Titel: | Ueber zwei neue Materialien zur Gasbereitung, und über eine Verbesserung an Gasbrennern; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. CIV., S. 349 |
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CIV.
Ueber zwei neue Materialien zur Gasbereitung, und
über eine Verbesserung an Gasbrennern; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über zwei neue Materialien zur Gasbereitung und über eine
Verbesserung an Gasbrennern.
Als vor einiger Zeit die kleine und unbrauchbar gewordene Gasbereitungsanstalt einer
umfangreichen Fabrik durch eine neue und größere Einrichtung ersetzt werden sollte,
stand es im Plane, als Material der Gaserzeugung die Steinkohle zu benutzen.
Mancherlei Umstände ließen es indeß wünschenswerth erscheinen, einen andern hiezu
geeigneten Stoff aufzusuchen. Da nun damals für die Melasse bei den niedrigen Spirituspreisen keine Verwendung war, so fand
ich mich veranlaßt, diese zunächst einigen Versuchen zu unterwerfen. Dieselben haben
unzweifelhaft ergeben, daß die Melasse ein ganz geeignetes Material zur Gasbereitung
abgibt und unter Umständen mit Vortheil dazu benutzt werden kann. Sofern es sich
offenbar um ein dem Holzgas nahestehendes Product
handelte, so erschien es als die erste Bedingung, möglichste Trockenheit zu
erreichen. Dieß dürfte zwar anfangs als schwer zu bewirken gelten, allein es zeigte
sich bald, daß es ohne große Mühe gelingt, der Melasse bis zu 10 Proc. Wasser zu
entziehen, während die übrig bleibenden 5–6 Proc. keinen Nachtheil bewirken.
Wenn man nämlich Melasse über freiem Feuer in einer kupfernen oder eisernen Schale
unter Umrühren erhitzt, so tritt bald ein Punkt ein, wo sie sich von der Gefäßwand, die sie nicht mehr benetzt, loslöst; setzt man das Erhitzen noch etwas fort, so erhält man bald eine
Masse, die beim Erkalten vollkommen fest und trocken wird und sowohl in diesem wie
im heißflüssigen Zustande leicht in Gasretorten zu zersetzen ist. Die Versuche habe
ich zwar nur im kleinen Maaßstabe ausgeführt, doch deutet jene eigenthümliche
Erscheinung beim Erhitzen auf sichere Ausführbarkeit im Großen. Ob dabei ein
unmittelbares Einfließenlassen der heißen Flüssigkeit, oder ein Einlegen der kalten
trockenen Stücke vorzuziehen seyn wird, müssen freilich specielle Versuche
lehren.
Die in meinem Versuche erhaltene Masse betrug 90,4 Proc. der angewandten Melasse. Es
hatten nämlich 135 Grm. Melasse nach dem Erhitzen einen Rückstand von 122 Grm.
ergeben. Nachdem nun durch einige Versuche erwiesen war, daß durch weitere Erhitzung
dieses Stoffes sich reichlich Gas entwickelte, welches mit hellleuchtender Flamme
verbrannte, wurde die Menge desselben bestimmt. 15 Grm. ergaben bei der Destillation
8,82 Kubikdecimeter (ungereinigtes) Leuchtgas, oder es sind zu einem Kubikfuß
erforderlich 3,5 Loth getrocknete Melasse. 1000 Kubikf. erfordern also etwa 1
Centner getrocknete oder 1 1/9 Centr. rohe Melasse. Die Leuchtkraft dieses Gases
habe ich zwar nicht näher bestimmt, doch wird man nicht sehr irren, wenn man sie zu
2/5 von derjenigen des Harzgases annimmt. Da nun 1000 Kubikfuß Harzgas 1 Centner
Harz erfordern, so würde 1 Centner rohe Melasse ungefähr
gleichkommen einem Drittel Centner Harz. Daraus läßt sich annähernd die Verwerthung
der Melasse entnehmen, wenn man sie auf Gas benutzt, und die Umstände bestimmen,
unter denen dieses Verfahren lohnend seyn kann. Als Nebenproducte fallen wenig Theer
und ziemlich viel ammoniakalisches Wasser. Die erforderlichen Apparate sind jedenfalls dieselben wie
für Holzgas; ist doch das hauptsächlichste gasentwickelnde Material, der Zucker, dem
Holze sehr ähnlich. Die zurückbleibende Kohle gibt das trefflichste Düngermaterial
für Rübenfelder in einem sowohl zum Transport, wie für die Pflanzen ganz
vorzüglichen Zustande.
