Titel: Ueber gemischten Dampf; von J. Wethered.
Fundstelle: Band 158, Jahrgang 1860, Nr. LXXXII., S. 326
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LXXXII. Ueber gemischten Dampf; von J. Wethered. Aus dem London Journal of arts, April 1860, S. 226 und Mai S. 291. Wethered, über gemischten Dampf. Die Absicht, bei den Maschinen der Seeschiffe die Kraft zu erhöhen oder Brennmaterial zu sparen, ohne durch Vergrößerung der Kessel und Maschine mehr Raum zu bedürfen, scheint durch Anwendung des gemischten Dampfes, einer Mischung von gewöhnlichem und überhitztem Dampfe, erreicht zu werden. Zu diesem Zweck wird ein zweites Dampfrohr vom Kessel aus durch den Ueberhitzungsapparat geführt, welcher in der Nähe des Feuers, im Rauchfang oder in einem besonderen Ofen angebracht ist, und der überhitzte in den gewöhnlichen Dampf kurz vor dessen Eintritt in den Cylinder einströmen gelassen. Die Temperatur des überhitzten Dampfes steigt auf 500 bis 600° F. (260 bis 316° C.); der Nutzen dieser Einrichtung beruht auf der Wirkung dieses Dampfes auf den mehr oder weniger gesättigten gewöhnlichen Dampf, der dadurch mit einer Temperatur von 300 bis 450° F. (149 bis 232° C.) in den Cylinder tritt. Es wird hierbei alles in Bläschengestalt im gewöhnlichen Dampf suspendirte Wasser ebenfalls in Dampf verwandelt und vielhundertfach ausgedehnt. Zugleich wird der überhitzte Dampf durch Erniedrigung seiner Temperatur in reinen sehr heißen Dampf übergeführt, welcher nicht die schädlichen Eigenschaften des gewöhnlichen, unvermischten überhitzten Wasserdampfes besitzt. Die in England, Frankreich und Amerika mehrfach wiederholten Versuche, getrockneten oder überhitzten Dampf allein anzuwenden, sind trotz der erzielten Ersparniß ohne weiteren Erfolg geblieben;Man s. über die bisher mit dem überhitzten Dampf erzielten Resultate den Bericht von Nyder, S. 97 in diesem Bande des polytechnischen Journals.A. d. Red. die hohe Temperatur bewirkt Zerstörung der Schmiermittel und der angreifbaren Theile der Maschine, und kann von dem Maschinenwärter nicht nach Belieben regulirt werden. Die Temperatur des gemischten Dampfes dagegen kann durch bloßes Drehen einer Klappe oder eines Ventils leicht so regulirt werden, daß bei größter mechanischer Wirkung keinerlei schädlicher Einfluß auf die Theile des Cylinders und Kolbens ausgeübt wird. Einen weitern Vortheil bietet die Möglichkeit bei etwa vorkommender Beschädigung des Ueberhitzungsapparates denselben ganz auszuschalten und mit gewöhnlichem Dampfe zu arbeiten. Eine Reihe von Versuchen an Bord des Schiffes „Avon“ hat dargethan, daß bei gleichbleibendem Dampfdruck im Kessel gewöhnlicher Dampf eine Leistung von 1070 Pferdekräften ergab, während mit 3/4 überhitztem und 1/4 reinem Dampf 1075, mit 61 Theilen überhitztem und 69 Thl. reinem Dampf 1200 Pferdekräfte erhalten wurden. Die Admiralität war so sehr mit den in zwanzig Reisen erhaltenen Resultaten zufrieden, daß eine Ausdehnung des Systems auf mehrere Schiffe der brittischen Flotte beschlossen und namentlich der „Rhadamanthus“ darnach eingerichtet wurde. Unter anderen gelungenen Versuchen sind auch diejenigen auf dem „Gibraltar“ zu erwähnen, welche für überhitzten Dampf (bei einem Druck von 10 Pfd. im Kessel) 222, für gewöhnlichen Dampf (bei einem Dampfdruck von 14 Pfd.) 307 und für gemischten Dampf (bei einem Druck von 15 Pfd.) 376 Pferdekräfte ergaben. Gänzlich überhitzter oder getrockneter Dampf erlangt die Eigenschaften eines reinen Gases; er leitet die Wärme schlecht und gibt eben so langsam die Hitze ab, welche er aufgenommen. Gemischter Dampf dagegen hat sowohl die Natur des eigentlichen, wie die des überhitzten Dampfes und stellt einen reinen sehr verdünnten, seine Hitze leicht abgebenden und daher kräftig wirkenden Dampf dar. Unter anderen werden folgende