Titel: Ueber die neuesten zum Bohren von Sprenglöchern angewendeten Maschinen.
Fundstelle: Band 162, Jahrgang 1861, Nr. CX., S. 410
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CX. Ueber die neuesten zum Bohren von Sprenglöchern angewendeten Maschinen. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Ueber die neuesten Maschinen. In der Versammlung des österreichischen Ingenieurvereins, Abtheilung für Berg- und Hüttenwesen, am 20. März 1861 hielt Hr. Sectionsrath P. Rittinger einen Vortrag über die neuesten zum Bohren von Sprenglöchern angewendeten Maschinen. Schon vor beiläufig zehn Jahren war man, nämlich in Sardinien bemüht, ein Verfahren zu finden, um das Durchbohren von Tunneln mittelst Maschinen, und daher weit schneller als mit dem gewöhnlichen Handbohrer, zu bewerkstelligen. Im Jahre 1855 machte Colladon aus Genf den Vorschlag, das Bohren vor Ort mittelst comprimirter Luft zu bewerkstelligen, indem die Bohrer an den Kolben kleiner Cylinder befestigt und mit großer Geschwindigkeit stoßweise bewegt werden sollten, ein Vorschlag, welcher um so wichtiger war, als die comprimirte Luft außer dem Vortheile der leichten Transmission auch die Wetterzuführung in langen Tunnelstrecken ersparte. Sommeiller, Grattoni und Grandis gaben bald darauf eine Einrichtung an, um die Luft durch eine Art von Wassersäulengebläse zu verdichten, wodurch die Anwendung umständlicher Compressionspumpen umgangen, und die praktische Ausführung des neuen Verfahrens gesichert wurde. Reuleaux in Zürich hat dasselbe in einem interessanten Berichte (schweizerische polytechnische Zeitschrift, Jahrgang 1858, 5. und 6. Heft) beschrieben, ohne jedoch Details mitzutheilen, indem seine Zeichnungen nur ideal sind. Nähere Beschreibungen sind nicht bekannt; die Arbeiten am Tunnel des Mont-Cenis sind übrigens mit diesem Verfahren im Januar 1861 auf der einen Seite bereits begonnen worden, und der Erfolg scheint allen Erwartungen zu entsprechen, indem nach Angabe öffentlicher Blätter der Bohrausschlag 2 Zoll in der Minute betragen soll. Mittlerweile sind jedoch an mehreren Orten Deutschlands ähnliche Versuche angestellt worden, um das Handbohren durch Maschinenarbeit zu ersetzen, unter welchen jene des Modellmeisters Schumann in Freiberg, und jene des Maschinenfabrikanten Schwarzkopf in Berlin alle Aufmerksamkeit verdienen. Schumann hatte die Idee seines Apparates, wie das Freiberger Jahrbuch für den Berg- und Hüttenmann für 1861 mittheilt, schon im Jahre 1855 – also beiläufig zugleich mit Colladon – gefaßt und auch ein Modell hergestellt; praktische Versuche wurden mit demselben 1856 über Tages ausgeführt, und seit 1857 steht der Apparat bereits in vervollkommneter Ausführung beim Betriebe des Rothschönberger Erbstollens bei Freiberg in Anwendung. Der arbeitende Theil des in Fig. 13 und 14 abgebildeten Apparates in seiner neuesten Einrichtung besteht aus einem gußeisernen Cylinder a von 4–5'' Durchmesser, in welchem der Kolben durch gepreßte Luft hin und her bewegt wird; mit dem vorderen Ende der starken Kolbenstange b ist der Bohrer c fest verbunden. Die Umsteuerung geschieht durch einen Schieber e, welcher mittelst einer Kurbel d mit Vorgelege durch den Arbeiter in Bewegung gesetzt wird. Durch das Drehen der Kurbel wird zugleich das regelmäßige Umsetzen des Bohrers bewirkt, indem ein mit der Kolbenstange in Verbindung stehendes Rad r in eine Schraube ohne Ende greift. Der Cylinder ruht auf einer am Träger des ganzen Apparates befestigten Gabel g, und kann auf derselben während des Bohrens mittelst einer Schraube h durch den Arbeiter vorwärts gerückt werden. Die Gabel wird vorne an das Gestein, rückwärts an eine Spreize gestemmt. Dieser Apparat gibt bei der praktischen Anwendung 300 Schläge in der Minute, und in einer 6stündigen Schicht werden 8 Sprenglöcher von 18'' Tiefe durch 2 Arbeiter gebohrt und weggethan (2 Arbeiter sind nämlich abwechselnd zum Drehen der Kurbel nothwendig), während 2 Häuer mit dem Handbohrer nur 4 Löcher in der Schicht wegthun können. Die Leistung eines Apparates ist daher die doppelte eines Häuers. Als Uebelstände dieses Apparates werden die häufigen Reparaturen – Folgen der steten Erschütterungen-, das nothwendige oftmalige und zeitraubende Wechseln der Bohrer, und endlich der Umstand bezeichnet, daß der Apparat die Arbeit nicht gleichförmig und sicher verrichtet, indem der Apparat bei stets gleichförmiger Stoßkraft und Umsetzung die Verschiedenheiten des Gesteins (z.B. ob dicht oder drusig) so zu sagen ignorirt. Schwarzkopf in Berlin hat in neuester Zeit eine andere Bohrmaschine construirt.Die Beschreibung des ihm im November 1858 in England ertheilten Patentes wurde im polytechn. Journal Bd. CLIII S. 409 mitgetheilt.A. d. R. Der arbeitende Theil besteht ebenfalls aus einem Cylinder a mit einseitig wirkendem Kolben