Titel: Das neue Nivellirinstrument von F. W. Breithaupt; beschrieben von L. Spangenberg, Lehrer der Ingenieurwissenschaft an der höheren Gewerbeschule zu Cassel.
Autor: L. Spangenberg
Fundstelle: Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXXXIV., S. 401
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LXXXIV. Das neue Nivellirinstrument von F. W. Breithaupt; beschrieben von L. Spangenberg, Lehrer der Ingenieurwissenschaft an der höheren Gewerbeschule zu Cassel. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Spangenberg, über Breithaupt's neue Nivellirinstrument. Im zweiten SeptemberheftSeptemberhest dieses Journals (Bd. CLIII S. 401) ist ein von J. Amsler-Laffon zu Schaffhausen neu construirtes Nivellirinstrument beschrieben, mit welchem auch ohne vorgängige Correction richtig nivellirt werden kann, wenn nur jede Beobachtung doppelt angestellt wird. Nicht um das Verdienst jenes Erfinders zu schmälern, beschreibe ich hier das von dem verstorbenen kurfürstlichen Hofmechanicus und Münzmeister F. W. Breithaupt erfundene und im Jahr 1845 ausgeführte Instrument, welches ich der verehrlichen Redaction dieser Zeitschrift im Original zur Ansicht überschickt habe – sondern aus Pietät gegen den verstorbenen, in der technischen Welt so rühmlich bekannten Begründer des Breithaupt'schen mechanischen Instituts“ und in der Absicht, demselben möglicherweise das Recht der Priorität zu wahren. Da F. W. Breithaupt nirgends sein neues System veröffentlicht hat, so ist es unzweifelhaft, daß Hr. Amsler selbstständig seine Erfindung gemacht hat und beide Herren dasselbe Ziel, wenn gleich auf verschiedene Weise, erreicht haben. Die Figuren 14 stellen das Instrument in natürlicher Größe dar und zeigen, daß das Fernrohr A, B in ringförmigen Lagern liegt. In jeden Ring sind, wie Figur 3 zeigt, zwei Kreissegmente a, b mittelst Schwalbenschwanz eingeschoben; das dritte Segment c wird durch ein Federchen auf den Cylinder des Fernrohrs gedrückt, so daß dieses stets genügend auf a und b aufruht. Vier dieser Einschieblinge bestehen, um die so schädliche Reibung und somit die Abnutzung der Ringlager zu vermindern, aus Antifrictionsmetall. Zwei derselben wurden versuchsweise aus Elfenbein angefertigt. Die Libellenlager C, D sind mit dem Fernrohr durch die ringförmigen Bänder E, F und G, H zum Behuf einer Correction verbunden. Die Libellenhülse I, K ist oben und unten geschlitzt. Der obere, besonders gut ausgeschliffene Theil der Libellenröhre ist mit einer Theilung versehen. In der Mitte der kreisförmigen Hülsendeckel sind Stahlzapfen mit conischen Vertiefungen eingetrieben, welche als Lager für die Körnerspitzen d' und e' (Fig. 2) dienen, deren letztere einem prismatischen Schieber f' angedreht ist, welcher durch die Schraube g in seiner Führung festgestellt werden kann. Die Verstärkungsringe der Libellenhülse tragen vier Schrauben h', i' und k', l' welche auf die mit Federn unterlegte Libellenröhre drücken und dazu dienen, die Achse der Liebellenröhre zu centriren, d.h. zur Umdrehungsachse der Libellenhülse parallel zu stellen. Diese Correction geschieht auf folgende Weise. Vermittelst einer in der Zeichnung weggelassenen Mikrometerschraube der Verticalbewegung bringt man die Blase der Libelle zum Einspielen auf die Mitte der Theilung, nachdem man vorher eine Marke beim Schräubchen k vor den Inder m gebracht hat. Lüftet man nun die Schraube g und zieht den prismatischen Schieber f' zurück, so läßt sich die Libellenhülse aus ihrem Lager nehmen und umgekehrt wieder einsetzen, so daß das Kopfende k' nun mit dem Körner d' und