Titel: Die Anfertigung der gezogenen Büchsenläufe in der königl. brittischen Waffenfabrik zu Enfield.
Fundstelle: Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XXIX., S. 97
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XXIX. Die Anfertigung der gezogenen Büchsenläufe in der königl. brittischen Waffenfabrik zu Enfield. Aus dem Mechanics' Magazine vom 16. September 1859. Ueber die Anfertigung der gezogenen Büchsenläufe in der königl. brittischen Waffenfabrik zu Enfield. Zur Anfertigung der Büchsenläufe verwendet man zu Enfield das beste Wedgebury-Eisen, welches in trapezförmigen Platten von 13 Zoll Länge, 9/16 Zoll Dicke und 5 1/4 resp. 5 Zoll Breite bezogen wird. Der erste Proceß ist das Biegen und Schweißen der Röhren. Die Platten werden zu diesem Behufe in weißglühendem Zustande durch Walzen gezogen, deren erstes Caliber an der obern Walze einen umlaufenden halbrunden Stab, an der untern die correspondirende Nuth hat. Die jetzt entstandene Rinne passirt ein zweites Caliber, welches in beiden Walzen halbkreisförmige Ruthen hat; dadurch werden die Seiten welche abgeschärft sind, über einander gebogen und so wird ein Rohr hergestellt, welches nun zum Schweißen gelangt. Das auf einen 3/8 zölligen Dorn gesteckte Rohr wird in einen Flammofen gebracht und gelangt hierin zur Schweißhitze. Das zum Schweißen und Strecken dienende Walzwerk ist dem gewöhnlichen Streckwerk ähnlich, jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, daß die um die Walzen herumlaufenden Vertiefungen nicht mit deren Peripherie concentrisch, sondern zu derselben so viel excentrisch sind als die Conicität des Rohres beträgt. Wenn das Rohr in hinreichender Hitze ist, was der Arbeiter in Folge langer Praxis durch den Blick erkennt, so nimmt er dasselbe mittelst des Dornes aus dem Ofen, legt es auf die vor den Walzen angebrachte Vorlage und wartet den Augenblick ab, wo die Walzen in der Stellung zu einander sind, welche die Conicität des Rohres bedingt, und steckt es dann schnell in das Caliber. Auf dieselbe Weise passirt das Rohr eine Reihe von im Durchmesser nach und nach abnehmenden Calibern, und wird, nachdem es das letzte Caliber vollständig rund und geschweißt, mit Hülfe einer Führung verlassen hat, von einem hinter den Walzen stehenden Knaben mit der Zange ergriffen und vom Dorn abgezogen, den der Schweißer wieder für neue Operationen benützt. Das noch rothwarme Rohr wird von dem Knaben jetzt auf einer eisernen Platte im Rohen gerade gerichtet und dann in eine Presse gebracht, die ein Bett oder Gesenk von der Länge des Rohres hat; der eben so lange Preßkopf steigt und fällt, indem er an einem Gelenk in der Mitte aufgehangen ist und kann sich daher in beliebige Ebenen legen durch diese Vorrichtung wird das Rohr vollständig gerade gerichtet. Sind sämmtliche Operationen bis hierher genügend durchgeführt worden, so erfolgt jetzt das ziemlich schwierige Ansetzen resp. Anschweißen der conischen Verstärkung für die Schwanzschraube. Auf das hintere Ende des Rohrs wird eine schwache Hitze gemacht und ein Stück Eisen von den erforderlichen Dimensionen mit der Hand eingesetzt. Dann wird auf das Ganze Schweißhitze gemacht, ein Dorn in das hintere Ende getrieben und durch fortgesetzte schnelle Schläge, während das Rohr zwischen Gesenken liegt, die Schweißung und die verlangte Form hergestellt. Der zum Schweißen dieses Theils verwendete Schnellhammer (trip hammer) ist eine amerikanische Erfindung. Die hauptsächlichsten Theile desselben sind von Holz. Der Stiel hängt in Zapfen und der vordere Theil, auf welchem der eigentliche Hammer sitzt, ist der schwerste. Eine Scheibe, welche auf ihrer äußern Peripherie mit einer Anzahl von Daumen versehen ist, liegt rechtwinkelig zum Hammer unter dem äußern Ende desselben. Die Scheibe, mit loser und fester Riemenrolle versehen, dreht sich sehr schnell und wirft mittelst der dreieckigen, 4 Zoll hervorstehenden Daumen, den Hammer mit entsprechender Geschwindigkeit auf und nieder. Der in Enfield benutzte Hammer, dessen Scheibe mit zwölf Daumen versehen ist, schlägt per Minute circa 300mal. Die jetzt folgende Operation ist das Ausglühen, welches mit Holzkohlen geschieht und wobei die atmosphärische Luft sorgfältig ausgeschlossen werden muß, um eine Entkohlung des Eisens zu verhindern. Der Arbeiter hat dabei den geeigneten Hitzegrad sorgfältig zu beachten, um das Material weich und mild zu machen, und es nicht durch Ueberschreitung desselben zu verderben. Nach dem Ausglühen werden die Läufe vorgebohrt. Auch hierzu bedient man sich in Enfield einer amerikanischen Maschine, in welcher gleichzeitig vier Läufe bearbeitet werden. Diese Maschine trägt auf zwei Ständern einen mit kaltem Wasser gefüllten Trog, der gleichzeitig als Bohrbett dient und in welchem die Läufe während der Operation kühl gehalten werden. Vier horizontalliegende Bohrstangen, durch Räder mit einander verbunden, haben an ihren Enden gewundene Bohrer und schieben sich während der Arbeit