Titel: | Notiz über das neue Eisenbahnsystem (Schlitteneisenbahn) von L. D. Girard. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XLVI., S. 178 |
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XLVI.
Notiz über das neue Eisenbahnsystem
(Schlitteneisenbahn) von L. D. Girard.
Aus Armengaud's
Génie industriel, Juni 1862, S. 320.
Ueber Girard's neues Eisenbahnsystem.
Im Jahre 1852 hat Hr. Girard der französischen Akademie
der Wissenschaften ein neues Eisenbahnsystem vorgelegt, bei welchem die Locomotive
durch eine Wassereinströmung von großer Geschwindigkeit in einer Reihe gekrümmter
Schaufeln ersetzt war, die sich unterhalb der Wagen befanden. Seitdem hat Hr. Girard sein System dadurch vervollständigt, daß er die
Räder, die Achsen und die Tragfedern der Wagen entfernte, und so diese letzteren in
wirkliche Schlitten umänderte.
Um die sich ergebende Reibung zu vermindern, kam der Erf. auf den Gedanken, die Wagen
auf hohle Schlittschuhe zu stellen, die sich auf breiten Schienen bewegen, und in
dieselben Wasser ohne Druck einzuleiten, welches nach allen Seiten entweichen, sie
daher heben und so die Reibung zwischen Metall und Metall aufheben soll. Es findet
also das Gleiten wirklich auf einer dünnen Wasserschichte statt und der Widerstand
ist fast ganz vernichtet.
Anfangs wollte Girard comprimirte Luft statt Wasser
anwenden, allein die Nothwendigkeit, in diesem Falle die Schienen zu schmieren, hat
ihn das Wasser vorziehen lassen. Es sind dann keine Schwierigkeiten mehr vorhanden;
selbst wenn die Schienen verrostet oder mit Staub oder Sand verunreinigt sind,
entsteht daraus kein weiterer Uebelstand.
Durch Unterstützung des Kaisers ist der Erfinder in den Stand gesetzt worden, eine
horizontale Bahn von 40 Meter Länge zu praktischen Versuchen über dieses System zu
construiren.
Mittelst eines sehr einfachen und sinnreichen Apparates von Lissajous kann man den Reibungscoefficient leicht bestimmen. Die letzte
Versuchsreihe ergab eine mittlere Reibung von 4,32 Kil. per Tonne. Man braucht nur den Wasserzufluß in die Schlittschuhe durch
einen Hahn abzusperren, um die Reibung sofort auf 500 Kil. per Tonne steigen zu sehen, was dann eine der allerkräftigsten Hemmungen
bildet.
Eine andere Bahn mit regelmäßiger Neigung von 50 Millim. per Meter wurde construirt, um das System der hydraulischen Fortbewegung,
welches der Erfinder im J. 1852 der Akademie vorlegte, zu prüfen. Auch hierbei haben
die Wagen gleitende Schuhe. Die Resultate zahlreicher Proben sind derart, daß sie
allen Zweifel über die Ausführbarkeit dieses Planes beseitigen müssen.