Titel: Ueber den Zuckergehalt und die Veränderlichkeit der verdünnten Rübensäfte, und einige darauf gegründete Abänderungen beim Preßverfahren; von Dr. C. Stammer.
Autor: Karl Stammer [GND]
Fundstelle: Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXII., S. 215
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LXII. Ueber den Zuckergehalt und die Veränderlichkeit der verdünnten Rübensäfte, und einige darauf gegründete Abänderungen beim Preßverfahren; von Dr. C. Stammer. Stammer, über den Zuckergehalt und die Veränderlichkeit verdünnter Rübensäfte etc. Es hat zwar seit lange die Ansicht gegolten, daß die Rübensäfte, sobald sie unter häufig vorkommenden Umständen der Berührung mit Luft ausgesetzt werden, binnen kurzer Zeit in Säuerung, also in Verderbniß überzugehen beginnen. Diese Veränderlichkeit der Säfte, so schien es, würde solchen im verdünnteren Zustande, so wie den Preßlingen in noch höherem Grade zukommen. Wenn auch bisweilen vorkommende Erscheinungen diese Ansicht zu rechtfertigen geeignet seyn mochten, so wurde dieselbe doch stark durch die stellenweise Einführung der Schützenbach'schen Methode, so wie neuerdings durch die schönen Resultate des Ausschlenderungsverfahrens erschüttert. In letzter Zeit hat auch Balling sich dahin ausgesprochen, daß diese Veränderlichkeit der Zuckersäfte doch wohl bei weitem nicht so groß seyn möchte, als man noch meistentheils glaubt, und die Verarbeitung verdünnter Rübensäfte, wie sie auf meine Veranlassung im größten Maaßstabe seit längerer Zeit statt gefunden hat, dürfte, wohl geeignet seyn, ein noch entscheidenderes Licht auf die Eigenschaften der Rübensäfte zu werfen. Eine genauere Kenntniß dieser Eigenschaften wird denn wohl auch anderwärts Veranlassung dazu bieten, die bisherige Arbeitsmethode nach solchen Richtungen hin auszubilden, welche man bisher nicht zu betreten wagte, und die Manchem wenigstens einen Theil der Vortheile erreichen lassen, welche die neueren, nicht überall gleich einzuführenden Extractionsmethoden zu versprechen scheinen. Jede Verarbeitung der zuckerhaltigen Rückstände irgend eines Verfahrens, und namentlich der Preßlinge, setzt die Gewinnung sehr dünner Säfte voraus. Die einfache Methode, die Preßlinge zum zweitenmale zu reiben, dabei eine gewisse Menge Wasser zuzusetzen und den erhaltenen Brei auszupressen, muß jedenfalls je nach der Quantität dieses Zusatzes einen mehr oder weniger großen Antheil des darin verbleibenden Zuckers ausliefern. Dieses Verfahren, öfter schon in verschiedenen Fabriken angefangen, ist wohl in den meisten Fällen wieder aufgegeben worden, und doch muß, bei richtiger Arbeitsweise, der Erfolg den auf die Kenntniß der Verhältnisse basirten Erwartungen entsprechen. Die Ursachen aber, welche wohl Veranlassung gaben diese Verarbeitung der Preßlinge wieder aufzugeben, dürften sich in Folgendem zusammenfassen und würdigen lassen: Erstens ist es wohl die Furcht zu sehr verdünnte Säfte, und mithin solche zu erhalten, die der Verderbniß noch mehr als die normalen Rübensäfte ausgesetzt sind. Wurde auch wohl der Versuch gemacht, diese Säfte in einem concentrirteren Zustande zu erlangen, als es bei der möglichsten Extraction der Preßlinge geschehen konnte, so mußte man doch bald erkennen, daß in der That nur sehr dünne Säfte einen angemessenen Zuckermehrertrag bewirken konnten. (Dieses Verhältniß zwischen Wasserzusatz und Erschöpfung der Preßlinge werde ich weiter