Titel: | Ueber die Beleuchtung durch Wasserstoffgas und carbonisirtes Wasserstoffgas, mit Bezugnahme auf B. Verver's Untersuchungen; von Th. Bromeis. |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. VIII., S. 33 |
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VIII.
Ueber die Beleuchtung durch Wasserstoffgas und
carbonisirtes Wasserstoffgas, mit Bezugnahme auf B. Verver's Untersuchungen; von Th. Bromeis.
Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd.
III S. 82.
Bromeis, über die Beleuchtung durch Wasserstoffgas und
carbonisirtes Wasserstoffgas.
Während die Versuche, dem Steinkohlen- und Harz-Leuchtgas andere
Beleuchtungsmittel zu substituiren, in der Pettenkofer'schen Holzgasbeleuchtung mit gutem Erfolg gekrönt und mit dem
lebhaftesten Beifall an manchen Orten aufgenommen wurden, blieb die Methode der
Beleuchtung vermittelst Wasserstoffgas und gekohltem Wasserstoffgas, weil deren
Erfolg nicht momentan ein vollständiger war, kaum beachtet. Indessen finden wir doch
auch, daß die Bestrebungen auf ihre Ausbildung keineswegs ganz erlahmt gewesen sind.
In einem Werkchen, welches unter dem Titel erschien: L'éclairage au gaz à l'eau à Narbonne et
l'éclairage au gaz Leprince, examinés et comparés par
B.
Verver (Leide, A. W.
Sythoff, 1858), erinnert der Hr. Verfasser nicht
allein an diese so schnell wieder fast ganz in Vergessenheit gerathenen
Beleuchtungsmethoden, sondern er hat es auch unternommen den Gegenstand einer neuen
ausführlichen und mit vieler Gründlichkeit durchgeführten Untersuchung zu
unterziehen.
Da die nächste Veranlassung zu dieser Arbeit die an den Hrn. Dr. Verver, Lehrer d. Chemie und Physik am k.
Athenäum zu Maastricht, von Seiten des Gemeinderaths dieser Stadt gerichtete Frage
war, ob das Wasserstoff-Leuchtgas, dessen Einführung der Stadt durch eine in
Frankreich bestehende anonyme Gesellschaft offerirt worden war, dem von
Leprince in Lüttich und an mehreren anderen Orten
Belgiens eingeführten gekohlten Wasserstoffgase (gaz
mixte) vorzuziehen sey, so befand sich der Hr. Verfasser durch das
Interesse, welches die anonyme Gesellschaft sowohl wie Hr. Leprince in dem Urtheil eines competenten Richters und in der Verbreitung
ihrer Beleuchtungsmethoden finden mußten, in der Lage, die zu Narbonne begründete
Fabrik für Wasserstoffgas, sowie die nach dem belgischen Verfahren ausgeführten
Einrichtungen einer genauen Besichtigung und Prüfung ihrer gesammten Verhältnisse
unterwerfen zu können.
Die beiden Beleuchtungsmittel sind nicht neu. Von der Entdeckung Fontana's, daß das Wasser auch dadurch zu zerlegen sey,
daß man seinen Dampf durch glühende mit Eisendraht oder mit Kohlen gefüllte Retorten
leitet, scheint zuerst Donavan in Dublin in großartigerem
Maaßstabe Anwendung gemacht zu haben. Seine Methode, den Wasserdampf unter Anwendung
von glühenden Kohlen zu zerlegen, benutzte dann Selligue
in Paris 1834, um das gebildete Wasserstoffgas mit Hülfe des durch Destillation aus
dem bituminösen Mergelschiefer von Autun gewonnenen Oels, durch die darin bereits
vorhandenen flüchtigen sowie durch die aus seiner Zersetzung in höherer Temperatur
resultirenden Kohlenwasserstoffe, in wirkliches Leuchtgas zu verwandeln. Dagegen
scheint die Beleuchtung durch Wasserstoffgas allein zuerst von Gillard zu Passy bei Paris im Großen ausgeführt worden zu seyn.Man s. Henry's Bericht über die dortige
Beleuchtungsmethode im polytechn. Journal Bd. CXVI S. 222.
