| Titel: | Ueber die Desinfection der Producte der Londoner Cloaken; von Dr. A. W. Hofmann und E. Frankland. | 
| Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XX., S. 51 | 
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                        XX.
                        Ueber die Desinfection der Producte der Londoner
                           Cloaken; von Dr. A. W.
                              Hofmann und E.
                              Frankland.
                        Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Octbr. 1859, S.
                              325.
                        Hofmann, über die Desinfection der Producte der Londoner
                           Cloaken.
                        
                     
                        
                           Wir erstatten im Folgenden das Gutachten über das Desinficiren (Geruchlosmachen) der
                              Producte der Londoner Cloaken, womit wir von dem Stadtbauamt (Metropolitan Board of Works) am 27. Mai 1859 beauftragt wurden. Bei
                              unseren zu diesem Zweck angestellten Untersuchungen hielten wir uns streng an den
                              von dem Stadtbauamt angenommenen Plan, die erwähnten Producte durch Canäle
                              abzuleiten und vor dem Ausfluß in die Themse zu desinficiren.
                           Unter den zahlreichen Vorschlägen, welche bezüglich des Desinficirens dieser Producte
                              eingegangen waren, fanden wir nur wenige, welche mit dem zur Wegschaffung derselben
                              zu Grunde gelegten Plan vereinbar waren, und unter diesen nur einen einzigen, welcher sich
                              bei den im Großen angestellten Versuchen als genügend wirksam bewährte. Nach
                              letzterm Vorschlage soll als Desinficirmittel das sogenannte salzsaure Eisen von Dales benutzt werden, welches im Wesentlichen eine
                              concentrirte Lösung von Eisenchlorid ist, deren
                              desinficirende Wirkung bereits vor mehreren Jahren von Hrn. Ellerman nachgewiesen wurde.Nach den Versuchen von N. Terreil hat das
                                    Eisenchlorid, als neutrale und sehr concentrirte Auflösung, die Eigenschaft
                                    nicht nur die eiweißartigen Flüssigkeiten gerinnen zu machen, sondern auch
                                    deren Fäulniß aufzuhalten und sogar deren Desinfection zu bewirken, wenn sie
                                    einen üblen Geruch verbreiten. Eiweiß von Eiern, Blut und anderen
                                    thierischen Flüssigkeiten ließ sich, nachdem es mittelst Eisenchlorid zum
                                    Gerinnen gebracht war, mehrere Monate lang ohne eine Spur von Zersetzung
                                    aufbewahren. Diese Wirkungsweise des Eisenchlorids ist leicht zu erklären,
                                    denn bekanntlich geht dasselbe mit dem Eiweiß eine Verbindung ein, welche
                                    der Fäulniß nicht fähig und worin das Eiweiß durch Chlor modificirt ist,
                                    welches das Eisenchlorid an dasselbe abtritt, indem es in Eisenchlorür
                                    übergeht, wie die Reagentien nachweisen. Das durch Eisenchlorid in der
                                    eiweißartigen Flüssigkeit entstandene Coagulum ist in einem Ueberschuß von
                                    ziemlich concentrirtem Eisenchlorid auflöslich; ein Ueberschuß der
                                    eiweißartigen Flüssigkeit löst es ebenfalls wieder auf; es ist sehr löslich
                                    in einem schwach ammoniakalischen Wasser; mit concentrirten Mineralsauren
                                    versetzt, zertheilt es sich in schwärzliche Klumpen, welche nicht mehr
                                    zusammenhangen und einen eigenthümlichen Geruch entwickeln. (Comptes rendus, August 1859, Nr. 7.)A. d. Red. Dieses Mittel wurde im Vergleich mit zwei anderen bekannten
                              Desinficirmitteln, dem Kalk und dem Chlorkalk, vielen Versuchen unterworfen. Diese
                              Versuche führten zu dem Ergebniß, daß die Desinfection der Cloakenstoffe sowohl
                              durch Eisenchlorid als durch Chlorkalk oder Kalk bewirkt werden kann, daß aber, wenn
                              man von jedem dieser Mittel eine denselben Geldwerth repräsentirende Menge anwendet,
                              das Eisenchlorid vor den beiden anderen entschieden den Vorzug verdient, der
                              Chlorkalk aber weit wirksamer ist als der Kalk. Dieses Ergebniß bezieht sich sowohl
                              auf die unmittelbare Einwirkung der drei Mittel auf die Cloakenmasse, als auch auf
                              die Dauerhaftigkeit der hervorgebrachten Wirkung; berücksichtigt man aber namentlich
                              die letztere, also den Umstand ob die geruchlos gemachten Substanzen auch geruchlos
                              bleiben, so stellt sich die Ueberlegenheit des Eisenchlorids noch entschiedener
                              heraus.
                           Die Versuche, durch welche wir zu diesen Resultaten gelangten, stellten wir in der
                              heißesten Jahreszeit, nämlich in der letzten Hälfte des Monats Juli, mit den aus
                              mehreren Hauptcloaken Londons ausfließenden Massen an. Um in hinreichend großem
                              Maaßstabe zu operiren, ließen wir an der Ausmündung der Cloake von King's Scholar's
                              Pond Bassins von Ziegelsteinen anlegen, welche mit Cement gedichtet wurden, und
                              deren jedes 7500 Gallons Cloakenmasse aufnehmen konnte. Die Cloakenmasse wurde durch eine Dampfpumpe in
                              diese Bassins geschafft, und man ließ darin die verschiedenen Desinficirmittel
                              darauf einwirken, indem man dieselben entweder während des Füllens der Bassins
                              ebenfalls durch Pumpen allmählich hinzutreten ließ, oder sie später in die Bassins
                              brachte, und in jedem Falle durch mechanische Rührapparate mit der Cloakenmasse
                              innig vermischte. Durch eine hinreichend große Anzahl solcher Versuche ergab sich,
                              daß jedes der drei vorerwähnten Mittel 7500 Gallons Cloakenmasse sogleich
                              desinficirt, wenn sie in den nachstehend angegebenen Verhältnissen angewendet
                              werden:
                           