unten noch näher zu beleuchten Gelegenheit haben.) Man glaubte ferner daß Preßlinge, die doch von der ersten Presse bis zur zweiten Reibe und zum zweiten Auspressen eine Zeit lang unterwegs seyn müssen, in dieser Zeit vor Verderbniß nicht zu bewahren wären; und endlich, wenn das auch alles nicht der Fall seyn sollte, daß der verdünnte, beim Behandeln der Preßlinge mit Wasser erhaltene Saft an Qualität dem rohen Rübensafte bei weitem nicht gleich käme. Was den letzteren Punkt zunächst betrifft, so will ich nur anführen, daß ich durch vielfache Versuche es unbezweifelt festgestellt habe, daß der Nachpressen-Saft – natürlich wenn er von normaler Beschaffenheit ist, wie sie aber auch bei einer lange fortgesetzten Fabrikarbeit ohne Ausnahme seyn muß – in seiner Qualität, d.h. im Verhältniß des Zuckers zum Nichtzucker dem ersten Preßsaft der gleichen Rüben vollkommen gleichsteht. Man erkennt dieß durch eine der folgenden Methoden: Man wiegt beide Säfte mit einem sehr genauen Saccharometer, polarisirt sie und berechnet den Zuckergehalt auf 100 Theile gelöster Substanz; oder man bringt mittelst eines in Zehntelprocente getheilten Saccharometers den schweren Preßsaft durch Wasserzusatz auf das genau gleiche Gewicht des Nachpressen-Saftes, um dann beide zu polarisiren. Nach der ersten Methode untersucht, ergab z.B. der Preßsaft 14 Proc. Ball. bei 12,0 Polarisation, der Nachpressen-Saft bei 3,4 Proc. Ball. 2,9 Proc. Polarisation, beides macht 85 Proc. Zucker von der gelösten Substanz aus; nach der zweiten Methode würde der erstere Saft, auf 3,4 Proc. verdünnt, wie der Nachpressen-Saft 2,9 Proc. polarisirt haben. Wie gesagt, habe ich die eine oder andere Probe wiederholt ausgeführt, und wofür übrigens auch theoretische Gründe sprechen, stets die ausgesprochene Thatsache bestätigt gesunden. Was nun die beiden anderen Befürchtungen, die leichte Verderbniß der Preßlinge und dieses dünnen Saftes anlangt, so kann ich nur mittheilen, daß hier auch bei einer längeren Fabrikbeobachtung nie der Fall vorgekommen ist, daß bei den Preßlingen oder den Säften eine saure Reaction, geschweige denn ein saurer Geruch zu erkennen gewesen wäre. Nur wenn der rohe frische Rübensaft selbst stark sauer reagirte, fand sich eine entsprechende schwache Affection des Lackmuspapiers beim Nachpressen-Saft. Was dieses Urtheil über den geringen Grad der Veränderlichkeit der in Rede stehenden Substanzen noch mehr bestätigen muß, ist aber der Umstand, daß in den beiden Campagnen, wo diese verdünnten Preßlingsäfte mit verwandt worden, sich nie auch nur die geringste damit zusammenhängende abnorme Erscheinung in der weitern Verarbeitung der Säfte gezeigt hat, und daß namentlich bei verschiedenen längeren Versuchen mit Umgehung dieses Verfahrens, keinerlei Einfluß dieser Aenderung auf die Eigenschaften der Säfte in ihrer Verarbeitung zu bemerken gewesen ist, so daß sich in keinerlei Weise irgend eine Veranlassung herausstellt, die Verarbeitung der Preßlinge aufzugeben. Einige noch sprechendere Beweise für diese Haltbarkeit dünner Säfte werde ich weiter unten anführen. Zweitens ist es auch wohl eine unvollkommene und nicht ganz vorurtheilsfreie Kenntniß des Zuckerrückstandes in den Preßlingen und der möglichen Mehrausbeute gewesen, die entweder zu hohe oder zu geringe Erwartungen hegen ließ, und im ersten Falle durch die unvermeidliche Täuschung, im zweiten durch die geringe Aussicht auf Erfolg von weiteren