Die Benutzung dieses bei seiner Verbrennung so gut wie gar nicht leuchtenden
Wasserstoffgases als Beleuchtungsmittel beruht bekanntlich darauf, daß man die
Bedingungen herbeiführt, unter welchen überhaupt brennbare Gase als
Beleuchtungsmittel dienen können, nämlich indem feste Körper durch die Flamme zum
Erglühen gebracht werden. Während aber die gekohlten Leuchtgase eben in ihrem in der
Hitze der Flamme durch Gaszersetzung sich theilweise ausscheidenden Kohlenstoff
diesen starren Körper selbst mit sich führen, ist in dem Wasserstoffgase ein solcher
nicht vorhanden. Indem nun die Leuchtkraft von der Höhe der Temperatur abhängt, in
welcher der erglühte feste Körper sich befindet, bei der Verbrennung des
Wasserstoffs aber eine außerordentlich hohe Temperatur auftritt, so liegt es sehr
nahe, mit Hülfe dieses Gases ein höchst intensives Licht zu erzeugen, indem man
einen unverbrennlichen Körper, wozu man am besten eine Spirale oder geradezu einen
Docht aus feinem Platinadraht gefertigt wählt, in der heißen Flamme des brennenden Gases
zum Weißglühen bringt.
Der Verwendung des Wasserstoffgases als Leucht- und Heizmaterial stellten sich
besonders große Schwierigkeiten in den Weg durch die Anklagen, welche aus Rücksicht
für die Gesundheit der Consumenten wegen des angeblich sehr bedeutenden Gehalts an
Kohlenoxydgas, diesem allerdings die gefährlichsten Erstickungszufälle
herbeiführenden Körpers, erhoben wurden. Allein wenn auch bei einem
Beleuchtungsversuche mit diesem Gase, der im Invaliden-Hôtel zu Paris
unter der Leitung und mit dem (vorstehend beschriebenen) Apparate des englischen
Ingenieurs Kirkham angestellt wurde, sich ergab, daß das
erzeugte Gas 30 bis 40 Procent Kohlenoxydgas enthielt, und wenn ferner ein nicht
unbekannter französischer Chemiker, Langlois,Siehe polytechn. Journal Bd. CXLVII S.
445. gestützt auf eigene Versuche, die Anwendung des in oben angegebener Weise
hergestellten Wasserstoffgases wegen seines allzu großen Gehalts an Kohlenoxydgas
ebenfalls öffentlich widerrieth, so haben leider die Angaben kein Gehör gefunden,
denen zufolge sich Wasserstoffgas durch die Einwirkung von
Wasserdampf auf glühende Holzkohlen oder Kohks mit einem an Kohlenoxydgas
geringeren Gehalte herstellen läßt, als solcher selbst in dem gewöhnlichen
Steinkohlenleuchtgas vorhanden ist.
Um dieses einzusehen, muß zuvor bemerkt werden, daß zur Bildung von 1 Aequivalent
Kohlenoxydgas auch 1 Aequivalent Wasserdampf zerlegt werden muß, dessen Wasserstoff
in Freiheit gesetzt wird, während dessen Sauerstoff sich mit 1 Aequivalent
Kohlenstoff zu eben jenem Kohlenoxydgas verbindet. Begegnet nun in noch höherer
Temperatur, als bei der zu dem eben erwähnten Vorgang erforderlichen
Dunkelrothglühhitze, dem Kohlenoxydgase abermals Wasserdampf, so entzieht, wie
dieses Hr. Dr. Verver
experimentell bestätigt hat, unter günstigen Umständen das Kohlenoxydgas dem
Wasserdampf wiederum dessen Sauerstoff, um sich damit zu dem durch Aetzkalk leicht
zu beseitigenden Kohlensäuregas zu vereinigen, während ein neuer Antheil von
Wasserstoffgas frei wird. Nur in dem Falle, daß die entstandene Kohlensäure nicht
schnell genug dem Gaserzeugungsapparat entzogen, sondern einige Zeit lang mit den
glühenden Kohlen im Contact gelassen wird, kann die Rückbildung von Kohlenoxyd und
zwar eines doppelt so großen Volums, als zuvor, unter Verwendung eines neuen
Kohlenstoffäquivalents erfolgen.
Nachdem schon Gillard behauptet hatte, daß sein
Wasserstoffgas frei von Kohlenoxydgas sey – eine Behauptung, welche die
Redaction des Jahresberichts über die Fortschritte der Chemie (Jahrg. 1850, S. 687)
als eine Illusion zurückgewiesen, theilte Jacquelain im
Jahre 1856 (polytechn. Journ. Bd. CXL S.
