Titel: Ueber die Telegraphentaue; von C. M. Guillemin.
Fundstelle: Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XXXI., S. 116
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XXXI. Ueber die Telegraphentaue; von C. M. Guillemin. Aus den Comptes rendus, October 1860, Nr. 15. Guillemin, über die Telegraphentaue. Die (französische) Verwaltung der Telegraphenlinien hat mich ersucht, mittelst meiner Apparate die Anwendbarkeit einiger Gesetze auf die von ihr zu diesem Zweck angefertigten Telegraphentaue zu prüfen, da diese Gesetze für die Frage der unterseeischen Telegraphenleitungen von Wichtigkeit sind. Es handelte sich hauptsächlich darum, wie sich die Condensation und mithin die dadurch bewirkte Verzögerung in der Fortpflanzung der Signale mit der Dicke und Beschaffenheit der isolirenden Substanz und mit der Länge des Leiters ändert. Ich habe gemeinschaftlich mit Hrn. Bergon die betreffenden Untersuchungen folgendermaßen ausgeführt. Die fünf Taue von je 55 bis 56 Meter Länge bestehen aus einem Kupferdraht von 1 Millimet. Durchmesser, welcher mit Gutta-percha oder nicht vulcanisirtem Kautschuk überzogen und mit Gummilack gefirnißt ist; um das Ganze ist eine Zinnverkleidung angebracht. Zur größeren Sicherheit ist noch ein Kupferdraht von 1/3 Millim. Durchmesser um diese Zinnhülle gewickelt. Bei vier Tauen ist die Dicke der Gutta-percha-Hülle je 1, 2, 3 und 5 Millimet. Das Tau Nr. 5 hat einen Kautschuküberzug von 2 Millim. Dicke. Ehe der Firniß und die Zinnhülle angebracht wurden, tauchte man die Taue in Salzwasser, um die Isolirung zu prüfen. Anfangs fand bei allen ein schwacher und gleicher Verlust statt. Nach einigen Stunden verloren Nr. 1 und 2 mehr als die anderen, und der Unterschied wuchs mehr und mehr während der dreitägigen Dauer des Eintauchens. Demnach scheint der Kautschuk besser als die Gutta-percha zu isoliren, welche nach und nach von der Salzlösung durchdrungen wird. Um die Größe der elektrischen Condensation zu untersuchen, welche bei so geringer Länge nur schwach seyn konnte, bediente ich mich eines Apparates, welchen ich schon im J. 1849 benutzte, um einen Strom mittelst einer isolirten Batterie mit nicht verbundenen Polen zu erhalten. (Comptes rendus, t. XXIX p. 521.) Dieser Apparat besteht aus vier Rädern an derselben Achse, mit metallischen und Elfenbeinplatten an ihrer Oberfläche. Setzt man die Räder in drehende Bewegung, so entstehen intermittirende Verbindungen zwischen den Polen der Batterie und den beiden Armaturen, so daß der Condensator 100 bis 120 Mal in der Secunde geladen und entladen wird. Das Galvanometer kann man entweder auf den Drähten anbringen, welche die Pole der Batterie mit den Armaturen verbinden und so die Ladung vermitteln, oder auch auf denjenigen welche die Entladung leiten; letzteres ist am besten, wenn man die Kondensation messen will. Die Metallstreifen welche die Entladung bewirken, sind dreimal so breit wie diejenigen welche die Ladung bewirken. Die Berührungen dauern etwa 1/600 Secunde für erstere und 1/200 Secunde für letztere. Ich bediente mich einer Batterie von 12 bis 36 Bunsen'schen Elementen und erhielt, bei einer Beschränkung der Ablenkungen des Galvanometers auf 20 bis 25°, folgende Resultate: 1) Für gleiche Drehungsgeschwindigkeit ist die Ablenkung proportional der Zahl der Elemente; die Oberfläche derselben ist ohne merklichen Einfluß. Dieß bestätigt Volta's und Ohm's Ansichten über die Vertheilung der Spannungen in der Batterie. 2) Bezeichnet man die Condensationskraft des Taues Nr. 1 mit 100, so ist diejenige der Nrn. 2, 3, 4, 5 bezüglich 84, 75, 67, 62. Die drei ersten Zahlen, welche sich auf Gutta-percha-Isolirung beziehen, beweisen, daß die Condensationskraft mit zunehmender Isolirungsschicht, aber verhältnißmäßig langsamer abnimmt. Vergleicht man 2 und 5, deren Isolirung gleich dick ist, aber aus verschiedenem Material besteht, so ergibt sich für die specifische Induction des Kautschuks im Verhältniß zu derjenigen der Gutta-percha die Zahl 0,72. 