Titel: | Kleine Beiträge zur Gährungschemie, insbesondere zur Chemie und Technik des Weines; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag. |
Autor: | Ernst Friedrich Anthon [GND] |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XXXI., S. 150 |
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XXXI.
Kleine Beiträge zur Gährungschemie, insbesondere
zur Chemie und Technik des Weines; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag.
(Fortsetzung von Bd. CLIII S. 389.)
Anthon, Beiträge zur Chemie und Technik des Weines.
VIII. Ueber die Güte des
Stachelbeerenweins.
So bekannt es auch ist, daß der Stachelbeerenwein, je nach der Art seiner Herstellung
eine verschiedene Güte erlangen kann und nur zu oft einen höchst unangenehmen
Beigeschmack zu erkennen gibt, so ist der Grund davon doch noch nicht mit Sicherheit
ermittelt und die Ansichten hierüber sehr verschieden.
Während die Einen der Ansicht sind, daß der Grund hiervon in Stoffen liege, welche
bloß – oder doch hauptsächlich – in den Kernen und Hülsen enthalten
seyn sollen und diese daher sobald als möglich vom Moste getrennt wissen wollen,
sind Andere der Meinung, daß der Wohlgeschmack dieses Beerenweines von dem Reifegrad der Beeren, und zwar
in der Weise abhängig sey, daß sich der unangenehme Beigeschmack in um so höherem
Grade einstelle, je reifer man die Beeren anwende, und daß man dieselben daher kaum
in einem zu unreifen Zustand anwenden könne, indem in diesem Fall jener Stoff noch
nicht entwickelt sey, welcher den üblen Geschmack bedinge. – Wieder Andere
meinen, daß man die Stachelbeeren am Stocke möglichst reif werden lassen müsse, um
die Herstellung einer möglichst großen Zuckermenge und die möglichste Verminderung
der Säure im Safte, ganz so wie bei den Weintrauben, der Natur selbst zu
überlassen.
Aus diesen und anderen, sich in gleicher Weise widersprechenden Ansichten ergibt sich
deutlich, daß man über den Grund dieser Erscheinung durchaus noch nicht im Reinen
ist, und doch erscheint dieses durchaus nothwendig, wenn die Beerenweinbereitung
raschere Fortschritte machen soll.
Als Beitrag zur Lösung dieser Frage theile ich hier einige mit aller Sorgfalt
angestellte Versuche mit, die zwar die Frage noch nicht mit aller Bestimmtheit
beantworten, aber mindestens doch den Weg zu ihrer Lösung zeigen.
Erster Versuch. Es wurden 8 Pfd. nicht völlig reife grüne
Stachelbeeren zerquetscht, 36 Stunden stehen gelassen und ausgepreßt. Der Saft
zeigte 10 Proc. Saccharometer und 22 pro mille Säure.
Auf die Trester wurden 3 Pfd. Wasser gegossen, 6 Stunden stehen gelassen und dann
gepreßt und beide Säfte gemischt.
Die Menge betrug 8 1/8 Pfd.; – der Säuregehalt 15 pro
mille und die Dichtigkeit 7 Proc. Saccharometer.
Diesem Safte wurden noch 3 Pfd. krystallisirter Traubenzucker und 6 1/2 Pfd. Wasser
zugesetzt und so ein Most von 19 Proc. Saccharometer Dichte erhalten.
Bei 15° R. der Gährung unterworfen, verlief dieselbe ganz gut, und war nach
vier Wochen beendigt, wo der Wein nun bis unter 0
vergohren war.
Zweiter Versuch. 8 Pfd. reife grüne Stachelbeeren, wie
beim ersten Vers. behandelt, gaben 5 1/4 Pfd. ersten reinen Saft von 18 pro mille Säure und 12 1/2 Proc. Saccharometer –
und 4 7/8 Pfd. Nachsaft, der mit dem ersteren gemischt, eine Mischung von 12 pro mille Säure und 8 Proc. am Saccharometer gab. Die
erhaltenen 10 1/8 Pfd. Saft mit noch 3 Pfd. Wasser und 3 Pfd. krystallisirtem
Traubenzucker versetzt, gaben einen Most von 24 Proc. Saccharometer.