Vortheile durch Anwendung von gemischtem Dampf erreicht: 1) Ersparniß von 30–50 Proc. Brennmaterial; 2) Verminderung des Speisewassers um 1/3; 3) Anwendbarkeit kleinerer Kessel zum gleichen Effect; 4) die Möglichkeit, jeden beliebigen Druck zu erhalten, oder denselben in Nothfällen zu erhöhen; 5) Ersparniß von 1/3 am erforderlichen Kohlenraum, oder die Möglichkeit, mit demselben Vorrath um ein Drittel länger auszureichen; 6) Vermeidung der Gefahr der Explosion; 7) längere Dauer der Kessel; 8) vollkommenere Herstellung der Luftleere bei der Kondensation und 9) Ersparniß von 1/3 Einspritzwasser. Beurtheilung des vorstehenden Aufsatzes in der Sitzung der Institution of Civil Engineers am 3. April 1860. Gemischter Dampf hat bei den Versuchen an Bord des „Dee“ gegen bloß überhitzten Dampf – bei gleichem Druck und gleicher Zuströmungsöffnung des Dampfes – eine vollständigere Condensationsleere und bessere Expansion ergeben. Der Kohlenverbrauch stellte sich auf 2,57 Pfd. per Pferdekraft und Stunde, gegen 5,53 Pfd. für gewöhnlichen Dampf. Als Durchschnittsresultate ergaben 20 Versuchsreisen 500 Pferdekräfte für gemischten, 409 Pferdekräfte für überhitzten und 404 für gewöhnlichen Dampf. Als ein anderes Beispiel wurde eine nicht mit Expansion versehene Maschine erwähnt, bei welcher der Kohlenverbrauch bei gemischtem Dampf von 36 auf 24 Cntr. in der Woche fiel, während etwa 1/3 weniger Wasser verbraucht wurde. Es wurde zugegeben, daß Hr. Wethered großes Lob dafür verdiene, daß er die Aufmerksamkeit wieder auf die Ueberhitzung des Dampfes gelenkt hat, doch wurden auch Zweifel über die Vorzüge des gemischten vor dem bloß überhitzten Dampf geäußert. Geschieht die Vermischung unmittelbar beim Eintritt in den Cylinder, so kann wohl kein Unterschied im Vergleich mit der Anwendung von einfachem und auf gleiche Temperatur erhitztem Dampf stattfinden. Es fragt sich auch, ob bei einer guten Expansionsmaschine die beste Methode für Ueberhitzung, welche jegliche Condensation vermeidet, mehr als 15 Proc. Kohlenersparniß ergeben kann. Bei den ersten Versuchen an Bord des „Dee“ mit überhitztem Dampf, war dessen Zufluß in Folge des geringen Durchmessers der Röhre beengt, und der Erfolg des gemischten Dampfes war nur dem großen Durchmesser des angewandten Dampfrohres und nicht der Natur des Dampfes zu verdanken. Bei entsprechender Abänderung würde bloß überhitzter Dampf dasselbe Resultat ergeben haben. Bei den besten Dampfkesseln nimmt man eine Ersparniß von 15 Proc. Kohlen in Folge der Anwendung überhitzten Dampfes an, und wenn in einzelnen Fällen 34 Proc. gefunden wurden, so mußte dieß wohl von gleichzeitig vorgenommenen Veränderungen am Dampfapparat herrühren. Bei einem Schiffe der Intercolonial Royal Mail Company brachte die Anwendung von überhitztem Dampf den Kohlenverbrauch von 2986 Pfd. auf 1900 Pfd. per Stunde im Durchschnitt von 4 oder 5 Tagreisen zwischen London und Milford herab. Noch andere Beispiele mit ähnlichen Resultaten wurden angeführt, wobei man eine Erhöhung der Dampftemperatur um 100° F. beobachtet hatte. Der Nutzen, welchen überhitzter Dampf darbietet, ist nicht in einem physikalischen Gesetze, sondern in der Vermeidung des durch Condensation bewirkten Verlustes zu suchen. Tritt Dampf in den, auch nur um einen Grad kühleren Cylinder, so muß sich Wasser bilden. Bei der Condensirung des Dampfes (durch das Einspritzen) wird dieses Wasser im Cylinder verdampft und kühlt den Cylinder abermals ab, wodurch beim folgenden Hub wieder eine Wärmeabgabe des Dampfes, mithin ein Verlust stattfindet, indem abermals an der ganzen Cylinderfläche Wasser condensirt wird. Ein mit einem Thermometer versehener Druckmesser zeigte (ohne Aenderung der Expansion) eine Temperaturveränderung von 20° F. mit einem Druck von 6 Pfd., mithin einen Verlust