Titel: Die Graf'schen Falzmaschinen.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. V., S. 15
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V. Die Graf'schen Falzmaschinen. Aus der sächsischen Industriezeitung, 1861, Nr. 23. Mit Abbildungen. Die Graf'schen Falzmaschinen. Von den, während einer Woche der letzten Ostermesse in der Leipziger Buchhändlerbörse ausgestellten Maschinen, welche zur Fabrication von Büchern und anderen Drucksachen in Beziehung stehen, erregten vor allen anderen drei, nach dem Graf'schen Systeme ausgeführte Falz- und Glättmaschinen, resp. Falz-, Heft- und Glättmaschine die Aufmerksamkeit des betheiligten Publicums. Anstatt die Druckbogen, wie bisher, von Hand, fernerhin durch Maschinen zusammenzubrechen, dabei zu glätten, ja wenn nöthig auch zu heften, das ist eine Aufgabe, deren Lösung schon von verschiedenen Mechanikern versucht worden ist. Auch die Erfinder des hier zu besprechenden Systems (Graf und Sulzberger) hatten bereits vor zwei Jahren an gleicher Stelle, wie dießmal, ein erstes Exemplar ihrer Falzmaschine ausgestellt, ohne jedoch einen wesentlichen Erfolg damit zu erzielen. Gleichwohl sind von zwei verschiedenen Seiten – unter Beibehaltung des Graf'schen Systems – fortgesetzte Anstrengungen zur praktisch brauchbaren Lösung jener Aufgabe gemacht worden; Anstrengungen, deren Ergebniß sich in den drei ausgestellten Maschinen den Augen des Publicums präsentirte. Es enthielt nämlich die Ausstellung aus der Maschinenfabrik von Hugo Koch in Leipzig eine Maschine, welche Druckbogen bis zu 35 Zoll Länge und 24 Zoll Breite je nach Erfordern einmal, zweimal oder dreimal zusammenbricht und glättet, ferner eine ähnliche Maschine aus der Maschinenbauanstalt Frauenfeld in der Schweiz zu nur zweimaligem Falzen von Druckbogen bis zu 30 Zoll Länge und 25 Zoll Höhe und endlich, aus demselben Etablissement, eine Maschine, welche Druckbogen von gleicher Größe dreimal salzt, und außerdem in einer solchen Art heftet, wie es zum Broschiren hinreichend ist. Fig. 1., Bd. 161, S. 16 Die Wirkungsweise dieser Maschinen ist eben so einfach wie interessant. Man denke sich zwei gußeiserne Walzen a, a, durch Federn oder Gewichte gegen einander gedrückt, an ihrer cylindrischen Umfläche mit feinen Längsriffeln versehen; sie drehen sich, wie es die beistehende Illustration andeutet, um ihre Achsen in zu einander entgegengesetzten Richtungen, wie etwa die Streckcylinder der Spinnereimaschinen. Ueber diesen Walzen (oder, wenn diese vertical über einander liegen, vor denselben) befindet sich auf einer geeigneten Vorrichtung der zu brechende Bogen b, b; ein vertical auf- und niedergehendes horizontales Messer c mit stumpfer Schneide von gleicher Länge mit den Walzen, nähert sich denselben, erfaßt den Bogen seiner Breite nach in der Mitte und führt ihn soweit zwischen die Walzen, daß diese ihn an der von dem Messer zunächst nur schwach geknickten Stelle erfassen, zwischen sich durchziehen und ihn dadurch scharf zusammenbrechen. Das Messer geht sogleich in seine ursprüngliche Position wieder zurück, so daß ein neuer Bogen aufgelegt werden kann, während der eben gefalzte, nachdem er nur etwa noch ein Glättwalzenpaar passirt hat, in ein bereit stehendes Gefäß fällt. Die eben beschriebene Manipulation ist diejenige, die einen vollkommen scharfen und exacten Bruch liefert, aber sie ist nur anwendbar, und auch bei den ausgestellten Maschinen nur angewendet, zur Hervorbringung des letzten, einem Bogen überhaupt zu gebenden Falzes, und nur in dem Falle zugleich des ersten Falzes, wenn der Bogen überhaupt nur einmal gebrochen zu werden braucht. Ist der Bogen zweimal oder dreimal zu salzen, so sind zwar – dieß gilt zunächst nur von der Koch'schen Maschine – für jeden einzelnen Bruch ganz die nämlichen beschriebenen Mechanismen vorhanden, aber dieselben müssen in solcher Weise abgeändert seyn, daß nach erfolgtem ersten Bruche der Bogen sich sogleich den Falzmechanismen für den zweiten Bruch an der rechten Stelle darbietet, und daß er ebenso erforderlichen Falles den Mechanismen des dritten Bruches dargeboten wird. Fig. 2., Bd. 161, S. 17 Fig. 3., Bd. 161, S. 17 Damit dieß geschehen könne, müssen die Walzen a, a für den ersten Bruch so weit von einander