Titel: Mühle mit verticalen Steinen, von Nezeraux in Cognac.
Fundstelle: Band 164, Jahrgang 1862, Nr. VI., S. 27
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VI. Mühle mit verticalen Steinen, von Nezeraux in Cognac. Aus Armengaud's Génie industriel, Februar 1862, S. 79. Mit Abbildungen auf Tab. I. Nezeraux's Mühle mit verticalen Steinen. Schon früher (polytechn. Journal Bd. CLI S. 410) ist eine Mühle mit verticalen Steinen von Falguière, beschrieben worden, deren gute Einrichtung Anerkennung gefunden hat. Hr. Nezeraux hat sich gleichfalls mit diesem Problem beschäftigt, und bezeichnet in seinem in Frankreich genommenen Patente folgendermaßen die der Lösung entgegenstehenden Schwierigkeiten. Zu verschiedenen Zeiten sind Versuche gemacht worden, um die horizontale Aufstellung der Mühlsteine durch die verticale eines kreisrunden Läufers zu ersetzen, welcher in einem Stein geht, der einen Theil seines Umfanges umfaßt. Man fand aber große Schwierigkeiten darin, die richtige Entfernung der Steine herzustellen, die nicht in vollkommener Weise zu erhalten war, weil sie sich durch die Abnutzung der Lager zu oft veränderte. Auch umfaßte der feste Stein bisweilen einen zu großen Antheil des Läufers, was die richtige Entfernung benachtheiligte, indem zwei concentrische Halbkreise ihren Parallelismus verlieren, wenn man sie nach der Centrallinie von einander entfernt, da sich die Punkte in der Mitte rascher als die Enden der Curven entfernen. Ferner fehlten in dem ruhenden Steine die transversalen Furchen, ohne welche ein guter Erfolg nicht erreicht werden kann, da sie den Zweck haben, die schon zerbrochenen Körner aufzunehmen, welche sich in den Löchern der Steine befinden und daraus durch die Centrifugalkraft weggeschleudert werden, um am Rande der Furchen von den Vorsprüngen des Läufers aufgefangen zu werden. Es geschah auch, daß das Korn nicht ganz gleichförmig auf der arbeitenden Fläche vertheilt wurde, und daß daher die eine Seite des Steins sich mehr als die andere abnutzte und das Mehl also nicht gut und gleichmäßig werden konnte. Ebenso war es schwer, die Erhitzung zu verhindern, welche durch den Mangel der richtigen Einstellung der Steine oder der passenden Oeffnung in der Zarge hervorgebracht wird; diese Oeffnung muß sich nämlich an der Stelle befinden, wo das Korn zerquetscht wird, da an dieser Stelle die Neigung zur Erhitzung stattfindet und Dampf erzeugt wird, der die Mühle durch Verschmieren der Steine zum Stillstande bringen müßte, wenn man dem Dampf nicht gleich nach seiner Bildung einen Ausgang verschaffte. Auch war die Art der Einstellung der Steine nicht einfach genug; sie fand nur auf unregelmäßige Weise statt und verursachte häufige Störungen. Wenn, was fast täglich geschah, die Stellung der Steine gestört war, so mußte man zum Einschleifen und Schärfen übergehen, welche schwere und langwierige Arbeit, nebst den übrigen unvermeidlichen Uebelständen das ganze System für größere Mühlen unanwendbar machte. Der Erfinder hat alle diese Schwierigkeiten zu vermeiden gesucht, und glaubt durch seine Verbesserungen dieses Ziel und somit folgende Vortheile erreicht zu haben: 1) eine auf 50 Proc. anzuschlagende Kraftersparniß gegen das gewöhnliche System; 2) eine fortwährende Abkühlung der arbeitenden Flächen, nebst Vermeidung einer bemerkbaren Verdampfung; 3) eine fast ganz gleich bleibende Qualität des Mehles, unabhängig von den Aenderungen in der Geschwindigkeit; dieß findet bei den gewöhnlichen Mühlen durchaus nicht statt, wenn man nicht complicirte Einrichtungen zu Hülfe nimmt, die oft den verschiedenen zu