Titel: | Untersuchungen über die Aufbewahrung der Thier- und Pflanzenkörper; von Joh. Carl Leuchs in Nürnberg. |
Autor: | Johann Carl Leuchs [GND] |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LIX., S. 222 |
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LIX.
Untersuchungen über die Aufbewahrung der
Thier- und Pflanzenkörper; von Joh. Carl Leuchs in
Nürnberg.
Leuchs, Untersuchungen über die Aufbewahrung der Thier- und
Pflanzenkörper.
Im Jahre 1820 habe ich eine Schrift unter dem Titel: „Lehre der Aufbewahrung und Erhaltung aller Körper“
herausgegeben.
Diese Schrift erschien 1821 in Paris, in französischer Ausgabe, übersetzt von A. Bulos unter dem Titel: L'art de
conserver les substances alimentaires solides et liquides, und 1829 in
zweiter deutscher Ausgabe.
Sie enthält viele hundert eigene Versuche über die Mittel Körper vor Zersetzung zu
schützen, und zahlreiche Vorschläge und Angaben zu Verbesserungen, von denen
indessen erst der kleinste Theil ins Leben getreten ist.
Es ist dieß eine natürliche Folge des von mir an anderen Orten weitläufig
auseinandergesetzten Umstandes, daß das was öffentlich in einem Buch oder in einer
Zeitschrift vorgeschlagen oder empfohlen wird, in der Regel keine Beachtung findet, eben weil es dadurch Gemeingut wird. Jeder glaubt
sein Nachbar könne es anwenden, oder werde es anwenden, wenn es gut ist, oder es
habe an sich wenig Werth, weil der Erfinder es ohne weiteres bekannt macht, und läßt
es daher unberücksichtigt.
Die Entdeckung meines Sohnes, Georg Leuchs, daß in dem
Rogen der Fische ein wohlfeiles und ausgezeichnetes Ersatzmittel der Hühnereier gegeben sey, gab Veranlassung zur
Wiederaufnahme dieses Gegenstandes, um ein einfaches Mittel aufzufinden, den Rogen
vor Fäulniß zu sichern, ohne das Eiweiß desselben gerinnen oder unlöslich zu machen,
und führte zu einer besseren Kenntniß der Bedingungen der Aufbewahrung und der
Mittel für Erhaltung der Körper überhaupt.
Die zahlreichen Versuche, die ich deßhalb anstellte, sind in der 1862 erschienenen
Schrift: „Untersuchungen über die Aufbewahrung und
Erhaltung thierischer und pflanzlicher Körper in frischem Zustande, von
J. C. Leuchs, Preis 12 Thlr.“ beschrieben,
und beschränke ich mich hier nur auf das Hauptergebniß derselben, welches zeigt, daß
man bisher zum Theil auf Umwegen und unvollkommen zu erreichen suchteEs sind in dieser Schrift (S. 64–71) auch 71 bisher vorgeschlagene,
zum Theil patentirte, aber bis auf etwa fünf, fehlerhafte und unpraktische
Aufbewahrungsarten zusammengestellt., was auf ganz einfachem und leichtem Wege zu erreichen war.
Dieses besteht in der erwiesenen Thatsache, daß nur die Minderung oderder Bindung des Wassergehaltes der Körper es ist, welche dieselben
vor Fäulniß und Zersetzung schützt, und daß mehrere der bisherigen Verfahrungsarten,
wobei man anderen Körpern die Hauptwirkung zuschrieb, nur dadurch erhaltendanhaltend wirken. So der Rauch (Kreosot, brenzliches
Oel), der in der Hauptsache nicht an sich vor Fäulniß schützt, sondern nur weil
während des Räucherns zugleich ein Abtrocknen stattfindet (bei geräucherten Häringen
z.B. eine Entfernung von 60 Proc. Wasser); das Kochsalz,
das ebenfalls 40–60 Proc. Wasser ausscheidet; die Hitze, welche beim Fleisch durch das Gerinnen des Eiweißstoffes 45 Proc.
Wasser abscheidet, wobei, da dieses Gerinnen schon bei 60° R. erfolgt, die so
häufig vorgeschlagene höhere Erhitzung, z.B. unter Druck, vollkommen unnütz ist; der
Zucker (Einzuckern), und die Säuren (Einsäuern), welche nur in dem Maaße wie sie Wasser entziehen oder
binden, erhaltendanhaltend wirken.
So wie ausgemittelt war, daß vornämlich nur die Entfernung von Wasser die
Haltbarmachung der Körper bedingt, kam es darauf an, andere Mittel zu diesem Zweck
aufzufinden, welche nicht die Nachtheile der bisherigen: Aenderung des Geschmacks
und Minderung des Nahrungswerthes (Räuchern, Salzen, Einzuckern, Einsäuern),
Erhärtung des Eiweißstoffs (Trocknen) haben.
Als ein solches bot sich die unter dem Namen Uebertragung
(Endosmose, Exosmose) bekannte Erscheinung dar, und als hiezu besonders
empfehlenswerter Körper das Gummi, das nach angestellten
Versuchen Fleisch und Fischen 40–60 Proc. Wasser entzieht, und da es (als
dicker Schleim angewandt) zugleich die Einwirkung der Luft abhält, auf doppelte Art erhaltendanhaltend wirkt, keine Nahrungstheile entzieht wie das Kochsalz, den Geschmack nicht
ändert und leicht wieder zu entfernen ist. Trockene pulverige Körper wirken ähnlich,
aber minder vollkommen.
