Titel: Ueber die Dichte des Wasserdampfes; von Gustav Schmidt, k. k. Kunstmeister.
Fundstelle: Band 160, Jahrgang 1861, Nr. LXXX., S. 262
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LXXX. Ueber die Dichte des Wasserdampfes; von Gustav Schmidt, k. k. Kunstmeister. Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins, 1861 S. 65. Schmidt, über die Dichte des Wasserdampfes In der Monatsversammlung des österr. Ingenieur-Vereins am 20. März 1861 hielt der k. k. Kunstmeister Gustav Schmidt einen Vortrag über Fairbairn's Versuche zur Ermittelung des specifischen Volumens des Wasserdampfes, mitgetheilt im Civil Engineer and Architect's Journal, August 1860.Im polytechn. Journal Bd. CLVII S. 406. Sprecher bemerkt, daß unsere Kenntniß des Wasserdampfes trotz der Wichtigkeit dieses Körpers noch eine sehr mangelhafte sey. So wie für die specifische Wärme desselben die Zahlen 0,847, 0,475, 0,382, 0,346 und 0,305 aufgestellt wurden, unter welchen Zahlen Sprecher die Bödeker'sche 0,382 als die wahrscheinlichste betrachtet, so sind auch die Angaben über das specifische Volumen, nämlich über das Volumen der Gewichtseinheit des gesättigten sowie des überhitzten Dampfes bei verschiedenen Spannungen und Temperaturen, sehr schwankend, wenn auch nicht in so hohem Grade. Leider ist es den Theoretikern bis jetzt noch nicht gelungen, den gesättigten Dampf analytisch von überhitztem Dampf zu unterscheiden. Man weiß nur aus der Erfahrung, daß einer jeden Spannung = p Kilogramm per Quadratmeter eine ganz bestimmte Minimal-Temperatur zukommt, bei welcher Dampf – gesättigter Dampf – existiren kann. Hat der Dampf bei gleicher Spannung eine höhere Temperatur, so heißt er überhitzt. Die einer jeden Spannung zukommende Minimaltemperatur – die Sättigungstemperatur – wurde durch genaue bekannte Versuche von Regnault festgestellt. Das zugehörige specifische Volumen v des gesättigten Dampfes wurde bisher ausnahmslos nach dem Gay-Lussac-Mariotte'schen Gesetz berechnet. Die vom Sprecher angegebene allgemeinste Form desselben ist: pv/T = 2k/q. Hiebei ist T = 272,85 + t die absolute Temperatur bei t° Cels., k = 423,54 das mechanische Wärmeäquivalent, und q das chemische Molecülgewicht nach der Gerhardt'schen Volumtheorie. Für den Wasserdampf ist q = HO₂ = 18, also pv/T = k/9 = 47,06. Setzt man, um auf die übliche Form zu kommen: h = der Quecksilbersäule in Millimetern, welche der Spannung p in Kilogrammen entspricht, also p = 10334/760 h, T = 1/α + t = (1 + αt)/α, wobei α = 0,003665 der Ausdehnungscoefficient der Gase ist, und v = 1/σ, unter σ das specifische Gewicht des Dampfes, nämlich das in Kilogrammen ausgedrückte Gewicht von 1 Kubikmeter Dampf von der Spannung und der Temperatur t verstanden, so findet man: σ = 1/944,3 (1 + αt)/h. Diese Formel steht z.B. in Eisenlohr's Physik, jedoch gestützt auf ältere Zahlen mit dem Nenner 940 statt 944,3. Für Dampf von 1 Atmosphäre Druck, also für h = 760 Millimet., t = 100, folgt σ = 0,5890, v = 1,6980. Die atmosphärische Luft hat bei einer Atmosphäre und bei 100° C. ein specifisches Gewicht von σ₁ = 1,2932/(1 + 100α) = 0,9463, folglich ist bei dieser Spannung die relative Dichte des Wasserdampfes δ = σ/σ₁ = 0,6223, und wenn das Gay-Lussac-Mariotte'sche Gesetz allgemein gilt, so ist diese relative Dichte für alle Spannungen und Temperaturen constant. Regnault's Versuche ergaben bei 100° C. σ = 0,5886, v = 1,6989, also sehr gut übereinstimmend mit obigem Resultate. Behufs des weiteren Vergleichs wird die Formel pv/T = 47,06 am besten auf die Form gebracht: v = 1,2425 (1 + αt)/a = 0,004554 T/a,          (1) worin a = p/10334 die Spannung, ausgedrückt in Atmosphären, bezeichnet. Dieß ist also die bisher gebrauchte Formel für das specifische Volumen des Wasserdampfes, gleichgültig ob er gesättiget ist oder überhitzt. In Prof. Zeuner's