                              
                                 Eisenchlorid-Lösung von 1,45 spec. Gewicht
                                 1/2 Gallon
                                 
                              
                                 Chlorkalk von 36 Proc. Chlorgehalt
                                 3 Pfd.
                                 
                              
                                 Kalk (gebrannter)
                                 1 Bushel.
                                 
                              
                           Daraus folgt, daß 1,000,000 Gallons Cloakenmasse, um durch eines der genannten Mittel
                              desinficirt zu werden, beziehentlich folgende Mengen derselben erfordern würde:
                           
                              
                                 
                                 Pfd. St.
                                 Sh.
                                 Pence
                                 
                              
                                   66 Gallons Eisenchlorid, welche kosten
                                 1
                                 13
                                     3
                                 
                              
                                 400 Pfd. Chlorkalk
                                 2
                                   2
                                   10 1/2
                                 
                              
                                 132 1/2 Bushels Kalk
                                 3
                                   6
                                     6
                                 
                              
                           Bei diesen Versuchen, welche, wie erwähnt, in den heißesten Tagen einer trockenen
                              Jahreszeit ausgeführt wurden, fanden wir zu unserer Verwunderung, daß die aus der
                              Mündung der Canäle ausfließende Masse nicht sehr faulig war, sondern erst nach
                              24stündigem oder längerem Stehen in den Bassins einen starken Geruch annahm. Wegen
                              dieses Umstandes war es von höchster Wichtigkeit, die Dauerhaftigkeit der durch die
                              dreierlei Desinficirmittel hervorgebrachten Wirkung genau festzustellen.
                           Zu diesem Zweck wurden drei gleiche Quantitäten Cloakenmasse aufgesammelt und jede
                              für sich mit Eisenchlorid, Chlorkalk oder Kalk vollständig desinficirt, worauf man
                              sie stehen ließ. Nach zwei Tagen fieng die durch Kalk desinficirte Masse an zu
                              riechen, während die mit Chlorkalk und die mit Eisenchlorid behandelte Masse noch
                              vollkommen geruchlos war. Nach drei Tagen besaß die durch Kalk desinficirte Masse
                              schon einen ekelhaften Geruch, während die beiden anderen Massen noch immer keinen
                              Geruch hatten. Nach vier Tagen war die mit Kalk behandelte Masse sehr stinkend, die
                              mit Chlorkalk behandelte fieng an übelriechend zu werden, die mit Eisenchlorid
                              behandelte war dagegen noch vollkommen geruchlos. Letztere zeigte diesen Zustand
                              selbst noch, nachdem sie neun Tage gestanden hatte.
                           Ein anderer Punkt von Wichtigkeit bei der Beurtheilung des Werthes eines
                              Desinficirmittels ist die Zeit, welche nach dem Zusatz desselben zum Klären nöthig ist. Auch in
                              dieser Hinsicht fielen die Ergebnisse der Versuche ganz zu Gunsten des Eisenchlorids
                              aus.
                           Nach dem für die Fortschaffung der Masse der Londoner Cloaken zu Grunde gelegten Plan
