Titel: Ueber Beseitigung des üblen Geruchs in Düngerfabriken; von Prof. Dr. H. Schwarz in Breslau.
Fundstelle: Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XIX., S. 69
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XIX. Ueber Beseitigung des üblen Geruchs in Düngerfabriken; von Prof. Dr. H. Schwarz in Breslau. Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1862, Nr. 11. Schwarz, über Beseitigung des üblen Geruchs in Düngerfabriken. Die große Ausbreitung der Fabriken von künstlichem Dünger führt zwar wesentliche Vortheile für die Landwirtschaft, dagegen in dem üblen Geruche, den sie verbreiten, mannichfaltige Nachtheile für die umliegenden Grundstücke mit sich. Dabei liegt es in der Sache, daß sie sich besonders in der Nähe großer Städte, mit ihrer reichlichen Production an düngenden Abfällen und mannichfaltig erleichtertem Absatze für die fertigen Producte, concentriren. Hat man sie auch anfangs in einiger Entfernung von den Grenzen der Städte errichtet, so dauert es doch nicht lange, bis die naturgemäße Erweiterung der Stadtgebiete die Düngerfabriken erreicht. Constante Streitigkeiten, Eingriffe der Polizei-, Sanitäts- und Regierungsbehörden, Entschädigungsprocesse etc. bilden daher eine sehr unangenehme Seite der Düngerfabrication. Es ist dann sehr bequem, alle Uebelstände, die aus zahlreichen anderen Ursachen erwachsen, den Düngerfabriken in die Schuhe zu schieben. Drücken wir die gesammte Größe der gesundheitswidrigen Schädlichkeiten, z.B. hier in Breslau durch die Zahl 100 aus, so fallen den Düngerfabriken vielleicht 1 Proc. zu, während die verschiedenen stagnirenden Abzugsgräben, die Ohle, der Stadtgraben, Schlachthof etc. etc. mit 99 Procent daran betheiligt sind. In Wahrheit sind derartige Fabriken von der Wohlgeneigtheit oder dem Uebelwollen ihrer Nachbarn wesentlich abhängig. Dabei wird indessen auf die Art der Fabrication, die in der betreffenden Fabrik getrieben wird, so gut wie gar keine Rücksicht genommen. Den Sachverständigen freilich erscheint es wesentlich, ob in einer Fabrik Massen von menschlichen Excrementen, Blut, Harn, faulendem Fleisch verarbeitet, ob darin Knochen, Hufe, Leder etc. destillirt, oder ob nur gedämpftes und gesäuertes Knochenmehl bereitet und mit Guano etc. gemischt wird. Gerade eine Fabrik der letzteren Art hatte seit Jahren von den mannichfaltigsten Klagen der Nachbarn zu leiden gehabt. Obwohl in einer weit entfernten Vorstadt, vorzugsweise von Ackerbürgern und Gärtnern bewohnt, gelegen, und von den nächsten Gebäuden immerhin noch 200–300 Fuß entfernt, sollte doch die ganze Gegend dadurch inficirt seyn, das Vieh sollte das Gras und den Klee auf den nächst gelegenen Aeckern nicht anrühren, überhaupt ganz den Appetit verlieren, die Menschen sollten beim Oeffnen der Fenster unüberwindlichen Ekel empfinden, endlich sollte der Typhus, an dem mehrere Kinder in der dortigen Gegend gestorben, von den Ausdünstungen der Fabrik herrühren. So wenig begründet und theilweise lächerlich diese Angaben erschienen, so wenig z.B. die seit 10 Jahren in der Fabrik beschäftigten Arbeiter jemals die gedachten schädlichen Einflüsse an ihrer Gesundheit erfuhren, so beschloß doch der Eigenthümer der Fabrik, um den Behörden seine volle Bereitwilligkeit zur Abhülfe zu zeigen, jedes irgendwie geeignet scheinende Mittel anzuwenden, um den Geruch zu beseitigen, und zog mich deßhalb zu Rathe. Abgesehen von einer damit verbundenen Seifensiederei besteht das Etablissement im Wesentlichen aus einer Knochenmehlfabrik. Die Knochen werden in zwei dampfdichten Cylindern gedämpft, dann getrocknet, gestampft und unter Steinen gemahlen. Das beim Dämpfen entstehende Leimwasser wird in Gruben mit Knochenkohlen-Abfall (sog. Knochenschwärze aus Zuckerfabriken), der vorher mit Schwefelsäure angesäuert ist, gemischt, diese Masse häufig umgestochen, dann getrocknet und gemahlen. Nebenbei sind luftige Schuppen zum Lagern der Knochen mit Lattenwänden und Guano- resp. Dünger-Lagerböden