129) die Principien eines Verfahrens mit, welches er sich schon 1854 für
England hatte patentiren lassen, und nach welchem er ein reines Wasserstoffgas
erzielt zu haben vorgibt. Es heißt in der Uebersetzung am a. O. wörtlich:
„der Kohlenstoff wirkt auf den Sauerstoff des Wassers gerade so, als
wenn letzterer (der Sauerstoff) im freien Zustande wäre. Bringt man nämlich den
Wasserdampf mit Kohlenstoff bei Hellrothglühhitze in Berührung, so erhält man
Kohlenoxyd- und Wasserstoffgas, wenn der Kohlenstoff im Ueberschuß
vorhanden ist; man erhält hingegen Kohlensäure und Wasserstoff, wenn man den
Kohlenstoff in überschüssigem Wasserdampf verbrennt, weil das anfangs gebildete
Kohlenoxyd den Wasserdampf zersetzt und dadurch in Kohlensäuregas umgewandelt
wird.“
Von diesen durch die Praxis und durch die Versuche des Hrn. Dr. Verver bestätigten Beobachtungen Jacquelain's scheint Langlois
keine Notiz genommen zu haben, er hätte sonst wohl aus den eigenen Experimenten
einen andern Schluß gezogen. Indem er es nämlich in Betreff der Bildung von
Kohlenoxyd und Kohlensäure als ausgemacht unterstellt, daß die letztere zuerst
auftrete und das Kohlenoxyd nur ein secundäres Product, eine Folge der Desoxydation
der Säure durch die glühende Kohle sey, mußte er bei seinem Versuch, bei welchem er
ein einziges Stück Kohle von nur 8 Kubikcentimeter Volum dem Wasserdampf aussetzte
und hauptsächlich Kohlenoxydgas erhielt, so schließen, wie er gethan hat. Allein
seine Prämisse war unrichtig, das Kohlenoxyd entstand zuerst und konnte wegen
Mangels an überschüssigem Wasserdampf nur zum kleinsten Theil zu Kohlensäure
verbrennen. (Vergl. das am a. O. zuletzt erwähnte Zahlenresultat.) Wenn Bunsen, auf dessen in Poggendorff's Annalen Bd. XLVI S. 207Im polytechn. Journal Bd. LXXII S.
441. mitgetheilte Versuche Langlois Bezug nimmt, bei
der Einwirkung von Wasserdämpfen aus glühende Kohlen gefunden hatte, daß Kohlensäure
und Kohlenoxyd genau in dem Atomenverhältniß von 2 : 1 standen, so war er doch auch
geneigt, diesen Umstand als einen rein zufälligen zu betrachten. Er gibt in seiner
berühmten Untersuchung der gasförmigen Producte des Hohofens an, daß die Kohlensäure in dem obern
Theile des Ofens besonders reichlich auftrete, wo die herrschende Temperatur und die
vorhandene Wasserdampf-Atmosphäre das Entstehen derselben begünstigen,
während von einem gewissen Punkte ab nach der Tiefe hin die Menge des Kohlenoxyds
sich fast ganz gleich bleibe.
„Diese Thatsache“ sagt Bunsen (1839)
„scheint zu beweisen, daß der Sauerstoff der eingeblasenen Luft, bei
dem vorhandenen Ueberschuß von glühendem Kohlenstoff, denselben sogleich zu
Kohlenoxyd verbrennt, und daß mithin die niedere Oxydationsstufe bei der
Verbrennung gleich ursprünglich so lange gebildet wird, als nicht ein Uebermaaß
von Sauerstoff vorhanden ist, um das gebildete Kohlenoxyd zugleich zu
Kohlensäure zu verbrennen. Diese Ansicht wird durch den Umstand unterstützt, daß
die meisten einfachen Stoffe, bei ihrer directen Verbrennung, die niederen
Verbindungsstufen bilden, und nur dann eine höhere, wenn die niedere selbst
verbrennlich und Sauerstoff im Uebermaaß vorhanden ist.“
Wenn man also schon wußte, daß aus dem Wasserdampf, welcher sich in Berührung mit
glühenden Kohlen befindet, Sauerstoff frei werden und Kohlenstoff sich oxydiren
kann, und wenn man ferner die Ansicht ausgesprochen hatte, daß die Bildung von
Kohlenoxyd derjenigen von Kohlensäure vorausgehe, daß dagegen zur Entstehung der
letztern immer eine besondere Zufuhr von Sauerstoff erforderlich seyn möge, so lag
es nicht sehr fern, diese Zufuhr in einer neuen Menge von Wasserdampf zu suchen, und
zwar um so mehr, als es auch bereits geglückt war, das zu den Beleuchtungsversuchen
dienende Wasserstoffgas so gut wie fast frei von Kohlenoxyd und nur reichlich mit
Kohlensäure vermischt darzustellen.