mittelst einfacher Vorwärtsbewegung durch das Rohr. Nach dem zweiten Schnitt wird das Rohr aus den Lagern genommen, durch Hammerschläge gerade gerichtet, und kommt nun auf die Drehbank, um äußerlich bearbeitet zu werden. Die hierzu verwendete Drehbank ist eine selbstthätige Egalisirbank mit einer Leitschiene vor dem Support, durch welche, ohne Hülfe des Arbeiters, dem Rohre die vorgeschriebene äußere conische Gestalt ertheilt wird. Der Support ist mit zwei Drehmessern versehen; das vordere derselben nimmt den ersten oder sogenannten Schroppschnitt, während das gegenübersitzende den Fertig- oder Schlichtschnitt nimmt. Um Schwingungen zu verhüten, wird das Rohr dicht hinter dem Messerhalter in einer festen Docke (Brille) geführt, die auf dem Supportschlitten befestigt, sich mit den Messern vorschiebt. Ist der Lauf von der Drehbank abgeliefert, so kommt er zum Fertigbohren, von allen Bearbeitungen wohl die wichtigste. Die dazu benützte Maschine ist einem horizontalen Bohrwerk ähnlich und nur zur Aufnahme eines Rohrs eingerichtet. Dasselbe wird in einer Docke geführt, und das zum Ausbohren benützte Instrument ähnelt einer vierkantigen Reibahle, deren Seiten geschliffen sind; zwei Seiten des Vierecks des Instrumentes sind mit Holzstreifen belegt, welche gleichzeitig als Führung dienen; es ist erstaunlich, welche Genauigkeit durch dieses einfache, sich per Minute 300mal umdrehende Werkzeug erreicht wird. Zum Ausbohren wird Oel als Schmiermittel verwendet, und nach der Arbeit das Rohr mittelst einer genauen Lehre untersucht. Hernach wird die Kammer für die Schwanzschraube mittelst eines Zapfen-Kronbohrers ausgebohrt, das Gewinde eingeschnitten, die Schwanzschraube eingesetzt und das Rohr in Bezug auf Arbeit und Material nun von einem Beamten genau untersucht. Ist es für gut befunden, so wird es auf einem gewöhnlichen Schleifstein abgeschliffen. Dann folgt eine Reihe von Operationen zur Vollendung der Schwanzschraube, wozu ein Satz besonderer Werkzeugmaschinen aufgestellt ist. Nun wird das Rohr zur Aufnahme des Kornes gebohrt, eingestrichen und dann mit der Schmirgelkluppe abgeschmirgelt, hernach mit der Feile der Länge nach abgezogen und zur letzten Arbeit, dem Ziehen, abgeliefert. Die in Enfield zum Ziehen der Büchsenläufe verwendeten Maschinen sind von belgischer Construction und größtentheils in Lüttich gebaut. Das Gestell derselben ähnelt dem Bett der gewöhnlichen Egalisirdrehbänke, und auf demselben schiebt sich ein Schlitten vor- und rückwärts, wie bei den Hobelmaschinen; durch das Rohr, welches in Lagern befestigt ruht, schiebt sich eine stählerne Stange, welche an einem Ende das Messer trägt, womit die Nuth der Länge nach geschnitten wird. Durch eine Bewegung, welche mittelst Zahnstange und Getriebe auf diese Welle übertragen wird, dreht sich dieselbe während des Vorschiebens des Schlittens und bildet auf diese Weise die Schraubenlinie des Zuges. Die Führung der Messerstange befindet sich in einer Scheibe am Ende der Maschine, wo gleichzeitig die Vorrichtung angebracht ist, welche die drei Züge des Rohres in gleichmäßigen Abständen von einander anzusetzen gestattet. Der Schnitt beginnt an der Mündung und erweitert sich gegen das Ende, was durch eine sehr sinnreiche Construction der Messerführung bewirkt wird. Nachdem die Züge im Innern des Rohres hergestellt sind, wird dasselbe ausgeschmirgelt, um die bei letzterer Operation entstandenen Unebenheiten sowie den an den Zügen gebliebenen Grath zu beseitigen. Zu diesem Zweck wird das Rohr fest eingespannt, so daß sich dasselbe nicht drehen, sondern nur mit dem Schlitten hin und her schieben kann. Ein Bleikolben, welcher sich mit sehr großer Geschwindigkeit dreht, wird nun in das Rohr gebracht, der Schlitten langsam mit dem Rohre hin und her geschoben und das Innere desselben unter Anwendung von Oel auf diese Weise wie ein Spiegel polirt. Von dieser Maschine abgeliefert, kommt das Rohr zum Probiren mit höchster Ladung. Hat es die Schußprobe bestanden, ohne irgend eine Beschädigung zu zeigen, so kommt es zu der Maschine, welche das Korn auf der Mündung bearbeitet und in die verlangte Form bringt. Darnach wird mittelst gewöhnlicher Instrumente und Handarbeit alles entfernt, was die verschiedenen Hülfsmaschinen möglicherweise an Grath oder Unebenheiten zurückgelassen haben, und das nun bis auf das Visir oder den Aussatz fertige Rohr zur Herstellung desselben abgeliefert. Diese Arbeit erfordert sehr große Sorgfalt, denn es handelt sich darum, daß das Korn nicht nur in genauer Richtung zum Vförmigen Einschnitt des Visires steht, sondern daß auch die durch beide Punkte gedachte Linie genau mit der Achse des Rohrs in einer Ebene liegt. Vorausgesetzt daß alle beschriebenen Arbeiten, von der Schweißung bis zum Anbringen des Visirs, ganz befriedigend ausgefallen sind und der revidirende Beamte das Urtheil „sehr gut“ abgab, wird das Rohr nun bronzirt, dann polirt, und kann nun mit dem Schaft und dem Schloß versehen werden.