das Ende I mit dem Körner e' in Berührung kommt, nachdem das Prisma f wieder eingeschoben und mit der Schraube g' befestigt ist. Ist bei dieser Operation das Fernrohr unverändert stehen geblieben, so muß, wenn die Libellenachse zu der, durch die Körnerachse gehenden Horizontalebene parallel ist, die Blase wieder einspielen, – ist dieß nicht der Fall, so wird der halbe Ausschlag an der Mikrometerschraube ausgeglichen, die andere Hälfte durch das Schräubchen k' oder l' weggeschafft. Eine seitliche Drehung der Libellenhülse zeigt, ob die Libellenachse auch zu der durch die Umdrehungsachse gelegten Verticalebene parallel ist und ein etwaiger Fehler wird durch eins der Schräubchen h' und i' entfernt. Selbstverständlich muß diese Operation mehrmals wiederholt und die Schraube des Körners d' so fest angezogen werden, daß die Libellenhülse in jeder Lage stehen bleibt. Dreht man aber die Libellenhülse gar um 180°, so daß der mit Stegen versehene Ausschnitt obenauf zu liegen kommt, so zeigt das Einspielen der Blase, daß die Libelle jener Grundbedingung des Amsler'schen Systems entspricht, demgemäß die Blase selbst bei einer Drehung um die geometrische Achse der Libellebeständig genau „in der Mitte der Röhre“ einspielen soll, sobald nur diese Achse eine horizontale Lage hat. Unsere Prüfungsmethode der Libellenröhre ist jedenfalls weniger zeitraubend und sicherer, als die von Amsler Seite 403 angegebene, nach welcher die Libelle von ihren Trägern losgeschraubt und nach Vertauschung der Enden wieder befestigt werden soll, oder eine Strecke vor- und rückwärts nivellirt werden muß. Doch fahren wir in der Beschreibung des Instrumentes fort. An das dem Ocular zugekehrte Ringlager ist eine Platte angeschraubt, welche links und rechts in die dem Radius der Libellenlager entsprechenden Kreisausschnitte n'', o'' und p'', q'' ausläuft, deren Mittelpunkte eine solche Lage haben müssen, daß die geometrische Achse des Fernrohrs genau eine Winkelbewegung von 180° macht, wenn durch diese Drehung das Libellenlager von dem linken Ausschnitt in den rechten gebracht wird und umgekehrt. War bei der linksseitigen Lage der Libelle die getheilte Seite oben, so wird bei der rechtsseitigen Lage die mit Stegen versehene Seite oben aufliegen. War nun die horizontalgestellte Libellenachse parallel zur geometrischen Achse des Rohrs und besaß die Libelle jene obenerwähnte Fundamentaleigenschaft, so muß die Blase jetzt wieder zwischen den Stegen einspielen. Ein etwaiger Fehler im Parallelismus wird zur einen Hälfte durch die Mikrometerschraube, zur andern durch die Schraube L verbessert. Ihr Kopf sitzt excentrisch auf ihrem Gewindezapfen, greift in einen kreisförmigen Ausschnitt des Bandes E, F ein und schiebt, da die Zugschrauben r, s, t und u in länglichen Schlitzen des Bandes stehen, durch seine Drehung das Libellenlager C auf oder ab, so daß also die Umdrehungsachse der Libelle zu der durch die geometrische Achse des Fernrohrs gehenden Horizontalebene parallel gestellt werden kann.Damit bei dieser Correction die Körnerspitzen nicht etwa verletzt werden, sind die conischen Spitzen der Stahllager in den Endflächen der Libellenhülse durchbohrt. Allerdings wird möglicherweise durch diese Correction der Parallelismus der Libellenachse zu der durch die Fernrohrachse gehenden Verticalebene gestört; der Parallelismus in diesem Sinne ist aber nicht durchaus nöthig, würde aber dadurch hergestellt werden können, daß man die zwei Zugschrauben v u. w in Druckschrauben verwandelte, wodurch den strengsten Anforderungen genügt würde. Ist aber die oben