Titel: | Ueber das vegetabilische Pergament oder das Pergamentpapier. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. CXII., S. 388 |
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CXII.
Ueber das vegetabilische Pergament oder das
Pergamentpapier.
Ueber das vegetabilische Pergament oder das
Pergamentpapier.
Im Jahrgang 1859 des polytechn. Journals, Bd. CLII
S. 380, wurde ein Auszug aus dem Berichte mitgetheilt, welchen Prof. A. W.
Hofmann den HHrn. De La
Rue und Comp. in London über seine mit deren
Pergamentpapier angestellten Versuche und über die mannichfaltige Anwendbarkeit
dieses neuen Materials erstattet hat. Dieser Bericht ist seitdem vollständig im
Novemberheft 1859 der „Annalen der Chemie und Pharmacie“ mit
daselbst beigegebenen Proben von Pergamentpapier veröffentlicht worden; wir
entnehmen dieser Quelle zur Ergänzung des früher Mitgetheilten das Nachfolgende:
„Die Umwandlung ungeleimten Papiers in vegetabilisches Pergament nach dem
von Gaine empfohlenen Verfahren – nämlich
Eintauchen während einiger Secunden in eine auf 15° C. erkaltete Mischung
von 1 Maaß concentrirter Schwefelsäure (von 66° Baumé) und 1/2
Maaß Wasser,Bei den Versuchen des Verf. hat sich herausgestellt, daß die Gränzen der
Verdünnung zwischen 1/4 Maaß und 1/2 Maaß Wasser auf 1 Maaß völlig
concentrirter englischer Schwefelsäure liegen. Auswaschen mit gewöhnlichem und zuletzt mit ammoniakalischem Wasser
– gelingt stets, wenn man sich genau an die gegebenen Verhältnisse hält,
während bei selbst unbedeutend scheinender Abweichung der Versuch leicht
fehlschlägt. Bei Anwendung einer Schwefelsäure, die nur wenig mehr Wasser enthält, findet der
Uebergang nur äußerst unvollkommen statt, während zu concentrirte Säure das
Papier auflöst oder selbst verkohlt. Zeit und Temperatur sind ebenfalls wichtige
Momente für den Erfolg der Operation. Läßt man das Papier einige Augenblicke zu
lange in dem Säurebad, oder ist die Temperatur nur wenige Grade höher als die
Mitteltemperatur von 15° C. – wie es leicht der Fall ist, wenn man
die Mischung von Säure und Wasser nicht sorgfältig hat erkalten lassen –
so ist die Wirkung wesentlich beeinträchtigt. Die gewöhnlichen Beziehungen
zwischen Zeit, Temperatur und Concentration verlieren hierbei alle Geltung, und
man würde vergeblich versuchen, bei Anwendung einer verdünnteren Säure durch
Erhöhung der Temperatur oder verlängerte Einwirkung den gewünschten Erfolg zu
erreichen. Ueberhaupt ist die Umwandlung des Papiers in vegetabilisches
Pergament eine Operation die einige Uebung erfordert, und erst nach mehrfach
wiederholten erfolglosen Versuchen gelang es dem Verf., Proben darzustellen,
welche den ihm zur Untersuchung übersendeten ähnlich waren.
Der Verf. hat verschiedene der ihm übersendeten Proben von Pergamentpapier ohne
weitere Reinigung der Analyse unterworfen. Es ergab sich nach Abzug von 0,9
Proc. Asche – nicht viel mehr als man in den gewöhnlichen Papiersorten
findet, – daß die Substanz des vegetabilischen Pergaments die
Zusammensetzung der Cellulose oder Holzfaser besitzt. Die Analyse zeigt also,
daß die Umwandlung nur auf einer Umlagerung der Papiermolecüle beruht, und daß
der Erfolg der momentanen Einwirkung der Schwefelsäure auf die Holzfaser
demjenigen gleicht, welcher bei längerer Einwirkung in der Bildung von Dextrin
stattfindet; das vegetabilische Pergament läßt sich in der That als Mittelglied
zwischen dem Dextrin und der Holzfaser betrachten.