Langlois hat seine Versuche in Beziehung auf Temperatur,
auf Natur und Quantität der Kohle variirt, nicht aber in Rücksicht auf verschiedene
Mengen von Wasserdampf, wodurch sein abweichendes Resultat herbeigeführt wurde.
Ohne speciell auf die in dem oben erwähnten Werkchen dargelegte Fabricationsmethode
sowie auf die eben so gründliche wie wissenschaftliche und parteilose Durcharbeitung
des Gegenstandes selbst einzugehen, entnehmen wir nur aus dem Schriftchen des Hrn.
Dr. Verver, daß Narbonne
im südlichen Frankreich, eine Stadt von 12,000 Einwohnern, mit Anwendung von
Wasserstoffgas beleuchtet wird, welches nach seiner Untersuchung nur 3,54 Proc.,
nach van den Broeck 3,47, nach Barruel, Dussaux und Prax 2,5 bis 5 Proc.
Kohlenoxydgas enthält. In dem zu Passy bei Paris dargestellten Gase fand Payen 6 Proc. von diesem Gase, während das gut gereinigte
Steinkohlen-Leuchtgas selten unter der drei- bis vierfachen Menge und
meist gegen 14 Proc. davon enthält.
Bei einem Gasverbrauch von 3,234 preuß. Kubikfuß in der Stunde entsprach die
Leuchtkraft derjenigen von 5,22 Wachskerzen – eine Wirkung, welche
gestattete, daß in Narbonne, dessen Straßenbeleuchtung als vollkommen bezeichnet
wird, die Laternen in einem Abstand von beinahe 160 rhein. Fuß aufgestellt werden
konnten. Die Schönheit des Gases soll nichts zu wünschen übrig lassen, da die große
Beständigkeit und Unbeweglichkeit des Lichts diese Art der Beleuchtung zu einer der
angenehmsten macht, indem es ja ein zur Weißgluth gebrachter fester Körper ist,
welcher das Licht ausstrahlt, aber keine ewig unruhige, wehende Flamme, wie solche
unsere dermaligen gewöhnlichen Vorrichtungen liefern. Deßhalb bedarf es auch der
kostspieligen Glascylinder durchaus nicht; ja sie sind sogar gänzlich zu verwerfen,
weil nach angestellten Versuchen dieselben 22 Proc. Licht absorbirten.
Dr. Verver wendet sich
schließlich zur Discussion des ganzen chemischen Vorgangs und findet, gestützt auf
sehr umsichtig angestellte Versuche, daß bei der Einwirkung von Wasserdampf auf
glühende Kohlen das Kohlenoxyd sich vor der Kohlensäure erzeuge und unter passenden
Verhältnissen durch eine hinreichende Menge von überhitztem Wasserdampf vollständig
in diese Säure übergeführt werde, die dann natürlich sofort dem Contacte mit den
glühenden Kohlen des Gaserzeugers zu entziehen sey, um jede Rückbildung von
Kohlenoxyd möglichst zu vermeiden.
In derselben Weise und mit gleicher Gründlichkeit hat der Hr. Verfasser das nach dem
Systeme von Leprince aus Lüttich dargestellte Gas einer
Untersuchung unterworfen. Es ist ein gemischtes Gas, erhalten durch Zerlegung des
Wassers vermittelst glühender Kohks und Hinüberleiten der entstandenen
Zersetzungsproducte in Gemeinschaft mit Wasserdampf über Fett-Steinkohle bei
geeigneter Temperatur. Da indessen die Bereitungsweise dieses Leuchtgases kaum als
Variation des von Selligue 1834 in Paris in Anwendung
gebrachten und später in dem White'schen
Hydrocarbon-Proceß weiter ausgebildeten Princips angesehen werden kann, so
unterlassen wir es, die Vorzüge dieses Verfahrens nach den Mittheilungen unseres
Hrn. Verfassers hier zusammenzustellen, und das um so mehr, als dieselben von Frankland (in London) in seiner in den Annalen der Chemie
vor sieben JahrenIm polytechn. Journal Bd. CXXV S. 260
und 345. veröffentlichten vortrefflichen Arbeit bereits eine höchst gründliche
Erörterung erfahren haben.
