| Titel: | Die Eisenbahnwagenräder von Julius Robert Fiedler aus den gräfl. Henckel v. Donnersmarck'schen Eisenwerken zu Zeltweg in Obersteiermark. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXXXVIII., S. 413 | 
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                        LXXXVIII.
                        Die Eisenbahnwagenräder von Julius Robert Fiedler aus den
                           gräfl. Henckel v. Donnersmarck'schen Eisenwerken zu Zeltweg
                           in Obersteiermark.
                        Aus Stamm's neuesten Erfindungen, 1859, Nr.
                              29.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Ueber Fiedler's Eisenbahnwagenräder.
                        
                     
                        
                           Die Mängel der schmiedeeisernen Räder, insbesondere aber die rasche Abnutzung
                              derselben machte sich bei den steigenden Anforderungen an die Betriebsmittel der
                              Eisenbahnen schon länger fühlbar. Die bisher noch immer übliche Schweißung des Tyre,
                              das noch weitere Schwächen desselben durch die Bolzennieten, die immerwährenden
                              Reparaturen, insbesondere aber das kostspielige häufige Abdrehen und die dadurch
                              herbeigeführte Schwächung des Kranzes sind Uebelstände, welche, abgesehen von den
                              ursprünglichen hohen Anschaffungskosten, die Kostspieligkeit der schmiedeeisernen
                              Räder während des Betriebes in einem Maaße erhöhen, daß man seither bemüht war,
                              diese Uebelstände nach Kräften zu beseitigen, ohne jedoch zu einem entsprechenden,
                              befriedigenden Resultate zu gelangen.
                           
                           Die Verwendung von Gußstahltyres, welche aus einem Stücke ohne Schweißung durch
                              starkes Schmieden und Walzen erzeugt wurden, hat die Räder zwar dauerhafter gemacht,
                              aber die Erfahrung hat gelehrt, daß das dadurch erzielte Ersparniß die Mehrkosten
                              solcher theuren Räder nicht aufwiegt, weil der Stahl nicht gehärtet werden darf und
                              als weicher Stahl nur die Festigkeit des Tyre vermehrt, ohne einen entsprechenden
                              Härtegrad zu bedingen. Die Gußstahltyres sind somit zu Waggonrädern zu
                              kostspielig.
                           Ein anderes Auskunftsmittel hat die Eisenbahntechnik in den Schalengußrädern
                              gefunden. Diese Räder sind hart, der Abnutzung nur in geringem Maaße unterworfen und
                              lassen sich um einen verhältnißmäßig billigen Preis herstellen; allein der Umstand,
                              daß dieselben bisher ganz von Gußeisen angefertigt worden, führte auch hier wieder
                              zu Uebelständen, so daß diese Räder, trotz ihrer Billigkeit, ihrer Unsicherheit
                              wegen für Locomotiven unanwendbar und beim Personenverkehr ausgeschlossen sind. Ein
                              wesentlicher Nachtheil derselben ist, daß sich nach dem Gusse solcher Räder durch
                              die ungleichzeitige Zusammenziehung der einzelnen Theile stets eine Eisenspannung im
                              Rade erzeugt, welche die Festigkeit des Rades in Frage stellt; nur durch eine
                              außerordentliche Genauigkeit bei der Arbeit und durch die Anwendung eines
                              vorzüglichen Materials von immer gleicher Beschaffenheit läßt sich der
                              Verläßlichkeit dieser Räder ein höherer Grad geben. Allein dem Techniker ist
                              bekannt, wie mißlich es ist, wenn die Qualität des Erzeugnisses von der
                              angestrengten Sorgfalt des Arbeiters abhängt. Norris, der
                              in Nordamerika vorzügliche Schalengußräder erzeugte, scheiterte in Oesterreich mit
                              seinem Verfahren, ehe er die geeignete Qualität des Eisens und die verläßlichen
                              Arbeiterhände fand.
                           Was die ganz gußeisernen Räder noch weiter vermissen lassen, ist die Eigenschaft, daß
                              sie bei einseitiger Erwärmung, wie dieß an der Nabe und am Tyre mitunter vorkommt,
                              zu wenig Nachgiebigkeit zeigen und hierdurch zu Sprüngen und Rissen Veranlassung
                              geben. Bei vorkommenden Stößen ist der Mangel der erforderlichen Elasticität solcher
                              Räder ein noch weiteres Hinderniß für ihre Widerstandsfähigkeit, indem die Stöße
                              durch die steife Masse der Räder nicht gemildert werden und letztere wohl gar die
                              Achse der Gefahr des sofortigen Bruches aussetzen.
