Titel: | Ueber die bei der Schwefelsäure-Fabrication beobachteten Krystalle; von Dr. R. Weber. |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XIII., S. 59 |
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XIII.
Ueber die bei der
Schwefelsäure-Fabrication beobachteten Krystalle; von Dr. R. Weber.
Aus den Berichten der Akademie der Wissenschaften zu
Berlin, 1862, S. 121.
Weber, über die Krystalle, welche sich bei der
Schwefelsäurefabrication bilben.
Ueber die Zusammensetzung der Bleikammerkrystalle herrschen verschiedene Ansichten.
Nach Clement und Desormes,
welche diese Verbindung zuerst beobachteten, besteht dieselbe aus Schwefelsäure und
Stickoxydgas. Dieser Ansicht tritt auch A. Rose bei,
welcher durch Einleiten von Stickoxyd in concentrirte Schwefelsäure obige Krystalle
erhielt. Gaultier de Claubry, de la Provostaye und Mitscherlich halten sie für eine Verbindung von
Schwefelsäure mit salpetriger Säure. Otto nimmt darin
Untersalpetersäure, verbunden mit Schwefelsäure an; derselben Ansicht ist Weltzien, welcher aus seinen Analysen für die Substanz
die Formel 6SO³+ 2NO⁴ + 4HO ableitet.
Um die Krystalle zunächst frei von anhaftender Säure darzustellen, wurde trockene
schweflige Säure in rauchende Salpetersäure geleitet. Die Salpetersäure befand sich
in einer weithalsigen Kochflasche, welche während der Operation gut abgekühlt wurde,
ein Haupterforderniß für eine reichliche Ausbeute.
Das Einleiten wurde so lange fortgesetzt, bis der Inhalt des Kolbens breiartig
geworden, ein Theil der Salpetersäure aber noch unzersetzt geblieben war. Die
breiige Masse wurde in dünner Lage auf einen getrockneten Ziegelstein gebracht und
damit unter eine Glocke neben Schwefelsäure gestellt.
Nach zwei bis drei Tagen erscheint die Masse schneeweiß, die Salpetersäure ist in den
Stein gedrungen, die Krystallblättchen der Verbindung sind trocken und werden dann
mit einem Platinbleche von dem Stein abgehoben.
Es ist sehr wesentlich, daß etwas Salpetersäure unzersetzt bleibt. Die Krystalle sind
nämlich in dieser Säure wenig löslich. Die von Säure durchdrungenen Krystalle werden
auf dem porösen Steine leicht getrocknet, weil die Säure an den Krystallen wenig
haftet. Die Schwefelsäure dagegen löst die Verbindung sehr leicht und bildet dann
ein wenig flüssiges, öliges Liquidum, welches von den Krystallen nicht so
vollständig getrennt werden kann.
Durch Einwirkung von Untersalpetersäure auf englische Schwefelsäure erhält man
dieselbe Verbindung, jedoch weniger frei von anhaftenden Säuren.
Feuchte schweflige Säure mit Untersalpetersäure gibt dasselbe Product.
Zur Ermittelung der Zusammensetzung wurden bestimmt: 1) die Schwefelsäure, 2) das
Wasser, 3) der Stickstoff, 4) der Sauerstoff, welcher, an Stickstoff gebunden,
denselben höher als zu Stickoxyd oxydirt hatte.
Für die Wägungen wurde die Substanz in ein Glasröhrchen mit gut schließendem
Korkstöpsel gebracht und gewogen, was mit aller Sicherheit geschehen konnte. Zu den
Analysen wurde die durch Einleiten von schwefliger Säure in rauchende Salpetersäure
erhaltene Masse benutzt.
1) Schwefelsäurebestimmung. Das Glasröhrchen mit der
Substanz wurde in Wasser, gebracht, die Schwefelsäure durch Chlorbaryumlösung
gefällt, der Niederschlag getrocknet und geglüht. Darauf mit verdünnter Salzsäure
ausgekocht, um die löslichen Barytsalze, die durch Wasser nicht zu entfernen sind,
fortzuschaffen. Man erhielt 64,3, 63,9, 64,0 und 64,1 Proc. Schwefelsäure. Die aus
Schwefelsäure und Untersalpetersäure bereitete Masse ergab 65,1 Proc., also nahe
dieselbe Menge Schwefelsäure.
2) Wasserbestimmung. In ein Verbrennungsrohr, am vorderen
Ende ausgezogen, wurde eine 6 Zoll lange Schicht von Kupfer gebracht und hinter
diese eine Schicht frisch ausgeglühter Talkerde. Die Substanz wurde dann auf die
Talkerde geschüttet und mit einer Schicht Talkerde bedeckt. Hierauf wurde das
Glasröhrchen mit dem Reste der Substanz in das Rohr gelegt und darauf durch dasselbe
ein Strom von sorgfältig getrockneter Luft geleitet. Am vorderen Ende des
ausgezogenen Verbrennungsrohres befanden sich zwei gewogene Chlorcalciumröhren. Die
Gewichtszunahme letzterer Röhren betrug auf 100 Theile 10,0, 10,3, 10,5 und 9,5
Proc. Das Wasser enthielt stets Spuren von Säure, obgleich die 6 Zoll lange Kupferschicht
völlig glühte, wohl in Folge der geringen Zersetzung der erzeugten schwefelsauren
Talkerde.