Eben so brauchbar ist wegen seiner großen Anziehung zum Wasser und seiner leichten
Entfernbarkeit durch Verdunsten, der Alkohol, welchen
Anatomen und Naturforscher schon seit Jahrhunderten anwenden, um thierische Körper
in ihren Sammlungen gut zu erhalten, ohne daß einer derselben bis heute daran
gedacht hat zu erforschen, wie er wirkt, und ob bei anderer Anwendungsart nicht ein
nützlicher Gebrauch von ihm in der Haushaltung gemacht werden könne.
Nach meinen Versuchen entzieht starker Alkohol dem Fleisch 60–80 Proc. Wasser;
genügen schon die Dämpfe (Dünste) vom Alkohol, um 28 Proc. Wasser aus in Luft
aufgehängtem Fleisch abtropfen zu machen; genügt eine Kleinigkeit um Fleisch und
Fische in der Luft zu erhalten, und 5 Proc., zum Wasser gegeben, um es in demselben
vor Zersetzung zu schützen, wenn man einige Vorsichtsmaßregeln (Abhaltung des Luftzutritts
zu dem Wasser und Entfernung oder Bindung des wenigen Sauerstoffs, den das Wasser
enthält) beobachtet.
Wir haben also in dem Alkohol ein einfaches, wohlfeiles,
in sehr geringer Menge wirksames Mittel zur Erhaltung der Lebensmittel, und im
Verein mit Gummi, so wie in letzterem allein, auch ein
Mittel Würste, Schinken, eingesalzenes und geräuchertes Fleisch, Kapern, Gurken und
andere auf bisherige Art haltbar gemachte Körper ungleich haltbarer zu machen,
worüber im obigen Werke die näheren Vorschriften angegeben sind.
Die Anwendung wassereinsaugender oder bindender Körper gibt ferner ein einfaches
Mittel an die Hand, Blut, das in großen Schlachtereien
oft in ungeheuren Mengen weggeschüttet werden muß, weil es zu schnell fault und
daher die Nachbarschaft belästigt, zur Düngung oder als Nahrungsmittel zu benutzen.
Nach S. 40 genügt, wenn es zur Düngung bestimmt ist, eine Beimischung von
getrockneter Thonerde, allenfalls mit etwas Steinkohlentheeröl oder Eisenvitriol, um
es ohne üblen Geruch an gewöhnlicher Luft zu trocknen; andererseits eine Beimischung
von getrocknetem Stärkmehl, wenn es zur Nahrung für Thiere oder Menschen dienen
soll.
Die gleichzeitige Anwendung von Wasser- und luftbindendblutbindenden Mitteln macht geschlossene Blechgefäße entbehrlich, gestattet die
Darstellung von Salzfleisch zum Schiffsbedarf auch in warmen Gegenden, bewirkt, daß
selbst Fleisch von abgetriebenen, erhitzten, mißhandelten Thieren untadelhaftes
Salzfleisch gibt. Ebenso kann Speck von ungarischen Schweinen, 6–8 Zoll dick,
der sonst nur im Winter gesalzen und geräuchert werden kann und überhaupt wegen
seines dünnen Zellgewebes und weichen öligen Fettes schwer zu behandeln ist, den
ganzen Sommer durch gesalzen werden, ohne daß er verdirbt oder geringere Qualität
erhält.
Als Endergebniß der verschiedenen Versuche ergibt sich Nachstehendes:
Thier- und Pflanzenkörper sind Wassergebilde. Das
Wasser macht 80–90 Gewichtsprocente ihrer Bestandtheile aus.
Ihre Zersetzbarkeit nimmt zu in geradem Verhältnisse mit ihrem
Wassergehalt.
Ihre Haltbarkeit nimmt zu im Verhältniß der Verminderung ihres
Wassergehaltes.
Diese Verminderung kann auf sechs Arten bewirkt werden:
1) Durch Verbindung des Wassers mit einer gewissen Menge Wärmestoff, wobei es als Wasserdampf entweicht, also durch Verdunsten.
2) Durch Verbindung des Wassers mit der Luft, wobei es von
dieser gelöst und daher entfernt wird, Trocknen.
3) Durch Ausdrücken oder Auspressen des Wassers, was auf zwei Arten geschehen kann, nämlich:
a)mechanisch, durch Einwirkung eines von außen
kommenden Drucks;
b)chemisch, bei Körpern, die Eiweißstoff enthalten,
durch Zusammenziehen (Gerinnen) desselben bei einer
Hitze von 60° R. und darüber, in Folge welchen Zusammenziehens Wasser
ausgedrückt wird.
4) Durch Entziehen des Wassers mittelst fein vertheilter oder poröser Körper, in welche es durch Haarröhrchen-Anziehung übertritt.
5) Durch Entziehen des Wassers mittelst Körpern, welche große Neigung haben sich mit
demselben zu verbinden, sich in demselben zu lösen. Hieher gehören vor allem Weingeist und Weingeistdampf,
verschiedene Salze, Zucker, Gummi.
6) Durch Unbeweglichermachen des Wassers oder Herabstimmung der Neigung desselben
sich mit den Körpern zu verbinden (auf sie einzuwirken), mittelst Verminderung der Wärme, welche Herabstimmung, wenn sie so
weit geht, daß das Wasser krystallisirt (zu Eis wird), jede Zersetzung durch
dasselbe unmöglich macht. (Aufbewahrung durch Kälte, durch Gefrieren.)
Abhalten der Luft, bisher als so wesentlich zur guten
Erhaltung betrachtet, hat nur einen sehr bedingten Werth für die Aufbewahrung, und
gar keinen, wenn den aufzubewahrenden Körpern, oder wenigstens den zersetzbarsten
Theilen derselben (dem Eiweißstoff) nicht zugleich durch Hitze oder luftleeren Raum
Wasser entzogen wurde, oder wassereinsaugende, oder wasserbindende Körper zugleich
mit in Anwendung kommen.