                           Ein starkes Aufpressen der Räder auf ihre Achse ist erforderlich, damit die Federn
                              nicht lose werden; dieses Aufpressen erfordert aber bei ganz aus Gußeisen
                              bestehenden Rädern besondere Vorsicht, und es ist kein seltener Fall, daß hierbei
                              diese Räder Sprünge bekommen. Es ist mit einem Worte die steifere und sprödere Masse
                              des Gußeisens, das bei bester Qualität eine bedeutend geringere, relative und absolute Festigkeit als
                              Schmiedeeisen besitzt, dasjenige, wogegen sich die Bedenken kehren und welche durch
                              die Erfahrung gerechtfertigt sind.
                           Die Vortheile des Schalengusses mit der Elasticität und Widerstandsfähigkeit der
                              schmiedeeisernen Räder zu vereinigen oder ein Rad zu construiren, welches an seinem
                              Umfang, namentlich in der Hohlkehle nächst dem Spurkranze, die größte Härte hat, in
                              seiner Verbindung des Radkranzes mit der Nabe die größte Festigkeit bietet und bei
                              dem Stoß oder bei ungleicher Erhitzung doch die erforderliche Elasticität besitzt,
                              ist daher die höchste Aufgabe beim Räderbau für Wagen und Locomotiven.
                           Diese Aufgabe scheint das (in Oesterreich patentirte) System des J. R. Fiedler gelöst zu haben. Wir bringen die nach diesem
                              Systeme construirten Räder durch Fig. 19 und 20 zur
                              Anschauung.
                           Der Kranz des Rades besteht aus einem in einer Coquille gegossenen gußeisernen Reif,
                              welcher mit der gleichfalls gußeisernen Nabe des Rades durch eine Blechconstruction
                              fest und innig verbunden ist. Die Biegung des Bleches, welche in Fig. 19 dargestellt ist,
                              bietet Steifigkeit und Festigkeit sowohl in der Ebene des Rades, wie nicht minder
                              nach der Seite, und behält genug Elasticität, um bei Stößen, ungleicher Erhitzung
                              etc. nachzugeben. Die Schwalbenschwanzverbindung, mit welcher die Blechconstruction
                              in den Radkranz und die Nabe eingegossen wird, macht aber die Theile zu einem so
                              festen Ganzen, daß eine Zertrümmerung nahezu unmöglich wird und einzelne Sprünge
                              oder Risse an der Nabe oder dem Radkranze die Verbindung des Rades noch nicht
                              aufheben. Fig.
                                 20 zeigt das Rad von der Seite und diese Verbindung.
                           Wenn es auch wünschenswerth ist, daß zweckmäßige Bremsvorrichtungen an den
                              Locomotiven und an sämmtlichen Waggons angebracht werden, um das übermäßige Bremsen
                              einzelner Waggons und dadurch die Entstehung flacher Stellen selbst an den besten
                              Rädern zu verhindern, so haben doch auch bei dem gegenwärtigen Bremsverfahren die
                              Räder nach Fiedler's System
                              den Vortheil gegen andere Schalengußräder, daß der schadhaft gewordene Tyre
                              heruntergeschroppt und ein neuer angegossen werden kann.
                           Der Bedarf an Schmiedeeisen ist hierbei auf das Minimum herabgesetzt, Schrauben und
                              Bolzennieten sind gänzlich vermieden. Das Rad ist leicht, die Herstellung einfach,
                              im Gelingen sicher und daher wohlfeil, was allen Anforderungen entspricht.
                           Am 16. August wurde in den Werkstätten der k. k. p. s. Staatseisenbahn nächst dem
                              Südbahnhofe eine eingehende Untersuchung der Räder nach Fiedler's System vorgenommen, und es haben sich
                              in Folge der von dem
                              gräflich Henckel'schen Eisenwerke zu Zeltweg an
                              sämmtliche österreichische Eisenbahndirectionen zu diesem Zwecke ergangenen
                              Einladung hierbei eingefunden: von Seite der k. k. Generalinspection der Eisenbahnen
                              der Inspector Hr. Martin
                                 Riener, von der k. k. p. s. Staatseisenbahn der k. k. Oberingenieur
                              Hr. Franz Göbl, von der k. k.