3) Stickstoffbestimmung. Das Verbrennungsrohr war wie oben
beschrieben hergerichtet, nur war vorn ein Gasleitungsrohr statt des
Chlorcalciumrohres eingesetzt. Durch einen Gasometer wurde ein Strom reiner
Kohlensäure über den Inhalt des Rohrs geleitet, welche den Stickstoff in eine über
Quecksilber gesperrte Glocke führte. Nach Entfernung der Kohlensäure durch Kali
fanden sich in der Glocke 10,3, 10,0, 10,2 und 10,1 Proc. Stickstoff. Das Gas wurde
auf Stickoxyd mit Eisenvitriol geprüft, es wurde indeß durch die concentrirte Lösung
des Salzes nichts absorbirt, so daß keine Correction in dieser Beziehung einzuführen
war.
4) Die Sauerstoffbestimmung ist für die Ermittelung der
Zusammensetzung sehr wesentlich; sie ist bei den früher angestellten Untersuchungen
nicht ausgeführt worden. Die gewogene Substanz wurde in dem Gläschen mit
concentrirter reiner Schwefelsäure übergossen und gelöst, das Gläschen in eine
Kochflasche gebracht, welche eine mit Schwefelsäure versetzte Lösung einer gewogenen
Menge von Eisenvitriol enthielt und in welcher die Luft durch Kohlensäure verdrängt
war. Das nicht oxydirte Eisenoxydul wurde, nach der Entfernung des Stickoxyds durch
Kochen mit Chamäleon zurückgemessen. Es wurde auf diese Weise der Sauerstoff
gefunden, welchen die Verbindung außer dem im Stickoxyd enthielt. Ohne Anwendung des
Lösungsmittels erhält man keine genauen Resultate, weil die Krystalle sich zu
schnell in der Eisenvitriollösung zersetzen. Daß diese Titrirmethode für die
Bestimmung der salpetrigen Säure brauchbar ist, wurde durch die Analyse von
salpetrigsaurem Silberoxyd festgestellt. Man fand Sauerstoff über NO²: 5,8,
5,8, 6,3 und 6,0 Proc.
Diese Werthe führen zu der Formel 2SO³ + HO + NO³, nach welcher die
Substanz enthalten müßte:
SO³
63,9
64,0
2.
63,01
HO
9,5
10,5
1.
7,06
N
10,0
10,3
1.
11,03
O
5,8
6,3
3.
6,30
Die Krystalle enthalten also einen kleinen Ueberschuß an Schwefelsäure und etwas mehr
Wasser, als nach obiger Formel darin seyn dürfte, was seine Erklärung in der nicht
vollkommen erfolgten Trocknung durch den Ziegelstein findet.
Dagegen ist die Sauerstoffbestimmung für die Oxydationsstufe des Stickstoffes
entscheidend. Wäre darin NO² enthalten, so müßte für den Sauerstoff der Werth O gefunden
seyn, enthielte die Masse NO⁴, wie Weltzien
annimmt, so würden nach seiner Formel 3SO³ + 2HO + NO⁴ sich haben 8,7
Proc. Sauerstoff ergeben müssen. Wie die gefundenen Zahlen beweisen, weichen die
Werthe nur wenig unter einander ab und erreichen niemals diese Größe, so daß die
Annahme von Untersalpetersäure unzulässig ist.
Die Formel für die Krystalle läßt sich auch SO³, HO + SO³, NO³
schreiben; dann sind dieselben eine Verbindung von Schwefelsäurehydrat mit
schwefelsaurer salpetriger Säure.
Bei der Einwirkung von Untersalpetersäure auf Schwefelsäurehydrat würde dann ein
Theil Wasser durch salpetrige Säure ersetzt und Salpetersäurehydrat gebildet
werden:
2 (SO³, HO); NO³, NO⁵ = SO³, HO +
SO³, NO³; NO⁵, HO.
Es findet nicht eine einfache Absorption der NO⁴ von der Schwefelsäure statt,
denn die Masse wird durch einen Ueberschuß von NO⁴ niemals trocken, vielmehr
enthält sie stets Flüssigkeit, wohl Salpetersäurehydrat, imbibirt.
Durch Einwirkung von wasserfreier Schwefelsäure und Untersalpetersäure entsteht unter
Gasentbindung eine unzersetzt schmelzbare, weiße, harte, krystallinische Verbindung
von hohem specifischem Gewichte, welche annähernd die Zusammensetzung 2SO³ +
NO³ hat, also die wasserfreie Verbindung ist. Dieselbe löst sich, obgleich
sie 70 Proc. SO³ enthält, in Wasser ohne heftige Reaction auf. Durch Erhitzen
entweichen braune Dämpfe. Setzt man die Destillation fort, so nähert sich die
übergegangene Masse in ihrer Zusammensetzung der Formel 3SO³ + NO³.
Eine scharfe Trennung beider ist bis jetzt nicht gelungen. Der Verf. ist bemüht
dieselbe zu bewerkstelligen. Ebenso ist er beschäftigt, das Verhalten der
wasserfreien Schwefelsäure zur selenigen Säure, so wie das der Untersalpetersäure zu
anderen wasserfreien Säuren zu ermitteln.