Titel: Ueber den Gußstahl des Oberstlieutenants Obuchow.
Fundstelle: Band 156, Jahrgang 1860, Nr. VII., S. 19
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VII. Ueber den Gußstahl des Oberstlieutenants Obuchow. Nach dem russischen Bergjournal, von Ernst Wysoky. – Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1860, Nr. 10. Ueber Obuchow's Gußstahl. Der Bergingenieur Obuchow bereitet Gußstahl: 1) durch Zusammenschmelzung des Roheisens mit Stahl- und Eisenabfällen, Magneteisenstein, schwarzem Schlich, Arsenik, Salpeter und Thon, und 2) durch Zusammenschmelzung des Roheisens mit Magneteisenstein und Arsenik, ohne andere Beimengungen. Die Versuche wurden in der jüngsten Zeit in ziemlich großen Dimensionen auf der Zlatoustowskischen Hütte von Obuchow mit günstigen Resultaten abgeführt. Das Besondere der eben erwähnten zwei Methoden besteht vorzüglich in dem Verhältnisse der Beimengung, welche sich mit den Eigenschaften des zu fabricirenden Stahles ändert und es kann seyn, daß neue Versuche zu weiteren Abänderungen und Verbesserungen führen werden, um so mehr, da der Einfluß einer oder der anderen Beimengung auf den Grad der Güte des Stahles auch noch bis jetzt nicht genau zu erklären ist. Zur Darstellung des Stahles wird weißes, wo möglich reines Roheisen angewendet – ein durch die vielen Sorten von Roheisen, welches am Ural durchwegs mittelst Holzkohlen erblasen wird, leicht zu befriedigender Umstand. Ueberhaupt muß man meinen, daß sich die wesentlichsten Eigenschaften der höheren Stahlsorten, Gleichförmigkeit, Zähigkeit und Dehnbarkeit, im geraden Verhältnisse mit dem Grade der Reinheit des Metalles befinden, aus welchem der Stahl erzeugt wird. Der Magneteisenstein, welcher zur Mengung genommen wird, wird in der Nähe von Zlatoust erobert und auch vom kleinen Blagodat und Kackanar bezogen; dem letzteren scheint der Erfinder der Methode wegen dem Titanhalte und geringen Menge von Kieselerde den Vorzug zu geben. Die erwähnte Methode der Stahlfabrication ist in Nr. 1 des Journals für die Artillerie auf das Jahr 1857 von Radkewic, Unterlieutenant der Garde-Artillerie, beschrieben, welcher den Betrieb auf der Zlatoustowskischen Hütte persönlich sah; wir aber beschränken uns, in Erwartung der Beendigung der Versuche und einer genauen Beschreibung vom Oberstlieutenant Obuchow selbst, in diesem Artikel auf die Mittheilung einer Zusammenstellung der Versuche, welchen die aus dem nach dieser neuen Methode erzeugten Stahle angefertigten Werkzeuge und verschiedenen Gegenstände unterworfen wurden. Der Oberstlieutenant Obuchow stellt auf der Zlatoustowskischen Hütte folgende Stahlsorten dar: 1) harten Stahl für Werkzeuge, 2) mittelharten Stahl für Werkzeuge, 3) Klingenstahl, 4) Küraßstahl, 5) Stahl für Gewehrläufe. Letztere drei gehören zu den weichen Stahlsorten. Der harte Stahl für Werkzeuge zeichnet sich aus durch feines Korn und weiße, vollkommen gleichförmige Farbe. Derselbe ist sehr hart, schneidet ähnlich gehärteten englischen Stahl und schweißt nicht, läßt sich aber anschweißen. Der weiche Stahl ist im Bruche feinkörnig, lichtgrau, läßt sich leicht schmieden und schweißen. Der mittelharte Stahl ist gröber im Korne, lichtgrau, läßt