Titel: Ueber das Vorkommen der Salpetersäure im Braunstein; von H. Samte-Claire Deville und H. Debray.
Fundstelle: Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XCV., S. 363
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XCV. Ueber das Vorkommen der Salpetersäure im Braunstein; von H. Samte-Claire Deville und H. Debray. Aus den Comptes rendus, Mai 1860, Nr. 19. Deville, über das Vorkommen der Salpetersäure im Braunstein. Die Darstellung des Sauerstoffgases mittelst Braunstein ist eine der in den chemischen Laboratorien am häufigsten vorkommenden Operationen, und wir hätten uns mit derselben nicht speciell beschäftigt, wenn wir nicht bei unseren Versuchen über Abscheidung des Platins aus seinem Erze auf trockenem Wege, große Quantitäten Sauerstoffgas zum Schmelzen und Feinen dieses Metalls im Kalktiegel mittelst Knallgas darzustellen veranlaßt gewesen wären. Durch Versuche und zahlreiche Analysen haben wir uns überzeugt, daß das Gas welches man durch Glühen des Braunsteins erhält, eine ziemlich complicirte Zusammensetzung hat, wie auch der Braunstein selbst. Wir veröffentlichen im Folgenden einen Theil der von uns beobachteten Thatsachen. Man weiß seit Scheele, daß der aus Braunstem erhaltene Sauerstoff Stickstoff erhält, und daß sich letzteres Gas um Anfang der Darstellung entwickelt. Berzelius hatte sogar beobachtet, daß das aus Braunstein erhaltene Gas schwach nach Salpetergas riecht. Diesen Geruch, welchen wir sehr oft beobachteten, schrieben wir der Gegenwart von Ozon zu; da aber das in einem beliebigen Zeitpunkt der Sauerstoffbereitung gesammelte Gas immer Stickstoff enthält, so mußten wir im Braunstein selbst die sehr beständige Substanz suchen, welche ein Gas liefert, dessen Gegenwart bei unseren metallurgischen Operationen sehr hinderlich seyn konnte. Die Braunsteinsorten, welche wir bis jetzt untersucht haben, enthalten sämmtlich eine beträchtliche Quantität Wasser. 60 Kilogr. Braunstein von Gießen geben 5 Kilogr. Wasser, welches merklich sauer reagirt. Dampft man dieses Wasser ab, nachdem man es genau mit reinem Aetzkali gesättigt hat, so erhält man 15 Gramme salpetersaures Kali und beiläufig 5 Gram. Chlorkalium. Da die krystallisirten Salze kein salpetrigsaures Alkali enthalten, so glauben wir daß das Chlor und die Untersalpetersäure die gasförmigen Producte sind, welche sich verdichteten. Es scheint daher sehr wahrscheinlich, daß der Braunstein Salpetersäure enthält; es müßte denn Ammoniak, welches in Berührung mit dem Sauerstoff und Braunstein eine gänzliche Verbrennung erlitt, analog derjenigen, welche bei dem bekannten Versuche von Kuhlmann stattfindet, der Ursprung der verdichteten Salpetersäure seyn. Wir haben 250 Grm. fein pulverisirten Braunstein mit schwacher Schwefelsäure gewaschen, aber in der Lösung nur 4 Milligrm. Ammoniak gefunden, welche die angewandten 2 Liter destillirten Wassers wohl hineingebracht haben konnten. Wenn man 500 Gramme pulverisirten Braunstein von Gießen mit 1 oder 2 Liter Wasser und 10 Grammen kohlensaurem Kali kocht, die filtrirte Flüssigkeit mit Essigsäure in sehr schwachem Ueberschuß versetzt und dann zur Trockne abdampft, so erhält man einen salzigen Rückstand, welcher mit siedendem Alkohol von 90° Tr. behandelt, an denselben Salpeter abgibt, der beim Erkalten krystallisirt. Digerirt man 500 Gramme von diesem Braunstein mit reinem Wasser und dampft die filtrirte Lösung ab, so erhält man einen salzigen Rückstand, welcher folgende Zusammensetzung hat: schwefelsaurer Kalk   103 Chlorcalcium   205 Chlormagnesium     84 Chlornatrium   174 salpetersaures Natron   353 salpetersaures Kali   629 –––––––––––– 1548 Milligrm. Jedes Kilogr. von diesem Braunstein gibt also an Wasser über 3 Gramme (3,096 Grm.) ganz neutraler löslicher. Substanzen ab.Unsere Analyse gibt den Gehalt des Braunsteins an Salpetersäure nicht ganz genau, weil er ein außerordentlich compactes Mineral und folglich schwierig auszuwaschen ist Berechnet man hingegen die Salpetersäure nach dem Stickstoffgehalt des aus dem Braunstein erhaltenen Sauerstoffs, so ergibt sich, daß dieser Braunstein wenigstens 1,2 Proc. Salpetersäure enthalten muß. Daß dieselben salpetersaure Salze enthalten, darauf weist bei der Analyse folgender Umstand hin: wenn man das während derselben hineingebrachte essigsaure und oxalsaure Ammoniak durch Erhitzen verjagen will, so erfolgt gegen das Ende dieser Operation eine lebhafte Verbrennung und eine so starke Verpuffung, daß man selbst beim Bedecken der Gefäße mit einem Trichter nicht immer Verluste vermeiden kann. Die Bildung des natürlichen Braunsteins ist schwierig zu erklären, weil das Mangansuperoxyd niemals durch directe Oxydation des Mangans entsteht und wir es in unseren Laboratorien nur durch Zersetzung der Mangansäure und des salpetersauren Mangans erhalten können. Nach unserer Analyse möchten wir annehmen, daß der Braunstein vorzugsweise aus salpetersaurem Mangan entstand. Wenn man neutrales oder saures salpetersaures Mangan, welches in Wasser aufgelöst ist, in verschlossenen Gefäßen auf beiläufig 150° C. erhitzt, so setzt es schwarzes Superoxyd ab, welches spiegelnd, warzig wie gewisse Braunsteinsorten, aber keineswegs krystallisirt ist; dieser von Hrn. v. Senarmont angestellte Versuch, welchen wir wiederholt haben, macht unsere Ansicht sehr wahrscheinlich. Als wir mit Sauerstoffgas, in dem Zeitpunkt wo es sich zu entwickeln begann, einen Verbrennungsversuch anstellten, erhielten wir einigemal mit einer gewissen Braunsteinsorte eine sehr heftige Explosion, die wir uns nur durch die Gegenwart organischer Substanzen erklären können, welche zufällig oder in betrügerischer Absicht dem Braunstein beigemengt worden waren. Wenn man Sauerstoff mit einem Braunstein bereitet, womit man noch nicht experimentirt hat, ist es daher immer rathsam, die Gase mittelst einer kleinen Glasglocke zu probiren. Mittelst eines Apparats, dessen Beschreibung wir nächstens der (französischen) Akademie der Wissenschaften mittheilen werden, kann man jetzt reines Sauerstoffgas zu einem verhältnißmäßig niedern Preise aus Braunstein im Großen darstellen.