Versuchen abhielt. Es ist nicht schwer sich davon zu überzeugen, daß der wirkliche Rückhalt von Zucker in den Preßlingen selten mit den hier und da über diesen Punkt zu findenden Angaben übereinstimmt. Es sind diese vielmehr entweder nicht ohne Vorurtheil und mehr theoretisch, oder doch unter Anwendung so großer Sorgfalt bei dem Auspressen ermittelt, daß der Durchschnitt der Campagnearbeit die gefundenen Zahlen nicht bestätigen kann. Untersucht man aber häufig Preßkuchen, wie sie die fortlaufende Arbeit liefert, und ermittelt man die Zuckermenge, welche durch Vermischen mit mehr oder weniger Wasser und Auspressen daraus erhalten werden kann, so wie zur sichern Controle auch den Zuckergehalt der so gebildeten zweiten Preßlinge, so kann man sich ein sicheres und in der Praxis auch zu erreichendes Bild über den Zuckerverlust beim gewöhnlichen Verfahren, oder den Mehrertrag beim Nachreiben bilden.Nicht immer wird zur Ermittelung des Zuckergehaltes der Preßlinge praktisch richtig und doch so einfach verfahren, daß man den Versuch oft und ohne besondere Mühe anstellen kann. Am vollkommensten scheint folgende Methode diese Vorzüge zu vereinigen, obwohl sie nicht gerade mathematische Genauigkeit geben dürfte: Man wiegt eine beliebige Menge Preßlinge ab, am besten einen ganzen oder halben Kuchen, damit Rand und Mitte im richtigen Verhältniß bleiben, nimmt genau das zweifache oder dreifache Gewicht warmen Wassers und vertheilt die Rübenmasse darin. Wenn das Ganze sich durch Umrühren zu einem gleichförmigen Brei vereinigt hat, preßt man mit einer möglichst starken Hebel- oder Schraubenpresse aus und polarisirt den erhaltenen Saft wie gewöhnlich; das Resultat ist dann mit 3 oder 4 zu multipliciren, um Procente vom Gewichte der Preßlinge zu erhalten, je nachdem man das Zwei- oder Dreifache an Wasser genommen hat. Für Rückstände von der Schützenbach'schen Maceration oder von den Centrifugen ist die Methode natürlich eine andere: es müssen dieselben, da sie viel Wasser aufgesogen enthalten, zunächst möglichst ausgepreßt, der erhaltene sehr dünne Saft auf ein geringes Volumen eingedampft, dann polarisirt und mit Rücksicht auf die erhaltene Quantität berechnet werden Es ist nicht schwer, das ermittelte Gewicht der so gewonnenen Preßrückstände mit in Rechnung zu ziehen. Natürlich sind beide Größen von einer sehr großen Anzahl von Umständen, u.a. auch von der Menge des Wassers abhängig, das man auf die Rüben laufen läßt. Indessen wird man den Zuckergehalt der Preßlinge sich in der Regel zwischen 5 u. 7 Proc. ihres Gewichtes oder zwischen etwa 1 und 1 1/2 Proc. vom Gewichte der Rüben liegend finden. Macht man die Versuche häufiger – was wohl in jeder Fabrik sehr anzurathen ist – so kann man sich durch Vergleichung der verschiedenen Resultate von dem richtigen Gange und der Vollkommenheit der Arbeit leicht überzeugen. Ueber den Antheil dieses Zuckergehaltes, der wirklich gewonnen werden kann, geben dann Versuche in größerem Maaßstabe, wie etwa folgende, eine Bild; es ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß dabei entsprechend einer Arbeit im Großen, nicht so viel Wasser genommen werden kann, wie bei Versuchen zur bloßen Ermittelung des vorhandenen Zuckers. 1) Preßlinge 100 Pfd.; kaltes Wasser 75 Pfd.; erhaltener Saft 67 Pfd.; polarisirend 4,5 Proc. Gewonnen demnach 3 Proc. vom Gewicht der Preßlinge. 