Titel: | Ueber die Erkennung der Salpetersäure auf trockenem Wege; von Prof. W. Stein in Dresden. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. CXXI., S. 417 |
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CXXI.
Ueber die Erkennung der Salpetersäure auf
trockenem Wege; von Prof. W.
Stein in Dresden.
Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1859 S.
1624.
Stein, über die Erkennung der Salpetersäure auf trockenem
Wege.
Die an Basen gebundene Salpetersäure, um die es sich bei Versuchen auf trockenem Wege
allein handeln kann, erkennt man an den Zersetzungsproducten, welche die Säure beim
Erhitzen liefert, also an dem Auftreten von salpetriger Säure. Die salpetersauren
Salze verhalten sich aber beim Erhitzen nicht alle gleich. Salpetersaures Kali und
Natron geben beim Erhitzen Sauerstoff aus, indem sich salpetrigsaure Salze bilden;
salpetersaurer Baryt, Strontian und Kalk dagegen entwickeln salpetrige Säure, und
zwar bedarf hierbei der salpetersaure Baryt einer stärkeren Erhitzung als die beiden
anderen salpetersauren Erden. Diesen gleich oder ähnlich verhalten sich übrigens die
salpetersaure Magnesia, Thonerde und die salpetersauren Salze der Schwermetalle. Der
allgemeine Ausdruck für dieses Verhalten ist also, daß alle Basen, mit Ausnahme von
Kali und Natron, beim Erhitzen sich von der Säure trennen, welche dann in Sauerstoff
und salpetrige Säure (Untersalpetersäure) zerfällt.
Hat man es daher mit solchen salpetersauren Basen zu thun, so genügt eine einfache
Erhitzung, im andern Falle muß man Mittel anwenden, um die Salpetersäure frei zu
machen. Da man aber bei derartigen Prüfungen in der Regel nicht weiß, von welcher
Beschaffenheit die salpetersauren Salze in der zu untersuchenden Probe sind, so ist
es natürlich am angemessensten, in jedem Falle die gedachten Mittel von vorn herein
in Anwendung zu bringen. Nach meinen Erfahrungen sind die folgenden zwei von
sicherer Wirkung, nämlich doppelt-schwefelsaures Kali oder Bleioxyd.
Das doppelt-schwefelsaure Kali macht die Salpetersäure frei, indem es die
damit verbundene Base bindet; das Bleioxyd, indem es an deren Stelle tritt, wodurch salpetersaures
Bleioxyd entsteht, was in der Hitze die Salpetersäure fahren läßt. Durch Beimischung
von Bleioxyd in Form von gewöhnlicher Glätte läßt sich durch Erhitzen aus
salpetersaurem Kali und Natron salpetrige Säure entwickeln und aus den
salpetersauren Erden entwickelt sie sich bei einer weit niedrigeren Temperatur, als
wenn sie für sich allein erhitzt werden. Die Versuche werden in einem am einen Ende
zugeschmolzenen Glasröhrchen ausgeführt.
Ist nun bei Anwendung des einen oder des anderen Mittels die Menge des in einem
Gemische vorhandenen salpetersauren Salzes groß genug, so läßt sich die
Salpetersäure ohne Weiteres an dem Auftreten des gelben oder braungelben Gases
erkennen. Ist jedoch die Menge so gering, daß die Farbe nicht mehr sichtbar ist, so
muß man sich eines chemischen Hülfsmittels bedienen, um die Gegenwart der
salpetrigen Säure nachzuweisen. Man bereitet sich zu dem Ende eine Lösung von
oxydfreiem Eisenvitriol, versetzt dieselbe mit etwas freier Schwefelsäure und tränkt
damit einen zusammengedrehten Streifen Filtrirpapier. Diesen Streifen schiebt man in
den oberen Theil des Röhrchens und bemerkt nun bei Gegenwart von salpetriger Säure
eine gelbliche bis braune Färbung. Ich habe mit Hülfe des Vitriolpapiers in einem
Gemische von 1000 Theilen wasserfreiem Glaubersalz mit 1 Theil salpetersaurem Kali,
welches also ungefähr 1/2000 Salpetersäure enthielt, noch deutlich die Salpetersäure
erkannt. Auf nassem Wege war diese Menge von Salpetersäure nicht mehr
nachweisbar.
Das angegebene Verfahren ist demnach empfindlicher als alle bis jetzt bekannten, und
kann z.B. sehr gut benutzt werden, um in Brunnenwässern u. dergl. Salpetersäure zu
erkennen. In dem Abdampfungsrückstande vom Wasser des Brunnens im chemischen
Laboratorium dahier, sowie in dem der Weiseritz, habe ich wenigstens mit Hülfe
desselben sehr leicht die Salpetersäure aufgefunden. Man hat jedoch bei Anstellung
des Versuchs die Färbung des Vitriolpapiers im Momente ihrer Entstehung zu
beobachten, weil dieselbe wieder verschwindet, sobald der Papierstreifen sich
erwärmt. Aus diesem Grunde ist es, besonders bei Anwendung des
doppelt-schwefelsauren Kalis, rathsam, sich eines möglichst langen
Probirröhrchens zu bedienen. Bei Anwendung dieses Mittels, obgleich die Wirkung
desselben empfindlicher als die des Bleioxyds ist, sind übrigens noch einige
Umstände zu berücksichtigen, die bei Anwendung von Bleioxyd unbeachtet bleiben
können. Wenn nämlich viel Chlorverbindungen vorhanden sind, kann die Salpetersäure
nicht mehr erkannt werden, weil, wie ich mich überzeugt habe, die in diesem Falle
frei werdende Salzsäure allein schon das Vitriolpapier färbt, indem sich
Eisenchlorid bildet. Ferner tritt die Reaction der Salpetersäure nicht ein, wenn viel
Eisenoxydulverbindungen in der Probe enthalten sind, und es wird dieselbe
unkenntlich bei Gegenwart größerer Mengen von organischen Stoffen; ein Zusatz von
Bleioxyd zu dem doppelt-schwefelsauren Kali beseitigt zwar die
Schwierigkeiten, man kann jedoch, um bei Anwesenheit von Chlorverbindungen sich
nicht zu täuschen, nicht die gewöhnliche Bleiglätte benutzen, und deßhalb ist es am
besten, in solchen Fällen von vorn herein nur Bleioxyd an der Stelle des
doppelt-schwefelsauren Kalis anzuwenden.