Bei 15° R. vergähren gelassen, zeigte der Wein nach 10 Wochen 2 1/2 Proc.
Saccharometer.
Dritter Versuch. 10 Pfd. reife grüne Stachelbeeren auf
gleiche Weise behandelt, lieferten 6 Pfd. ersten reinen Saft von 19 pro mille Säure und 10 Proc. Saccharometer, und 4 Pfd.
Nachsaft. Beide gemischt zeigten 15 pro mille Säure und
7 Proc. Saccharometer.
Diese so erlangten 10 Pfd. Saft noch mit 3 1/2 Pfd. Wasser und 5 3/4 Pfd.
krystallisirtem Traubenzucker versetzt, gaben einen Most von 32 Proc.
Saccharometer.
Bei 15° R. der Gährung unterworfen, war dieselbe nach 10 Wochen noch nicht
beendigt. Durch Abziehen von der Hefe wurde dieselbe unabsichtlich unterbrochen. Der
Wein zeigte 10 Proc. Saccharometer.
Vierter Versuch. 8 Pfd. überreife grüne Stachelbeeren
gaben auf dieselbe Weise behandelt 5 Pfd. ersten reinen Saft von 19 pro mille Säure und 13 Proc. Saccharom., und 5 Pfd.
Nachsaft von 8 pro mille Säure und 5 Proc.
Saccharom.
Beide Säfte gemischt zeigten 14 pro mille Säure und 9
Proc. Saccharometer.
Diese 10 Pfd. Saft noch mit 4 1/8 Pfd. Wasser und 4 5/8 Pfd. kryst. Traubenzucker
gemischt gaben einen Most von 30 Proc.
Bei 15° R. der Gährung unterworfen, war dieselbe nach 10 Wochen noch nicht
beendigt, wurde aber jetzt durch Abziehen von der Hefe unabsichtlich unterbrochen.
Der Wein zeigte jetzt 12 Proc. Sacch.
Fünfter Versuch. 8 Pfd. halbreife grüne Stachelbeeren,
ebenfalls in gleicher Weise behandelt, lieferten 5 1/4 Pfd. ersten reinen Saft von
21 pro mille Säure und 10 1/2 Proc. Saccharom., und 6
Pfd. Nachsaft.
Beide Säfte gemischt gaben nun 13 pro mille Säure und 7
Proc. Saccharom. zu erkennen und lieferten durch weiteres Versetzen mit 3 1/2 Pfd.
Wasser und 4 7/10 Pfd. kryst. Traubenzucker, Most von 28 Proc. Sacch.
Bei 15° R. war die Gährung nach Verlauf von 10 Wochen noch nicht zu Ende,
wurde jetzt aber durch Abziehen von der Hefe unabsichtlich unterbrochen. Der Wein
zeigte jetzt 9 Proc. Saccharom.
Was nun die Qualität der erlangten Weine anbelangt, so ergab sich 16 Wochen nach dem
Anstellen des Mostes, Folgendes:
Versuchsnummer.
Mostdichte.
Qualität deserhaltenen Weines.
19 Proc.
sehr schlecht.
2
24 „
gut.
5
28 „
sehr gut.
3
32 „
ganz vorzüglich.
In Bezug auf den Geruch der Weine gab sich Folgendes zu erkennen:
von
Versuch
1 unangenehm hefenartig.
„
„
2 angenehm.
„
„
4 angenehmer als 2.
„
„
5 besser und starker als 4.
„
„
3 am lieblichsten.
Betrachten wir diese erzielten Resultate etwas näher, so ergibt sich, als besonders
beachtenwerth, der Umstand, daß ein um so vorzüglicherer (nicht bloß geistreicherer)
Wein erhalten wurde, als der angewendete Most eine höhere Dichtigkeit besaß.