Das gaz mixte Leprince hat also ebenfalls schon seine
Verwendung gefunden, wie z.B. in einer Tuchfabrik Verviers und auf der Zinkhütte der
Gesellschaft Vieille-Montagne in Belgien, namentlich aber auch zur Beleuchtung der Stadt
Maastricht. Bei einem Gasverbrauch von 3,234 Kubikfuß in der Stunde ergab das Gas
eine Leuchtkraft gleich derjenigen von 7,35 Wachskerzen.
In Betreff der sehr interessanten und erschöpfend durchgeführten
Gegeneinanderstellung des Wasserstoffgases, des Leprince'schen Gases und des gewöhnlichen Steinkohlen-Leuchtgases
sowohl in Hinsicht ihrer Leuchtkraft und ihres Heizwerths als auch bezüglich ihres
Einflusses auf die Gesundheit der Consumenten und den Gestellungspreis muß auf die
Arbeit selbst verwiesen werden; nur das glauben wir zum Schlusse noch erwähnen zu
sollen, daß der Hr. Verfasser der Anwendung des Wasserstoffgases überall da einen
Erfolg verheißt, wo bei Mangel an Steinkohlen das Holz reichlich und also auch die
Holzkohle im Preise billig ist; andernfalls empfiehlt er das gekohlte Wasserstoffgas
von Leprince.
Wenn man bedenkt, daß die Bereitung des Leuchtgases zunächst auf chemischen
Principien beruht, denen man Rechnung zu tragen so lange vernachlässigt hat, während
sich der mechanische Theil des Processes einer bereits sehr vorgeschrittenen
Entwickelung erfreuen konnte, so wird die Arbeit des Hrn. Dr. Verver von allen Gas-Fabrikanten und
Technikern gewiß mit voller Anerkennung aufgenommen werden.
Aachen, im März 1859.
Nachschrift.
Wir ergänzen den vorstehenden Aufsatz durch die nachfolgenden Mittheilungen aus dem
Werkchen des Hrn. Dr. B. Verver.
I. Beleuchtung durch Wasserstoffgas
zu Narbonne.
Das wichtige Resultat, daß das sogenannte Wassergas (gaz
à l'eau), nämlich das mittelst glühender Kohle bereitete
Wasserstoffgas, nur 4 bis 5 Proc. Kohlenoxydgas enthält, hat man zu Narbonne
dadurch erhalten, daß man Wasserdampf von hohem Druck, in zahlreichen Strahlen,
auf die Oberfläche der Holzkohle treibt, und dem Abzugsrohr der Retorte einen
größern Durchmesser gibt als gewöhnlich; die gebildeten Gase werden alsdann
sogleich nach ihrer Erzeugung durch den unaufhörlich zufließenden Dampf
ausgetrieben; die Kohlensäure, rasch der Wirkungssphäre der glühenden Kohle
entzogen, wird nur in sehr unbedeutender Menge zu Kohlenoxyd reducirt.
Fabrication des Wasserstoffgases. – Die
Einwirkung des Wasserdampfes auf die stark glühende Holzkohle erfolgt zu
Narbonne in Retorten von Gußeisen, welche auf die Orangeroth-Glühhitze
gebracht werden.
Diese Retorten haben eine Länge von 1,90 Met., eine Höhe von 0,39 Meter und eine
Breite an der Basis von 0,33 Meter; eine solche Retorte wiegt mit ihrem
Mundstück 930 Kilogr. Das Mundstück der Retorten gleicht dem allgemein
gebräuchlichen; aber das Aufsatzrohr, durch welches das gebildete Gas entweichen
muß, hat einen lichten Durchmesser von 0,145 Meter. Am vortheilhaftesten ist es,
fünf Retorten in einem Ofen von einem einzigen untern Feuerraum aus zu
heizen.