2) Preßlinge 630 Pfd.; nach dem Anrühren mit kaltem Wasser und Auspressen erhalten 810 Pfd. Saft; polarisirend 3,1 Proc. Gewonnen 4 Proc. Zucker vom Gewicht der Preßlinge. 3) Preßlinge 92 Pfd.; erhaltener Saft 160 Pfd.; polarisirend 3 Proc. Gewonnen 5,2 Proc. vom Gewicht der Preßlinge. Der erhaltene Saft beträgt in diesen Versuchen 67 Proc., 127 Proc. und 173 Proc. oder annähernd 2/3, 5/4 und 7/4 vom Gewicht der Preßlinge, womit die verschiedene Ausbeute zusammenhängt. Wenn durch derartige Ermittelungen schon der Beweis geliefert ist, wie viel Zucker aus den Preßlingen zu erhalten ist, so kann man noch einen wirklichen Fabricationsversuch über die bloße Verarbeitung von Preßlingen anstellen. Um hierdurch nachzuweisen, daß in der That Säfte und Füllmasse von gewöhnlicher Beschaffenheit zu erzielen sind, wurde z.B. folgender Versuch gemacht: An einem Tage, dessen niedrige Temperatur eine befriedigende Conservirung der Preßlinge hatte erwarten lassen, wurde die von der ganzen Tagesarbeit herrührende Menge am Abend unter Wasserzusatz nochmals gerieben, der erhaltene Brei ausgepreßt, der Saft wie gewöhnlicher Rübensaft geschieden, saturirt und einmal über Schwärze filtrirt. Der so gewonnene Dünnsaft wurde dann im Tischbein'schen Apparate eingedickt, ohne zweite Filtration direct darin fertig gekocht und auf Bastardformen gefüllt. Von der Füllmasse wurde schließlich nach dem Erkalten der Syrup vom Rohzucker durch Ausschleudern getrennt. Aus 215 Centnern Preßlingen wurden bei diesem Versuche 12 Scheidepfannen zu 1000 Quart eines Saftes erhalten, der im Durchschnitt 3,25 Proc. polarisirte, also 4 Proc. Zucker vom Gewicht der Preßlinge enthielt. Die Füllmasse wog 1166 Pfd. bei 10 Proc. Wassergehalt. Sie betrug also 5,4 Proc. vom Gewicht der Preßlinge oder 1 Proc. vom Gewicht der Rüben. An Rohzucker I. Product resultirten 570 Pfd. oder 2,6 Proc. vom Gewicht der Preßlinge.. Bei dem ganzen Versuch machte sich in Bezug auf die Qualität der Säfte und die Ausführung der Operationen keinerlei Uebelstand bemerklich; der einmaligen Filtration und dem Fertigkochen in einem Sud im Tischbein'schen Apparat entsprechend, konnten Füllmasse und I. Product die gewöhnliche Qualität nicht haben, doch war eine größere Abweichung hierin nicht bemerklich und es kann mithin die ganze Probe als eine vollkommen befriedigende und den Ermittelungen im kleinen Maaßstabe ganz entsprechende bezeichnet werden. Außer den oben angeführten Zahlen mögen endlich noch folgende, aus dem spätern fortgesetzten Fabriksbetrieb – unter Anwendung des zweiten Reibens und Pressens der Preßlinge – beliebig ausgewählt, einen Anhaltspunkt für den entsprechenden Zuckergehalt der Säfte und Rückstände bieten: Rübensaft 13,2 Proc. Ball., 11,3 Proc. Polar. Nachpressen-Saft   2,9   2,5     Ursprüngliche Preßlinge 6 Proc. Polar.-Zucker     Nachpreßlinge 1,6 Mehrgewinn 4,4 Proc. vom Gewicht der Preßlinge, oder für eine tägliche Verarbeitung von 1000 Centner Rüben und 18 Proc. Preßlinge, wöchentlich circa 50 Centner Zucker. Außer den beiden im Vorstehenden beleuchteten hauptsächlichsten Einwürfen gegen die Aufarbeitung der Preßlinge, basirt auf die nunmehr als ungenau erwiesene Ansicht über die Veränderlichkeit der Preßlinge und dünnen Säfte, und auf nicht gehörige Würdigung der zu erzielenden Mehrausbeute, sind es nun noch folgende Umstände, die gegen die Verwendung so dünner Säfte zu sprechen scheinen. Es scheint, als ob bei Anwendung dieses zweiten Reibens unter Wasserzusatz, kein