Titel: Ueber eine eigenthümliche Veränderung des Maschinenpapiers; von Fordos und Gelis.
Fundstelle: Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XIX., S. 62
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XIX. Ueber eine eigenthümliche Veränderung des Maschinenpapiers; von Fordos und Gelis. Aus dem Journal de Pharmacie et de Chimie, October 1859, S. 266. Fordos, über eine eigenthümliche Veränderung des Maschinenpapiers. Die meisten Papierfabrikanten und Buchdrucker haben wohl schon die Beobachtung gemacht, daß Maschinenpapier welches unmittelbar nach seiner Fabrication vollkommen weiß war, oft schon in kurzer Zeit gelb wird; manchmal ist die gelbe Farbe nicht gleichmäßig in allen Theilen des Bogens verbreitet, sondern die Veränderung des Papiers besteht in mehr oder weniger großen Flecken von runder Gestalt, welche die Farbe des Rostes haben. Einige Fabrikanten, welche glaubten daß diese Flecken durch Zersetzung der Papierfaser (Cellulose) veranlaßt werden, wandten sich an uns, um die Mittel zur Verhinderung derselben zu erfahren. Wir stellten unsere ersten Versuche mit Proben aus der Papierfabrik zu Essonne an, und mit solchen, die wir von den HHrn. Firmin Didot erhalten hatten; dann dehnten wir unsere Untersuchung auf zahlreiche im Handel gefundene Papierproben aus, welche uns besonders die Buchhändler lieferten. Wir überzeugten uns bald, daß diese Flecken, sowie die allgemeine Färbung des Papiers, nicht von einer Veränderung der organischen Substanz, sondern von Eisenoxyd herrühren; in alkalischen Flüssigkeiten verbleiben sie, während saure Flüssigkeiten sie rasch auflösen. Versuch. – Ein Blatt des zu prüfenden Papiers wurde auf einem Fensterglas ausgebreitet, und mittelst eines Dachspinsels gleichförmig mit Wasser, welches mit Salzsäure geschärft war, befeuchtet; nach dieser Operation legte man auf verschiedene so präparirte Blätter andere Blätter von erwiesener Reinheit, welche mit den einzelnen Reagentien für Eisen getränkt waren. Man konnte so alle Reactionen des Eisenoxyds erhalten; der Gerbstoff, das gelbe Blutlaugensalz und das schwefelblausaure Kali gaben auf den verschiedenen Theilen des zu prüfenden Blattes um so intensivere Färbungen, je deutlicher die gelbe Färbung des Blattes oder dessen Rostflecken waren. Andererseits brauchte man nur die gefärbten Papierbogen einige Minuten lang in verdünnter Salzsäure zu digeriren, um ihnen eine vollkommene Weiße zu ertheilen, und die Flüssigkeit enthielt dann eine beträchtliche Menge von Eisenoxydsalz. Ueber die Natur der Veränderung blieb daher kein Zweifel übrig, wir hatten aber noch zu untersuchen, in welchem Zeitpunkt der Fabrication und in welchem Zustand das Eisen in das Papier gelangt war. Es ist einleuchtend, daß die verschiedenen chemischen Operationen welche man in den Papierfabriken mit den Lumpen bis zu dem Zeitpunkt vornimmt, wo sie als Ganzzeug aus dem Holländer kommen, diesem Rohstoff wohl einen Theil des darin enthaltenen Eisens entziehen, in keinem Fall aber solches hineinbringen können; bevor wir an die Untersuchung des Ganzzeuges gingen, hatten wir also fast die Gewißheit, darin kein Eisen oder höchstens Spuren desselben zu finden, was die Versuche auch vollkommen bestätigten. Wir stellten nämlich vergleichende Versuche an, indem wir einerseits ein gewisses Gewicht Papier einäscherten, und andererseits so viel Ganzzeug als das gleiche Gewicht solchen Papiers geliefert hätte, wobei wir im Zeug immer eine viel geringere Quantität Eisen fanden als im Papier. Ein Ganzzeug, welcher uns als mit der größten Sorgfalt dargestellt und mit Chlor gebleicht übergeben worden war, enthielt gar keine Spur von Eisen. Das Eisen, welches wir in dem mit solchem Ganzzeug dargestellten Maschinenpapier fanden, konnte daher erst nach dem Waschen in den Holländern, und nur beim Durchgehen des Papierblattes