sich leicht schmieden und schweißen. Aus dem Berichte des Berghauptmannes der Zlatoustowskischen Hüttenwerke erhellt, daß die zwei ersten Stahlsorten gemäß ihrer Bestimmung jetzt mit vollem Erfolge zur Anschweißung und Anfertigung der Werkzeuge in der Zlatoustowskischen Waffenfabrik statt dem englischen Stahle benützt und wahrscheinlich in kurzer Zeit den letzteren völlig aus dem Gebrauche verdrängen werden. Im Petersburger Arsenale wurden aus dem harten Stahle eine Schlossersäge, Drehmeißel, Schröter und Bohrer angefertigt, welche, obgleich sie nicht besser als englische waren, doch die Möglichkeit der Anwendung dieses Stahles für ähnliche Werkzeuge zeigten. Uebrigens scheint die Ursache der nicht ganz befriedigenden Resultate in dem Mangel der Kenntniß der Arbeiter, mit dem neuen Stahle umzugehen, zu liegen. Die Klingen wurden früher aus raffinirtem Stahle auf der Zlatoustowskischen Hütte angefertigt, gegenwärtig macht man sie aus einer weichen Gußstahlsorte des Oberstlieutenants Obuchow, und sie zeichnen sich durch ihre Güte und bedeutende Wohlfeilheit aus. Versuche mit Flintenläufen aus dem Gußstahle des Oberstlieutenants Obuchow wurden nach Anordnung des Finanzministers auf der Zlatoustowskischen Hütte zuerst den 2. December 1855 durch eine eigene Commission aus Bergingenieuren, Artilleristen und Arbeitern abgeführt. Zum Vergleiche wurde ein Flintenlauf genommen, welcher aus Gußstahl des bekannten westphälischen Fabrikanten Krupp in der Sestroreckischen Hütte verfertigt wurde. Nach der Untersuchung der Commission zeigte derselbe am Ende in der Nähe der Fliege unbedeutende Mängel, wegen welchen die Flintenläufe dem Ausschusse nicht unterworfen wurden. Bei der Untersuchung von drei, aus dem Gußstahle des Oberstlieutenants Obuchow angefertigten Läufen konnte man an denselben keine Mängel bemerken, dagegen wurden sie einer verstärkten Pulverprobe unterworfen. Einer von ihnen, kleineren Gewichtes (im Ganzen 3 Pfund 36 Zolotnik), wurde mittelst vier allmählich verstärkten Ladungen probirt, und zwar: 1. Ladung   2 1/2 Zolotnik Pulver und Kugel 2.     „   5 3.     „   7 1/2 4.     „ 10 Derselbe zeigte sich nach dieser Probe ganz rein und wurde hierauf nach dem Vorschlage des Oberstlieutenants Obuchow zur Ueberzeugung von der Güte des Metalls im kalten Zustande zu einem Ringe umgebogen, allein auch nach dieser Probe war an ihm nicht der geringste Fehler zu bemerken. Ein anderer, nach dem Muster der Gewehre für das Militär angefertigter Lauf wurde ebenfalls mittelst vier allmählich verstärkten Ladungen von 2 1/2 bis 10 Zolotnik Pulver geprüft. Nach der Probe war weder im Innern des Laufes noch äußerlich ein Fehler sichtbar. Endlich der dritte, nach Krupp's Muster gefertigte Lauf war bestimmt ihn bis zum Zerreißen zu probiren. Die Ladungen erfolgten in folgender Reihe: 1. Ladung   2 1/2 Zolotnik Pulver und Kugel 2.     „   5 3.     „   7 1/2 4.     „ 10 5.     „ 12 1/2 6.     „ 15 7.     „ 17 1/2 8.     „ 20 Nach jedem Schusse wurde der Lauf sorgfältig besichtigt, allein nirgends bemerkte man in ihm eine Beschädigung. Beim 8. Schusse, bei einer Ladung von 20 Zolotnik, ist der Lauf gerissen, wobei der Vordertheil ohne alle Beschädigungen blieb, der Hintertheil aber um 6 Zoll Länge von der Kammer an entzweigerissen ist. Bei allen Ladungen wurden zwischen das Pulver und die Kugel und auf die Kugel besondere Pfröpfe gegeben. Das Probirgestell war unbeweglich befestigt und erlitt nicht die mindeste Bewegung nach rückwärts. Nach der Anordnung des gewesenen Oberberghauptmanns der Bergwerke am Ural, des Artilleriegenerals Glinka, wurden wiederholte Versuche mit aus Obuchow's Gußstahle gefertigten Läufen in Jekaterinburg am 14. und 15. November 1856 vor einer besonderen Commission abgeführt. Es wurden zwei Läufe in der Jekaterinburger mechanischen Fabrik aus zwölf Stahlplatten angefertigt, welche aus einem compacten Stahlstücke gemacht waren und vom Oberstlieutenant Obuchow präsentirt wurden. Alle diese Läufe erwiesen sich nach Zusammenschweißung, Ausbohrung und äußeren Abdrehung bei der Untersuchung als völlig rein und ohne den mindesten Fehler. Hierauf wurden sie der gewöhnlichen Pulverprobe unterworfen, auf Grundlage der Instruction für die Annahme der Gewehre; es wurden nämlich aus ihnen je zwei Schüsse gemacht, der erste mit einer Ladung von 6 Zolotnik Pulver mit einem Pfropfe, Kugel (von 6 Zolotnik) und einem zweiten Pfropfe, der andere mit einer Ladung von 5 Zolotnik Pulver, mit einem Pfropfe, Kugel und einem andern Pfropfe. Bei der Untersuchung der Läufe nach dem Abschießen zeigte keiner derselben die geringste Verletzung. Es wurde vorgeschlagen, dieselben einer verstärkten Pulverprobe zu unterwerfen und bis zum Reißen zu bringen. Zu diesem Behufe wurden von den zwölf probirten Läufen vier aufs gerathewohl genommen und dieselben folgenden verstärkten Proben unterworfen. Menge desPulvers Anzahl derKugeln Anzahl derPfropfe Anzahl derhalben Pfröpfe   1. Ladung   6  Zolotnik   2 1   2   2.     „   6       „   3 1   3   3.     „   6       „   4 1   4   4.     „   6       „   5 1   5   5.     „   6       „   6 1   6   6. Ladung   6  Zolotnik   7 1   7   7.     „   6       „   8 1   8   8.     „   6       „   9 1   9   9.     „   6       „ 10 1 10 10.     „   6       „ 11 1 11 11.     „   6       „ 12 1 12 12.     „   6       „ 13 1 13 13.     „   6       „ 14 1 14 14.     „   6       „ 15 1 15 15.     „   6       „ 16 1 16 16.     „   6       „ 17 1 17 17.     „   6       „ 18 1 16 18.     „   6       „ 19 1 19 19.     „   6       „ 20 1 20 20.     „   6       „ 21 1 21 21.     „   6       „ 22 1 22 22.     „   7       „ 22 1 22 23.     „   8       „ 22 1 22 24.     „   9       „ 23 1 23 25.     „ 10       „ 24 1 24 26.     „ 10       „ 26 1 26 27.     „ 10       „ 30 1 30 28.     „ 12       „ 34 1 34 Zur Beschleunigung des Ladens wurden zwei Stempel gebraucht, im Gewichte von 3 3/4 und 3 7/8 Pfund. Die Kugeln wurden mit zwei oder drei starken Schlägen eingetrieben. Bei dem 21. Schusse mit 6 Zolotnik Pulver, einem Pfropfe, 22 Kugeln und 22 halben Pfröpfen, drangen die Pulvergase durch das Zündloch, die Kugeln jedoch blieben in den Läufen. Es war nicht möglich, sie mit dem Kugelzieher aus den Läufen auszuziehen, weßhalb sie aus einem Laufe mittelst Erhitzens desselben bis zur dunkelblauen Farbe ausgenommen, aus den anderen drei aber ausgebohrt