Titel: Der Inductionsmagnetismus des Eisens und sein Verhältniß zur Boussole; von R. Wabner.
Fundstelle: Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XXXI., S. 112
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XXXI. Der Inductionsmagnetismus des Eisens und sein Verhältniß zur Boussole; von R. Wabner. Aus der Wochenschrift des schlesischen Vereins für Berg- und Hüttenwesen, 1861, Nr. 50. Mit einer Abbildung. Wabner, über den Inductionsmagnetismus des Eisens und sein Verhältniß zur Boussole. Es herrscht in der markscheiderischen Praxis bedeutende Unbestimmtheit in Betreff der Entfernungen, auf welche eiserne Grubenschienen, Lagerplatten etc. bei den Observationen störend auf die Magnetnadel wirken. Da der Einfluß eiserner Gegenstände oft unterschätzt wird, sind fehlerhafte Observationen und falsche Grubenbilder die natürliche Folge. Um nur ein Beispiel für die Richtigkeit dieser Behauptung anzuführen, verweisen wir auf die in dieser Beziehung vor Kurzem gemachten Erfahrungen auf der Königsgrube. Es ist für die Praxis unumgänglich nothwendig, die Entfernungen zu kennen, in welchen eiserne Grubenschienen, deren Gegenwart bei markscheiderischen Aufnahmen fast nirgends mehr zu vermeiden ist, keine schädliche Ablenkung der Magnetnadel mehr bewirken. Diese Entfernungen können im Allgemeinen zwar nur erfahrungsmäßig durch zahlreiche Versuche festgestellt werden, doch kann man letztere nicht ohne die Kenntniß einiger theoretischer Sätze machen. Von letzteren soll im Nachfolgenden gehandelt werden. Nach einer verbreiteten, auch in vielen Lehrbüchern ausgesprochenen Ansicht ist Schmiedeeisen, Gußeisen, Stahl etc. für gewöhnlich unmagnetisch und erst nach gewissen, damit vorgenommenen Manipulationen soll dasselbe magnetische Kraft erlangen. Diese Ansicht ist aber nicht richtig. Jedes beliebige Stück Eisen nämlich, hartes oder weiches, Schmiedeeisen oder Stahl, ist immer und überall, vermöge Induction durch Erdmagnetismus ein natürlicher Magnet; und nur in zwei bestimmten Lagen zur magnetischen Inclinationslinie findet im Eisen eine Umkehrung der Pole oder eine Ausgleichung der Kraft, daher keine magnetische Wirkung nach Außen hin statt; es sind dieß die magnetischen Minimalrichtungen. Mit seiner Längenausdehnung in die Richtung der Inclinationslinie gebracht, erlangt jedes Stück Eisen oder Stahl etc. das Maximum der magnetischen Inductionskraft. Von der Minimal- zur Maximalrichtung findet natürlich auch eine allmähliche Steigerung der magnetischen Kraft des Eisens statt. Es ist hierbei wohl zu beachten, daß auch Stahl, und nicht bloß weiches Eisen, der magnetischen Induction unterliegt, auch wenn ersterer schon, wie die magnetische Stahlnadel, mit sogenanntem permanenten MagnetismusDie Existenz des permanenten Magnetismus ist von der Induction unabhängig. A. d. O. versehen ist. Es ist dieß, wie weiter unten gezeigt werden wird, auch für die Praxis nicht ganz ohne Bedeutung. Von der Richtigkeit des in Obigem Gesagten kann man sich mit Hülfe jeder Boussole und eines Eisenstabes sehr leicht überzeugen. Die Minimalrichtungen müssen theoretisch die beiden, auf der Inclinationslinie möglichen, senkrechten Achsen sehn, also einmal genau im magnetischen Ost-West, das anderemal im Nord-Süd mit 20 Grad Neigung gegen Süden, liegen, wenn die Inclinationslinie zu 70 Grad Neigung angenommen wird. Beim Experimentiren mit Eisenstäben wird man jedoch die Linien der magnetischen Ausgleichung nie genau in den eben beschriebenen Richtungen finden, da die beiden Hälften eines Eisenstabes niemals genau dieselbe Inductionsfähigkeit haben, und die Kräfte ihrer Enden daher immer etwas von einander verschieden sind. So fand der Verfasser beim Versuche mit einem 3 Fuß 5 3/8 Zoll langen, runden Stabe aus Walzeisen die Minimalrichtung sehr bedeutend, circa 26–28 Grad aus der West-Ostrichtung nach Norden herumgedreht (Ost Stunde 7. 