärung genügt aber durchaus nicht (d.h. die Ablagerung eines basischen Salzes
aus den gebräuchlichen Alaunbeizen), wenn die Baumwolle durch Beizen mit Alaun,
der kein basisches Salz auf die Faser absetzt und vollständig wieder
ausgewaschen werden kann, zum Färben vorbereitet worden ist.“ Wenn
aber der Fall, daß man in der Praxis Baumwolle mit Alaun beizt, so zu sagen nicht
vorkommt, so ist mit der Darlegung des Verhaltens der Pigmentlösungen gegen Alaun,
wenigstens für die Theorie der Baumwollfärberei nichts genützt. In meiner
vorstehenden Abhandlung habe ich deßhalb dieses bisher unbeachtet gebliebene
Verhalten auf die Wolle- und Seidenfärberei bezogen, ausdrücklich aber die
Reserve gemacht, daß eine Nebenwirkung (die theilweise Zerlegung des Alauns durch
diese Fasern) dabei nicht unbeachtet gelassen werden dürfe.
6) Die hauptsächlichste Folgerung: daß die färbende Verbindung an der Faser der
Baumwolle nur mechanisch anhafte, und daß die Faser beim Färben chemisch unwirksam
sey, ist richtig. Wir haben gesehen, daß schon Persoz und
frühere Forscher diese Meinung aussprachen, und ich bemerke, daß ich dieselbe aus
ganz anderen Beobachtungen abgeleitet, ebenfalls in der kleinen Mittheilung, die ich
im Mai 1858 publicirte, zu der meinigen machte. Wer die mannichfaltigen und
widerspruchsvollen Untersuchungen und theoretischen Betrachtungen, die von einer
Reihe von Chemikern über diesen Gegenstand gemacht wurden, kennt, und die
Verschiedenartigkeit und Schwierigkeiten des Erkennens der Erscheinungen, von
welchen ich oben zu berichten hatte überschaut, dem muß es deutlich werden, daß eine
allgemeine Theorie der Färberei auf breiterer Grundlage aufgebaut werden müsse, als der
Untersuchung über die „Wirkungsweise der Beizmittel, namentlich des
Alauns, beim Färben der Baumwolle.“
Wenn indessen ein bewahrter Förderer der Wissenschaft in einigen Beobachtungen, die
in der vorliegenden Frage wesentlichen Ausschlag geben können, mit mir
übereinstimmt, und obwohl andere Wege der Untersuchung und der Induction
einschlagend, in einer Hauptfrage zu dem gleichen Schlusse kommt, so kann das Allen,
welche an dieser Materie Interesse haben, zur Erleichterung der Bildung eines festen
Urtheils dienen, mit aber nur zur Freude gereichen.