Der Grund dieser Erscheinung mag wohl darin liegen, daß die hefigen Theile, –
die ich als den Beigeschmack veranlassend betrachte, – durch die größere
Menge dargebotenen Zuckers vollständiger verzehrt, und die durch die Währung etwa
nicht consumirte Menge derselben durch die größere Menge gebildeten Alkohols
vollständiger niedergeschlagen werden.
Ferner sehen wir durch die erlangten Resultate die Ansicht Derer widerlegt, die als
Bedingung zur Erlangung wohlschmeckender Stachelbeerenweine die Anwendung unreifer
Beeren betrachten, indem gerade zu Versuch 1, welcher wie bemerkt einen ganz
schlechten Wein geliefert hat, nur mäßig reife Beeren angewendet worden waren,
während zu Versuch 2 und 3 reife und zu Versuch 4 sogar überreife Beeren angewendet
und dennoch davon ausgezeichnete Weine erhalten worden sind.
IX. Ueber künstliche Entwickelung des
Weinbouquets.
Vor Kurzem hat E. Strache in Stamm's „Neuesten
Erfindungen“ die Behauptung aufgestellt, daß es die fettigen und
öligen Stoffe seyen, welche die Veranlassung zur Entstehung des Weinbouquetes (des
Oenanthäthers) geben, und dabei der Ansicht Liebig's und Mulder's widersprochen, daß das Vorhandenseyn
der Weinsteinsäure eine Bedingung zur Bildung des Oenanthäthers sey. Derselbe gibt
an,Polytechn. Journal Bd. CXLVII S. 230;
man vergl. die Notiz von Habich in Bd. CLII S 72.
A. d. Red. daß in einer mit Hefe versetzten Zuckerlösung sich bei deren Vergährung
stets ein trefflicher Weingeruch entwickele, wenn man der Zuckerlösung irgend eine
Oelemulsion (aus Mandeln, Traubenkernen, Nüssen, und dgl., oder auch nur aus
Stearinsäure) zusetze, und hebt nur als Bedingung hes Gelingens das gehörige
Suspendiren der Emulsion in der Zuckerlösung hervor.
Ich habe diese Angabe geprüft, aber bis jetzt nicht bestätigt gefunden.
Bei der ersten Versuchsreihe habe ich 20procentige Zuckerlösungen, mit 1–2
Procent kräftiger Preßhefe und folgenden Stoffen der Gährung unterworfen:
a) Eine Emulsion aus süßen Mandeln, welche mit einem
kleinen Theil der Zuckerlösung selbst dargestellt worden war.
b) Frisches Mandelöl in verhältnißmäßig viel Aether
aufgelöst, eine größere Menge reiner Baumwolle damit getränkt, den Aether völlig
verfliegen gelassen, und die geölte Baumwolle, auf welcher sich das Oel in einem
Zustand höchster Vertheilung befinden mußte, in die Zuckerlösung gebracht und
während der Gährung darin gelassen.
c) Mandelkleien mit einem Theil der Zuckerlösung aufs
feinste abgerieben.
Bei keinem dieser Versuche war aber die Entwickelung eines angenehmen Weingeruchs
bemerkbar.
Dasselbe war auch der Fall als ich höchst fein zertheilte Stearinsäure oder Wachs in
Anwendung brachte. Nicht günstiger fiel das Resultat aus, als ich Lösungen von
reinem Traubenzucker, welche mit Mandelölemulsion gemischt worden waren, durch
unreife Stachelbeeren oder Johannisbeeren vergähren ließ.
Ob nun Strache's Angabe
überhaupt unrichtig ist, oder ob – was ich für wahrscheinlicher halte
– besondere Umstände beobachtet werden müssen, um das von ihm angegebene
Resultat zu erzielen, müssen weitere Versuche darthun.
In Bezug auf seine Angabe, „daß die Weinsteinsäure keinen Theil habe an der
Bildung des Oenanthäthers,“ muß ich bemerken daß ich dieses, durch
verschiedene gemachte Beobachtungen, nur bestätigen kann.
(Die Fortsetzung folgt.)