Titel: Ueber das Steinkohlengas; vom Bergingenieur de Marsilly.
Fundstelle: Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXIX., S. 267
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LXIX. Ueber das Steinkohlengas; vom Bergingenieur de Marsilly. Aus den Comptes rendus, t. LIV p. 1272 und t. LV p. 109. de Marsilly, über das Steinkohlengas. In einer Abhandlung, welche ich im Jahre 1858 der (französischen) Akademie der Wissenschaften einreichtePolytechn. Journal Bd. CXLIX S. 126., habe ich die Elementar-Zusammensetzung der Steinkohlenvarietäten mitgetheilt, welche aus England, Belgien, so wie aus den Becken von Valenciennes und Pas-de-Calais nach dem nördlichen Frankreich verkauft werden. Es schien mir nicht weniger nützlich, die Producte zu studiren, welche die Steinkohlen bei ihrer Zersetzung durch die Einwirkung der Wärme geben; diese Producte sind zweierlei Art, nämlich flüssige und gasförmige. In dieser Abhandlung bespreche ich nur die gasförmigen. Für technisch-chemische Untersuchungen ist eine große Genauigkeit bei den analytischen Methoden nicht nothwendig, man muß aber viele Thatsachen mit einem hinreichenden Grad von Genauigkeit beobachten. Meine Aufgabe war daher, eine große Anzahl von Gasen zu analysiren. Ich fieng die Gase stets über Quecksilber in Röhren von 20 Kubikcentimeter Inhalt auf, welche in ganze und Zehntel-Kubikcentimeter getheilt waren. Zum Absorbiren der Kohlensäure und des Schwefelwasserstoffes wurde Aetzkali angewandt; hernach mit Pyrogallussäure versetzt, absorbirte dasselbe den Sauerstoff. Die rauchende Schwefelsäure wurde zum Absorbiren des ölbildenden Gases und der anderen stark gekohlten Gase (gaz polycarbonés) angewendet; durch die eudiometrische Analyse des Rückstandes bestimmte man dann das Sumpfgas, das Kohlenoxyd, den Wasserstoff und Stickstoff. Die Einwirkung der rauchenden Schwefelsäure auf das Steinkohlengas darf man nicht über 24 Stunden verlängern; 12 Stunden reichen hin; denn sonst zersetzt sie merklich das Sumpfgas. Die einfach-gewässerte Schwefelsäure absorbirt auch die starkgekohlten Gase; aber ihre Wirkung ist langsam. Das Brom gewährt bei feiner Anwendung keine Sicherheit; es wirkt in merklicher Weise auf das Sumpfgas und auf den Wasserstoff. Den Alkohol kann man zur Trennung der starkgekohlten Gase von einander nicht benutzen. Nach den Resultaten verschiedener Proben muß ich die analytische Methode, welche auf der Anwendung der Nordhäuser Schwefelsäure beruht, als hinreichend genau betrachten. Die Steinkohlen, auf welche sich meine Untersuchungen erstreckten, zerfallen in fünf Classen: 1) magere Steinkohlen; 2) halbmagere; 3) fette (backende) Schmiedekohlen; 4) fette Kohlen mit langer Flamme; 5) trockene Kohlen mit langer Flamme. Einerseits wurde der Gehalt jeder Kohle an Asche und ihre Elementar-Zusammensetzung (Gehalt an Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff) bestimmt; dann wurden die Gase analysirt, welche man erhielt indem man 8 bis 10 Gramme der Kohle in einer mit einem Messingblech umgebenen Rohre aus strengflüssigem Glase, oder 800 bis 1000 Gramme in einer Steinzeugretorte calcinirte. Die magere französische Steinkohle, welche ich probirte, gibt 216 Liter Gas per Kilogr.; dieses Gas ist sehr leicht, wenig leuchtend und besteht aus 14,61 Sumpfgas, 5,58 Kohlenoxyd und 79,71 Wasserstoff. Die halbmageren Steinkohlen geben viel mehr Gas, bis 300 Liter per Kilogr.; dasselbe enthält eine sehr geringe Menge starkgekohlter Gase und Sumpfgas in ziemlich großem Verhältniß aber das Kohlenoxyd und der Wasserstoff sind darin hauptsächlich vorherrschend. Durch ein langsames Calciniren erhält man viel weniger Gas als durch ein rasches Calciniren; der Unterschied in der Ausbeute beträgt 30 bis 40 Procent. Wenn man die fetten Schmiedekohlen im Oelbad auf 300 bis 320° C. erhitzt, so erhält man per Kilogramm, wenn die Steinkohle frisch ist, 3 bis 4 Liter eines brennbaren Gases, welches sehr leuchtend ist. Bei einer Probe solcher Steinkohle von Agrappe, Becken von Mons, fand ich daß dieses Gas aus Stickstoff und Sumpfgas bestand; letzteres waltet vor; es befindet sich darin sehr wenig Wasserstoff und Kohlenoxyd; von starkgekohlten Gasen waren nur Spuren vorhanden, dieselben waren vielleicht schon entwichen, obgleich die Steinkohle noch nicht lange an freier Luft gelegen hatte. Das Gas der fetten