Titel: | Ueber Weizen und Weizenbrod; von Mège-Monriès. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXXXII., S. 305 |
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LXXXII.
Ueber Weizen und Weizenbrod; von Mège-Monriès.
Aus den Comptes rendus, Februar 1862, t. LIV p.
445.
Mège-Mouriès, über Weizen und
Weizenbrod.
Seit meiner letzten, der Akademie gemachten MittheilungPolytechn. Journal Bd. CLVI S.
231. hat ein Bericht, welchen Oberst Favé
seitens des Handelsministeriums erstattete, nach den strengsten Versuchen, meine
Untersuchungen auch vom praktischen Standpunkte aus bestätigt.
In Folge dieses Berichtes wurde das neue Verfahren auf Befehl des Seinepräfecten in
einer größeren Bäckerei (der boulangerie de Scipion)
eingeführt, und dem Eifer der Betheiligten haben wir nun eine Vervollkommnung des
Verfahrens zu verdanken, welche dessen Verbreitung erleichtern wird, und welche
zugleich meine sämmtlichen theoretischen Folgerungen bestätigt.
Bekanntlich machte ich zur Zeit, wo die Seinepräfectur die Mehlextraction von 70 auf
75 Proc. zu erhöhen befahl, physiologische Untersuchungen über eine Ausdehnung des
Korn-Embryo's, welcher in Form einer Membrane den ganzen Mehlkern (das
Endosperma) umgibt. Dieses Gewebe hat, wie ich mittheilte, – in Folge seiner
eigenen Wirkung und derjenigen des in seinen Zellen enthaltenen Cerealins, –
die Eigenschaft, den mehligen Theil des Kornes während des Keimens in Saft, so wie
das Brod während der Verdauung in Chymus, und den Teig während der Brodbereitung in
Brod umzuwandeln.
Da nun das über 70 Proc. des Weizens hinaus entfallende Mehl von der den Hüllen
anhaftenden Schicht herstammt, so folgt, daß dieses Mehl eine gewisse Menge von
diesen durch die Mühlsteine zerrissenen Hüllen enthält, und daß daraus Brod
entsteht, welchem die Kennzeichen des Brodes erster Qualität fehlen.
Es mußte also vor Allem die Wirkung dieses Gewebes und des Cerealins verhindert
werden. Bekanntlich ist dieses Problem so glücklich gelöst worden, daß die
Mehlextraction auf 80 und 84 Proc. steigen konnte, ohne die Qualität des Brodes zu
verringern.
Unglücklicherweise enthielt das neue Verfahren eine schwierige Operation: die
Trennung des bezeichneten Gewebes und des Cerealins mittelst Wasser. Die Grütze
enthält in der That dieses Gewebe in zweierlei Formen, nämlich erstens im ungetrennten und
zweitens im isolirten Zustande; im ersteren sind die Zellen dem Wasser des Teiges
wenig zugänglich, und üben daher eine so beschränkte Wirkung aus, daß dieselbe kaum
bemerklich ist; im letzteren Zustande dagegen erstreckt sich die Wirkung dieses
Gewebes auf die ganze Teigmasse.
Diese Trümmer mußten nun auf trockenem Wege entfernt werden, und dieß gelang in Folge
ihrer außerordentlichen Leichtigkeit mittelst eines Luftstromes und eines in Folge
meiner Studien durch intelligente Techniker schon zur Fabrication der Nahrungsteige
angewandten Apparates.
Durch diese Operation ist die Methode praktischer geworden und sie hat uns zugleich
die embryonale Hülle in isolirtem und lebendem Zustande geliefert, was mir um so
willkommener seyn mußte, als ich sie bis dahin nur in ihrer Verbindung mit den
anderen Samenhüllen, oder schon in einem unthätigen Zustande zur Untersuchung
bekommen hatte, in welchen sie durch die Reagentien versetzt worden, die ich zu
ihrer Trennung von den übrigen Körpern benutzte.