Der Wasserdampf, welcher auf die Oberfläche der stark glühenden Holzkohle unter
einem Druck von 5 1/2 bis 6 Atmosphären getrieben werden muß, wird in einem
seitlich in einem besondern Ofen angebrachten Kessel erzeugt; zur Heizung dieses
Dampfkessels sind für die Erzeugung von 400 Kubikmetern Gas 180 Kilogr.
Steinkohlen erforderlich.
Im Innern der Retorte sind Vorsprünge angebracht, welche die Querstangen zu
tragen haben, worauf die Röhren liegen, durch die der Wasserdampf einzieht. Das
den Dampf zuführende Rohr ist, durch den Boden der Retorte hindurch, mit dem
verticalen Theil einer Tförmigen Röhre verbunden,
welche im Innern in der Nähe der Mündung der Retorte angebracht ist. Mittelst
eines Hahns kann man den Dampf während des Ladens der Retorten absperren. Am
horizontalen Schenkel der TRöhre sind mittelst
Schrauben zwei andere, einander parallele eiserne Röhren horizontal auf den
erwähnten Querstangen angebracht, und an ihren hinteren Enden, welche den Boden
der Retorte fast berühren, geschlossen. Diese Röhren sind an der untern Seite
mit drei parallelen Reihen von Löchern für den Austritt des Dampfes versehen.
Anfangs waren diese Löcher von kleinem Durchmesser im Metall der Röhren selbst
angebracht, verstopften sich aber bald durch die Oxydation des Eisens; jetzt
macht man sie weiter und bringt in ihnen Kapseln von feuerfestem Thon an, welche
mit einem Canal von 0,46 Millim. Durchmesser versehen sind.
Natürliche Größe der Kapseln
Textabbildung Bd. 154, S. 40
Die Anzahl der Kapseln beträgt 80 bis 90; da sie in drei parallelen Reihen
angeordnet sind, so treten die Dampfstrahlen natürlich divergirend aus und belecken
gewissermaßen die Oberfläche der stark glühenden Holzkohle. – Die den
Dampf ausstrahlenden Röhren haben eine Länge von 1,75 bis 1,98 Met., einen
lichten Durchmesser von 0,024 bis 0,025 Met., und eine Metallstärke von 0,0045
bis 0,006 Met. Ihr Ende steht vom Boden der Retorte um 0,150 Met. ab.
Das durch die Einwirkung der Holzkohle auf den Wasserdampf erzeugte Gas gelangt,
nachdem es durch den Kühlapparat gezogen ist, in den Reinigungsapparat, welcher
keinen andern Zweck hat, als die dem Wasserstoffgas beigemischte Kohlensäure
zurückzuhalten; das Gas wird durch Kalkhydrat gereinigt, welches auf
Metallsieben angebracht ist. Für 800 Kubikmeter Gas wendet man 1000 Kilogr.
gebrannten Kalk an, ein beträchtliches Quantum, welches sich in 2000 Kilogr.
eines Gemenges von kohlensaurem Kalk und Kalkhydrat verwandelt.
Die Holzkohle wird in die Retorten durch die Ladungsröhren mittelst eines
rinnenförmigen Löffels von Eisenblech geschafft. Dieser Löffel faßt 4 bis 5
Kilogr. Kohle, je nachdem dieselbe mehr oder weniger dicht ist. Da jede Retorte
3 bis 4 solcher Löffel empfängt, so beträgt die Ladung 15 bis 16 Kilogr. Die
fünf Retorten enthalten also 75 bis 80 Kilogr. Holzkohle. Die Ladung wird nach
Verlauf von fünf Stunden erneuert; der nach dieser Zeit verbleibende Rückstand
beträgt je nach der Güte der Kohle, der Temperatur etc., mehr oder weniger; wenn
man lange genug erhitzen würde, so fände man in der Retorte nur die Asche der
Kohle. Diese Asche wird wochentlich zwei- bis dreimal herausgenommen. Um
1 Kubikmeter Gas zu erzeugen, werden 0,3243 Kilogr. Holzkohle verzehrt, während
zur Heizung 1,4121 Kilogr. Steinkohle erforderlich sind.