zwischen den Trockencylindern hineingekommen seyn. Auf diesen Theil der Fabrication hatten wir also unsere Untersuchung zu richten. Das Waschen in den Holländern bezweckt die Lumpenmasse zu zerkleinern und ihr außerdem das Chlor zu entziehen, womit sie imprägnirt ist. Dieses Waschen ist um so vollständiger bewerkstelligt, je länger es fortgesetzt wurde; seine Vollkommenheit hängt aber, bei gleicher Dauer, auch von der Anordnung der Messer oder Schienen im Holländer ab. Ein vollkommenes Waschen ist fast immer unmöglich; man findet daher nicht selten in den Magazinen Papiere, deren Zeug schlecht gewaschen wurde und welche sogar so viel Chlor enthalten, daß dasselbe schon durch den Geruch erkenntlich wird; dieses Chlor wird aber bald auf das Papier wirken, so daß es alle Festigkeit verliert. Der aus dem Holländer genommene nasse Ganzzeug kommt in den Knotenfänger und aus diesem in die Papiermaschine, welche den Zeug in ein Papierblatt verwandelt, dieses vom Wasser befreit, verdichtet, trocknet und das fertige Papier auf einen Haspel aufwindet. Ein vollständig gewaschener Zeug würde sich während dieser verschiedenen Operationen in keiner Weise verändern; denn die in diesem Falle entwickelten Dämpfe' welche bloß aus Wasserdampf bestünden, könnten mit den verschiedenen Materialien, woraus die Maschinentheile angefertigt sind, keine auflösliche Verbindung bilden, welche sich dem Papierblatt während seiner Fabrication einzuverleiben vermag. Der hier vorausgesetzte Fall bietet sich jedoch in der Praxis niemals dar. Verarbeitet man im Gegentheil einen unvollständig gewaschenen Zeug, so wird zwar ein beträchtlicher Theil des in demselben enthaltenen Chlors mit der überschüssigen Flüssigkeit in den ersten Stadien der Operation austreten, es bleibt aber von dem Chlor immer ein Antheil zurück, welcher sich während des Trocknens mit dem Wasserdampf entwickeln, die (hohlen) gußeisernen Walzen angreifen und deren Oberfläche auflösen wird, indem er Eisenchlorür bildet, womit sich die das Papierblatt unterstützenden Filze imprägniren und welches aus diesen Filzen in das Papierblatt selbst eindringen wird. Dieses Imprägniren der Filze mit einem Eisensalz läßt sich nicht läugnen; denn die Filze haben stets Rostflecken und bekommen schon in den ersten Tagen ihrer Anwendung eine gelbe Farbe. Dieser Rost, welcher mit dem Gewebe eine wahrhafte Verbindung einging, rührt von basischem Eisenoxydsalz her, welches durch Einwirkung der Luft auf das erwähnte Oxydulsalz entstand. Er kann das Papier nicht verändern, da er unauflöslich und gebunden ist; die Veränderung des Papiers erfolgt nur durch den freien und löslichen Theil des Eisensalzes, welcher an der Oberfläche der Walzen oder in der Masse der Filze vorhanden ist. Die Eisenverbindung gelangt offenbar im löslichen und oxydulirten Zustande in das Papier, denn dasselbe ist unmittelbar nach seiner Fabrication gar nicht gefärbt. Wegen der vollkommenen Trockenheit des Papiers bleibt das Eisensalz einige Zeit lang auf dem Minimum der Oxydation und folglich farblos; bald aber wirkt der Sauerstoff der Luft, mit Beihülfe der atmosphärischen Feuchtigkeit, auf dasselbe, und führt es auf das Maximum der Oxydation über, indem er es färbt. Diese ganz einfache Reaction erklärt vollkommen die gelbe Färbung, welche solches eisenhaltige Papier annimmt. Sie erklärt auch eine Beobachtung, welche uns von einem Buchdrucker mitgetheilt wurde, nämlich daß diese Färbung oft eintritt, wenn man das Papier für den Druck feuchtet oder dasselbe durch einen Zufall gefeuchtet worden ist. Nachdem wir nun wußten, daß die Flecken der untersuchten Papiere von Eisenoxyd herrühren und daß ihre Entstehung hauptsächlich dem Chlor zugeschrieben werden muß, welches der zu seiner Fabrication verwendete Ganzzeug enthielt, hatten wir noch die einfachsten Verfahrungsarten zu ermitteln, wodurch