abstehen, daß das zugehörige Falzmesser c vollständig zwischen denselben hindurch passiren kann, wobei es den Bogen b, b in seiner Mitte bricht, ihn mit sich zieht und zwischen zwei Paar elastische Bänder d, d hineinführt, die ihn so lange festhalten, bis das Messer c wieder in seine Ruhelage zurückgekehrt ist, und nun das zweite Messer e, welches vertical steht und sich horizontal hin und her bewegt, ihn erfaßt und zwischen die zweiten Walzen f, f hindurchzieht. Hinter diesen befinden sich wieder zwei Paar Gummibänder zur vorübergehenden Festhaltung des Bogens, und es ist nun nur noch der dritte und letzte Bruch in der zuerst beschriebenen Weise auszuführen, wobei auch den ersten beiden die wünschenswerthe Schärfe ertheilt wird. Man ersieht ohne Weiteres, daß hier die Falzcylinder für den ersten und zweiten Bruch eine Drehung keineswegs zu erhalten brauchen, ja daß es überhaupt keine (Minder seyn müssen, zwischen denen der Bogen hindurchgezogen wird; in der That sind hier an den ausgestellten Schweizer Maschinen, statt jedes Cylinderpaares zwei feststehende vierseitige Prismen angebracht; es leuchtet aber ein, daß bei dieser Ausführungsform eine Maschine, die einmal für dreifaches Falzen eingerichtet ist, nun nicht auch zu einmaligem oder zweimaligem Falzen benutzt werden kann. Um das zu ermöglichen, hat Hr. Hugo Koch in Leipzig an seiner Maschine auch für den ersten und zweiten Bruch die Falzcylinder beibehalten, und denselben eine solche Einrichtung gegeben, daß er sie entweder zur Berührung paarweise an einander stellen und in Rotation setzen, oder auch bis zu dem für den Durchgang des Messers nothwendigen Abstand auseinanderrücken und unbeweglich lassen kann; außerdem vermag er den Hub der zugehörigen drei Messer in den erforderlich weiten Grenzen zu verändern, so daß seine Maschine die aufgelegten Druckbogen je nach Bedarf zum Folio-, Quart- oder Octavformat zusammenzubrechen im Stande ist. Bis auf den eben angeführten Unterschied stimmen in ihrer übrigen Einrichtung die Frauenfelder Maschinen mit der Leipziger überein. Die zu salzenden Bogen befinden sich auf einem seitwärts am Gestelle befestigten, in feiner Höhe verstellbaren Tische, von welchem ein Knabe, wie der Punktirer bei der Schnellpresse, dieselben einzeln wegnimmt und sie (unterhalb des Falzmessers) auf den in seiner Mitte gespaltenen Vorlegetisch glatt aufbreitet; dabei benutzt er zum genauen Einrücken entweder zwei im rechten Momente von unten her über die Tischfläche hervortretende Punktirnadeln, oder zwei von oben auf die Tischfläche sich nieder bewegende und wie jene verstellbare Punktirstifte. Sämmtliche Bewegungen erfolgen von einer mit Schwungrad versehenen Hauptwelle aus, die entweder mittelst Kurbel durch einen Jungen, oder mittelst Riemenscheiben von einer Betriebsmaschine aus in fortlaufende Umdrehung gesetzt werden kann. Ganz besonders sinnreich und schön ist die durch Nuthenscheiben, Hebel, Zugstangen etc. bewirkte Herleitung der raschen und pünktlichen Bewegungen der Falzmesser von der Drehung jener Welle. Die eine der Frauenfelder Maschinen besitzt, wie schon oben erwähnt, noch außerdem eine Vorrichtung zum Heften der gefalzten Bogen; dieses Heften erfolgt vor Ausführung des letzten Bruches: zwei mit Haken versehene Nadeln, in einem Abstande von 30 Millimetern, stechen durch die Mitte des schon zweimal gefalzten Bogens, empfangen auf der Rückseite desselben den von einer Spule kommenden Faden und ziehen ihn, nachdem er durch eine eigenthümliche Schere in der erforderlichen Länge abgeschnitten ist, durch den Bogen hindurch. Was die Leistung der beschriebenen Maschinen anlangt, so läßt deren Qualität nach dem Ausspruche der Fachleute durchaus nichts zu wünschen übrig; die Bogen werden so genau und scharf gebrochen, resp. geheftet, wie es nur der geschickteste Arbeiter zu thun vermag. Nicht ganz so zufriedenstellend ist aber die Quantität der Leistung; diese hängt offenbar von der Geschwindigkeit ab, mit welcher ein Arbeiter die einzelnen Bogen mit Genauigkeit aufzulegen vermag – eine Geschwindigkeit, die keineswegs derjenigen entspricht, mit welcher man sonst unter bloßer Rücksicht auf den mechanischen Proceß die Maschine laufen lassen könnte. Ein eingeübter Knabe