Diese Versuche habe ich nicht weiter fortgesetzt, weil mir ein anderes Nebenproduct
der Zuckerfabrication lohnender erschien; auch haben sich seither die
Preisverhältnisse so wesentlich verändert, daß für jetzt eine derartige Benutzung
der Melasse nicht Aussicht auf allgemeinere Anerkennung haben dürfte. Indessen
glaube ich, daß die ausgesprochenen Gedanken und die gegebenen Thatsachen vielleicht
unter anderen Verhältnissen Anregung zu fortgesetzten Versuchen geben werden.
Das zweite Material zur Gasfabrication, dessen oben erwähnt worden, sind die Rückstände der Maceration trockener Rüben. Bekanntlich
verarbeiten manche Fabriken getrocknete Rübenschnitzeln, besonders in den
Sommermonaten. Wenn man diese Schnitzeln nach dem Auslaugen auspreßt und an der Luft
oder mittelst künstlicher Wärme (wie sie bei Dampfkesseln u.s.w. unbenutzt verloren
geht) trocknet, so stellen sie mehr oder weniger reine Pflanzenfaser dar und der
Gedanke, daraus eben so wie aus Holz Gas zu erzeugen, lag nahe. Angestellte Versuche
im kleinen Maaßstabe ergaben, daß bei der Destillation dieser getrockneten
Schnitzeln für sich allein Leuchtgas, Theer und Holzessig nebst essigsaurem Ammoniak
erhalten wurde, daß aber bei Zusatz von Kalk der ganze Stickstoffgehalt der
Schnitzeln als ammoniakalisches Wasser gewonnen werden kann. Es ergab nämlich ein
(preußisches) Pfund möglichst trockener Schnitzeln bei der Destillation unter
Kalkzusatz 6 Kubikfuß ungereinigtes Gas und soviel Ammoniak, daß dasselbe 0,22 Proc.
Stickstoffgehalt der trockenen Substanz entsprach. Es würden demnach 100 Pfund
trockene Schnitzeln liefern:
600
Kubikfuß Gas,
3
Pfund Ammoniaklösung von 10 Proc. NH³
oder
1,2
Pfd. schwefelsaures Ammoniak,
wozu erforderlich
wäre
0,8
Pfd. Schwefelsäure.
Wenn kein Kalk bei der Destillation zugesetzt wird, so wird weniger an
stickstoffhaltigen Producten gewonnen. In dem einen oder anderen Falle können
dieselben am besten mit der zurückbleibenden Kohle vermischt und als Dünger verwandt
werden. Man hat dann den doppelten Vortheil, den Stickstoff und die Salze der
Rübenrückstände dem Boden wiederzugeben und die ammoniakalischen Stoffe durch die
Kohle an den Boden zu
fesseln. Da die ausgelaugten Schnitzeln ohnehin meistens als Dünger benutzt werden,
so ist das vorweg gewonnene Leuchtgas reiner Gewinn.
Im Großen werden die angegebenen Zahlen nicht ganz erreicht, schon weil es sich nicht
lohnt den letzten Rückhalt an Gas aus der Kohle zu verjagen. Die Gasentwickelung,
die anfangs sehr rasch erfolgt, nimmt späterhin bedeutend ab, und bei der dichten
Aufeinanderlagerung der einzelnen kleinen Schnitzeltheile bleibt die untere Schicht
nur unvollkommen zersetzt. Man kann annehmen, daß 100 Pfd. Schnitzel 400 bis 500
Kubikfuß Gas liefern. Was an Stickstoff nicht im ammoniakalischen Wasser erhalten
wird, bleibt in der Kohle und kommt daher auf die eine wie auf die andere Weise den
Feldern zu Gute. Ob sich der Kalkzusatz bei der Destillation lohnt, hängt davon ab,
ob man das ammoniakalische Wasser anders als mit der Kohle zu Dünger verwenden
will.
Das erhaltene Leuchtgas ist, eben so wie das Holzgas, sehr mit Kohlensäure
verunreinigt; man darf annehmen, daß es davon 23–24 Proc. enthält.
Bekanntlich erfordert das Holzgas eine sorgfältige Entfernung dieses
Kohlensäuregehaltes, weil es sonst mit wenig leuchtender Flamme brennt. Ebenso muß
das Schnitzelgas mit Kalk gereinigt werden; auch gehören selbstredend zu seiner
Erzeugung und Verbrennung dieselben Apparate und Brenner wie zum Holzgas.
Nach Feststellung dieser Thatsachen ist denn auch in der Eingangs erwähnten Fabrik
die Einrichtung für Holzgas aufgestellt worden, und dienten die vorhandenen Vorräthe
an getrockneten und ausgelaugten Schnitzeln, und nach Verarbeitung derselben Holz,
Holzabfälle und zum Theil Knochengries in geringer Menge zur Gasbereitung.
