Titel: Ueber die Verseifung der Fette durch die wasserfreien kohlensauren Salze; von Scheurer-Kestner.
Fundstelle: Band 158, Jahrgang 1860, Nr. CXVIII., S. 431
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CXVIII. Ueber die Verseifung der Fette durch die wasserfreien kohlensauren Salze; von Scheurer-Kestner. Aus den Annales de Chemie et de Physique, October 1860, S. 216. Scheurer-Kestner, über die Verseifung der Fette durch die wasserfreie kohlensauren Salze. Man nahm allgemein an, daß die Verseifung der Fette nicht ohne Beihülfe des Wassers zu bewirken ist, bis Pelouze zeigte,Polytechn. Journal Bd. CXLI S. 134. daß sie auch erfolgt, wenn man auf die bis 250° C. erhitzten Fette die wasserfreien caustischen Alkalien einwirken läßt. Da das Glycerin, um sich zu bilden, die Gegenwart des Wassers erheischt, so war es in den so erhaltenen Producten nicht zu erwarten; Pelouze wies jedoch dessen Vorkommen in den auf diese Weise bereiteten Kalkseifen nach, und zeigte, daß das Glyceryloxyd sich spaltet, wobei es Glycerin und flüchtige oder gasförmige Producte gibt. In der That verliert der Talg während seiner Verseifung 2 bis 3 Procent an Gewicht. Erhitzt man die wasserfreien kohlensauren Alkalien mit den Fetten, so entbinden sie ihre Kohlensäure, während die Fettsäuren und die Basis sich zu wirklichen Seifen verbinden. Wenn man z.B. ein Gemenge von 100 Theilen Talg und 22 bis 25 Theilen kohlensaurem Natron allmählich erhitzt, so stellt sich gegen 260° C. eine lebhafte Reaction ein; das Gemenge bläht sich in Folge reichlicher Gasentwickelung auf; man muß, um keinen Verlust zu erleiden, eine geräumige Retorte anwenden, und die Hitze mäßigen, sobald die Reaction begonnen hat; wenn man von Zeit zu Zeit die Retorte schüttelt, um die beiden Substanzen, welche sich zu trennen streben, mit einander zu mischen, so entwickeln sich die Gase auf sehr regelmäßige Weise. Gegen das Ende der Operation muß man die Temperatur ein wenig erhöhen, um die letzten Spuren von Fett zu zersetzen, welche, weil sie nicht mehr mit einem so großen Ueberschuß von kohlensaurem Alkali in Berührung sind, sich schwieriger zersetzen. Nach einigen Stunden erhält man eine halbflüssige gelbliche Masse, welche während des Erkaltens consistenter wird. In Wasser löst sie sich nach und nach zu einer opalisirenden Flüssigkeit auf, welche sich in jeder Hinsicht wie eine Auflösung von gewöhnlicher Seife verhält. Die kohlensauren Alkalien und insbesondere das Kochsalz verursachen darin einen Niederschlag von Natronseife, welcher sich an der Oberfläche der Flüssigkeit sammelt. Die verdünnten Mineralsäuren scheiden daraus Fettsäuren ab, welche die von Chevreul für die Fettsäuren des Talgs angegebenen Eigenschaften besitzen. Wenn man den kohlensauren Kalk anstatt des Natronsalzes anwendet, nämlich 18 bis 20 Th. Kreide auf 100 Th. Talg, so erfolgt die Reaction leichter als mit dem Natronsalz; man erhält eine schwach gelbliche Masse, welche hart genug ist, um zerrieben werden zu können. 100 Gramme dieser Kalkseife, mit Wasser behandelt, gaben kein Glycerin; Aether zog aus denselben einige Centigramme einer öligen Substanz aus, welche leichter als Wasser, nicht flüchtig, in den Mineralsäuren und in den Alkalien unauflöslich ist. Die kohlensauren Salze von Baryt, Strontian und Bittererde zeigen dasselbe Verhalten. Wendet man zur Verseifung kohlensaures Bleioxyd an, so erfolgt die Zersetzung der Fette so rasch, daß die Gase sich stürmisch entwickeln, und man erhält eine Bleiseife, welche durch die Säuren in Bleisalz und Fettsäure umgewandelt werden kann. Wenn man die Hitze hinreichend mäßigt, so erleidet bloß das Glyceryloxyd eine Zersetzung, wie folgende Bestimmungen beweisen: 1) 100 Grm. Talg, mit kohlensaurem Natron verseift, lieferten 94,8 Gramme Fettsäuren; 2) 100 Grm. Talg, mit kohlensaurem Kalk verseift, lieferten 95,6 Gramme Fettsäuren. Bei den Verseifungen durch die wasserfreien kohlensauren Salze entbindet sich ein wenig Acrolein nebst einer großen Menge brennbarer Gase. Diese Gase bestehen in Kohlensäure, Sumpfgas und freiem Wasserstoff; eine Analyse derselben ergab folgende Zusammensetzung: Kohlensäure     75,30 Sumpfgas     11,85 freier Wasserstoff     12,85. Das Vorkommen freien Wasserstoffs in den Producten welche die Fette bei ihrer Zersetzung durch die wasserfreien kohlensauren Salze liefern, ist nicht auffallend, denn bekanntlich entbinden die Fette, auf die beginnende Rothglühhitze gebracht, Kohlenwasserstoffe, Kohlensäure und freien Wasserstoff. Daß das Glyceryloxyd bei der Verseifung der Fette durch die wasserfreien kohlensauren Salze größere Veränderungen erleidet, als wenn die Verseifung durch die wasserfreien Basen bewirkt wird, beweist die Abwesenheit des Glycerins in den Zersetzungsproducten und das Vorkommen von ein wenig Acrolein nebst einer größeren Menge von Gasen in denselben.