Wasser auf die erste Reibe gegeben und auf das erste Pressen weniger Sorgfalt verwendet zu werden brauchte. Vielfache Versuche haben mir aber gezeigt, daß das Nachreiben nur bei sorgfältiger erster Arbeit den erwarteten Vortheil gewährt, bei weniger guten Pressen und bei Unterlassung des Wasserzusatzes auf die erste Reibe aber, wegen des zu großen Saftrückhaltes der ersten Preßlinge und weil nun auf die weniger trockenen Preßlinge auch weniger Wasser gegeben wird, nur eine geringe Mehrausbeute bemerken läßt. Ferner verursacht natürlich die vermehrte Arbeit des Reibens und Pressens eine Vermehrung der Maschinen, namentlich der Pressen, und eine Erhöhung der Arbeitskosten. Ich werde am Schlüsse dieses Artikels hierauf näher zurückkommen. Endlich ist die Quantität Wasser, welche durch dieses Nachreiben zur Verdampfung kommt, nicht unbedeutend. Da nun zugleich, wie gesagt, der Wasserzusatz auf die erste Reibe nicht unterbleiben soll, so wird da, wo der Retourdampf ohnehin nicht weiter als zur gewöhnlichen Verdampfung ausreicht, diese durch die Verdünnung der Säfte um 2–3 Proc. so vermehrt, daß die Möglichkeit derselben ganz in Frage kommen kann. Wenn dieß in manchen Fällen der Hauptgrund gewesen seyn kann dieses Verfahren zu verlassen, so liegt dagegen in der Haltbarkeit der verdünnten Rübensäfte, wie sie in dem Vorhergehenden dargethan wurde, die Möglichkeit, durch eine einfache Combination der einzelnen Operationen das Aufarbeiten der Preßlinge von diesen Uebelständen fast ganz zu befreien und auch noch außerdem einige nicht zu übersehende Vortheile zu erreichen. Die Ausführung dieses Verfahrens, wie es nunmehr seit dem ganzen Verlaufe dieser Campagne sich bewährt hat, ohne den geringsten nachtheiligen Einfluß auf die Qualität der Säfte, deren Eigenschaften oder Verarbeitung auszuüben, und ohne auch nur vorübergehende Störungen oder abnorme Erscheinungen veranlaßt zu haben, ist ein weiterer und schlagender Beweis für die Möglichkeit, nicht allein verdünnte Rübensäfte ohne Schaden zu verarbeiten, sondern, was viel mehr sagen will, auf längerem Umwege erzeugte verdünnte Säfte nochmals Operationen mitmachen zu lassen, bei denen man sonst den ursprünglichen Rübensaft nur ganz frisch oder doch nur mit ganz reinem Wasser anwenden zu dürfen glaubte. Diese einfache Combination besteht darin, daß der Saft der Nachpresse anstatt reinen Wassers auf die erste Reibe gelassen wird, und zwar in solcher Menge, daß der erste Brei in eine verhältnißmäßig dünne Masse verwandelt wird. Die Vortheile dieses Verfahrens, die sehr erheblich zu nennen sind, und die dabei stattfindenden Wechselwirkungen sind mancherlei. Sie lassen sich etwa in Folgendem zusammenfassen: Zunächst wird kein Wasser mehr auf die erste Reibe, sondern nur zur Nachreibe oder Preßlingen-Maische gegeben, und es fällt somit die Verdampfung des sonst zur Reibe fließenden Wassers vollkommen weg; ein Vortheil, der nicht zu verachten ist. Sodann aber vermischt sich der Rübenbrei auf der ersten Reibe mit einer verhältnißmäßig großen Menge sehr dünnen Saftes und wird dadurch zur vollkommenen Auspressung tauglich. Die Preßkuchen werden, da ein größerer Antheil ihres Volumens aus Saft besteht, zu einer dünnen mithin zuckerärmern Schicht ausgepreßt, und der darin zurückbleibende Saft ist in Folge der starken Verdünnung selbst zuckerärmer. Eine nothwendige Consequenz hiervon ist die, daß zur vollkommneren Erschöpfung der