Titel: Die Bildung des salpetrigsauren Ammoniaks aus Wasser und atmosphärischer Luft, von C. F. Schönbein.
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XXXVI., S. 147
Download: XML
XXXVI. Die Bildung des salpetrigsauren Ammoniaks aus Wasser und atmosphärischer Luft, von C. F. Schönbein. Ueber die Bildung des salpetrigsauren Ammoniaks aus Wasser und atmosphärischer Luft. Schönbein vermuthete, daß sich salpetrigsaures Ammoniak aus denselben Substanzen, welche es bei der Zersetzung in der Hitze liefert und unter ähnlichen äußeren Verhältnissen bilden lasse, und seine Versuche (Journal für praktische Chemie, Bd. LXXXVI S. 131) haben ihm diese Voraussetzung bestätigt. Fängt man die Dämpfe, welche einzelne in einem heißen Platintiegel, ohne das Leidenfrost'sche Phänomen zu zeigen, verdampfende Wassertropfen erzeugen, in einer Flasche auf, so gibt das Wasser oft, jedoch nicht immer, mit chemisch reiner Schwefelsäure und Jodkaliumkleister die Reaction auf salpetrige Säure und entwickelt auf Zusatz von Kali so viel Ammoniak, daß sich Curcumapapier bräunt und sich um einen mit Salzsäure benetzten Glasstab Nebel bilden. Das Nitrit entsteht auch beim Verdampfen von Wasser in silbernen, kupfernen, eisernen, thönernen u.a. Gefäßen. Den Grund der so sehr verschiedenen Ausbeute vermuthet Schönbein in der Verschiedenheit der Temperatur. In größeren Mengen kann man das Ammoniaknitrit erhalten, wenn man in eine leere erhitzte Destillirblase nach und nach nur kleine Mengen Wasser einträgt, und erst dann neue Portionen eingießt, wenn die ersten vollständig verdampft sind. Das mit Schwefelsäure versetzte Destillat bläut Jodkaliumkleister und entfärbt beim Erwärmen übermangansaures Kali. Mit Kali entwickelt es Ammoniak. Größere Mengen solchen Wassers hinterlassen beim Eindampfen mit wenig Kali einen Rückstand, der mit Schwefelsäure braune Dämpfe entwickelt, übermangansaures Kali entfärbt u.s.w., die mit Schwefelsäure oder Salzsäure abgedampfte Flüssigkeit enthält Ammoniak. Auch bei der Darstellung im Großen wird oft gar kein Nitrit erhalten, während in anderen Fällen der Gehalt des Destillats an demselben sehr bedeutend ist. – Auch die Papierstreifen, welche man den Dämpfen in einer Porzellanschale siedenden Wassers aussetzt, nehmen mit dem Wasser Nitrit auf; zweckmäßiger jedoch ist es, wenn man sich von der Gegenwart des Nitrits in den Dämpfen überzeugen will, mit Kalilauge oder mit einer Säure getränkte Papier- oder Leinwandstreifen zu verwenden. – Auch bei niederen Temperaturen, z.B. bei 40–70° C. verdampfendes Wasser liefert nach längerer Zeit (einem halben Tage) das Nitrit und in der rückständigen Flüssigkeit ist dasselbe gleichfalls nachweisbar. Verdampft man kalihaltiges Wasser unter diesen Umständen unter Ersatz der Flüssigkeit mehrere Tage, so läßt sich im Rückstande viel salpetrige Säure auffinden. Selbst bei gewöhnlicher Temperatur entsteht das Nitrit noch. Läßt man mit reinstem Wasser getränktes Filtrirpapier in einem verschlossenen oder offenen Zimmer trocknen, so bläut der wässerige Auszug desselben nach Zusatz von Schwefelsäure den Jodkaliumkleister. Ferner bildet sich in nasser Leinwand das Nitrit, so daß Schönbein darauf ein Verfahren gründet, sich rasch große Mengen des Nitrits zu verschaffen. Daher enthält auch das Wasser, mit welchem man gewaschenes Linnenzeug auszieht, das Nitrit. Ebenso finden sich in dem Filtrirpapiere Spuren des Salzes. Hat man mit Wasser angefeuchteten Sand trocknen lassen, so läßt sich aus demselben gleichfalls das Nitrit gewinnen. Auch fand Schönbein, daß Deckplatten aus böhmischem Kaliglase, welche Jahre lang in einer vom Laboratorium entfernten Vorrathskammer gelegen hatten und noch nicht gebraucht worden waren, beim Befeuchten, namentlich an der mattgeschliffenen Seite, Jodkaliumkleister bei Gegenwart von Schwefelsäure auf das Augenfälligste bläuten; auch das Wasser, mit welchem sie abgewaschen wurden, gab diese Reaction. Andere ungebrauchte Glasgeräthschaften (Retorten, Röhren u.s.w.) verhielten sich ähnlich, gaben aber schwächere Reactionen. Es war also durch Umsetzung aus dem Ammoniaknitrit Kalinitrit entstanden, das sich in der ozonfreien Atmosphäre nicht höher oxydirt hatte. Es ist in dem Rückstande von verdunstendem Wasser um so mehr Nitrit vorhanden, je geringer