bearbeitenden Körnerarten wenig angemessen sind; 4) das erzeugte Mehl ist wesentlich besser als das der gewöhnlichen Steine und zwar aus dem Grunde, weil es eine viel geringere Arbeitsfläche zu durchlaufen hat, und weil der kreisförmige, sich in freier Luft bewegende Stein stets eine gewisse Menge Luft mit sich reißt, die auf das Mehl nur vortheilhaft wirken kann, indem sie ihm Körper gibt und es trocken und schwammig macht; 5) der Motor setzt die leere Mühle in Bewegung, d.h. es arbeitet dieselbe ohne zu mahlen und ohne den Hieb zu verderben, da der Stein auf zwei festen Punkten – den Lagern – läuft und keine Reibung erleidet; 6) das Schärfen geschieht auf die einfachste Weise, da man nur den Bodenstein durch Oscillation auf seinen Stützpunkten auszulösen braucht, wozu man sich einer kleinen Scheibe bedient, um welche ein Seil läuft, welches sich auf- oder abwickelt, je nachdem der Stein in seiner Arbeitsstellung sich senkt oder hebt; 7) endlich können diese Art Mühlen mit großem Vortheile die gewöhnlichen ersetzen, sowohl in Bezug auf die aufgezählten Vortheile, als auf die Menge des producirten Mehles. In der That mahlt die kleinere Art mehr als 1 Hektoliter in der Stunde, während die große 3 und mehr Hektoliter zu verarbeiten im Stande ist. Fig. 32, 33 und 34 stellen die neue Mühle dar. Fig. 32 ist ein senkrechter Durchschnitt mit der Anordnung des beweglichen und des ruhenden Steines, Fig. 33 ist ein Querschnitt durch die Achse des Läufers, Fig. 34 gibt eine äußere Ansicht der ganzen Mühle. Der cylindrische Läufer H ist mit einer gußeisernen Büchse I versehen, durch welche die von der Rolle L bewegte Welle J hindurchgeht. An dieser Welle befinden sich die aus gehärtetem Gußstahl bestehenden Wülste M, welche auf entsprechenden, ebenfalls aus gehärtetem Gußstahl bestehenden Theilen der Lager O laufen, worin sich kleine Oelbehälter befinden. In dem oberen und unteren Theil der Lager befinden sich kleine Rinnen, welche das Oel auf dem Lagerhals vertheilen. Eine kleine Scheibe von Leder oder Kautschuk dient zum Verschluß der Lager, um das Ausfließen des Oels zu verhindern. Die Unterlagen sind sehr einfach eingerichtet. Sie tragen den kreisrunden Mühlstein H und veranlassen sein regelmäßiges Vorrücken in dem ruhenden Stein, indem sie in den Wangen E gleiten, welche unter einem Winkel von 45° auf dem Gestelle A befestigt sind. Zu diesem Zwecke werden die eisernen, mit Windungen versehenen Stäbe R, welche ist entsprechenden Muttern gehen, auf ganz gleichförmige Weise durch die doppelte endlose Schraube a regiert, die in die gleichen Zahnrädchen a' am Ende der Stäbe eingreift. Auf diese Weise kann man die Entfernung der Steine ganz unmerklich vermehren oder vermindern, indem man den Griff V umdreht. Eine blecherne Trommel A² welche aus zwei durch den Haken B² verbundenen Theilen besteht, bedeckt den Stein und bildet die Zarge (Fig. 34). Die Verbindungslinie wird von dem Deckstreifen C² verschlossen. Um den Stein nach Erforderniß reinigen zu können, ist in der Zarge eine blecherne Thüre D² angebracht, welche mittelst des Knopfes F² geöffnet wird. Ein eiserner Schieber H² mit dem Getriebe H³ dient zur Regulirung der einzulassenden Luft behufs der Kühlung. Das Mahlgut fällt durch den Schnabel oder Trichter M² hinab, um dann beliebig weiter verarbeitet zu werden. Der ruhende oder Bodenstein ist in den gußeisernen Kasten mit parallelen Seiten B' eingelegt, der von den vier Schrauben H' getragen wird, um ihn, wenn es die Abnutzung erheischt, vorschieben zu können. Außerdem trägt er unten in der Mitte eine vorspringende Kugel h, die