Titel: Ueber den Schwefelkohlenstoff im Steinkohlenleuchtgase; von Professor A. W. Hofmann in London.
Fundstelle: Band 158, Jahrgang 1860, Nr. V., S. 23
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V. Ueber den Schwefelkohlenstoff im Steinkohlenleuchtgase; von Professor A. W. Hofmann in London. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1860, Bd. CXV S. 293. Hofmann, über den Schwefelkohlenstoff im Steinkohlenleuchtgase. Es ist allbekannt, daß das Steinkohlengas, trotz aller auf seine Reinigung verwandten Sorgfalt, stets eine kleine Menge einer Schwefelverbindung zurückhält, deren Gegenwart sich durch die Bildung von schwefliger Säure bei der Verbrennung kund gibt. Die Ernennung einer Commission Seitens des Unterrichtscomités im Staatsrathe (Lords of the Committee of Privy Council on Education) zur BerichterstattungReport on the subject of Lightning Picture-Galleries by Gas; by ProfessorsFaraday, HofmannandTyndall, Mr.RedgraveR. A. and CaptainFowkeR. E. über die Beleuchtung von Bildergallerien mittelst Steinkohlengas gab Veranlassung zur Anstellung einiger Versuche, um die durchschnittliche Quantität der im Londoner Gase vorhandenen Schwefelverbindung zu ermitteln. Da es sich hauptsächlich darum handelte, das Maximum von schwefliger Säure zu bestimmen, welches sich bei der Verbrennung des Gases entwickeln kann, so verbrannte ich das äußerst langsam aus engem Brenner ausströmende Gas in einer großen zweihalsigen Glaskugel, durch deren abwärts gerichteten Hals die Gasröhre eintrat, während der seitliche Hals, mit einem guten Kühlapparate versehen, zur Abführung der Verbrennungsproducte bestimmt war. Diese Producte sammelten sich in einer zweihalsigen Vorlage, mit welcher überdieß ein Paar Woolf'sche Flaschen, Wasser oder verdünntes Ammoniak enthaltend, und endlich ein Wasserstromaspirator verbunden waren, welch letzterer einen constanten Luftstrom durch den ganzen Apparat sog. Auf diese Weise gelang es, jede Spur von schwefliger Säure, welche sich bei der Verbrennung eines genau gemessenen, durch essigsaures Blei gewaschenen Gasvolums bildet, aufzufangen. Nach Beendigung des Versuchs wurden die verschiedenen, schweflige Säure enthaltenden Flüssigkeiten vereinigt, mit Chlor oxydirt und mit Chlorbaryum gefällt. Es verdient bemerkt zu werden, daß sich in keinem der angestellten Versuche beim Durchstreichen durch Bleilösung die Gegenwart auch nur eine Spur von Schwefelwasserstoff in dem Gase erkennen ließ. Versuche im Juli 1859: Ordnung    derVersuche. Verbrauchtes  Gasvolum. Schwefelsaures      Baryum. Schwefelmengein 100 Kubikfuß (engl.). Schwefelmengein 100 Kubikmet. Kubikfuß. Gramme. Gramme. Grane Gramme.        I. 1,98 0,0630 0,437 6,74 15,433       II. 2 0,0840 0,577 8,90 20,371      III. 2 0,0630 0,433 6,68 15,278      IV. 2 0,0740 0,508 7,84 17,944 –––––––– –––––––––– –––––––––– ––––––––––––––– Mittel 0,488 7,54 17,256 Versuche im December 1859 und Januar 1860: OrdnungderVersuche. VerbrauchtesGasvolum. SchwefelsauresBaryum. Schwefelmengein 100 Kubikfuß (engl.). Schwefelmengein 100 Kubikmet. Kubikfuß. Gramme. Gramme. Grane. Gramme.        