Diese Trümmer des embryonalen Gewebes, wie sie von dem Mühlstein zerrissen und durch
den Ventilator isolirt werden, enthalten kaum Spuren von Kleber und Stärkmehl; sie
stellen sich unter dem Mikroskop als aus schönen cubischen Zellen gebildet dar, und
geben an Wasser Cerealin ab, welches man, wie das organisirte Gewebe, an allen den
Eigenschaften erkennen kann, die ich in meinen früheren AbhandlungenMan s. polytechn. Journal Bd. CXLIV S.
209 und 373, Bd. CXLVIII S. 220, und Bd. CLV S. 310. beschrieben habe. Von diesen möge nur an zwei erinnert werden: die erste
ist, daß es das Verflüssigen des Stärkmehls unmittelbar und durch seine bloße
Gegenwart bewirkt. Diese Eigenschaft kommt, wie man weiß, ebensowohl dem im Wasser
gelösten Cerealin, wie dem von dieser Substanz durch wiederholtes Waschen befreiten
Gewebe zu; wenn also die weiße und die schwarze Grütze ohne die angegebenen
Vorsichtsmaßregeln dem Teige beigemischt werden, so löst sich das Cerealin auf, das
Gewebe schwillt auf, und wenn (wie beim Zwieback) kein Sauerteig vorhanden ist, so
wird das Brod süß und verliert seine Weiße; bei Gegenwart von Sauerteig aber tritt
die zweite Eigenschaft auf. Diese besteht in der
Einleitung der Milchsäure- und Buttersäuregährung nach der erforderlichen
Dauer der Einwirkung, in Folge deren das Schwarzbrod entsteht, welches aber nicht
mit dem zufällig durch fremde Körner oder durch die gelbe Farbe der Kleie gefärbten
Brode zu verwechseln ist.
Folgende zwei Versuche sprechen direct für die Wirkungen der embryonalen Haut:
1) Man nimmt Mehl feinster Sorte und mischt 5 Proc. der Trümmer dieser Haut hinzu;
das Gemisch, wie gewöhnlich zu Brod verarbeitet, gibt Schwarzbrod.
2) Man macht Brod- und Sauerteig mit Mehl feinster Sorte, fügt unter den
angegebenen Vorsichtsmaßregeln weiße und schwarze, von den in Rede stehenden
Hauttrümmern befreite Grütze hinzu, die aber noch etwa 3 Proc. Kleie enthält; man
bekommt so weißes, leichtes Brod, welches sich von dem gewöhnlichen feinsten
Weißbrod nicht unterscheidet.
Man erhält folglich in dieser Weise weißes, feines Brod, welches Kleie enthält und
schwarzes Brod welches keine Kleie enthält.
Im Ganzen sind also meine früheren Untersuchungen bestätigt und es ist das Problem
gelöst, welches von der Seinepräfectur gestellt worden, so wie sich alle gewünschten
ökonomischen Vortheile nunmehr erreichen lassen. Diese entsprechen bekanntlich dem
45tägigen Consum in Frankreich oder einer Ersparniß von 600 Franken für die oben
bezeichnete Bäckerei.
Außerdem ist aber auch der meines Erachtens noch viel erheblichere Nutzen nicht zu
übersehen, daß nach dem neuen Verfahren ein für die Gesundheit zuträglicheres Brod
erhalten wird.
Hr. Chevreul, welcher diese
Abhandlung der Akademie vorlegte, fügt noch folgende Resultate der Versuche des
Verfassers hinzu:
Auslieferung an Mehl auf 100
Thle.Weizen:
Auslieferung an Brod der durch
nebenstehendeVerfahren erhaltenen Mehlsorten:
1) Nach dem Verfahren von Mège Mouriès
82
Brod erster Sorte
109–110
2) Nach dem gewöhnlichen Verfahren,
höchstens
70
–
– –
92
3) Nach dem das vorschriftsmäßige
Brod liefernde Verfahren
75
Vorschriftsmäßiges Brod, geringer als
die vorbezeichnete Sorte
100