vorhanden. Gegen diese Lagerräume war kein Bedenken entstanden und herrschte darin nur ein reiner Ammoniakgeruch. Die bewegende Kraft liefert eine Dampfmaschine von 12 Pferdekräften; die Dampfkesselfeuerung steht mit einem 90 Fuß hohen Schornsteine in Verbindung. Als die drei Herde des üblen Geruchs wurden der Knochendämpfraum, die Knochendarre und endlich die Bassins, wo die Mischung der Leimbrühe mit dem angesäuerten Knochenschwarz lagerte, angeklagt, was sich auch bei der wiederholten Besichtigung bestätigte. Der sehr eigenthümliche, unangenehme faule Geruch der beim Dämpfen der Knochen erhaltenen Leimbrühe war im Knochendämpfraum, aber auch in mehreren daran stoßenden Durchgangsräumen, ja selbst im Freien auf einem beschränkten Raume bemerklich, indessen immerhin in einem erträglichen Maaße. In dem niedrigen, überdachten Raume, in dem, im Boden versenkt, die Bassins liegen, war er merklich, indessen verhältnißmäßig sehr schwach. Auf Befragen stellte es sich nun heraus, daß die durch einen Hahn in ein versenktes kleines Bassin abgelassene Leimbrühe, daraus geschöpft und in eisernen Kästen nach den Knochenschwärze-Bassins getragen werde. Die Stellen nun, wo der stärkste Geruch stattfand, fielen genau mit dem bei diesem Transport eingehaltenen Wege zusammen, und lag es daher auf der Hand, daß der verschütteten in das Ziegelpflaster und den Boden eingedrungenen und dort faulenden Leimbrühe hauptsächlich der üble Geruch zuzuschreiben sey. In der Mischung mit der gesäuerten Knochenschwärze wurde die Fäulniß gehemmt, daher der geringe Geruch in den Bassins. Für den nach Beendigung des Dämpfens aus den Dämpfcylindern abgelassenen überschüssigen Dampf war schon früher die Vorsorge getroffen worden, ihn in eine versenkte und mit Erde bedeckte Grube abströmen zu lassen, in die man von Zeit zu Zeit etwas Schwefelsäure brachte. Dieser Dampf bewirkte keinerlei Belästigung. Die Knochendarre besteht aus schwach geneigten Tafeln (drei Etagen übereinander), und wird durch eine Circulirfeuerung auf 40–50° C. erhitzt. Für die Abführung der feuchten Luft war zuerst wenig Vorsorge getroffen worden; später hatte man einen weiten Blechtrichter aufgesetzt, der nach dem Schornstein führte. Derselbe bewirkte eine mäßige Ventilation, mußte aber den Zug der Kesselfeuerung beeinträchtigen. Die Mittel der Abhülfe lagen nahe. Einmal mußte man die Hauptquelle des üblen Geruchs, das Verschütten der Leimbrühe beseitigen, andererseits ein wirksames System der Ventilation einführen, durch welches gleichzeitig jede Spur des riechenden Stoffes zerstört wurde. Behufs des ersteren Punktes wurde der Hahn zum Ablassen der Leimbrühe mit einer Rohrleitung in Verbindung gebracht, die durch die Trockenkammer hindurch nach den oben gedachten Knochenschwärze-Bassins geführt wurde und dort mit einem herabgebogenen Schenkel in einer Ecke des Raumes mündete. Durch untergeschobene Rinnen konnte die Leimbrühe den übrigen Bassins zugetheilt werden. Die Pflasterung des Dampfraumes wurde erneuert, und um den im Boden enthaltenen Leim an fernerem Faulen zu hindern, ein Steinkohlentheeranstrich gegeben, dessen Kreosotgehalt jeden Fäulnißproceß unmöglich macht. Gerade zu diesem Zwecke, um faulige Ausdünstungen zu zerstören, wird der Steinkohlentheer und seine Dämpfe noch viel zu wenig angewendet. Was nun die Einführung einer wirksamen Ventilation anbelangt, so bot sich dazu als einfachstes Mittel die continuirlich betriebene Dampfkesselfeuerung. Der Aschenfall wurde durch eine eiserne Thür verschlossen, die mit Lehm gedichtet und festgeschraubt wurde. Sie kann indessen leicht entfernt werden, um die Asche zu beseitigen. Behufs der Luftzuführung wurde die Seitenwand des Aschenfalls mit einem 2–2 Fuß weiten quadratischen Loche durchbrochen, an das sich nun mit einer sanften Biegung ein unterirdischer Canal anschloß, der in gleicher Weite bis an die nächst gelegene Ecke des Bassinraumes fortgeführt ist und mit diesem durch