Titel: | Beschreibung einer Fabrik zur Erzeugung künstlichen Eises in Liverpool; von Dr. Dullo in Königsberg i. Pr. |
Autor: | Dullo |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. XXIV., S. 115 |
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XXIV.
Beschreibung einer Fabrik zur Erzeugung
künstlichen Eises in Liverpool; von Dr. Dullo in Königsberg i. Pr.
Dullo, Beschreibung einer Fabrik zur Erzeugung künstlichen Eises in
Liverpool.
Vor ungefähr drei Monaten begann in Liverpool eine Fabrik künstliches Eis zu erzeugen
und zwar durch Verdampfung von Aether; diese Fabrik war die erste, welche nach
diesem Verfahren Eis in größerer Menge producirte.
Der größte Vorzug, den diese Methode besitzt, ist der, daß die Productionskosten
außerordentlich niedrig sind, denn sie beschränken sich auf die Kohlen zum Heizen
des Dampfkessels und den Lohn eines Heizers und zweier Arbeiter.
Die Einrichtung dieser Fabrik ist folgende:
Ein kupferner Cylinder wird durch eine Dampfmaschine von 15 Pferdekräften luftleer
gepumpt und dann bis zu 2/3 mit Aether gefüllt; er enthält dann 90 Gallons
Aether.
Um den Cylinder ist im Abstand von einem Fuß ein hölzener Mantel, welcher wasserdicht
seyn muß, angebracht, und der Zwischenraum zwischen Cylinder und Mantel ist mit
einer gesättigten Lösung von Kochsalz gefüllt.
Indem die Dampfmaschine wirkt, zieht sie vermittelst einer Luftpumpe rasch die sich
bildenden Aetherdämpfe aus dem Cylinder und drückt sie in zwei vielfach gewundene
Schlangen, die in zwei großen Kühlfässern mit möglichst kaltem Wasser liegen. In
diesen Schlangen wird der Aetherdampf vollkommen condensirt, und, nachdem beide
Schlangen sich unten wieder vereinigen, fließt der Aether unausgesetzt an der
Unterseite in den Cylinder. Dieses geschieht sehr leicht, da im Cylinder kein Druck
stattfindet, sondern nur in den Schlangen.
Vor dem Kolben der Luftpumpe, welche die Aetherdämpfe aus dem Cylinder zieht, ist ein
Sammelgefäß angebracht von etwa 1/2 Gallon Inhalt, um den mitgerissenen Aether
aufzunehmen.
Es ist leicht ersichtlich, daß wenn für vollkommene Dichtung des Apparates gesorgt
wird, dieselbe Quantität Aether für immer brauchbar ist. Je stärker die
Dampfmaschine wirkt, eine desto niedrigere Temperatur wird die Kochsalzlösung
annehmen; es soll jedoch schwierig seyn, im Sommer dieser Lösung mehr als –
6° R. zu ertheilen.
Das Gefrieren von reinem Wasser wird nun auf die Weise bewirkt, daß fortwährend ein
gleichmäßiger Strahl dieser kalten Lösung in lange, hölzerne, viereckige Kasten
fließt, die mit hölzernen Deckeln versehen sind, und auf einer geneigten Ebene
stehen. Diese Kasten sind der Quere nach mit Fächern versehen, und in jedem Fach
hängt ein Blechkasten, in welchen das zum Gefrieren bestimmte Wasser gegossen wird.
Diese Blechkasten sind 3 Zoll dick und haben 1 1/2 Fuß im Quadrat.
Nachdem der ganze Kasten voll Kochsalzlösung gelaufen ist, wird immer fort am untern
Ende so viel von der Lösung abfließen, als oben zufließt, und die Blechkasten mit
reinem Wasser werden durch die sich immer erneuernde Salzlauge kalt gehalten.
Die aus dem Kasten abfließende Salzlösung sammelt sich in einen kleinen Bassin, und
wird von da vermittelst einer Dampfpumpe in den Raum zwischen Cylinder und
Holzmantel gepumpt, so daß in diesem Raume die Lauge stets auf gleichem Niveau
bleibt.
Bei meiner Anwesenheit hatte die Lauge eine Temperatur von – 3 bis –
4° R., und eine Periode des Gefrierens dauerte 2 1/2 Stunden. Die tägliche
Production betrug 40 Ctr., konnte aber auf 60 Ctr. gebracht werden, wenn die
Dampfmaschine schneller wirkte.
Das Pfund Eis wurde zu einem Halfpenny = 5 Pfennigen verkauft, und fand sehr starken
Absatz, da es bei diesem Preise billiger war, als das aus Amerika bezogene. In
großen Quantitäten wurde dieses Eis sogar noch billiger verkauft.
Ob die Dicke der Eisplatten von 3 Zoll eine genügende ist, und ob dieselben bei
dieser geringen Dicke nicht zu leicht schmelzen werden, bleibt dahin gestellt.
Jedenfalls wäre es möglich die Eisblöcke in jeder beliebigen Dicke darzustellen,
jedoch nur auf Kosten der Production.
Was die Schmelzbarkeit dieses künstlich erzeugten Eises betrifft, so ist dieselbe
allerdings etwas größer, als diejenige des natürlichen Eises, weil das zum Gefrieren
angewendete Wasser nicht luftfrei gemacht ist; die in dem Wasser zurückgebliebene
Luft markirt sich bei dem verhältnißmäßig schnellen Gefrieren desselben als kleine
Bläschen im Eise, weßhalb dasselbe nicht so klar als das natürliche, und auch nicht
ganz so fest und darum leichter schmelzbar ist. Obgleich dieser Unterschied kein
sehr bedeutender ist, so fragt es sich doch, ob es nicht vortheilhafter wäre, das
zum Gefrieren bestimmte Wasser vorher aufzukochen oder in geeigneten Apparaten
vermittelst einer der Dampfmaschine angehängten Luftpumpe von aller Luft zu
befreien, und das Eis dadurch zwar etwas theurer, aber dem natürlichen völlig gleich
zu machen.
Im Ganzen macht diese Fabrik in Liverpool einen sehr angenehmen Eindruck, und es ist
nicht zu läugnen, daß dieser Weg zur Darstellung des künstlichen Eises der
einfachste und billigste ist. Es möchte diese neue Industrie wohl allen großen
Städten, in denen der Eisverbrauch jährlich zunimmt, zu empfehlen seyn, da beim
Vorhandenseyn einer solchen Fabrik den einzelnen Gewerbetreibenden die Anlage von
Eiskellern erspart wird.