                              p. Kaiser-Ferdinands-Nordbahn der Werkstätten-Controleur Hr.
                              Ludwig Wetzlich, von der
                              k. k. p. Theißbahn der Inspector Hr. Heinrich Giles, von der k. k. p. Kaiserin-Elisabethbahn der
                              Betriebsdirector Hr. Alex.
                                 Strecker und Oberingenieur Hr. Johann Zeh, von der k. k. p.
                              Karl-Ludwigsbahn der Ingenieur Hr. Emanuel Hüller.
                           Die Redaction der „Neuesten Erfindungen“ berichtet hierüber
                              folgendermaßen:
                           Die Proben verfolgten die Constatirung der vorzüglichen Eigenschaften dieser Räder
                              nach zwei Richtungen:
                           1) Die Festigkeit des Rades als solches an und für sich.
                           2) Die Härte des Radkranzes an seiner Lauffläche.
                           Was die Festigkeit des Rades anbelangt, so haben die Proben unter dem Schlagwerke die
                              Bewunderung der Anwesenden erregt; man ließ die 13 Cntr. schwere Kugel aus der Höhe
                              von 1, 2, 3 bis 5 1/2 Klafter auf das an eine Achse gesteckte Rad fallen. Es gelang
                              diesen Schlägen, welche die Achse sehr stark bogen, wohl den Radkranz zu sprengen
                              und in Stücke zu brechen, aber die Theile desselben blieben fest in den
                              Schwalbenschwänzen der verbindenden Blechscheiben hängen, so daß man mit Vertrauen
                              annehmen kann, daß bei Zusammenstößen von Zügen, bei Entgleisungen oder sonstigen
                              vorkommenden heftigen Stößen oder Schlägen selbst dann, wenn der Radkranz an einer
                              oder mehreren Stellen springt, kein Auseinanderfallen des Rades erfolgen wird. Man
                              kam daher zu dem allseitigen Geständniß, daß diese Verbindung eine möglichst
                              vollkommene genannt werden müsse, welche diesen Rädern einen großen Vorzug vor den
                              Schalengußrädern, die ganz aus Gußeisen sind, verleiht. Die Verbindung ist hier die
                              innigste und macht das Rad, obwohl aus Gußeisen und Schmiedeeisen bestehend, zu
                              einem Ganzen.
                           Der Versuch mit dem zweiten Rade, welcher die ausgezeichnete Qualität des
                              Schalengusses zu constatiren hatte, geschah in der Weise, daß man die 13 Cntr.
                              schwere Kugel aus einer Höhe von 5 1/2 Klafter auf das flach hingelegte Rad fallen
                              ließ, um den Kranz ganz abzubrechen. Die Bruchfläche entsprach ganz den zu machenden
                              Anforderungen, indem das Eisen von der Lauffläche des Tyre herein auf circa 5–6 Linien weißstrahlig und hart war, dann
                              aber sich allmählich ins hell- und dunkelgraue körnige Eisen verlief.
                           
                           Was den Schalenguß anbelangt, so kommt die unvergleichlich gute Qualität des dazu
                              besonders geeigneten steierischen oder kärnthnerischen Eisens den gräflich Henckel'schen Eisenwerken zu Zeltweg sehr zu statten. Die
                              Einfachheit des Verfahrens beim Gusse dieser Räder, verbunden mit dem zur Verfügung
                              stehenden vorzüglichen Material, macht eine gleichmäßige und sichere Ausführung
                              dieses Schalengusses leicht möglich. Die achtbare Firma dieses Werkes und die
                              persönliche Leitung der Fabrication durch den Erfinder bürgt für ein gleich gutes
                              Fabricat.
                           Die Wohlfeilheit dieser Räder, welche an Dauerhaftigkeit die schmiedeeisernen wohl
                              drei- bis viermal übertreffen dürften, sichert ihnen eine rasche und
                              allgemeine Verbreitung. Gegenwärtig stehen dieselben bei den meisten
                              österreichischen Bahnen in probeweiser Verwendung und es hat sich bisher dabei weder
                              eine Abnutzung, noch sonst ein Mangel ergeben.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