Indessen machte sich bei den hohen Preisen der erforderlichen Stoffe die
Nothwendigkeit starker Kalkreinigung sehr bald in empfindlichster Weise geltend. Es
ist diese Nothwendigkeit, dem Gase höchstens 5–6 Proc. Kohlensäure zu
belassen, in den meisten Berichten über Holzgasfabrication übergangen und der
entstehende Kostenpunkt zwar angeführt, allein dem Umstande gegenüber wohl nicht
genugsam hervorgehoben worden, daß, wie man zu sagen pflegt, das Holzgas einer
„Reinigung nicht bedürfe.“ Es ist vielmehr die Entfernung
der Kohlensäure, wie jedem Holzgasfabrikanten bekannt seyn wird, eben so nothwendig
wie kostspielig, so zwar, daß dieselbe in manchen Fällen die Rentabilität ganz in
Frage zu stellen geeignet ist. Die Wirkung der Kohlensäure besteht vermutlich darin,
daß sie mit dem abgeschiedenen glühenden Kohlenstoff Kohlenoxyd bildet und dann ohne
Lichtentwickelung verbrennt, wodurch dann der größte Theil des freiwerdenden
Kohlenstoffs außer Wirksamkeit kommt. Dem entsprechend bildet der Kalkreiniger einen
Haupttheil bei dem Apparate für Holzgas und wird seiner Construction und öftern
Neubeschickung so große Sorgfalt gewidmet, daß die Reinigung des Steinkohlengases
kaum umständlicher und gewiß nicht kostspieliger ist. Eine Folge hievon ist es
gewesen, daß bald nach Errichtung der in Rede stehenden Holz- resp.
Schnitzel-Gas-Fabrik ein ganz ungenügendes Leuchtgas zur Verwendung
kommen mußte, weil die Reinigungskosten unverhältnißmäßig wuchsen, ja daß die
Beibehaltung des Verfahrens ganz in Zweifel kam. Aehnliche Verhältnisse sind auch
anderweit empfunden worden, wenn auch andere Umstände diese Kosten vielleicht
weniger empfindlich machten. So beträgt z.B. die Ausgabe für die (Holz-)
Gasreinigung in der Augsburger BaumwollspinnereiMittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1854 Heft 3, S. 156;
polytechn. Journal Bd. CXXXV S.
50. in 210 Tagen 857 Gulden oder fast so viel wie die Kosten des
Destillationsmaterials (nach Abzug des Erlöses für Holzkohle 943 fl.). In Bayreuth
wird der Preis des Kalkes als den vierten Theil der Kosten für das Holz betragend
angegeben, und in der vorhin erwähnten Schnitzelresp. Holzgas-Fabrik wurden
ebenfalls täglich 2–3 Thlr. für die Reinigung verausgabt. Bedenkt man nun
noch, wie umständlich und lästig die so häufige Beschickung der Reiniger ist, so
scheint wohl der große Nutzen einer Einrichtung deutlich erwiesen, welche erlaubte
ganz ungereinigtes oder doch solches Holzgas zu brennen, bei dem nur ein geringer
Theil der Kohlensäure entfernt wurde. In Fabriken, wo das Holzgas als Nebenproduct
so gut wie keinen Werth hat, hat man sich wohl durch sehr weite Brenneröffnungen
geholfen; brennt doch ungereinigtes Holzgas aus einem weiten Rohr mit
hellleuchtender Flamme. Allein der Gasverbrauch ist dabei so außerordentlich groß,
daß an eine allgemeinere Befolgung dieses Verfahrens nicht gedacht werden kann, und
selbst in solchen speciellen Fällen wäre es wünschenswerth, den überflüssig
verbrannten Antheil Gas zu sparen und zur Heizung zu verwenden.
Es gereichte mir daher zu besonderer Befriedigung, durch günstige Umstände zur
Kenntniß eines Gasbrenners zu gelangen, der diesen Uebelständen abzuhelfen ganz
vorzüglich geeignet ist, und den ich somit allen Holzgas-Fabrikanten oder
Consumenten bestens empfehlen kann. Ohne den speciellen Versuchen vorzugreifen, die
ich mit diesen Brennern, den gewöhnlichen gegenüber, anstellen und demnächst
veröffentlichen werde, soll hier nur angeführt seyn, was nach Einführung der
erwähnten Brenner, Sternbrenner genannt, in der Anwendung
von Holzgas von verschiedenem Kohlensäuregehalt beobachtet worden ist.