V. 2 0,0890 0,611   9,43 21,585       VI. 2 0,0953 0,654 10,10 23,111      VII. 2 0,0975 0,669 10,33 23,644     VIII. 2 0,0935 0,642   9,91 22,677 –––––––– –––––––––– –––––––––– ––––––––––––––– Mittel 0,644   9,94 22,754 Diese Versuche zeigen, daß der Schwefelgehalt, welcher nach der Entfernung des Schwefelwasserstoffes in dem Londoner Gase zurückbleibt, außerordentlich klein ist und daß er im Winter etwas höher als im Sommer ist. Der letztere Umstand ist möglicherweise der während der Wintermonate außerordentlich gesteigerten Production zuzuschreiben, welche die sorgfältige Regulirung der verschiedenen Processe wesentlich erschweren muß. Allein das Ergebniß kann auch etwas ganz zufälliges seyn und von ungleicher Beschaffenheit der in beiden Fällen verbrauchten Kohle u.s.w. herrühren. Eine viel ausgedehntere Reihe von Versuchen wird nöthig seyn, diese Frage zu entscheiden. Man hat lange angenommen, daß der Schwefel im gereinigten Gase in der Form von Schwefelkohlenstoff vorhanden ist, da die Bedingungen für die Schwefelkohlenstoffbildung in der Gasfabrication gegeben sind. Daß das Steinkohlengas in der That Schwefelkohlenstoff enthält, ist zuerst von Vogel Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXXVI S. 369; polytechn. Journal Bd. CXXX S. 76. in eleganter Weise dargethan worden, indem er auf Liebig's Vorschlag hin das Gas durch eine alkoholische Kalilösung streichen ließ. Der Schwefelkohlenstoff verwandelte sich hierbei in xanthogensaures Kalium (K, C₂H₅, CS₂O), welches mit schwefelsaurem Kupfer den bekannten zeisiggelben Niederschlag von xanthogensaurem Kupfer lieferte und mit salpetersaurem Blei in Gegenwart des freien Kalis eine schwarze Fällung von Schwefelblei bewirkte. Gelegentlich der angeführten Beobachtungen habe ich die Versuche von Vogel wiederholt und ich kann seine Resultate in jeder Beziehung bestätigen. Die Menge des Schwefelkohlenstoffs im Londoner Gase ist indessen so gering, daß man ein ziemlich beträchtliches Volumen Gas durch die alkoholische Kalilösung leiten muß, um eine hinreichende Quantität xanthogensauren Kaliums zu erzeugen. Nachdem ich einen Kubikfuß Gas durch einen mit alkoholischem Kali gefüllten Kugelapparat hatte streichen lassen, gab die Lösung mit schwefelsaurem Kupfer eine lauchgrüne Fällung, in welcher sich die Gegenwart von xanthogensaurem Kalium nur unvollkommen erkennen ließ. Erst nachdem mehrere weitere Kubikfuß Gas durch die Kalilösung gestrichen waren, trat die gelbe Färbung des Niederschlags bestimmter hervor, obwohl immer noch bis zu einem gewissen Grade von dem gleichzeitig gefällten Kupferoxydhydrat maskirt. Andererseits wurde der Schwefelbleiniederschlag bereits nach dem Durchleiten eines einzigen Kubikfußes Gas in unzweideutiger Weise erhalten. Es gibt jedoch ein noch schärferes und eleganteres Verfahren, den Schwefelkohlenstoff im Steinkohlengase nachzuweisen. Der Schwefelkohlenstoff bildet mit dem Triäthylphosphin eine prachtvolle, in rubinrothen Prismen krystallisirende Verbindung. Dieser Körper ist so charakteristisch und entsteht mit solcher Leichtigkeit, daß mir der Schwefelkohlenstoff ein wichtiges Reagens für das Triäthylphosphin und seine Homologen geworden ist. Die Idee lag nahe, die Phosphorbase zur Auffindung des Schwefelkohlenstoffs im Gase zu benutzen. Bei der Destillation einer ziemlich beträchtlichen Menge von Steinkohlenbenzol hatte ich eine kleine Menge der zuerst übergehenden Producte, welche unter 35° C. siedeten, besonders aufgefangen. Als dieses Destillat mit Triäthylphosphin vermischt wurde, erstarrte die ganze Flüssigkeit zu einer Masse der rubinrothen Krystalle. Als vier oder fünf Tropfen Triäthylphosphin in Aether gelöst und die ätherische Lösung in einem Kugelapparat einem Strom gereinigten Steinkohlengases ausgesetzt wurde, nahm die Flüssigkeit bereits nach dem Durchleiten von 0,2 Kubikfuß Gas eine entschiedene rothe Färbung an, deren Intensität sich in dem Maaße mehrte, als der Gasstrom fortdauerte und der Aether mehr und mehr verdampfte. Nach dem Durchstreichen von 0,8 Kubikfuß Gas war aller Aether verdunstet und das Innere des Kugelapparates mit einem schönen Netzwerk der rubinrothen Krystalle bekleidet.