man sich derselben entledigen kann. Durch bloßes Waschen mit Wasser könnte man dieß ohne große Kosten nicht erzielen; man müßte hierbei eine ungeheure Masse von Flüssigkeit anwenden, denn das Chlor geht mit den organischen Substanzen wahrhafte Verbindungen ein. Wenn man z.B. die Hände in eine Auflösung von Chlorkalk oder Chlornatron getaucht hat, so kann man ihnen nicht leicht durch Waschen mit Wasser allen Chlorgeruch benehmen; eben so verhält sich der Papierzeug. Man muß daher zu chemischen Mitteln greifen, deren mehrere vorgeschlagen wurden. Sie bestehen im Allgemeinen darin, dem gebleichten Zeug gewisse Reagentien beizumischen, welche mit dem Chlor Verbindungen zu bilden vermögen. Diese Reagentien, welche unter der Benennung Antichlor bekannt sind, verdienen die höchste Beachtung, denn durch ihre Anwendung erspart man einerseits die Kosten der Handarbeit welche ein langes Waschen des Zeugs veranlaßt, und andererseits sichert man das Product gegen alle Veränderungen und selbst gegen eine rasche Zerstörung, welche durch das vorhandene Chlor verursacht werden können. Die Anwendung dieser Reagentien gewährt nicht bloß in der Papierfabrication großen Nutzen, sondern in allen Industriezweigen, wo man die unterchlorigsauren Salze zum Bleichen der organischen Stoffe verwendet. Bei den für den Druck bestimmten Zeugen, welche mit Chlor gebleicht wurden, hat die Gegenwart dieses Körpers den Nachtheil die Gewebe zu verbrennen, wie man zu sagen pflegt; er kann aber auch auf die Farben wirken und die Conturen des Musters beeinträchtigen. Beim Bleichen der Wäsche trägt die Anwendung der Javellischen Lauge zum Verderben derselben bei. Beim Bleichen im Allgemeinen veranlaßt das Verbleiben von Chlor in den Geweben nach und nach die nachtheiligsten Wirkungen; es wäre zu wünschen, daß in allen diesen Industriezweigen das Antichlor in Gebrauch käme. Die Chemie bietet uns eine große Zahl von Verbindungen dar, welche das Chlor absorbiren können; solche sind die schwefligsauren und die unterschwefligsauren Salze, ferner alle Salze, deren Säure unter dem Einfluß des Chlors und des Wassers auf eine höhere Oxydationsstufe übergehen kann; solche Mittel sind auch das Zinnchlorür, die arsenige Säure etc. Natürlich kann man aber nicht beliebig das eine oder andere dieser Producte anwenden, denn die Verbindung welche als Antichlor dienen soll, muß gewisse Bedingungen erfüllen; sie darf in dem Stoff, welcher damit gereinigt werden soll, keinen Rückstand hinterlassen, ihre Anwendung darf mit keiner Gefahr verbunden und insbesondere nicht kostspielig seyn. Hr. Barreswil hat sich unseres Wissens zuerst mit den als Antichlor verwendbaren Körpern beschäftigt; er empfahl als solchen das schwefligsaure Natron.In Deutschland wurde dasselbe zu diesem Zweck zuerst von den HHrn. Kunheim und Comp. in Berlin fabricirt; polytechn. Journal Bd. XCIV S. 313. Später brachte ein Kaufmann in Amiens das unterschwefligsaure Natron in VorschlagErloschenes Patent von Dambreville (15. Juli 1846); polytechn. Journal Bd. C S. 76., aber zu einer Zeit, wo dasselbe für diese Anwendung einen noch viel zu hohen Preis hatte. Seitdem haben die HHrn. Bobierre und Moride in Nantes das Zinnchlorür vorgeschlagen.Comptes rendus de l'Académie des sciences, 1847, t. XXV p. 592; polytechn. Journal Bd. CVI S. 394. Wir wollen nun diese Producte hinsichtlich ihres Kaufpreises und der Chlormenge welche sie bei gleichem Gewichte zu zerstören vermögen, durchgehen, denn diese zwei Rücksichten müssen nothwendig den Consumenten bei der Wahl des einen oder andern derselben leiten. 