vortrefflichem Werk: „Grundzüge der mechanischen Wärmetheorie“, wird aber eine ganz andere Beziehung zwischen v, a und T aufgestellt, die sich folgendermaßen ergibt. Nach Clapeyron und Clausius besteht für gesättigte Dämpfe die Beziehung: u = v – w = r/(kT dp/dt). Hierin bezeichnet, bezogen auf Wasserdampf, w = 0,001 Kubikmeter das Volumen von 1 Kilogr. Wasser von der Temperatur t unter dem Drucke p: v das Volumen des hieraus unter constantem Druck entstandenen Dampfes von gleicher Temperatur; r die bei der Dampfbildung unter constantem Druck latent gewordene Wärmemenge oder die Verdampfungswärme, für welche Clausius den Näherungsausdruck r = 607 – 0,708 t aufgestellt hat. Den numerischen Werth des Differentialquotienten dp/dt für die verschiedenen Temperaturen hat Zeuner aus Regnault's empirischer Tabelle abgeleitet, mit Hülfe dieser Daten eine Tabelle für v zusammengestellt, und schließlich die gefundenen Tabellenwerthe wieder in eine empirische Formel gebracht: v = w + u = 0,001 + 2,877/a log vulg T/100        (2) Endlich besitzen wir eine dritte Formel für v, jene nämlich, welche Fairbairn aus seinen Versuchen gezogen hat. Sie lautet, vom englischen Maaß in das französische übersetzt: v = 0,02562 + 1,65477/(a + 0,02406)         (3) Nachstehende Tabelle charakterisirt den Unterschied der drei Formeln, so wie die Abweichung von Fairbairn's Formel von dessen Versuchsresultaten. Volumen von 1 Kilogr. in Kubikmetern. t° Cels. Spannunga Atm. Nach (1). Nach (2). Nach (3). Versuchsresultat.   58,21 0,1788 8,432 8,367 8,183 8,266   92,39 0,765 2,175 2,118 2,124 2,146 117,17 1,792 0,991 0,950 0,937 0,941 114,87 3,082 0,602 0,571 0,562 0,583 144,74 4,086 0,465 0,438 0,428 0,432 Gewiß ist die gute Uebereinstimmung der von Zeuner rein theoretisch bestimmten Volumina mit den Versuchsresultaten Fairbairn's eine sehr auffällige. Allein trotzdem findet sich Sprecher veranlaßt, bis auf weitere mit aller Genauigkeit durchgeführte Erhebungen das reine Gay-Lussac-Mariotte'sche Gesetz zu vertheidigen. Denn Fairbairn's Formel gibt für a =1 (merkwürdigerweise fehlen Versuche für a = 1 Atm.) v = 1,6415, also nahe 3 1/2 Proc. weniger als Regnault's Versuch. Das ist um so mehr verdächtig, als die mögliche Fehlerquelle eben auf Verkleinerung des Werthes von v wirkt. Ist nämlich ein kleiner Theil des einen Kilogramms Wasser nicht als Dampf, sondern als tropfbares Wasser an der Gefäßwand niedergeschlagen, so wird v zu klein gefunden, ein Umstand, auf welchen Sprecher von Hrn. Prof. Zeuner selbst aufmerksam gemacht wurde. Weit gewichtiger als dieser Umstand ist aber der, daß die relative Dichte für eine große Anzahl coërcibler Gase bestimmt wurde, und erfahrungsmäßig mit dem Molecülgewicht q in der Beziehung steht: δ = 0,03458 q. So ist beispielsweise für: Name des Gases. Formel. q Dichte δ berechnet. beobachtet. Salzsaures Gas HCl 36,5 1,263 1,247 Schwefelwasserstoff HS₂ 34 1,176 1,191 Ammoniak NH₃ 17 0,588 0,590 Schweflige Säure S₂O₄ 64 2,214 2,247 Kohlensäure C₂O₄ 44 1,522 1,529 Alkohol C₄H₆O₂ 46 1,592 1,589 Wiewohl derlei Bestimmungen der Dichten in großer Zahl vorhanden sind, so zeigt sich doch selten eine Abweichung des berechneten vom beobachteten Werth, welche 1 Proc. erheblich übersteigen würde, und diese Abweichungen sind bald positiv, bald negativ. Wir müssen folglich auch für den Wasserdampf, für welchen q = 18 ist, δ = 18 . 0,03458 = 0,62244, d. i. übereinstimmend mit der Dichte σ/σ₁ = 0,6223 annehmen, welche sich unter Annahme des Gay-Lussac-Mariotte'schen Gesetzes ergibt, wenigstens in so lange, als nicht ganz unzweifelhaft das Gegentheil bewiesen ist. Unter allen Umständen wird es, meint der Hr. Sprecher, für praktische Zwecke, wie die Berechnung der Dampfmaschinen, vollkommen genügend seyn, sich des Gay-Lussac-Mariotte'schen Gesetzes (1) zu bedienen.