so gewonnenen Preßlinge eine geringere Menge Wasser bei der Nachreibe erforderlich ist. Mithin wird auch hier eine Quantität zu verdampfendes Wasser erspart. Dieß ist so richtig, daß jedesmal beim Beginne der Arbeit, ehe hinreichend dünner Saft vorhanden ist, um ihn auf die erste Reibe fließen zu lassen, für gleiche Auspressung viel mehr Wasser auf den zum zweitenmale geriebenen Brei gegeben werden müßte. Diese Menge kann man dann nach und nach vermindern, bis kein anderer als normal, d.h. mit dünnem Saft gepreßter Brei zur Nachreibe kommt. Diese Verhältnisse haben sich fortwährend bestätigt gefunden, so zwar, daß man stets den Erfolg jeder Verminderung im Wasserzulauf nach einiger Zeit an der allmählich wachsenden Schwere des Saftes erkennen konnte. Als denjenigen Punkt, wo sich nicht übermäßige Verdünnung der Säfte mit genügender Auslaugung vereinigt, stellt sich die Regulirung des Nachpressen-Saftes auf 3 Proc. bis 3 1/2 Proc. Ball, heraus. Wenn ein geringerer Zufluß bewirkt wurde, so stieg nicht allein die Schwere des Nachpressen-Saftes im gleichen Verhältniß, sondern nach einiger Zeit zeigte sich eine noch vermehrte Steigerung seines Gehaltes, weil nun auch die erste Auspressung des Breies unvollkommen wurde. Als ein Anhaltspunkt für die Schwere der Säfte und die bewirkte Saftgewinnung mögen folgende Zahlen, aus den täglichen Beobachtungen beliebig gewählt, dienen: Saft des Rübenbreies, ohne jeden Wasser- oder Saftzufluß, 14,2 Proc. Ball. Saft der Nachpressen 3 1/2 – 4 Proc. Gemischter Saft, wie er zur Scheidung abfloß, 12 Proc. Dabei ist zu bemerken, daß von den Nachpressen etwas mehr Saft geliefert wurde, als auf den Reiben verbraucht werden konnte, indem bei den vorhandenen Einrichtungen die sehr wünschenswerthe Verarbeitung noch dünnern Breies unstatthaft war. Der Zuckergehalt der Preßlinge variirt natürlich je nach Verhältnissen. Als gewöhnlicher Gehalt ist 6 bis 6,5 Proc. für die Preßlinge der ersten Pressen und 1–1,5 Proc. für die Preßlinge der Nachpressen anzunehmen, doch habe ich auch häufig 0,6 Proc. und 0,8 Proc. beobachtet, wonach also nur 0,12 bis 0,17 Proc. der Rüben an Zucker ungewonnen blieben. Im großen Durchschnitte ist indessen auf 3/4 des Zuckergehaltes der Preßlinge oder auf 1 Proc. des Zuckergehaltes der Rüben als Mehrgewinn zu rechnen, indem noch weitere Ausbeuten zwar erreichbar, aber wegen der erforderlichen Sorgfalt im Anpassen des Wasserzusatzes zur Beschaffenheit des Rübenbreies, mit im Großen nicht gut überwindlichen Schwierigkeiten verbunden sind. Uebereinstimmend mit diesen Ermittelungen mußte sich nun auch ein wirklicher Mehrbetrag von etwa 8–9 Proc. Saft, resp. Füllmasse ausweisen. Die Quantität der Füllmasse bei den verschiedenen Arbeitsmethoden genau zu ermitteln, hat bei der Bedingung, daß der Betrieb nicht gestört werde, und bei der sehr ungleichen Beschaffenheit der verarbeiteten Rüben so viel Schwierigkeiten, daß ich auf die gewonnenen Zahlen kein großes Gewicht lege. Dagegen war die Ermittelung des zur Scheidung gelangenden Saftes nicht so schwer, und mögen die dabei gefundenen Quantitäten hier aufgeführt seyn, um zur Bestätigung der obigen Angaben zu dienen. 