Titel: Die neueste Construction des Bessemer'schen Apparats und die Anwendung seines Frischverfahrens zur Erzeugung von Halbstahl für Eisenbahnschienen etc.; von W. Fairbairn.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XXXIX., S. 127
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XXXIX. Die neueste Construction des Bessemer'schen Apparats und die Anwendung seines Frischverfahrens zur Erzeugung von Halbstahl für Eisenbahnschienen etc.; von W. Fairbairn. Mit Abbildungen auf Tab. II. Fairbairn, über die neueste Construction des Bessemer'schen Apparats etc. Das Folgende ist dem kürzlich erschienenen Werke Fairbairn's über die EisenfabricationIron: its history, properties, and processes of manufacture; by William Fairbairn, C. E., L. L. D., etc. – Edinburgh: Adam and Charles Black. entnommen. „Bei seinen ersten Versuchen vermochte Bessemer mittelst seines Frischverfahrens kein gutes Schmiedeeisen zu erzielen. Die Schwierigkeit bestand darin, den Schwefel und Phosphor auszuscheiden, welche das meiste Roheisen enthält. Wasserdampf, Wasserstoffgas, Eisen- und Mangansilicate wurden zur Erreichung dieses Zweckes versucht, aber nur mit theilweisem Erfolg, und die Anwendung eines von Schwefel und Phosphor möglichst freien Roheisens hat sich bis jetzt als das beste Auskunftsmittel erwiesen, um gutes hämmerbares Eisen mittelst des neuen Verfahrens zu erzeugen. In der Form des sogenannten Ofens (der Retorte) und an den zur Erleichterung der Operation dienenden Vorrichtungen sind mehrere wichtige Verbesserungen gemacht worden. Bei der früheren Construction traten die Windformen am Boden der Retorte ein, daher man vor dem Einfüllen der Charge geschmolzenen Roheisens das Gebläse anlassen mußte. Die Figuren 6 und 7 zeigen die Form des Apparates, wie er gegenwärtig construirt ist, im senkrechten Durchschnitt und im Aufriß. Die aus Kesselblech angefertigte und mit feuerfestem Thon oder Lehm gefütterte Retorte A hat die Kugelgestalt und ruht auf Zapfen; auf einem derselben ist eine Scheibe B aufgesteckt, um die ein Drahtseil geht, welches an eine hydraulische Hebevorrichtung befestigt ist. Der Wind wird in die Retorte von oben nach unten mittelst einer einzigen Form D eingeführt, welche durch einen kleinen hydraulischen Krahn E emporgehoben oder hinabgelassen werden kann. Das Windrohr G steht senkrecht über der Hüttensohle. Die Form besteht aus kreisförmigen Ziegeln, welche in der Mitte ein Loch haben, durch das eine Eisenstange geht, mittelst deren sie fest zusammengehalten wird. Um das geschmolzene Metall aus dem kugelförmigen Behälter in die kesselförmige Gießpfanne auszugießen, dreht man ihn auf seinen Zapfen, bis die Mündung tief genug herabgekommen ist. Nach beendigtem Proceß wird die Gießpfanne an den Arm eines hydraulischen Krahns gehängt, mittelst dessen sie über jede der in einem Kreise angeordneten Zainformen hingeführt werden kann. Das Metall lauft durch ein Loch im Boden der Pfanne aus, welches mit einem conischen Thonpfropf verschlossen wird, sobald eine Zainform gefüllt ist. Die kugelförmige Retorte hat 7 Fuß äußern Durchmesser. In der Periode des Processes, welche unmittelbar auf das Kochen folgt, ist sämmtliches Roheisen in Gußstahl von gewöhnlicher Qualität verwandelt. Durch die Fortsetzung des Processes geht der so erzeugte harte Stahl zuerst in weichen Stahl, dann in stahlartiges Eisen, endlich in sehr weiches Eisen über. Wenn man den Proceß in der geeigneten Periode unterbricht, so erhält man Halbstahl (semi-steel), dessen Härte zwischen derjenigen des gewöhnlichen Gußstahls und des weichen hämmerbaren Eisens beiläufig in der Mitte liegt. Diese Stahlsorte besitzt eine viel größere absolute Festigkeit als weiches Eisen, dabei ist sie elastischer als dieses, ferner viel härter, und wird also nicht so leicht abgenutzt wie weiches Eisen; überdieß ist sie nicht so spröde wie gewöhnlicher Gußstahl und daher leichter zu bearbeiten. Wegen dieser Eigenschaften eignet sich der Halbstahl ganz besonders für Zwecke, welche Leichtigkeit des Materials in Verbindung mit Festigkeit desselben erheischen, oder wo das Metall der Abnützung widerstehen soll, z.B. für Eisenbahnschienen, welche wegen ihrer Weichheit und blätterigen Textur bald zerstört werden. Die Kosten des Halbstahls werden um einen Bruchtheil geringer seyn als diejenigen des Schmiedeeisens, weil der Metallverlust in Folge von Oxydation im Umwandlungsbehälter um beiläufig 2 1/2 Proc. geringer ist als bei der Erzeugung von Schmiedeeisen; da jedoch der Halbstahl ein wenig schwieriger zu walzen ist, so darf man wohl annehmen, daß er sich auf gleichen Preis mit dem Stabeisen stellt. Die absolute Festigkeit desselben ist aber um einige 30 bis 40 Proc. größer als diejenige des Stabeisens, weßhalb von ihm für die meisten Zwecke ein viel geringeres Gewicht angewandt werden kann, und in diesem Sinne kann man sagen, daß wir im Halbstahl gegenwärtig das wohlfeilste Metall besitzen.“

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