Nachdem über die Natur des Bildungsprocesses des neuen Materials kein Zweifel
mehr herrschen konnte, war es vor Allem erforderlich, festzustellen, ob das zur
Entfernung der Schwefelsäure eingeschlagene Verfahren nichts zu wünschen übrig
läßt. Es ist einleuchtend, daß ohne die vollkommenste Entfernung oder
Neutralisation der Säure das Pergamentpapier jeden Werthes entbehrt, indem seine
Textur schnell allen Zusammenhang verlieren würde.
Die Art, wie das Papier nach der Einwirkung der Säure behandelt wird, nämlich
lange anhaltendes Auswaschen mit fortwährend erneutem Wasser, Eintauchen in
verdünntes Aetzammoniak und wiederholtes Waschen mit Wasser, ist schon an und
für sich Bürge dafür, daß das vegetabilische Pergament keine freie Schwefelsäure
enthalten kann. Dennoch schien es wünschenswerth, über diesen wichtigen Punkt
durch directe Versuche Aufschluß zu gewinnen. Hierzu wurden mehrere Quadratfuß
Pergamentpapier in kleine Stücke zerschnitten und einen halben Tag lang mit
Wasser ausgekocht. Die abfiltrirte Flüssigkeit bis auf ein ganz geringes Volum
eingeengt, zeigte einen Gehalt an schwefelsaurem Kalk und schwefelsaurem
Ammoniak; sie röthete schwach Lackmuspapier, offenbar in Folge der Gegenwart des
letzteren Salzes, welches, obwohl von neutraler Zusammensetzung, dennoch eine
Wirkung auf vegetabilische Farben übt. Schwefelsaures Ammoniak, mehrfach aus
absichtlich mit freiem Ammoniak versetzter Lösung umkrystallisirt, gab in der
That eine noch auffallendere saure Reaction zu erkennen. Die Abwesenheit freier
Schwefelsäure in dem Absud des Pergamentpapiers erwies sich jedoch noch
directer, als die oben gedachte Flüssigkeit zu wenigen Tropfen eingedampft und
auf ungeleimtes Papier gegossen wurde. Nach dem Eintrocknen bei 100° C.
zeigte sich nicht die geringste Bräunung oder Schwächung des Zusammenhangs; das
Papier verhielt sich gerade so, als ob Wasser darauf eingetrocknet worden
wäre.
Aus dem Vorhergehenden folgt, daß das vegetabilische Pergament keine Spur freier
Schwefelsäure enthält und daß die außerordentlich kleine, im gebundenen Zustande
vorhandene Quantität in einer Form existirt, welche die Dauerhaftigkeit des
Materials in keinerlei Weise beeinträchtigen kann. Die Befürchtung, das
vegetabilische Pergament, welches einem der mächtigsten Zersetzungsagentien
seine Bildung verdankt, könne aus seiner Entstehung den Keim der Zerstörung in
sich tragen, ist demnach unbegründet. Es verdient überdieß bemerkt zu werden,
daß sich der Einfluß auch der allergeringsten Menge freier Schwefelsäure auf das
Papier in kürzester Zeit geltend machen würde, während sich die Proben, die seit
vier Jahren im Besitze des Verf. sind, von den frisch bereiteten, welche De La Rue und Comp. ihm
übersandten, nicht unterscheiden lassen.
Der technische Betrieb dieser neuen Fabrication, deren große Schwierigkeiten Hr.
Warren de la Rue mit seltener Ausdauer und
vollkommenem Erfolge bewältigte, ist seit etwa einem Jahre im Gange. Nach den
letzten Berichten die vorliegen (October 1859), übersteigt in England die
Nachfrage nach dem neuen Material bereits die gegenwärtige Production um ein
Bedeutendes, und man wird vielleicht nicht ohne Interesse erfahren, daß eine der
scheinbar geringfügigsten Verwendungen desselben die Quelle außerordentlichen
Absatzes geworden ist, insofern die Fabrikanten von Conserven, Marmeladen und
dergl. das Pergamentpapier bereits tonnenweise zum
Ueberbinden ihrer Gefäße beziehen.“