1) Während die Gesammtmenge des an einem Tag gelieferten Saftes 111 Scheidepfannen mit einem Durchschnittsgehalt von 11 Proc. Ball, betrug, ergab die Messung des von den Nachpressen abfließenden Saftes, daß dieser in derselben Zeit 36 1/2 Pfannen mit einem Gehalte von 3 Proc. oder sehr nahe 10 Pfannen zu 11 Proc. ausmachte. Die Nachpressen lieferten also 1/11 des Ganzen. Nachgewonnen war also dadurch sehr nahe 10 Proc. Hievon wäre allerdings derjenige Betrag noch abzuziehen, der durch Wasserzulauf auf die erste Reibe ohnehin mehr gewonnen wird. 2) Nach einem eine Woche lang fortgesetzten Versuche ohne Nachreiben lieferten 10000 Cntr. Rüben 432 Pfannen Saft von 11 Proc. (der Saft war schwerer, ist aber auf diese Schwere des gemeinschaftlichen Vergleichs wegen reducirt). Quotient der Rübencentner in das Product aus Pfannen und Procente 432.11/10000 = 0,47. Ein erster Gegenversuch unter Anwendung des obigen Verfahrens ergab für 10000 Cntr. Rüben 464 Pfannen von 11 Proc. Quotient: 0,51 (oder 8,5 Proc. höher). Es waren also 32 Pfannen oder 7,4 Proc. Saft mehr erhalten worden. Ein zweiter Gegenversuch lieferte für ebenfalls 10000 Cntr. Rüben 470 Pfannen zu 11 Proc.; Quotient 0,517; Mehrgewinn 38 Pfannen = 8,8 Proc. Als Mittel dieser beiden Gegenversuche ergibt sich demnach ein Mehrgewinn von 8,2 Proc. rohem Safte, oder bei Annahme von 13 Proc. Füllmasse von 1 Proc. Füllmasse. Verloren wurden in dem Falle des Nichtnachreibens gegen das Mittel beider Gegenversuche auf 10000 Cntr. Rüben 35 Pfannen Saft, oder ungefähr 770 Cntr. Rüben. Es geben diese Zahlen, die bei der wechselnden Beschaffenheit der Rüben, trotz der auf richtige Durchschnittszahlen verwendeten Sorgfalt, dennoch keinen Anspruch auf mathematische Genauigkeit machen, wohl aber, als der Fabrikpraxis entnommen einen viel größeren Werth und größere Zuverlässigkeit besitzen, als die gewöhnlich gebotenen theoretischen Ermittelungen, zugleich einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der verursachten Kosten und des zu erwartenden Gewinnes. Dazu ist jedoch noch Einiges über die praktische Ausführung nachzuholen. An Pressen sind etwas weniger als die Hälfte der gewöhnlichen Pressen zum Nachpressen des Breies erforderlich. Indessen befindet sich in den meisten Fabriken schon eine Anzahl Pressen zum trockenen Nachpressen, die dann leicht durch Hinzunahme von einigen Handvorpressen zu der erforderlichen Arbeit hinreichen können. Sollte aber auch die Aufstellung einiger Pressen erforderlich werden, so würden die Kosten doch dem Gewinne gegenüber nicht in Betracht kommen. Da der erhaltene Saft zu kalt ist, um durch Dampf in den Sammelbehälter über den Reiben gedrückt zu werden, und zu verdünnt, um die Anwendung von Pumpen nicht gefährlich erscheinen zu lassen, so scheint die Luftleere das beste Mittel zu seyn. Eine kleine Pumpe pumpt einen geschlossenen Behälter leer, wodurch dann von Zeit zu Zeit der Saft in die Höhe gesaugt wird, um aus diesem Behälter in den Speisebehälter für die Reibe zu fließen. Bei diesem Verfahren liegt die Möglichkeit des Verderbens der dünnen Rübensäfte noch weit näher als beim einfachen Nachreiben und Nachpressen, indem nicht allein der dünne Saft einen weiten und, wie es scheinen möchte, sehr gefährlichen Weg bis zur Scheidepfanne zurückzulegen hat, sondern auch immer wieder ein Theil des dünnen Saftes in den Preßlingen verbleibt, dann nochmals zum Nachpressen-Saft und wiederum zum Theile wenigstens auf die Reibe kommt, so daß gewissermaßen ein Kreislauf eines allerdings immer kleiner werdenden Antheils stattfindet. Im Verlaufe dieser Mittheilung habe ich indessen schon vielfach nachgewiesen, daß diese Gefahr in der Wirklichkeit