Die fünf Retorten der Anstalt könnten also in 24 Stunden 710,4 Kubikmeter
gereinigtes Gas liefern, folglich per Retorte
stündlich 5,92 Kubikmeter. Man müßte zum Heizen 100 Kilogr. Steinkohlen
verwenden, also per Retorte stündlich 8,3 Kil. Hr.
van den Broeck hatte 7,3 Kil. ermittelt; ein
zweiter Versuch ergab 6,1 Kil.
Das Eisen der Retorten muß sich natürlich nach und nach oxydiren oder verbrennen;
man rechnet jedoch auf eine einjährige Dauer derselben.
Nach Verver's Analyse hat das Gas folgende
Zusammensetzung:
Wasser
1,02
Kohlensäure
0,50
Kohlenoxyd
3,54
leichter Kohlenwasserstoff
0,38
Wasserstoff
94,08
Stickstoff
0,12
Verlust
0,36
––––––
100,00
Brenner für das Wasserstoffgas. – Da die
Flamme des Wasserstoffgases, wenn auch noch so heiß, an und für sich nicht
leuchtend ist, so muß man in dieselbe einen festen Körper einführen, welcher ihr
durch sein Weißglühendwerden Leuchtvermögen ertheilt; man bedient sich hierzu
eines Körbchens von dünnem Platindraht, welches, durch die Verbrennung des Gases
zum Weißglühen erhitzt, das gewünschte Licht erzeugt.
Man hat Brenner von dreierlei Dimensionen nach der Anzahl der in ihre Scheiben
gebohrten Löcher; es gibt solche mit 20, mit 16 und mit 12 Löchern oder
Strahlen. Diese Löcher befinden sich in einem Ring von Platin, welcher den
einzigen Unterschied zwischen diesen Brennerscheiben und den bei der
Steinkohlengas-Beleuchtung gebräuchlichen ausmacht.
In der Flamme werden die schon erwähnten Dochte von Platindraht angebracht; die
Form dieser Dochte (Fig. 1) ähnelt einem
umgestürzten Korb ohne Boden; sie werden durch drei Träger (Fig. 2), aus Platindraht von 0,75 Millimet. Dicke,
an einen kreisförmigen Ring befestigt, welcher über die Brennerscheibe geht
(Fig. 3); die Entfernung zwischen letzterer
und der Basis des Dochtes beträgt 4 Millimeter.
Fig. 1., Bd. 154, S. 42
Fig. 2., Bd. 154, S. 42
Fig. 3., Bd. 154, S. 42
Die Dimensionen und das Gewicht der Platindochte ändern sich mit den Dimensionen
der Brenner, woran sie angebracht werden; ich habe bei meinen Messungen folgende
Zahlen erhalten:
Platindochtfür20
Strahlen
Höhegroße Basiskleine Basis
22 Millim.23
„20 „
Gewicht1,371 Grm.
Platindochtfür16
Strahlen
Höhegroße Basiskleine Basis
18 Millim.19
„17 „
Gewicht0,7565 Grm.
Platindochtfür12
Strahlen
Höhegroße Basiskleine Basis
18 Millim.15
„12 „
Gewicht0,551 Grm.
Der zur Anfertigung dieser Dochte verwendete Platindraht hat eine Dicke von 0,35
Millimetern.
Leuchtkraft des Gases. – Bei den Versuchen zur
Bestimmung der Leuchtkraft wurde das Bunsen'sche
Photometer benutzt. Die Leuchtkraft ergab sich pro
100 Liter verzehrten Gases bei einem Brenner
von
16
Strahlen
entsprechend
5,22
Wachskerzen
„
20
„
„
4,21
„
„
12
„
„
4,00
„
Die Brenner mit 16 Strahlen sind daher die vortheilhaftesten.
Wenn der Druck (welcher bei diesen Versuchen 0,130 Met. Wassersäule betrug)
einmal hinreichend ist um das Platinkörbchen zum Weißglühen zu erhitzen, so wird
durch Anwendung eines höheren Druckes, wobei eine größere Gasmenge über den
Docht ausströmen muß, das Licht nicht mehr verstärkt, daher dieser Gasüberschuß
rein verloren geht.