dieser verhältnißmäßig ist; war das Wasser kalihaltig, so fallen, wie bemerkt, die Reactionen noch stärker aus, und daher kommt es auch, daß kalkhaltiges Quellwasser mehr Nitrit liefert als destillirtes, und mit kalihaltigem Wasser benetztes jodkaliumhaltiges Stärkepapier, das einige Tage in einem verschlossenen Zimmer gehangen hat, durch Schwefelsäure augenblicklich auf das Tiefste gebläut wird. In Hinsicht auf den Entstehungsmodus des salpetrigsauren Ammoniaks nimmt der Verf. vorläufig an, daß sich der Stickstoff der Atmosphäre unmittelbar mit dem verdampfenden Wasser verbinde; ob die Dampfform des Wassers unerläßlich sey, läßt er unentschieden, macht aber darauf aufmerksam, daß sich in Wasser, welches mehrere Wochen in einem verschlossenen Gefäße mit viel Luft in Berührung war, kein Nitrit nachweisen ließ. Diese Beobachtungen erklären nun das Vorkommen des salpetrigsauren Ammoniaks und seiner Derivate unter verschiedenen Verhältnissen. Schon Th. v. Saussure beobachtete bei der Verbrennung des Wasserstoffs in stickgashaltigem Sauerstoffe neben der Bildung von salpetriger Säure, die er für Salpetersäure hielt, auch die Bildung von Ammoniak. In den Verbrennungsproducten der Holzkohle, welche man durch Abkühlen condensirt, läßt sich Ammoniak und salpetrige Säure nachweisen, ebenso in den Verbrennungsproducten des Holzes, was Schönbein dadurch erörterte, daß er einen mit Wasser getränkten Schwamm 12 Stunden lang in den Rauchfang seines Laboratoriums hing, in welchem nur Holz als Heizmaterial verwendet wird. Auch ein über einer gewöhnlichen Oellampe aufgehängtes feuchtes Schwämmchen nimmt binnen 1/4 Stunde nachweisbare Mengen Ammoniaknitrit auf. Bei der Verbrennung von Steinkohlen bildet sich das Nitrit auch, nur ist aus begreiflichen Gründen nur wenig salpetrige Säure vorhanden, sondern hauptsächlich schwefelsaures Ammoniak. Unter den Producten, welche bei der Verbrennung von PhosphorPhospor in feuchter Luft entstehen, ist Ammoniak vorhanden und in der Luft der Glasglocke, in welcher die Verbrennung vorgenommen wurde, lassen sich mit Ozonpapier Spuren Stickoxyd und Untersalpetersäure auffinden. Geschieht die Verbrennung des Phosphors langsam, so läßt sich noch unzersetztes Ammoniaknitrit in der Luft erkennen. Erhält man Arsen in einem abgeschlossenen Luftraume nahezu bei der Temperatur, bei welcher es im Dunkeln leuchtet (200°), so entsteht arsenigsaures Ammoniak; salpetrige Säure ist nicht nachweisbar, wohl, weil sie unmittelbar nach der Entstehung zersetzt wird, wofür die Gegenwart kleiner Mengen Arsensäure unter den Verbrennungsproducten zu sprechen scheint. Das Wasser, über welchem Schwefel in der atmosphärischen Luft verbrannt wird, enthält neben schwefliger Säure und wenig Schwefelsäure auch Spuren Ammoniak, von welchem auch die englische Schwefelsäure, so weit sie Schönbein bis jetzt untersucht hat, niemals ganz frei ist. So erklärt sich auch das Vorkommen von Salmiak in vulcanischen Gegenden. Auf Grund dieser Thatsachen glaubt der Verf. sich zu der Annahme berechtigt, daß bei der spontanen Nitrification diese Bildung des Ammoniaknitrits die Hauptrolle spiele. Das durch Umsetzung entstehende Kalinitrit werde in fortwährender Berührung mit ozonhaltiger Luft in Nitrat verwandelt. In unseren regenreichen Gegenden können sich die salpetersauren Salze im Freien nicht anhäufen, woher es rührt, daß im Quell-, Fluß- und Seewasser fast stets Spuren eines Nitrats angetroffen werden. In tropischen Ländern sind dagegen die Bedingungen der Ansammlung des Salpeters günstig. Es versteht sich von selbst, daß auch das Ammoniak des Nitrits dabei in Salpetersäure übergeführt werde. Stickstoffhaltige organische Substanzen sind daher zur Bildung von Salpeter nicht unbedingt erforderlich: in einigen Theilen Bengalens z.B. bildet sich Salpeter auch ohne diese. Die angeführten Beobachtungen stimmen ferner mit der Thatsache überein, daß die Pflanzen den Stickstoff nur in Form einer Verbindung aufnehmen und erklären den Ursprung dieses Nahrungsmittels der Vegetabilien. Endlich hebt Schönbein noch hervor, daß in chemisch reinem Kalihydrat, in Kalkhydrat und selbst in gebranntem Kalke Spuren salpetriger Säure nachweisbar sind, deren Ursprung aus dem Angeführten zu erklären wäre. (Chemisches Centralblatt, 1862, Nr. 40.)