3) Die Condensationskraft bleibt sich ziemlich gleich, wenn man die Stärke der Elemente verdreifacht. 4) Nimmt man die Erde als Mittel, um den Condensator zu laden oder zu entladen, so zeigt das Galvanometer dieselbe Abweichung wie vorher, auf welchen Leiter man es auch stellen mag. 5) Der innere Draht nimmt nur eine sehr geringe Elektricitätsmenge auf, wenn man während des Ladens die Verbindung zwischen der äußeren Armatur und der Erde unterbricht. Für Nr. 5 beträgt sie nur den 45sten, für Nr. 1 nur etwa den 65sten Theil derjenigen Elektricitätsmenge, welche diese Drähte bei ununterbrochener Verbindung aufnehmen. Sie ist drei- oder viermal schwächer als bei demselben Draht, wenn er in der Luft isolirt ist. Es scheint, daß dieß von einer gewissen Elektricitätsmenge herrührt, welche von der Berührungsfläche des Drahts und der isolirenden Schichte zurückgehalten wird, wie man dieß bei der Leydner Flasche mit beweglichen Belegungen beobachtet. 6) Vergleicht man die Ladung, welche jedes Tau durch die Condensation erhielt, mit derjenigen des in der Luft isolirten Drahtes, so erhält man für Nr. 1, 2, 3, 4, 5 annähernd die Zahlen 18, 16, 14, 12, 11. 7) Die Induction, welche der innere Draht auf die Zinnhülle ausübt, ist gleich derjenigen welche letztere in ersterem bewirkt. 8) Bildet man aus den fünf Tauen ein einziges, so ist die Gesammtcondensation gleich der Summe der einzelnen Condensationen, so daß die beobachteten Erscheinungen auch wohl für beliebige Längen gelten werden. 9) Die dynamische Ladung, welche man erhält, wenn man das eine Ende des inneren Drahtes mit der Erde in Verbindung setzt, ist etwa die Hälfte der statischen Ladung, welche man hat wenn diese Verbindung nicht hergestellt ist, vorausgesetzt daß die Kraft der Batterie sehr groß ist. Die fünf Taue wurden nun spiralförmig aufgerollt, um die elektrodynamische Induction zu untersuchen. Dieß ist deßhalb schwieriger und gibt weniger constante Resultate, weil es schwer hält, gute Contacte beim Durchgang des Stromes herzustellen und die Schließungen und Oeffnungen unter sich identisch zu machen. Der angewandte Apparat ist für diese Versuche schwierig zu handhaben, dennoch behielt ich ihn für die Unterbrechungsströme bei; die Abweichungen waren ziemlich stark und ich bewirkte daher die Stromunterbrechungen mit der Hand. Der allgemeine Charakter der Erscheinungen ist indessen sowohl für die spiralförmigen, wie für die in der Luft isolirten Taue ziemlich ausgesprochen und läßt sich folgendermaßen bezeichnen: 10) Die vorhin angegebenen Unterschiede für die Verschiedenheit in der Natur und Dicke der Isolirungsschicht bleiben dieselben, mögen dabei die Spiralen zur Erhöhung der Intensität des inducirten Stromes eine innere eiserne Belegung haben oder nicht. 11) Vereinigt man die Taue an den Enden zu einem einzigen, so nimmt der inducirte Strom nicht im Verhältniß der Länge zu; derselbe nähert sich vielmehr einer Grenze, und zwar um so schneller, je geringer die Spannung der Batterie ist. 12) Vereinigt man die Taue parallel mit einander, so nimmt der Inductionsstrom ab, bis er ganz verschwindet. Aus diesen Versuchen lassen sich folgende praktische Schlüsse ziehen: Der Kautschuk isolirt besser und condensirt weniger als die Gutta-percha und sollte ihr daher für Telegraphentaue vorgezogen werden. Die Condensation und mithin die Verringerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit kann man durch Vergrößerung der Dicke der isolirenden Schicht vermindern. Vergrößerung des Drahtdurchmessers dagegen erhöht die elektrische Ladung. Bei einem aus mehreren isolirten Drähten bestehenden Taue sind die Wirkungen der Condensation, ähnlich der Leydner Flasche, sehr stark und die Inductionsströme sind analog denjenigen in Spiralen verhältnißmäßig sehr schwach. Diese letzteren Ströme sind offenbar Null, wenn das Tau nur einen isolirten Leiter enthält.