Es ist unnütz, die Platindochte mit Zuggläsern zu umgeben, wie die Brenner bei
der Steinkohlengas-Beleuchtung; im Gegentheil ist es vortheilhaft,
dieselben wegzulassen, weil sie stets einen beträchtlichen Theil des erzeugten
Lichtes absorbiren. Dieß beweist folgender Versuch: ein Brenner mit 12 Strahlen
hatte ohne Zugglas eine Leuchtkraft von 6 3/4 Wachskerzen; als der Platindocht
mit einem vollkommen polirten und reinen Zugglas umgeben war, entsprach die
Leuchtkraft nur noch 5 1/4 Wachskerzen, sie hatte sich folglich um 1 1/2 Kerzen
oder um 22 Proc. vermindert.
Die Platindochte kosten nach ihren Dimensionen 1 bis 2 Francs. Ihre Dauer wäre
eine unbegränzte, wenn das Wasserstoffgas immer absolut rein wäre, und wenn sich
nicht nach und nach auf der Oberfläche der Platindrähte in Folge der hohen
Temperatur der Wasserstoffflamme eine Krystallisation einstellen würde, wodurch diese Drähte
zerbrechlicher werden. Die Platindochte dauern jedoch wenigstens ein Jahr lang;
die Gasanstalt nimmt alsdann die verdorbenen zurück und bezahlt sie mit 60 bis
75 Centimes per Gramm. Was das Licht des
Wasserstoffgases so schön macht, ist seine große Beständigkeit, seine
Unbeweglichkeit; es strengt daher die Augen durchaus nicht an.
II. Beleuchtung durch carbonisirtes
Wasserstoffgas.
Das gemischte Gas von Leprince aus Lüttich wird erhalten durch Zersetzung des Wassers
mittelst glühender Kohks, und Hinüberleiten der noch mit Wasserdämpfen
gemischten Zersetzungsproducte über Steinkohle bei geeigneter Temperatur. Beide
Operationen geschehen in einer und derselben Retorte, welche nahezu die
gewöhnliche Gestalt hat, aber innerlich durch zwei longitudinale Scheidewände in
drei Räume von ungleicher Größe getheilt ist. Das Verfahren gründet sich auf White's Hydrocarbonproceß, welcher ein oder zwei
Jahre lang in England viel von sich reden machte, aber nach verschiedenen, in
England und in Holland damit angestellten Versuchen aufgegeben wurde. Die
Methode von Leprince ist eine Verbesserung des White'schen Verfahrens. Nach Dr. Verver's Analyse hat das Leprince'sche Gas, welches auf der Zinkhütte der
Gesellschaft Vieille-Montagne in Belgien dargestellt wird, folgende
Zusammensetzung:
Schwerer Kohlenwasserstoff
9,023
leichter Kohlenwasserstoff
58,410
Wasserstoff
25,250
Kohlenoxyd
6,303
Kohlensäure
0,307
Stickstoff
Spuren
Verlust
0,707
––––––
100,000
Das specifische Gewicht dieses Gases ist 0,541. Bei einem Verbrauch von 240
Litern in der Stunde, unter einem Druck von 0,014 Met. Wassersäule, in
Argand'schen Brennern mit 40 Strahlen, ergab dasselbe eine Leuchtkraft von 12
Wachskerzen.
III. Vorzüge des
Wasserstoffgases.
In Bezug auf die Gesundheit des Publicums ist das Wasserstoffgas, das sogenannte
Wassergas, dem Steinkohlengas und dem gemischten Gas weit vorzuziehen; es
verbreitet keinen unangenehmen Geruch; seine Verbrennung erzeugt bloß
Wasserdampf, mit einem Tausendtheil Kohlensäure; es bildet weder schweflige
Säure noch Schwefelsäure. Das Steinkohlengas gibt nach Henry's Analyse 108,6 Kohlensäure per 100
verbrannte Volume; das gemischte Gas von Leprince
91,89; das Wassergas 3,4.
Die Gestehungskosten sind für das Wassergas weniger günstig. Zu Narbonne kosten
800 Kubikmeter der Gasanstalt 66 Fr., also der Kubikmeter 0,0825 Fr. Das Gas von
Leprince kostet per
Kubikmeter 0,03907 Fr. Diese Gestehungskosten beziehen sich aber auf das im
Gasometer gesammelte Gas; rechnet man den unvermeidlichen Verlust an Gas auf
dessen Wege durch die Straßenleitungen nur zu 1/6 oder 16 Proc., so stellt sich
der Kubikmeter des an die Brenner gelieferten Gases für das Wassergas auf 0,0957
Francs, und für das Leprince'sche Gas auf 0,04532
Fr.
E. D.