                              beabsichtigt man den größeren Theil dieser Masse in zwei Reservoirs zu sammeln,
                              welche bei Barking Creek und Crossness Point angelegt werden sollen, sie hier im
                              Mittel 9 1/2 Stunden zu lassen und dann während der ersten 2 1/2 Stunden der Ebbe in
                              die Themse zu führen. Der andere Theil der Cloakenmasse soll während des ganzen
                              Jahres an einem in der Nähe von Cremorne Gardens gelegenen Punkte an die Themse
                              gepumpt werden. Man schätzt die gesammte tägliche Menge der Cloakenmasse gegenwärtig
                              auf 81,250,000 Gallons, für eine nicht ferne Zukunft aber auf 108 Millionen Gallons.
                              Der bei Barking Creek und Crossness Point zu sammelnde Theil wird die Desinfection
                              wahrscheinlich nur in der warmen Jahreszeit, etwa drei Monate lang in jedem Jahre,
                              nöthig haben, was bei Anwendung von Eisenchlorid beiläufig 12000 Pfd. Sterl. kosten
                              würde. Wir glauben indeß, daß das Desinficiren hier nur selten wirklich drei Monate
                              lang im Jahre nöthig seyn werde, da die genannten beiden Stellen, an denen man die
                              Masse sammeln und in die Themse ablassen würde, ziemlich weit von London entfernt
                              sind, vorausgesetzt, daß man sie von allen suspendirten Theilen befreie, in welchem
                              Falle sie, nach den Ergebnissen der Versuche zu urtheilen, nur unter seltenen,
                              besonders ungünstigen Umständen eine Desinfection erheischen dürfte. Was dagegen die
                              bei Cremorne Gardens abzulassende Masse anbetrifft, welche jetzt beiläufig 5
                              Millionen Gallons beträgt, so dürfte es unerläßlich seyn, sie während des ganzen
                              Jahres regelmäßig zu desinficiren, was beiläufig 3000 Pfd. Sterl. per Jahr kosten würde.
                           Schließlich machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß es nochwendig ist, den
                              Cloakeninhalt, bevor man ihn in die Themse fließen läßt, so viel als möglich von
                              allen suspendirten Theilen zu befreien. Wir haben nämlich gefunden, daß die
                              suspendirten Theile, selbst wenn sie aus desinficirter Cloakenmasse abgesondert
                              sind, in der warmen Jahreszeit sehr schnell in stinkende Fäulniß übergehen. Die
                              Zurückhaltung dieser Theile dürfte in bedeutendem Maaße darauf hinwirken, den üblen
                              Geruch und die Ungesundheit der Themseufer zu beseitigen, gleichwie sie andererseits
                              eine größere Reinheit des Themsewassers zur Folge hätte. Die Neigung zur Fäulniß,
                              welche die durch Filtriren oder durch Absetzen aus dem Cloakeninhalt abgeschiedene
                              feste Masse besitzt, macht es nothwendig, daß man sie aus den Reservoirs oder den
                              Filtern immer rasch entfernt, namentlich in der warmen Jahreszeit, denn wenn die
                              Fäulniß dieser Masse
                              einmal begonnen hat, kann man sie nur mit Anwendung unverhältnißmäßig großer Mengen
                              desinficirender Stoffe wieder zum Stillstand bringen. Die Desinfection der großen
                              Quantität Cloakenmasse dürfte nach dem Ergebniß unserer Versuche nicht besonders
                              schwierig seyn, dagegen die Absonderung der festen Theile durch Absetzen oder
                              Filtriren größere Schwierigkeiten darbieten.