vorausgesetzte Fundamentaleigenschaft der Libellenröhre nicht vorhanden, so kann dennoch die Parallelstellung der beiden Umdrehungsachsen bewirkt werden, indem man nur bei der rechtsseitigen Lage der Libelle die getheilte Seite obenauf zu bringen hat. Auch überzeugt man sich leicht durch das letztere Verfahren von dem Parallelismus der beiden Achsen in verticaler Beziehung, indem bei einer Drehung des Rohrs um 90° der Ausschlag der Libelle am stärksten seyn muß, wenn beide Achsen im angedeuteten Sinne convergiren. Hat man das Fadenkreuz in bekannter Weise centrirt und den Horizontalfaden wirklich horizontal gestellt, so findet man leicht durch Umdrehen des Rohrs, ob die Mittelpunkte der beiden Kreiseinschnitte n'', o'' u. p'', q'' eine solche Lage haben, daß ihre Verbindungslinie die geometrische Achse des Rohres schneidet. Um die Libellenachse senkrecht zur verticalen Drehungsachse M', N' zu stellen, dienen die Zugschraube O' und die Feder P', durch welche eine Drehung um eine Erzeugende des Cylinderchens bei Q' hervorgebracht wird. Die Gleichheit der Ringdurchmesser am vorliegenden Instrument muß bei fester Lage der Libelle in demselben Anschlag, durch Vor- und Rückwärts-Nivelliren einer und derselben Strecke constatirt werden, da der Erfinder die Bügel zum Oeffnen und Schließen der Ringe weggelassen hat, wahrscheinlich, weil er die Schwierigkeit von deren gleichmäßiger Bearbeitung kannte und die ungleichmäßige Abnutzung befürchtete. Sind nur die Lager a und b abgenutzt und nicht das Rohr selbst, so können die in Bereitschaft gehaltenen richtigen Ersatzstücke leicht eingeschoben werden. R bezeichnet den Kopf eines Triebs zur Vor- und Rückwärtsbewegung der Ocularröhre. Die vier Schräubchen S'', T'', U'' und V'' (Fig. 4) dienen wie bekannt zur Centrirung des Fadenkreuzes. Nachdem das Instrument auf die angegebene Weise vollständig corrigirt ist, kann mit demselben nach der gewöhnlichen Weise mit einmaliger Beobachtung nivellirt werden, wenn die Libelle in einem der beiden Anschlagquadranten fest liegen bleibt. Will man aber die Libelle sowohl bei der rechts- als linksseitigen Lage durch die Mikrometerschraube zum Einspielen bringen und also zwei Beobachtungen machen, so wird das Breithaupt'sche Instrument ebenso gut ohne vorhergehende Correction ein richtiges Resultat liefern, wie das Amsler'sche. Ja das erstere ist von jener das letztere beeinträchtigenden Bedingung frei, nach welcher das Innere der Libelle ein reiner Umdrehungskörper seyn muß, indem man nur bei jeder der zwei zusammengehörenden Beobachtungen immer dieselbe, z.B. die mit Theilung versehene Seite der Libelle nach oben zu kehren und dann die Einspielung zu bewirken braucht. Dieser Vorzug der Breithaupt'schen Construction ist nicht unwesentlich, da Hr. Amsler selbst erklärt, die sichere Anfertigung normaler Libellen habe ihre Schwierigkeiten. Schließlich noch einige Worte über das Ziel, welches Breithaupt bei der Construction seines Instruments im Auge hatte. Es sollte seiner Ansicht nach nicht der Trägheit oder Unwissenheit der Praktiker Vorschub leisten, welche von Correctionen gar nichts wissen wollen und daher bei Bestellung von Instrumenten hinsichtlich deren Unveränderlichkeit oft die unsinnigsten und unglaublichsten Anforderungen stellen – er wollte vielmehr dem gewissenhaften Geometer Gelegenheit geben, rasch und leicht zu untersuchen, ob nicht einzelne Theile des corrigirten Instrumentes zwischen zwei Gebrauchszeiten, sey es durch Temperatureinflüsse oder die Unaufmerksamkeit des mit dem Tragen des Instrumentes beauftragten Dieners, eine