6 1/4 statt O. St. 6), und auch in der Süd-Nordrichtung brauchte der Stab nur etwa 9 Grad (statt 20 Grad) Neigung nach Süden zu haben, um alle magnetische Polarität zu verlieren. Je genauer und gleichmäßiger der Stab gearbeitet ist, desto unbedeutender wird diese Abweichung von der theoretisch erforderlichen Richtung seyn. Bringt man aber einen Eisenstab in die Minimal- oder Indifferenzrichtung, so kann man ihm eine Magnetnadel beliebig und von allen Seiten nähern, sie wird keine Ablenkung erleiden. Eisen ist in diesem Falle fast so unschädlich, wie jeder andere, der Induction nicht unterworfene Körper. Nur bei sehr großer Annäherung tritt im Eisenstabe eine magnetische Induction, hervorgerufen durch die magnetische Kraft der Nadel, also auch eine Störung der letzteren ein; doch ist in der Praxis dieser Factor wegen seiner Kleinheit ganz außer Acht zu lassen. Im Großen werden bei fortlaufenden Schienensträngen dieselben Gesetze, wie im Kleinen an einem einzelnen Eisenstabe gelten, und es ist daher für den Markscheider nicht gleichgültig, welche Richtung und Neigung dieselben haben. In der Indifferenz-Richtung werden Schienenstränge ganz unschädliche Begleiter beim Markscheiden seyn, dagegen wird ihre Gegenwart in der Maximalrichtung um so mehr zu fürchten seyn.Im Allgemeinen wird man also auf steilgeneigten Bremsbergen Fehlern am meisten ausgesetzt seyn. A. d. O. Es wäre natürlich von großem Interesse, auch hier die Theorie durch das Experiment zu bestätigen, doch fehlten dem Verfasser bisher die Mittel hierzu. Was die Pole eines durch den Erdmagnetismus magnetisirten Eisenstabes anlangt, so gilt hier natürlich das bekannte Gesetz, das ein Pol im erzeugenden Magneten (der im vorliegenden Falle die Erde ist) in dem ihm zugekehrten Ende des Stabes den entgegengesetzten Pol hervorbringt. Das nach Unten oder nach Norden gewandte Ende eines Stabes wird also dieselbe Polarität, wie das nach Norden gekehrte Ende einer Stahlnadel mit permanentem Magnetismus haben.Bekanntlich haben der Nordpol der Erde und das Ende einer Magnetnadel, welches wir Nordspitze nennen, entgegengesetzte Polarität. In der Praxis bezeichnen wir also fälschlich zwei entgegengesetzte Dinge mit demselben Namen, daher auch die scheinbare Anomalie, daß das dem Nordpole der Erde zugekehrte Stabende wieder ein Nordpol ist. A. d. O. Da übrigens, wie schon gesagt wurde, die mit permanentem Magnetismus versehene Stahlnadel der magnetischen Induction der Erde ebenfalls unterworfen ist, so wird, wenn man die Nadel mit Gewalt herumdreht und ihre Nordspitze nach Süden wendet, jetzt ein Theil der permanenten Kraft durch Induction aufgehoben werden. Bei längerem Andauern dieses Zustandes wird dadurch das sogenannte Faulwerden der Nadel herbeigeführt, d.h. der permanente Magnetismus der Stahlnadel wird allmählich durch den entgegengesetzten Inductionsmagnetismus zerstört. Wer also die Kraft einer Magnetnadel in der Boussole für alle Zeit gleich stark erhalten will, darf dieselbe, wenn das Instrument außer Gebrauch ist, nur einfach frei spielen lassen; die Nadel stellt sich dann von selbst so, daß ihre permanente Kraft nie vermindert, vielmehr durch Induction, wenn sie nicht schon das Maximum der magnetischen Capacität erlangt hat, immer noch vermehrtwird. In der Praxis fehlt man fast immer gegen diese Regel, arretirt die Nadel und stellt das Instrument hin. Wird dabei die Südspitze der Nadel zufällig nach Norden gekehrt, so ist eine Schwächung der magnetischen Kraft derselben die natürliche Folge. Für den Praktiker ist es von Wichtigkeit, noch auf einen anderen Umstand zu achten, wenn er in der Nähe von Eisenmassen mit der Boussole zu arbeiten genöthigt ist. Eine magnetische Eisenmasse lenkt nämlich, bei gleicher Entfernung vom Centrum einer Magnetnadel, in gerader Richtung vor dem Nord- oder Südpole der Nadel, also im magnetischen Meridian angebracht, dieselbe viel weniger von ihrer wahren Nordrichtung ab, als wenn sie im Osten oder Westen gelegen ist. Beispielsweise sollen hier einige Beobachtungen, die mit dem oben erwähnten Eisenstabe gemacht wurden, mitgetheilt werden. Der Stab stand senkrecht (siehe untenstehende Fig.) genau in der Ostrichtung bei a, in 4 Zoll Entfernung vom Centrum b der Nadel, mit seinem unteren Ende in der Schwingungsebene der letzteren; die Nadel wurde dadurch um 24 Gr. 50,7 M. wesentlich (wie C, B) abgelenkt.Die Beobachtungen wurden zwar mit einem Markscheidercompaß