Schmiedekohlen unterscheidet sich von dem Gase der halbfetten Steinkohlen dadurch, daß: a) 100 Theile Gas eine größere Menge Sauerstoff verbrennen; b) dasselbe eine beträchtliche Menge starkgekohlter Gase enthält. Die fetten (backenden) Steinkohlen mit langer Flamme sind diejenigen, welche man insbesondere zur Gasfabrication anwendet. Aus meinen zahlreichen Versuchen mit denselben ziehe ich folgende Schlüsse: 1) die fetten Steinkohlen mit langer Flamme geben beiläufig 300 Liter Gas per Kilogramm; 2) frisch aus der Grube gefördert, geben sie mehr Gas, als wenn sie einige Zeit lang an der Luft gelegen sind; 3) die frischen Steinkohlen geben mehr von starkgekohlten Gasen und weniger Wasserstoff als die schon seit langer Zeit aus der Grube geförderten; 4) das langsame Calciniren erzeugt weniger Gas als das rasche Calciniren; letzteres hat den Vortheil, die Bildung starkgekohlter Gase zu veranlassen; 5) die Gase, welche man durch Erhitzen der Steinkohle auf 300° C. erhält, sind: für die Steinkohlen aus Gruben mit schlagenden Wettern, hauptsächlich Sumpfgas; für die Steinkohlen aus Gruben ohne schlagende Wetter, Stickstoff und Kohlensäure. Ich habe auch untersucht, ob das Steinkohlengas lange Zeit ohne Veränderung über Wasser aufbewahrt werden kann; nach vierzig Tagen fand ich einen Unterschied in seiner Zusammensetzung, es enthielt ein größeres Verhältniß von Wasserstoff. Die trockenen Steinkohlen, wie die Flénukohlen von Mons, verändern sich an der Luft weniger als die fetten Steinkohlen. Die Ausbeute an Gas ist nicht so hoch wie bei den guten fetten Steinkohlen mit langer Flamme; nach der Analyse des Gases ist dasselbe aber als gut zur Beleuchtung zu betrachten. An dieser Steinkohle habe ich hauptsächlich die Zusammensetzung des sich nach und nach entwickelnden Gases studirt; die starkgekohlten Gase entwickeln sich am Anfang, und gegen das Ende der Operation nicht mehr; das Sumpfgas verbleibt bis zum Ende, wo sich dann aber weniger entwickelt als am Anfang; das Verhältniß des Kohlenoxyds nimmt wenig zu, aber dasjenige des Wasserstoffs wird sehr beträchtlich. Die von mir angestellten Versuche zeigen, daß es sehr wichtig ist, bei der Gasbereitung: 1) nur frische und vor kurzem aus der Grube geförderte Steinkohlen anzuwenden; 2) die Retorte schnell zu heizen und die Steinkohlen rasch zu calciniren; 3) das Gas nicht lange im Gasometer aufzubewahren. Bezüglich der Verbrennung und der Fabrication des Gases wird uns durch dieselben das so verschiedene Verhalten der Steinkohlen erklärlich. Die mageren Steinkohlen entbinden fast nur Wasserstoff und eine geringe Menge Kohlenoxyd; die Flamme ist heiß und kurz; sie eignen sich nicht zur Leuchtgasbereitung. Die halbfetten Steinkohlen geben ein viel größeres Verhältniß von Gas, aber der Wasserstoff herrscht vor, und obgleich das Sumpfgas in beträchtlichem Verhältniß vorhanden ist, eignen sie sich doch nicht zum Heizen der Flammöfen; das Gas, welches sie erzeugen, ist nicht leuchtend. Die fetten Schmiedekohlen liefern die starkgekohlten Gase und das Sumpfgas in starkem Verhältniß, aber die Menge des gewonnenen Gases ist nicht beträchtlich; auch geben diese Steinkohlen eine kurze und heiße Flamme; man wendet sie nicht zur Leuchtgasfabrication an. Die fetten Steinkohlen mit langer Flamme sind hingegen zu dieser Verwendung sowie zum Heizen sehr geeignet; das Gas, welches sie liefern, hat eine sehr wandelbare Zusammensetzung und enthält stets eine große Menge von Sumpfgas; das Verhältniß von stark gekohltem Gase variirt darin von 5 bis 16 Procent. Die trockenen Steinkohlen endlich entwickeln und verbrennen mehr Wasserdampf als die vorhergehenden, das Gas enthält mehr Wasserstoff; auch ist die Flamme weniger heiß; sie eignen sich zum Heizen der Dampfkessel und zur Leuchtgasfabrication. Einwirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle. – Die Lösungsmittel wirken nicht auf die mageren Steinkohlen, hingegen auf die anderen Steinkohlenarten; man kann vermittelst derselben kleine Mengen flüssigen Kohlenwasserstoffs ausziehen, einen gefärbten und einen ungefärbten; ersterer hat eine viel größere Dichtigkeit als der andere, er ist, ein schweres Oel, der zweite ein leichtes Oel; sie zersetzen sich bei einer Temperatur von ungefähr 180° C., wobei sie einen kohligen Rückstand hinterlassen und einen starken Geruch von Holzessig ausdünsten.