Titel: Beiträge zur Alkaloïmetrie; von Rud. Wagner, Professor in Würzburg.
Autor: Johannes Rudolph Wagner [GND]
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XIV., S. 40
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XIV. Beiträge zur Alkaloïmetrie; von Rud. Wagner, Professor in Würzburg. Wagner, über Alkaloïmetrie. Zur Bestimmung der Menge einer organischen Base in einer wässerigen Lösung, z.B. des Chinins und der übrigen China-Alkaloide in einer Abkochung von Chinarinde, gibt es zahlreiche Methoden, die sich bald auf die Fällbarkeit der Basen durch Tannin-Lösung, bald auf die Anwendung von Chamäleon und dergleichen gründen. Allen diesen Methoden geht jedoch die erforderliche Genauigkeit ab. Die erhaltenen Niederschläge sind theils nur schwerlöslich, nicht unlöslich, theils ist ihre Zusammensetzung keine constante, endlich ist eine volumetrische Bestimmung der Basen mittelst einer titrirten Tanninlösung, in Folge der leichten Zersetzbarkeit der letzteren, des Mangels eines passenden Indicators u.s.w. mit so argen Uebelständen behaftet, daß vielfache Versuche von mir in der Absicht angestellt, darauf eine praktische Methode zu gründen, bis jetzt ohne Erfolg blieben. Bessere Resultate erhielt ich, da ich die alkaloïmetrische Bestimmung in eine jodometrische überzuführen suchte. Die Principien, auf welche sich die neue Methode stützt, sind folgende: 1) Die organischen Basen werden aus ihrer Lösung durch eine Lösung von Jod in Jodkalium (ich wende die den Titriranalytikern geläufige Lösung von 12,7 Grm. Jod mit der erforderlichen Menge Jodkalium in Wasser bis zu einem Liter an) vollständig gefällt; nämlich Strychnin, Narcotin, Morphin, Chinin, Cinchonin, Anilin, Veratrin, Aconitin, Brucin, Atropin, Bebeerin (nicht gefällt werden Caffeïn, Theobromin, Piperin und leider auch Harnstoff). 2) Genannte Basen fällen Jod aus obiger Jodlösung so vollständig, daß in dem Filtrat Stärkelösung keine Spur von Jod mehr anzeigt. 3) Der Niederschlag enthält das Jod in constanter Menge, jedoch unverbunden (d.h. nicht Wasserstoff substituirend) so lange ein volumetrischer Versuch währt; nach 1/2–1 Stunde ist ein Theil des Jodes in Verbindung getreten. 4) Eine Lösung von unterschwefligsaurem Natron fällt die Basen nicht. Die Ausführung der Methode ist folgende: Man versetzt die Lösung der Base, deren Menge man bestimmen will, mit überschüssiger Jodlösung, filtrirt und bestimmt in dem Filtrat mit unterschwefligsaurem Natron das Jod. Die Abnahme des Jodgehaltes der Flüssigkeit gestattet dann die Ermittelung der Menge der Base. Versuche mit einer Lösung von schwefelsaurem Chinin. 1) 10 Kub. Centim. einer Lösung von schwefelsaurem Chinin erhielten 10 K. C. Jodlösung. Von dem Filtrate brauchten 10 K. C. 2,2 K. C. unterschwefligsaures Natron (Normallösung = 24,8 Grm. in einem Liter, daher 1 K. C. hievon = 0,0127 Grm. Jod) zur Entfärbung. 2) 10 K. C. derselben Chininlösung wurden auf gleiche Weise behandelt und filtrirt; 10 K. C. des Filtrats brauchten 2,2 unterschwefligsaures Natron. 3) 50 K. C. Chininlösung und 50 K. C. Jodlösung. 50 K. C. des Filtrats brauchten 11,75 K. C. unterschwefligsaures Natron, daher 11,75/5 = 2,35. Aus diesen Versuchen folgt, daß das Chinin der Jodlösung eine constante Menge Jod entzieht. Eine zweite Versuchsreihe von meinem Assistenten Hrn. J. Schirmer mit einer anderen Chininlösung ausgeführt, führte zu gleichen Resultaten. Versuche mit einer Lösung von schwefelsaurem Cinchonin. 4) 10 K. C. einer Cinchoninlösung 10 K. C. Jodlösung ––––––– 10 K. C. Filtrat brauchten 2,0 unterschwefligsaures Natron. 5) 10 K. C. derselben Lösung 10 K. C. Jodlösung ––––––– 10 K. C. Filtrat brauchten genau 2,0 unterschwefligsaures Natron. 6) 25 K. C. der nämlichen Lösung 25 K. C. Jodlösung ––––––– 25 K. C. Filtrat brauchten 5,0 unterschwefligsaures Natron. Cinchonin nimmt daher stets in gleicher Menge Jod auf. Daß in dem Niederschlage das der Jodlösung entzogene Jod in freiem Zustande enthalten ist, geht aus folgenden Versuchen hervor. 7) Versuch. 15 K. C. einer Jodlösung brauchten zur vollständigen Entfärbung α) 15,5 K. C. unterschwefligsaures Natron, β) 15,8 K. C. deßgleichen. 8) Versuch. 15 K. C. der nämlichen Jodlösung mit soviel schwefelsaurem Cinchonin versetzt, daß ein reichlicher Niederschlag sich bildete, welcher der Flüssigkeit nicht entzogen ward, brauchten zur Entfärbung 15,6 K. C. unterschwefligsaures Natron. 9) Versuch. 15 K. C. derselben Jodlösung brauchten nach dem Versetzen mit 5 K. C. einer Narcotinlösung 15,5 unterschwefligsaures Natron. In welchem Zusammenhange der mit Chininlösung erzeugte Niederschlag zu dem Herapathit steht, habe ich nicht zu ermitteln versucht. Der mit Anilinlösung hervorgebrachte Niederschlag ist nach dem Trocknen von Cantharidenglanz. Da das Jod mit den Alkaloiden in dem Verhältnisse der Atomgewichte zusammentritt, so wird obiges Verfahren anzuwenden seyn: a) nicht nur zur Bestimmung der Menge einer Base in einer Lösung, sondern auch b) mit Zuhülfenahme der sogenannten indirecten Analyse zur Bestimmung der Quantität von zwei Basen, wie z.B. des Strychnins und Brucins in einer Abkochung von Nux vomica; c) zur Atomgewichtsbestimmung einer organischen Base. Zur Bestimmung der Gerbsäure in den Gerbmaterialien in der Weise, daß der gerbstoffhaltige Auszug mit überschüssiger titrirter Cinchoninlösung, oder der Lösung einer anderen Vase gefällt, und der Ueberschuß der letzteren in dem Filtrat durch Jodlösung bestimmt werde, fand ich obiges Verfahren zwar anwendbar, jedoch sind noch einige Schwierigkeiten zu überwinden, ehe man eine Gerbstoffbestimmung darauf gründen könnte. Würzburg, den 1. Juli 1861.