eine 2–3 Fuß weite Oeffnung correspondirt.An dieser Ecke mündet gleichzeitig das Rohr für die Leimbrühe. Dieser Canal führt an der einen Längswand der Trockenkammer hin. Entsprechend den drei Etagen wurden hier drei 1 1/2–2 Fuß weite Löcher durchgebrochen, die in einen vorgebauten senkrechten Abzugscanal münden, welcher wieder auf einem unterirdischen Seitencanale steht, der unter einem spitzen Winkel in den Hauptcanal einmündet. Vorsetzthüren, sowohl vor der Oeffnung nach den Bassins zu, als vor den einzelnen Zugöffnungen in der Trockenkammer, erlauben nach Bedürfniß die Ventilation zu reguliren. Sind z.B. die oberen Etagen der Trockenkammer mit frischen gedämpften Knochen belegt, so kann man durch Schließen der Bassin- und der unteren Trockenkammer-Abzüge einen energischen Luftwechsel in diesem einen offen gelassenen Abzugs-Canale hervorbringen, umgekehrt, im Momente des Ablassens der Leimbrühe oder der Mischung der Knochenschwärze mit Schwefelsäure, alle Luft aus dem Bassinraume schöpfen. Das Dach des Bassinraumes wurde durch Auflegen von Dachpappe gedichtet, die Trockenkammer durch Doppelthüren verschlossen, dafür aber am Boden regulirbare Oeffnungen zum Einlassen der kalten Luft angebracht, auch der oben erwähnte Blechtrichter, als unnöthig und den Zug störend, cassirt. Der Erfolg dieser Anordnungen war nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der Arbeiter, Beamten und des Eigenthümers, ebenso verschiedener Sachverständigen, ein sehr befriedigender. Das Feuer unter dem Dampfkessel brennt ebenso gut oder fast besser als vorher, einmal weil der Gegenzug im Schornsteine beseitigt ist, dann weil es mit Luft von 40–50° C. aus der Trockenkammer gespeist wird. Der Zug im Hauptcanale ist ein ungemein lebhafter, der Luftwechsel im Trocken- und im Bassinraume ein vortrefflicher. Jede Spur riechender Gase muß beim passiren durch die glühende Kohlenschicht verbrannt werden. Seit Einführung dieser Einrichtung ist es zwar wegen des starken Luftwechsels schwierig geworden, die Temperatur im Trockenraume höher als 50° C. zu steigern, doch erfolgt natürlich die Trocknung bei dieser niedrigen Temperatur eben so rasch, wo nicht schneller als früher. Im Bassinraume hat man neuerdings 6 Ballons Schwefelsäure auf einmal auf die Kohlen entleert, ohne daß die Arbeiter durch den Geruch nach Schwefelwasserstoff irgendwie belästigt worden wären. Im Dämpferraume ist mit Beseitigung der Leimbrühe auch der unangenehme faulige Geruch auf das vollständigste verschwunden. Sollte er jemals wieder eintreten, so kann durch Anstrich mit Steinkohlentheer oder durch Abzweigung eines Ventilationscanals sogleich Abhülfe geschaffen werden. Bezüglich des Unterschiedes zwischen dem rohen und gedämpften Knochenmehle dürften folgende Betrachtungen maaßgebend seyn. Einmal wird durch das Dämpfen die Fabrication im Großen wesentlich erleichtert, indem bedeutend feineres, rascher wirkendes Knochenmehl mit geringerem Kraftaufwands producirt wird. Der kleine Verlust an Stickstoff, der durch Entziehung eines Theils Leimsubstanz entsteht, wird durch die leichtere Aufschließbarkeit des Knochenmehls bei weitem überwogen, so daß die Landwirthe das gedämpfte Mehl vorziehen. Nicht allein aber vom Standpunkte des Fabrikanten und Consumenten, sondern auch von dem der Sanitätspolizei ist dieses Dämpfen sehr zu empfehlen. Sollten an den rohen Knochen noch irgendwie Krankheitsstoffe haften, so werden diese durch hochgespannten Dampf am allersichersten vernichtet. Lagert rohes Knochenmehl in großen Haufen übereinander, so geht es bald in eine heftige Gährung mit Entwickelung eines sehr üblen Geruchs über. Das gedämpfte Knochenmehl dagegen, das von Fett- und Leimtheilen befreit, außerdem aber völlig getrocknet ist, zeigt niemals diese Gährungs-Erscheinungen. So ist denn das Dämpfen der Knochen ein wesentlicher Fortschritt, wenn außerdem der Uebelstand der Leimbrühe, wie in der vorliegenden Fabrik, vollständig beseitigt ist.