werden mußten. Dabei wurde ein Lauf durch den Bohrer in der Mündung beschädigt und mußte deßhalb aus der Probepartie ausgeschieden werden. Bei dem 22. Schusse (mit 7 Zolotnik Pulver, einem Pfropfe, 22 Kugeln und 22 halben Pfropfen) waren die Kammern verändert, weil sich in ihnen die Zündlöcher stark erhitzten. Bei dem 26. Schusse (mit 10 Zolotnik Pulver, einem Pfropfe und 26 Kugeln mit 26 halben Pfröpfen) bildeten sich kleine Erhabenheiten auf der Oberfläche der Läufe in Folge starken Plattwerdens der Kugeln in den Canälen. Der letzte 28. Schuß wurde mit 12 Zolotnik Pulver, 34 Kugeln und 34 halben Pfröpfen gemacht, allein es blieben alle Läufe unversehrt, wiewohl in dem Canale kein Raum zum Eintreiben übrig blieb. Durch das Waffencomité wurden aus Obuchow's Gußstahle auf der Sestroreckischen Hütte angefertigte Läufe im Vergleich mit aus Krupp's Gußstahle verfertigten, durch verstärkte Schüsse probirt, bei einer Ladung von 11 Zolotnik Pulver mit einer allmählich steigenden Anzahl Kugeln und Pfropfe von 2 bis 7. Ein Lauf von Krupp zerriß auf den 8. Schuß, bei einer Ladung von 9 Zolotnik Pulver mit 5 Kugeln und 5 Pfropfen, ein Lauf von Obuchow aber auf den 14. Schuß bei einer Ladung von 11 Zolotnik mit 7 Kugeln und 3 Pfröpfen. Uebrigens war der Lauf von Obuchow in den Wänden weit stärker als der von Krupp, weßhalb sich nicht bestimmen ließ, welcher von ihnen verhältnißmäßig stärkere Proben aushielt. Der Bruch des Laufes von Krupp war feinkörnig und weiß, der des Laufes von Obuchow grobkörnig und graulich. Das Waffencomité entschied: „daß bei den jetzigen Gewinnungsmethoden des Stabeisens und dem bedeutenden Ausschusse der daraus gefertigten Läufe der Gußstahl sehr wichtig ist. Das Comité überzeugte sich schon im Jahre 1855 von den vorzüglichen Eigenschaften der Läufe aus dem Gußstahle des westphälischen Fabrikanten Krupp, das einzige Hinderniß der Annahme derselben bei uns bestand aber in dem hohen Preise dieses Metalls. Die jetzigen Versuche mit den Läufen aus dem Gußstahle vom Oberstlieutenant Obuchow zeigten, daß sie allen Anforderungen der besten Gewehrläufe genügen und durch ihre Festigkeit ausgezeichnet sind, obgleich man einen genauen Vergleich derselben mit den Läufen von Krupp in dieser Beziehung nicht anstellen konnte, weil von den letzteren eine hinreichende Menge nicht vorhanden war. In Erwägung dessen, daß Obuchow's Stahl ein inländisches Fabricat werden und unabhängig von politischen Ereignissen verschafft werden kann, überdieß 1 Rubel 50 Kop. bis 2 Rubel Silber, der von Krupp aber über 5 Rubel 50 Kop. per Pfund kostet und der Stahl von Jäger Wahrscheinlich aus dem Werke Friedrich Jäger's in Frankenmarkt (Ober-Oesterreich), woraus hervorgeht, daß dieses österreichische Etablissement in der Qualität seiner Erzeugnisse neben Krupp selbst im Auslands genannt wird, wenn es auch gleich jenem die innere russische Concurrenz zu bestehen hat. Anmerkung der Red. der öfter. Zeitschrift. auch fast dasselbe, erkannte das Waffencomité für nothwendig: sobald als möglich Versuche im größeren Maaßstabe mit dem Stahle von Obuchow anzustellen, zu dessen Behufe 1000 Läufe in die Izewikische und Sestroreckische Hütte abgeliefert wurden.