nicht so groß ist und leicht vermieden werden kann. Der Sicherheit halber lasse ich indeß alle 3 Stunden eine geringe Quantität Kalkmilch in den Nachpressen-Saft gießen. Sie könnte ohne Nachtheil nach Erforderniß bedeutend vermehrt werden, allen da nach vielfachen Beobachtungen der auf die Reibe fließende dünne Saft entweder alkalisch oder neutral, nie aber auch nur im geringsten sauer sich zeigte, so lag hierzu um so weniger eine Veranlassung vor, als die gemischten Säfte im ganzen Verlauf der schon längere Zeit fortgesetzten Fabrication sich als vollkommen normal und von gewöhnlichen Säften in nichts unterschieden erwiesen haben. Daß auch die Saccharimetrie keinen Unterschied nachzuweisen vermag, habe ich schon früher erwähnt, und es kann sonach das ganze Verfahren – vorausgesetzt, daß es mit der gehörigen Sorgfalt überwacht wird – als ein sehr gutes bezeichnet werden. In dieser Beziehung empfiehlt es sich noch, bei jedesmaliger längerer Arbeitsunterbrechung die Behälter u.s.w. für den Nachpressen-Saft mit Kalkmilch auszuspülen, das Gefäß für die Luftleere aber bisweilen auszudämpfen. Geht aber die Arbeit den gewöhnlichen regelmäßigen Gang, so ist dieß nicht einmal in der Mittagszeit oder beim Schichtwechsel, sondern nur bei längeren Pausen erforderlich. Es können selbst die Preßlinge der ersten Pressung, die doch auch noch einen Antheil des mehrfach durch die Arbeit gegangenen dünnen Saftes enthalten, während der gewöhnlichen Pause von 1/2 – 1 Stunde in kleineren Portionen bis zu ihrer weitern Verarbeitung liegen bleiben, ohne daß sie den geringsten Schaden leiden. Bedenkt man, daß zur Gewinnung von einem Procent Füllmasse die Preßarbeit bedeutend vermehrt wird und daß die Abdampfung einer verhältnißmäßig großen Menge Wassers erforderlich ist, so dürfte es scheinen, als ob der Vortheil nur gering bleiben müßte. Die Abdampfungskosten sind indessen wegen der jetzt allgemein vollkommenen Ausnutzung der Retourdämpfe nicht in Anschlag zu bringen, und bei der Berechnung der übrigen Kosten bedenke man, daß dieses Mehr an Rübensaft weder an Steuer, noch an Rübenkostenpreis, noch an Arbeitslohn oder anderen Auslagen während der Verarbeitung nach der Scheidung etwas kostet. Es würden sich demnach die Gewinnungskosten dieses Plus nur sehr gering anschlagen lassen. Einen andern Factor bildet freilich in manchen Fällen die Zeit. Es lassen sich, wenn man nicht nachreibt, in gleicher Zeit mehr Rüben verarbeiten als bei Anwendung dieses Verfahrens. Ist nun der zu verarbeitende Rübenvorrath sehr groß, so kann allerdings durch zu langes Hinziehen der Campagne ein Schaden aus der unvermeidlichen Verschlechterung der Rüben in den letzten Monaten entstehen, der den Gewinn auf der andern Seite überschreiten mag. In diesem Falle also, wenn man fürchten muß, nicht rechtzeitig mit den Rüben fertig zu werden, ist es gerathen, einen Versuch anzustellen, wie viel Rüben auf die eine und wie viel auf die andere Art verarbeitet werden können, und zu bezeichnen, wie viel Zucker im einen Fall durch Verderbniß der Rüben, im andern durch unvollkommene Gewinnung verloren geht. Hieraus ist in jedem Falle der einzuschlagende Weg, der auch leicht ein Mittelweg seyn kann, zu erkennen, indem es selbst noch sehr lohnend ist, bei einem Theil der Rüben die Nachreibe anzuwenden, bei einem andern aber den Zucker in den Preßlingen zu opfern, um nicht die Rübe durch Herzfäule u.s.w. zu verlieren.