kann nämlich stündlich 1000 Bogen mit Zuverlässigkeit der Maschine vorlegen; ein besonders geübter Arbeiter soll es sogar bis 1480 Bogen in der Stunde gebracht haben. Ein Arbeiter in der Druckerei von Bär und Hermann in Leipzig legte, wie der Verfasser selbst beobachtete, stündlich 1300 Bogen mit Genauigkeit auf. Berücksichtigt man, daß, wie mir ein erfahrener Buchbinder versicherte, zum genauen Falzen von 1000 Bogen bei Octav sonst 4 Stunden erforderlich sind, so ist die Lieferungsmenge der Falzmaschine (freilich nur bei Octav) gleich dem 4fachen von der eines geübten Arbeiters, und etwa gleich dem 8fachen, wenn die Maschine auch das Heften besorgt, wobei noch besonders zu berücksichtigen ist, daß dieselbe bei gut gestellten Satinirwalzen auch das Glätten in ziemlich befriedigender Weise gleichzeitig mit ausführt. Immerhin ist aber die quantitative Leistung der Maschinen unter Berücksichtigung des nicht ganz niedrigen Anschaffungspreises (300 bis 450 Thlr.) derselben, und der nicht sehr hohen Arbeitslöhne für derartige Arbeiten keineswegs eine überraschend große; wollte man z.B. die aus circa 220,000 Druckbogen bestehende Wochen-Auflage der „Gartenlaube“ in 24 Stunden mit solchen Maschinen salzen, so wären deren 10 erforderlich, die einem Anlagecapitale von etwa 4000 Thlr. entsprechen würden. Die Leistung kann jedoch fast auf das Dreifache gesteigert werden, wenn es, wie bei den gewöhnlichen Zeitungen, nicht darauf ankommt, daß mit aller Genauigkeit Schrift auf Schrift, Seitenzahl auf Seitenzahl treffe, wenn man sich vielmehr damit begnügen kann, daß nur die Ränder des Bogens leidlich genau aufeinander passen. Für diesen Fall liefert die Frauenfelder Fabrik Falzmaschinen, welche das Auflegen selbst besorgen, und welche stündlich 2500 bis 3000 Bogen salzen sollen. Hier wird immer gleich ein ganzer Stoß gedruckter Bogen der Maschine übergeben. Die Frauenfelder Fabrik hat bereits etwa ein Dutzend ihrer Falzmaschinen verkauft, so eine an Brönner in Frankfurt a. M., an Westermann in Braunschweig, Bär und Hermann in Leipzig u.a. Es steht eine weitere, wenn auch wahrscheinlich nur langsam wachsende, Verbreitung dieser Maschinen namentlich in größeren Buchbindereien und Druckereien wohl zu hoffen, in letzteren besonders dann, wenn der Betrieb der Schnellpressen bereits durch Elementarkraft erfolgt. Mag auch der praktische Werth dieser neuen Falzmaschinen nur ein bedingter seyn, so gewährt doch ihre Einrichtung, vom allgemeinen technologischen Standpunkte betrachtet, ein ganz besonderes Interesse. Sofern nämlich das eigentliche Werkzeug zur Vollendung eines scharfen Bruches in einem Paare rotirender und gegen einander drückender Walzen besteht, hat man es hier mit einem mechanischen Processe zu thun, welcher die nicht unbedeutende Zahl von praktischen Anwendungen eines solchen Walzenpaares neuerdings um eine vermehrt. Dasselbe ist in der That ein Universalwerkzeug für den Maschinenbetrieb, in gleichem Sinne, wie etwa der Hammer für den Handgebrauch; es ersetzt, indem es gleichzeitig den Maschinenbetrieb ermöglicht, schon eine ganze Reihe einfacher Werkzeuge, ja in einigen Fällen direct die Anwendung der menschlichen Hand. Man denke an das Walzen und Biegen der Bleche, an das Plätten des Drahtes, an das Zermalmen gewisser Steinkohlenabfälle, an das Quetschen des Malzes, das Auspressen des Zuckerrohres, an das Egreniren der Baumwolle nach der ältern Art, an das Schlichten, Kalandern, Moiriren, ja an das Walken und Waschen vieler Webstoffe, an das Satiniren des Papieres, an die Verwendung glatter Walzenpaare bei Meßmaschinen, bei den Morse'schen Schreibtelegraphen, bei gewissen Copirmaschinen etc., man erinnere sich, daß solche Walzenpaare als das eigentliche Columbusei jedes Maschinen-Spinnprocesses zu betrachten sind, so wird man doch unter allen diesen zahlreichen und verschiedenartigen Anwendungen eines Paares rotirender Walzen oder eines Systemes von solchen, diejenige zum scharfen Zusammenfalzen von Papierbogen noch nicht erblicken; diese beruht in der That auf einer neuen und eigenthümlichen, allerdings durch den Zutritt eines Hülfswerkzeuges, des Messers, ermöglichten Wirkungsweise jenes einfachen und doch so mannichfach verwendbaren Maschinenwerkzeuges.