Ganz ungereinigtes Holzgas, das man zu 20–23 Proc. Kohlensäuregehalt annehmen
kann, gibt, in den gewöhnlichen Brennern gebrannt, ein so trübes und ungenügendes
Licht, daß von seiner Verwendung selbst bei den allerbescheidensten Ansprüchen
gänzlich abgesehen werden muß. Bei Anwendung der Sternbrenner jedoch gibt solches
Gas ein ganz befriedigendes Licht; dasselbe ist zwar nicht glänzend zu nennen,
reicht jedoch für Fabriklocale u. dgl. vollkommen aus, so daß seit Einführung dieser
Brenner das Gas in der betreffenden Fabrik nur hier und da in sehr geringem Maaße
gereinigt wird, um den Kohlensäuregehalt, der durch Anwendung von schlechtem oder
nicht gehörig getrocknetem Holze sich wohl über den bezeichneten Betrag erheben
kann, auf dieser Norm zu erhalten. Dabei ist der Gasverbrauch eher geringer wie
höher, wobei selbstredend die Kohlensäure mitgerechnet wird. In der Fabrik werden
nur die den Schnittbrennern entsprechenden Sternbrenner gebrannt, allein auch die
Anwendung von Argandbrennern gibt, wenn man nur den Luftzug gehörig regulirt, ein
sehr helles Licht, so daß auch zum Gebrauch in Schreibstuben u.s.w. das Gas nicht
gereinigt zu werden braucht.
Es ist denn auch seit Einführung der Sternbrenner von der Ersetzung des Holzgases
durch anderes, da die Kosten sehr bedeutend vermindert sind, keine Rede mehr, um so
weniger als man es täglich in der Hand hat, durch eine sehr
geringe Reinigung des Gases ein wirklich brillantes Licht zu erzielen,
indem das Gas mit 12–16 Proc. Kohlensäure in den neuen Brennern ein in jeder
Beziehung und bei jeder Verwendung vortreffliches Licht
gibt. Diese Brenner üben auch noch bei reinerem Gase eine sehr
erhebliche Erhöhung der Leuchtkraft aus. Für den Fall also, daß man die
einzelnen Flammen möglichst hell haben will, kann man sehr bedeutend an Gas sparen,
wenn man es nicht vorzieht, es an Reinigungskosten zu thun. Für Fabriken u. dgl.
jedoch, wo es weniger auf ein sehr glänzendes Licht, auf
einzelne blendende Flammen, als vielmehr darauf ankommt, daß an bestimmten Orten Flammen von hinreichender Helligkeit brennen, wo man also nicht nöthig hat für
wirklich überflüssiges Licht Ausgaben zu machen, wird es sich immer am meisten
empfehlen, ganz ungereinigtes Holzgas, oder doch solches anzuwenden, auf dessen
Reinigung eine gegen die bisherige unbedeutende Menge Kalk verwandt worden. Es sind
sogar jetzt Brenner benutzt worden, die nach der gewöhnlichen Form bei diesem und
auch bei viel reinerem Gas gar kein Licht oder doch so geringes geben, daß von einer
Anwendung derselben nie die Rede seyn konnte, während dieselbe, in Sternbrenner
umgeändert, bei großer Gasersparniß ein Licht geben, das für manche Zwecke,
z.B. an den Fensterchen der Kochapparate, vollkommen ausreicht. So sind selbst die
ganz feinen Steinkohlengas-Schlitzbrenner, sowie die entsprechenden
Fischschwanzbrenner, die sonst für Holzgas, selbst für gereinigtes, unbenutzbar
sind, mit großem Nutzen als Sternbrenner angewandt worden.
Die neuen Brenner haben mit den bekannten von Stamm und
Heitz nichts ähnliches; die Leuchtkraft wird nicht
durch Einführung eines festen leuchtenden Körpers, sondern durch Veränderung des
während der Verbrennung stattfindenden chemischen Processes hervorgerufen. Die
Umänderung der alten Brenner in diese neue Form ist sehr leicht zu bewerkstelligen
und kann überall geschehen. Näheres hierüber hier mitzutheilen, ist mir freilich
nicht gestattet, doch wird die Redaction des polytechnischen Journals allen
Denjenigen, welche sich für diese wesentliche Verbesserung, die dem Holzgas erst
eine allgemeinere Anwendung verschaffen und seine Einführung in Folge der bewirkten
Wohlfeilheit mannichfach fördern muß, interessiren, die Wege angeben, wie sie zur
Kenntniß der Construction der Sternbrenner gelangen
können.