an Dampf von 1/3 bis 1/4 Dieser Verlust, der bei dichtem Dampf stets eintreten muß, kann bei überhitztem nicht stattfinden, welcher bei der Condensation augenblicklich verschwindet, da kein Wasser im Cylinder vorhanden ist. Schon dieß allein muß die Wirkung (bei Condensationsmaschinen) erhöhen, und den Condensationsmechanismus erleichtern. Die praktische Grenze der Ueberhitzung des Dampfes liegt offenbar in einer solchen Wärmezufuhr, daß er bis zum Ende seiner Expansion vollkommen trocken bleibt. Bei der Expansion des gewöhnlichen Dampfes wird viel Wärme latent und mithin nicht die ganze Wirkung erhalten, da der Dampf abgekühlt wird und nicht genug Wärme behält um während des Hubes uncondensirt zu bleiben. Bei den Versuchen an Bord des „Dee“ sind 23,8 Proc. Brennmaterial mit überhitztem Dampf gegen gewöhnlichen gespart worden. Ersterer verlor 20° F. auf seinem Weg zum Cylinder, 82° nach dem Eintritt in den Mantel und weitere 26° nach dem Eintritt in den Cylinder. Gewöhnlicher Dampf verlor nur 23'' zwischen Kessel und Cylinder. Bei einem andern Versuch ergab sich eine Ersparniß von 20 Proc. Brennmaterial bei einem Minimalverbrauch von 2,6 Pfd. Kohle für die Stunde und Pferdekraft. Wethered's System scheint also eben so ökonomisch zu seyn, wie die Anwendung von überhitztem Dampf allein, und letzterer sollte eigentlich nicht weiter erhitzt werden, als bis sich kein Wasser mehr im Cylinder condensirt. Die Mischung von überhitztem mit gewöhnlichem Dampf bietet ein leichtes Regulirungsmittel für die Ueberhitzung, durch welche keine Temperaturerhöhung von mehr als 100° F. bewirkt werden soll. Mittelst einer Compensationsstange kann sogar eine Selbstregulirung des Zutritts von überhitztem Dampf bewirkt werden. Nach den Versuchen des Ober-Ingenieurs der Marine der Vereinigten Staaten ergibt gemischter Dampf eine Ersparniß von 52,5 Proc. Brennmaterial gegen gewöhnlichen und von 25 Proc. gegen überhitzten Dampf. In Frankreich wurde dem entsprechend 52,7 und 24,0 Proc. Kohlenersparniß gefunden. An Bord der englischen Admiralitäts-Yacht „Black Eagle“ waren 20 Proc. Ersparniß für gemischten gegen bloß überhitzten Dampf gefunden worden.Hinsichtlich der Versuche, welche bis zum Jahre 1859 in Amerika, England und Frankreich mit gemischtem Dampfe in Vergleich mit übersättigtem und mit überhitztem Dampfe angestellt wurden, verweisen wir auf Wethered's Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CLI S. 403.A. d. Red. Als Schluß der Discussion stellte sich heraus, daß die praktische Einführung des Systems des überhitzten Dampfes großentheils den Bemühungen des Hrn. Wethered zu danken sey; doch war die günstige Meinung für gemischten Dampf keine allgemeine, weil sie mehr auf angegebenen Thatsachen, als auf einer wissenschaftlichen Erklärung dafür beruht. Wenn mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit auf eine täglich gebrauchte Maschine verwandt wird, so bewirkt dieß allein schon eine Ersparniß; da dieß nun bei jedem Versuche mit einer neuen Erfindung geschieht, so neigte sich ein Theil der Urtheile dahin, daß mehrere Fälle von Brennmaterialersparniß mehr diesem Umstande, als dem neuen Systeme zuzuschreiben seyen.Dieß scheint denn doch den zahlreichen und aus längeren Versuchen hervorgegangenen Zahlenresultaten gegenüber zu weit gegangen zu seyn! Der Nutzen, welchen der gemischte Dampf bieten muß, läßt sich Wohl aus seiner Natur ebenso vorhersehen, wie die dadurch ermöglichte Vermeidung der bei einer Ueberhitzung nothwendig veranlagten Nachtheile, und es stimmen die vielfachen Erfahrungen zu sehr hiermit überein, um das Ganze als Einbildung erscheinen zu lassen. Es wäre sehr zu wünschen, daß auch in Deutschland erschöpfende Versuche angestellt und bekannt gemacht würden, um die Sache endgültig festzustellen.A. d. Red.