die Genauigkeit des Nivellements störende Veränderung erlitten haben. Einer solchen gleichsam plötzlichen Veränderung sind aber weder die Ring- noch Körnerlager, wohl aber die Schrauben und Federn unterworfen, und von dem schädlichen Einfluß dieser Theile wollte Breithaupt den Ingenieur befreien, da sein Instrument keiner weitem Correction bedarf, als das Einstellen des Fadenkreuzes in die Bildebene, und es also möglich macht, ohne Zeitverlust ein Nivellement richtig auszuführen. Zugleich mag die auch von Hrn. Amsler und anderen SchriftstellernProfessor Stampfer sagt Seite 19 der Jahrbücher des k. k. polytechnischen Instituts zu Wien für 1839: „Bei den in der Institutswerkstätte verfertigten Instrumenten ist zwar in dieser Beziehung anfangs kein bedeutender Fehler zu befürchten; allein wenn man bedenkt, daß schon ein Fehler von 4 bis 5 Secunden entsteht, wenn die Halbmesser der Ringe auch nur um 1/10000 Zoll verschieden sind, und daß eine solche Differenz leicht durch die Abnutzung entstehen kann, so ist es zweckmäßig, das Instrument noch auf folgende Weise zu prüfen, wodurch man von der Gleichheit der Ringe unabhängig wird etc. In ähnlicher Weise spricht sich Stampfer in §. 35 seiner „Anleitung zum Nivelliren“ aus. anerkannte leichte Abnutzung der Lagerringe die hauptsächlichste Veranlassung zu der besondern Einrichtung der Libelle am vorliegenden Instrumente gewesen seyn, indem es Breithaupt's künstlerischer Gewissenhaftigkeit nicht entsprach, ein Instrument aus der Hand zu geben und z.B. nach Amerika oder Australien zu schicken, welches nicht in allen seinen Theilen vom Besitzer corrigirt werden konnte, oder doch eine Vorrichtung besaß, um den nur von einem Mechanicus zu verbessernden Fehler ohne Rechnung und auf leichte Weise unschädlich zu machen. Gleichen Zweck verfolgte Breithaupt, als er das neue Instrument mit gehärteten, justirbaren Stahllagern construirte, welches im ersten Bande der Vermessungskunde von Dr. Bauernfeind beschrieben und in Dr. Schneitler's Lehrbuch über Instrumente und Werkzeuge der höhern und niedern Meßkunst als Modification eines großen Instrumentes angedeutet ist. In neuerer Zeit jedoch ruht das Fernrohr nicht mehr, wie in den angeführten Werken erwähnt und bildlich dargestellt ist, auf zwei Schrauben, sondern wie aus Figur 5 und 6 zu ersehen, auf einem dreiseitigen Prisma und einer Schraube. Das am Fernrohr befindliche Lager der Libelle ist auf gleiche Weise eingerichtet, so zwar, daß in beiden Gabeln oben und unten Prisma und Schraube sich einander gegenüber stehen. Die kurfürstliche höhere Gewerbeschule ist im Besitz eines großen Universal-Instruments und eines einfacheren Nivellirinstruments, bei welchen beiden die Prismenlager in Anwendung gekommen sind und sich in jeder Hinsicht vollständig bewährt haben. Sollen die Instrumente nach dem neuen System zu einer weiteren Verbreitung, z.B. unter den Bauhandwerkern oder den Oekonomen behufs der Drainirungen gelangen, so dürfen sie nicht viel theurer zu stehen kommen, als die noch häufig angewendete Canalwaage. Hinweglassung einiger Correctionsmittel und des Collectivs im Ocular, so wie Einführung der Nußbewegung statt der drei Stellschrauben, machen es dem Sohn und Nachfolger des Erfinders, dem jetzigen Hofmechanicus Hrn. G. Breithaupt, Firma F. W. Breithaupt und Sohn dahier, möglich den Preis für ein solches Instrument der Art zu ermäßigen, daß er nur wenige Thaler mehr beträgt, als für eine gute Canalwaage mit Kupferrohr in welches die Gläser eingeschraubt werden.

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