Titel: | Ueber die Klingenfeld'sche Tafel-Waage. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XCV., S. 339 |
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XCV.
Ueber die Klingenfeld'sche Tafel-Waage.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Ueber die Klingenfeld'sche Tafel-Waage.
Hr. F. A. Klingenfeld, Professor an der polytechnischen
Schule zu Nürnberg, hat vor mehreren Jahren, anfänglich in der Absicht, die bekannte
sogenannte Straßburger Tafel-Waage zu verbessern, die Construction einer
neuen gleicharmigen Waage vorgenommen, deren Einrichtung nicht bloß auf richtige
mechanische Principien gegründet ist, welche ihre Genauigkeit darlegen, sondern die
auch nebst ihrer einfachen Ausstattung sich durch Bequemlichkeit in der Handhabung,
durch große Dauerhaftigkeit und durch eine Empfindlichkeit charakterisirt, die für
Waagen für gewerbliche und industrielle (sowie für häusliche) Zwecke von seltenem
Grade ist, und die deßhalb jene Waage sogar in manchen Fällen bei technischen
Untersuchungen als geeignet erscheinen lassen dürfte. Es mag daher von einigem
Interesse seyn, die Einrichtung derselben hier in Kürze vorzuführen.
Die ihrem äußeren Ansehen nach durch Fig. 24 versinnlichte
Waage besteht aus zwei gleicharmigen Hebeln, deren Anordnung und Wirkung leicht
eingesehen werden kann, wenn wir die folgenden Bemerkungen beifügen. – Jeder
Waagbalken trägt nämlich eine Schneide, um die er sich dreht, und die wir seine
Achse nennen wollen. Außer dieser finden sich an ihm noch andere Schneiden, an denen
die Waagschalen hängen, welche entweder den zu wägenden Gegenstand oder die Gewichte
tragen; wir wollen diese Schneiden die „Tragschneiden“ nennen.
Die Anordnung der beiden Hebel oder Waagbalken, aus denen die Waage zusammengesetzt
ist, wird durch Fig. 25 im Grundriß und Fig. 26 im Aufriß
schematisch dargestellt, in welchen Figuren gleiche Theile mit denselben Buchstaben
bezeichnet sind. Die beiden Hebel sind A₁ und A₂; die Achse von A₁ befindet sich in a₁, während
dessen Tragschneiden b₁ und c₁ sind; die Achse von A₂ liegt in a₂ und seine
Tragschneiden sind b₂ und c₂. Es geht aus der Abbildung hervor, daß die beiden Schneiden b₂, b₂, ebenso
wie die c₂, c₂
in einer Geraden liegen; ferner, daß auch die drei
Schneiden c₂, c₁ und c₂ sich in einer Geraden
befinden. Diese letzteren Schneiden (c₂, c₁, c₂) tragen gemeinschaftlich einen
Metallbügel a (Fig. 24), an welchem die
zur Aufnahme der Gewichte bestimmte Schale hängt; ebenso tragen die Schneiden b₁, b₂, b₂ gemeinschaftlich die gußeiserne Brücke b (Fig. 24), auf welcher die
zur Aufnahme der abzuwägenden Gegenstände bestimmte Tragschale ruht. An der Achse eines
jeden der beiden Hebel ist ein Zeigerhebel befestigt, welche letztere aus dem Innern
an zwei entgegengesetzten Seiten hervortreten, und hier die Zunge c tragen, während ein zweiter fester Index c₁ erkennen läßt, ob der von oben nach unten
gegen die Tragschale ausgeübte Druck dem durch das Gewicht in der Schale S bewirkten Zug gleich ist oder nicht.
Aus dieser Beschreibung ersieht man also, daß die in Rede stehende Waage aus zweien
gleicharmigen (b₁ a'
= c₁ a'; ferner c₂ a'' = a''c' = c₁ a') und in jeder Beziehung in gleicher Weise
angeordneten Hebeln zusammengesetzt ist, also einen zusammengesetzten Hebel bildet,
der im stabilen Gleichgewichtszustande sich befindet,
wenn ein in c₁ vertical aufwärts gerichteter Zug
dem in demselben Punkte abwärts wirkenden Gewichte gleich ist. Da nun die Waage so
genau construirt ist, daß nicht bloß die Stützpunkte b₁, b₂, b₂ in gleichem Abstande von einander, sondern auch in einer und
derselben Ebene sich befinden, so wird, da einerseits die Tragschale T unmittelbar auf der bei b₁, b₂, b₂ angehängten Brücke ruht, andererseits die in S befindliche Schale als bei c₁ aufgehängt angenommen werden darf, jener Bedingung durch die
vorstehende Construction immer Genüge geleistet, man mag die abzuwägende Last an
irgend eine Stelle der Tragschale versetzen.
Die mir zur Einsicht gekommene Waage ist aus einem gußeisernen von außen broncirten
Gestell gefertiget, die horizontale Platte, auf welcher das Hebelsystem ruht, ist
ebenfalls aus Gußeisen, und dieses Exemplar wiegt, bei einer Höhe von 12 bayer.
Dec.-Zoll, etwa 17 bayer. Pfund. Die Empfindlichkeit dieser Waage ist für
ihre Tragfähigkeit bis zu 25 bayer. Pfund bedeutend, da sie bei leeren Schalen,
obgleich die Summe der Gewichte von Brücke, Aufhängebügel und Schalen etwa gegen 1
1/2 Pfund betragen kann, noch einen deutlichen Ausschlag bei einer Belastung von
einem Gran zeigt. – Hr. Klingenfeld hat nach
demselben Principe auch kleinere Waagen construirt, die eine Tragfähigkeit bis zu 5
Pfd. besitzen, und bei leeren Schalen noch 1/8 Gran ziehen. – Die
Anwendungsweise der Waage leuchtet von selbst ein, und ebenso bedarf es keiner
näheren Erläuterung, daß dieselbe leicht zu handhaben ist, daß sie, da die Bewegung
der Waagschalen nur sehr klein ist, leicht zur Ruhe kömmt, daß eine Beschädigung des
Hebelsystemes etc. nicht eintreten kann, weil nur die Waagschalen beim Gebrauche
zugänglich, der ganze Mechanismus aber stets eingeschlossen und geschützt bleibt
etc.
Will man die Waage zur Bestimmung der specifischen Gewichte fester Substanzen
benutzen, so versieht man dieselbe zu dem Ende mit einem bei s angeschraubten Bügel A, an welchen bei d der zu untersuchende Körper aufgehängt werden kann.
Bestimmt man nun zuerst das Gewicht (P) des Körpers
durch unmittelbares Abwägen, stellt sodann auf die Tragschale ein Gefäß mit Wasser,
und tarirt dasselbe durch unten eingelegte Gewichte, hängt sodann den Körper
mittelst eines starken Fadens a, b ins Wasser, und
stellt den Gleichgewichtszustand durch weitere bei S
eingelegte Gewichte p her, so wird P–p den auf a ausgeübten Zug ausdrücken, also das Gewicht des vom
Körper verdrängten Wassers gleich p seyn, wodurch also
das spec. Gewicht des Körpers leicht erhalten werden kann.
Die vorstehende Beschreibung mag ausreichen, um über die Einrichtung und den Gebrauch
dieser Waage Aufschluß zu geben, während wir alle weiteren Erörterungen hierüber,
sowie eine Vergleichung ihrer Leistungen etc. mit den bekannten verjüngten
Hebel- und namentlich mit den für kleinere Belastungen bestimmten
Brückenwaagen unterlassen müssen.
München, im Februar 1861.
C. Kuhn.