und starker Kolbenstange d, Fig. 15 und 16. Der Cylinder wird von einer eisernen Platte c getragen, welche an der Vorderseite vertical herabgebogen ist und an diesem Theile die Führung für den – mit der Kolbenstange nicht zusammenhängenden – Bohrer d enthält. Der Kolben wird durch comprimirte Luft bewegt, deren Einströmung durch die Wilson'sche Hahnsteuerung e mittelst einer Sförmigen Coulisse f geregelt wird. Die Kolbenstange schlägt an den Bohrer, welcher nach jedem Schlage durch eine Spiralfeder wieder zurückgedrückt wird. Die Umsetzung des Bohrers geschieht durch ein Schaltrad g, welches durch die Steuerungsachse h bethätigt wird. Der arbeitende Theil des Apparates kann auf einem gußeisernen Bette i mittelst einer Stellschraube k vor- und rückwärts bewegt werden; dieses Nett wird übrigens von einer gußeisernen Säule I getragen, an welcher dasselbe mittelst einer Hülse m und eines Scharniers n in jeder beliebigen Lage und Richtung festgestellt werden kann. Versuche mit dieser Maschine sind noch nicht zur Oeffentlichkeit gelangt; sie soll 1100–1200 Schläge in der Minute verrichten, und 1 1/2 – 2'' in der Minute bohren. Vergleicht man diese beiden Bohrapparate a.) von Schumann, und b) von Schwarzkopf hinsichtlich ihrer Einrichtung mit einander, so zeigen sich als wesentliche Unterschiede, daß bei b nur der Bohrer, bei a auch der Kolben umgesetzt wird; bei b ist die sogenannte Wilson'sche Steuerung, bei a ein Schieber; b wird durch Selbststeuerung, a durch Handarbeit gesteuert; b wird von einer Säule getragen, welche selbstständig in jeder Stellung befestigt werden kann, während a zwischen Gestein und Spreize festgeklemmt werden muß. Beide Apparate werden dagegen zahlreicher fortdauernder Reparaturen bedürfen. Herr Sectionsrath P. Rittinger ging sodann auf eine allgemeine Kritik der bisherigen Bohrapparate über, indem er zunächst hervorhob, daß bei allen denselben der arbeitende Theil in Bohrern von derselben Form bestehe, wie sie bei der gewöhnlichen Häuerarbeit angewendet werden. Dieses Bohrverfahren ist aber infoferne unvortheilhaft, als dabei mehr Arbeit geleistet wird, als nothwendig ist; es wird nämlich der ganze Querschnitt des Bohrloches in Pulver zerstoßen, während ein ringförmiger Schlitz hinreichen würde, um durch Wegbrechen des stehengebliebenen Kernes das gewünschte Bohrloch herzustellen. Bei der Construction von Bohrmaschinen wäre daher zunächst auf eine Verbesserung des eigentlichen Bohrverfahrens, nämlich auf eine Vorrichtung zu denken, um nur ringförmige Schlitze zu bohren, wie dieß beim Bohren der steinernen Röhren zu geschehen pflegt, und auch beim Abstoßen weiterer Bohrlöcher sehr zu empfehlen wäre. Als einen weiteren Gegenstand, welcher alle Beachtung verdiene, bezeichnete der Herr Vortragende die Frage: wie gebohrt werden solle, ob durch Stoßen oder durch Drehen? Da das Bohren desto vortheilhafter sey, je weniger Staub erzeugt und je mehr größere Stückchen vom Gesteine abgesprengt werden, so müsse das drehende Bohren als vorzüglicher bezeichnet werden. Dagegen könne die drehende Bewegung nicht mit größerer Geschwindigkeit als etwa 1/3 Zoll per Secunde angewendet werden, um zu hohe Erhitzung zu vermeiden; und hiedurch werde das Vorrücken des Bohrloches verzögert. Herr P. Rittinger zeigte einen Bohrer (Fig. 17) vor, welcher nach seiner Angabe für drehende Arbeit angefertigt worden ist. Derselbe besteht aus einer gußstählernen Röhre, welche an jedem Ende sägeförmig mit zwei Zähnen versehen ist, um nach Abnützung des einen Endes das andere gebrauchen zu können; zudem sind in der Achsenrichtung zwei Schlitze angebracht, durch welche das Bohrmehl aufsteigen kann. Ein eigener Griff dient diesen Bohrer zu fassen und zu gebrauchen. Bei einem Versuche in der Th. Schulz'schen Maschinenfabrik zu Wien wurde mit diesem Bohrer weiches Gestein binnen 10 Minuten 3'' tief durchbohrt, wobei der Bohrer 28 Umgänge in der Minute machte, ohne sich beträchtlich zu erhitzen. Der Herr Sprecher schloß mit der Bemerkung, daß die thätige Initiative der Sachsen zur Einführung geeigneter Bohrapparate jedenfalls ehrend anerkannt werden müsse, daß jedoch gegenwärtig noch vielfache Gelegenheit zu Verbesserungen im bewegenden wie im arbeitenden Theile dieser Apparate wie des Bohrwesens überhaupt geboten sey, und dieser Gegenstand daher angelegentlich der Aufmerksamkeit der Fachgenossen empfohlen werden müsse. Nicht minder sollten aber auch die größeren Gewerke und Gesellschaften diese Gelegenheit in ihrem eigenen Interesse nicht unbenützt lassen, um durch thätige Förderung und materielle Unterstützung bezüglicher Versuche zur baldigen Lösung dieser höchst wichtigen Aufgaben das Ihrige beizutragen. (Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins 1861, Heft 4 u. 5.)

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