gemacht, doch sind die Stunden etc. möglichst genau auf Grade reducirt worden. A. d. O. Textabbildung Bd. 163, S. 114 Wurde darauf der Stab um 22 1/2 Gr. weiter nach Norden um b herumgedreht (a₁), so betrug die Ablenkung 26 Gr. 0,5 M. westlich. War der Winkel a b a₂ = 45 Gr., so betrug die Ablenkung nur 24 Gr. 22,5 M. Ferner: aba₃ = 67 1/2 Gr. Ablenkung = 18 Gr. 30,9 M. aba₄ = 78 3/4   „         „ = 11  „    43,1  „ aba₅ = 90   „         „ =   0  „    56,2  „ Die Ablenkung in letzterer Stellung auf 0 Gr. zu reduciren, gelang bei der Ungenauigkeit der Einrichtung nicht, doch war es später bei Anwendung eines vierkantigen Stabes leicht zu bewerkstelligen. Man sieht also, daß wenn der Stab im Meridian stand, die Ablenkung im Vergleiche zur Stellung a und a₁ sehr unbedeutend, ja sogar ganz verschwindend ist. Wurde der Stab weiter nach Westen herumbewegt, so schlug natürlich die Nordspitze der Nadel östlich aus, und die Resultate des vorhergehenden Quadranten wiederholten sich annähernd. Etwas abweichender waren die Resultate in den beiden folgenden Quadranten. Da sich jedoch die Abweichung im dritten und vierten Quadranten untereinander eben so ähnlich waren, wie die des ersten und zweiten, so konnte daraus nur gefolgert werden, daß die Kraft der Südspitze der Magnetnadel in Etwas verschieden von derjenigen der Nordspitze sey.Es muß hier bemerkt werden, daß die inducirte Kraft des Stabes durch längeres Stehenlassen in einer bestimmten Lage, z.B. in der senkrechten, von Tag zu Tag wuchs, doch noch nicht festgestellt werden konnte, in welcher Zeit das Maximum endlich eintrat. Durch Aufstoßen, wie überhaupt durch jede Erschütterung nimmt bekanntlich die magnetische Kraft des Eisens augenblicklich bedeutend zu. In Betreff von Grubenschienen ist wohl anzunehmen, daß dieselben durch die Erschütterungen, die sie durch darüberhinfahrende Wagen erleiden, schnell das Maximum der magnetischen Kraft erlangen; auch ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Maxima des permanenten Magnetismus, welchen Eisen durch die Länge der Zeit in verschiedenen Lagen zur Inclinationslinie durch Induction annimmt, unter sich ebenso verschieden sind, wie der augenblicklich im Eisen inducirte Magnetismus je nach der Lage verschieden ist. A. d. O. Aus obigen Beobachtungen ersieht man, daß nicht in der West-Ostrichtung, sondern etwa 22 1/2 Grad weiter nördlich oder südlich die stärkste Einwirkung eines Magneten auf die Nadel stattfindet. Im Allgemeinen aber ergibt sich daraus der Satz: daß man in der Praxis Eisenmassen, oder genauer gesagt, magnetische Pole derselben, in deren Nähe man mit der Boussole arbeiten muß, möglichst genau in die Richtung des magnetischen Meridians, also vor die Nord- oder Südspitze der Nadel, nehmen muß, um die kleinste Störung der Nadel zu erhalten. Von der Erklärung dieser Thatsache kann hier abgesehen werden, doch beruht sie natürlich bloß auf mechanischen Momenten. Es leuchtet dieß von selbst ein. Mit Berücksichtigung des im Vorstehenden Gesagten wird es sicherlich von Nutzen seyn, Beobachtungen über den Einfluß eiserner Grubenschienen auf die Compaß-Nadel anzustellen. Obgleich der Verfasser derartige Beobachtungen zu machen angefangen hat, so sind dieselben doch bis jetzt, da ihm jede Unterstützung hierzu fehlte, zu unvollständig um der Veröffentlichungwerth zu seyn. Sollen dieselben zahlreich, und mit Genauigkeit gemacht werden, so bedarf es vor Allem dazu eines Magnet-Theodoliten, da man mit Hülfe eines solchen leicht einen Winkel mit dem Theilkreise am Fernrohre und der Theilung auf der Boussole gleichzeitig messen kann. Es ist aber auch mit Sicherheit anzunehmen, daß wenn erst etwas Sicheres in Betreff der Entfernungen, auf welche Grubenschienen die Magnetnadel zu irritiren pflegen, festgestellt seyn wird, der größte Theil der Fehler, welche jetzt mit dem Compaß gemacht werden, wegfallen muß, und diejenigen, welche die Anwendung dieses Instrumentes in der Grube wegen seiner Ungenauigkeit für durchaus verwerflich erachten, verlieren dadurch das wichtigste Moment, welches ihnen Grund gibt, die Richtigkeit der mit dem Compaß gemachten Arbeiten zu bezweifeln.