1 Aequivalent schwefligsaures Natron1 Aequiv. schwefligsaures Natron kann auch mit 10 Aequiv. Wasser verbunden seyn; das Salz mit 7 Aequiv. Wasser kommt gewöhnlich im Handel vor. (SO²NaO, 7HO) zerstört 1 Aequiv. Chlor, indem es Chlorwasserstoffsäure und schwefelsaures Natron erzeugt, welche im Waschwasser bleiben. Das Zinnchlorür (ClSn, 2HO), welches zu anderen Zwecken im Großen dargestellt wird, zerstört ebenfalls sein gleiches Aequivalent Chlor, wobei es in Zinnchlorid übergeht.Dieses Product hinterläßt manchmal in den Geweben ein basisches Salz, welches dieselben in gewissen Fällen verbrennlicher macht und auch die Farben nüanciren kann, wenn diese Gewebe zum Druck bestimmt sind. Das unterschwefligsaure Natron (S²O²NaO, 5HO) zerstört eine viel beträchtlichere Menge Chlor; 1 Aequiv. dieses Salzes absorbirt nämlich nach unseren Versuchen 4 Aequiv. Chlor, indem es schwefelsaures Natron, Schwefelsäure und Chlorwasserstoffsäure erzeugt. Das unterschwefligsaure Natron wird jetzt im Großen für die Photographen dargestellt und hat beiläufig denselben Preis wie das schwefligsaure Natron. Hiernach absorbirt: Gramme. 1 Kil. schwefligsaures Natron   281,44 Chlor. 1 Kil. Zinnchlorür   315,77      „ 1 Kil. unterschwefligsaures Natron 1143,98      „ Daraus ersieht man, daß das unterschwefligsaure Natron drei und ein halb Mal (3,62) so viel Chlor absorbirt als das Zinnchlorür, und fast fünf Mal (4,96) so viel als das schwefligsaure Natron. Von diesen Producten kosten 100 Kilogr. im Handel: schwefligsaures Natron 125 Fr. unterschwefligsaures Natron 125  „   Zinnchlorür 150 bis 300  „   Um 1 Kilogr. oder 409,83 Liter Chlor zu zerstören, muß man also anwenden: 3116 Grm. Zinnchlorür, welche kosten 7 bis 8 Fr. 3553   „ schwefligsaures Natron         4 Fr. 44 C.   874   „ unterschwefligsaures Natron         1 Fr.   9 C. Das unterschwefligsaure Natron hat somit auch hinsichtlich der Gestehungskosten als Antichlor den Vorzug vor den anderen Substanzen; durch seine Anwendung kann man die Waschoperationen für den Ganzzeug so vereinfachen, daß dadurch der geringe Aufwand für den Ankauf dieses Salzes reichlich ausgeglichen wird. Wir haben nun bloß noch anzugeben, auf welche Weise man das Antichlor anwendet und an welchen Merkmalen man den geeigneten Zusatz desselben erkennt. Hierzu bedienen wir uns einer Probeflüssigkeit, welche besteht aus: Stärke   10 Grm. Jodkalium   10    „ Wasser 500    „ Man löst die Stärke mittelst Kochens in den 500 Grm. Wasser auf, und setzt der Flüssigkeit nach dem Erkalten das Jodkalium zu.Diese Flüssigkeit verändert sich ziemlich schnell, sie bleibt nicht länger als eine Woche in brauchbarem Zustande. Man muß sich daher nur eine kleine Menge davon auf einmal bereiten, oder besser sie erst zur Zeit des Bedarfs darstellen. Wenn man mit irgend einer Substanz, welche Chlor im freien Zustand enthält, einige Tropfen dieser Flüssigkeit in Berührung bringt, so erfolgt eine blaue Färbung. Dieses Chlor zersetzt nämlich eine äquivalente Menge Jodkalium, das Jod wird frei und bildet mit der Stärke die blaue Jodstärke. Nachdem man dem zu reinigenden Material durch Waschen mit Wasser den größten Theil des Chlors entzogen hat, muß man das Antichlor in kleinen Portionen zusetzen und von Zeit zu Zeit das Material auf rückständigen Chlorgehalt Probiren; wenn die blaue Farbe sich nicht mehr erzeugt, kann man sicher seyn, daß alles Chlor entfernt worden ist. Operirt man mit Papierzeug, so drückt man eine kleine Menge desselben in der Hand zu einer Kugel zusammen, welche man dann mit der Probeflüssigkeit betupft.Dieses Betupfen des Papierzeuges mit einer Auflösung von Stärke und Jodkalium, um zu ermitteln ob er noch Chlor zurückhält, wurde schon im J. 1844, bei der Einführung des Antichlors, den Papierfabrikanten als Probe empfohlen; man s. polytechn. Journal Bd. XCIV S. 314. A. d. Red. Nachdem alles Chlor zerstört worden ist, läßt man die Flüssigkeit von dem Material (Zeug) ablaufen, und wascht dasselbe schließlich mit bloßem Wasser oder mit schwach alkalischem Wasser, um die letzten Spuren der unter dem Einfluß des Antichlors gebildeten Säure zu entfernen.