mit schwacher Reibung nach allen Seiten in einer passenden Büchse oscilliren kann, welche mittelst Schrauben in dem äußeren Kasten G' des Bodensteins befestigt ist. Dieser äußere Kasten ist um die Achse I' drehbar und wird durch das Querstück K' gestützt, auf welchem die Leiste J' aufliegt, so daß man den Bodenstein leicht auslösen kann, wenn man ihn schärfen will. – Der Kasten, welcher die Kugel trägt, ist so eingerichtet, damit man fast in einem Augenblick und ohne Schwierigkeit dem Steine die genau richtige Einstellung geben kann. Man braucht dazu nur die Schrauben H' zu lösen (welche den Bodenstein, wenn er eingestellt ist, fixiren), und den Läufer durch Drehen des Griffes V zu nähern. Es kommt dadurch der Läufer genau auf den Bodenstein zu liegen, worauf man diesen durch die Schrauben H' festlegt, und nun den Läufer wieder auf die gewünschte Weite entfernt. In dem Bodenstein sind drei Querfurchen D' angebracht, um das Korn aufzunehmen, welches schon zerquetscht ist und in den Löchern des Läufers liegt, woraus es durch die Centrifugalkraft hinausgeschleudert wird, um dann von den Vorsprüngen vollends gemahlen zu werden. Diese Furchen sind unumgänglich nothwendig, ohne dieselben würde das Korn nicht aus den Löchern des Steines herauskommen und daher nicht ganz in Mehl verwandelt werden können. Eine kleine blecherne, an dem Kasten B' angebrachte Gosse F' leitet das Korn zwischen die Steine. Die Oeffnung E' zum Bodenstein muß so klein wie möglich seyn und sich weit fortsetzen, damit der Stein das Korn rasch ergreife und nach und nach bis zu Mehl zerkleinere. Um nicht Körner mit dem Mahlgut austreten zu lassen, muß man sowohl am Ende der Furche, wie am Eingang zum Mahlraum kleine Ränder anbringen, welche einen ebensolchen Zwischenraum haben wie der Raum, wo das Mehl vollendet wird. Der Trichter L' besteht aus Holz, und faßt mindestens einen Hektoliter. Eine kleine Thür M' aus Eisenblech ist daran angebracht, und dient zum Reguliren des Getreidezulaufes mittelst einer kleinen Zahnstange mit Getriebe und Kurbel, wodurch man die Thür vom Boden des Schuhes entfernt oder demselben nähert. Der Trichter ist durch vier Schrauben an dem Gestell befestigt. Eine Allarmschelle wird durch den Hebel Y bewegt, wenn der Trichter leer ist; derselbe endigt mit einer Krümmung y, auf welche ein kleiner Knopf an der Hauptwelle J wirkt. Der hölzerne Schuh ist an der Stelle wo Reibung zwischen ihm und dem Trichter stattfindet, mit Eisenblech beschlagen; er erhält eine abwechselnde kreisförmige Bewegung durch die gegliederten Hebel P' und zwar mittelst einer gekrümmten Furche, welche sich in dem Ende der Läuferwelle J befindet. Die gußeisernen Cylinder R' drehen sich gegeneinander; ihre Entfernung wird durch Schrauben V' regulirt, welche sich in den Trägern T' drehen; diese Cylinder dienen als Quetschwalzen. Sie werden durch Zahnräder S' mit langen Zähnen von der Hauptwelle in Bewegung gesetzt. Ihr Zweck ist, das Korn zu zerquetschen, wenn es aus dem Gosseschuh hervorkommt, und es so zum eigentlichen Mahlproceß vorzubereiten. Ihre Anwendung wird sehr vortheilhaft, wenn man hartes und trockenes Korn mahlt; die Kleie wird breiter und das Mehl schöner. Die Umfangsgeschwindigkeit der beiden Cylinder ist etwas verschieden, damit sie das Korn nicht bloß quetschen, sondern gleichzeitig reibend wirken. Indessen sind sie nicht unumgänglich nothwendig, da es Mühlen gibt, welche ohne dieselben sehr gut arbeiten; ihre Anwendung ist jedoch vortheilhaft, weil sie die Mehlausbeute erheblich vermehren.

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