Titel: Ueber die Veränderungen, welche gewisse Bestandtheile des Weines beim Umschlagen desselben erleiden; von A. Béchamp.
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XXXVII., S. 150
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XXXVII. Ueber die Veränderungen, welche gewisse Bestandtheile des Weines beim Umschlagen desselben erleiden; von A. Béchamp. Aus den Comptes rendus, t. LIV p. 1148. Béchamp, über die Veränderungen, welche gewisse Bestandtheile des Weines beim Umschlagen desselben erleiden. Um über die Verfälschungen zu entscheiden, welche mit gewissen Weinen vorgenommen werden, gibt ihr Extractgehalt den sichersten Anhaltspunkt. Um denselben zu bestimmen, sollte man höchstens 10, besser 5 Kubikcentimeter Wein im Wasserbad verdampfen, den Rückstand in der tarirten Schale bei 100–120° C. austrocknen und dieselbe, nachdem sie über Schwefelsäure erkaltet ist, auf einer sehr empfindlichen Waage wiegen. Diese Bestimmung ist in einer Stunde vollendet und sehr genau. Bei einer Reihe von Versuchen, welche ich mit rothen Weinen aus dem Herault-Departement anstellte, ergab sich, daß diese per Liter selten weniger als 21 Grm. organische Substanz im ExtractBestimmt durch Subtraction des Aschengehalts von der Extractmenge. enthalten, meistens 22–25 Grm. Die Weine der geringeren Lage oder der jungen Stöcke enthalten noch 18–19 Grm. Merkwürdig ist, daß die so dunkel gefärbten Weine von Roussillon und Narbonne doch nicht viel mehr Extract enthalten. In den nicht gegypsten Weinen ist auch der Kaligehalt sehr übereinstimmend, so daß man daraus erkennen könnte ob der Wein verdünnt wurde oder nicht. Indessen haben andere Versuche gezeigt, daß der Kaligehalt aus unbekannten Ursachen sehr wechseln kann, daher sich die Kalibestimmung nicht als Controle benutzen läßt; auch wird, wenn der Weinstein in einem Weine zunimmt, der Extractgehalt zu hoch ausfallen. Die freiwillige Umwandlung des Weines, welche man mit Umschlagen bezeichnet, ist andererseits eine Ursache der Vermehrung des Kaligehaltes, und veranlaßt nicht die Verminderung des Extractgewichtes. Die betreffenden Versuche haben dargethan, daß die Veränderungen, welche man dieses Jahr an den Weinen bemerkt, weit entfernt, das Extractgewicht zu vermindern, dasselbe zu vermehren geneigt sind, wenigstens in dem Falle, wo die Veränderung in Berührung mit der Hefe erfolgt; im entgegengesetzten Falle findet ein Unterschied nicht statt. Um die Veränderungen zu bestimmen, welche die näheren Bestandtheile des Weines beim Umschlagen desselben erleiden, muß man die Zusammensetzung des Extracts der gesunden Weine kennen. Pasteur hat darin schon Glycerin und Bernsteinsäure nachgewiesen. Bekanntlich enthalten sie ursprünglich Weinstein und vielleicht auch freie Weinsteinsäure. Der Zucker ist ebenfalls ein constanter Bestandtheil der Weine, sowohl der jungen als der alten. Endlich bleibt nach Erschöpfung des Extractes mit alkoholhaltigem Aether und hernach mit Alkohol ein schleimiges Product zurück, welches mir aus einer dem Dextrin des Holzstoffs ähnlichen Substanz zu bestehen schien, rechtsdrehend ist und durch verdünnte Schwefelsäure in Zucker übergeführt werden kann. Das chemische Kennzeichen eines umgeschlagenen Weines ist, daß er keinen Zucker mehr enthält, und bei gänzlicher Verderbniß weder Glycerin, noch eine in Zucker zu verwandelnde Substanz. Diese Stoffe, das Glycerin ausgenommen, finden sich als Milchsäure vor, woraus sich der Umstand erklärt, daß der Extractgehalt sich nicht ändert. Seitdem ich diese Thatsachen und die Zunahme des Kalis in den umgeschlagenen Weinen constatirt habe, erfuhr ich, daß man stets das Verschwinden des Weinsteins aus den Fässern bei längerer Berührung derselben mit umgeschlagenem Weine wahrnimmt. Das Destillationsproduct aller Weine ist sauer, aber das von umgeschlagenem Weine ist es in noch höherem Grade. Da das Glycerin verschwindet, so hielt ich es für wahrscheinlich, daß es in Propionsäure (Metacetonsäure) übergeht, und durch einen directen Versuch erhielt ich in der That eine Substanz, welche alle Eigenschaften dieser Säure zeigte. Balard hat das Milchsäureferment in den umgeschlagenen Weinen gefunden.Polytechn. Journal Bd. CLXIII S. 390. Dem Erscheinen desselben gehen ähnliche Kügelchen wie die der Hefe vorher, und wenn der ganz umgeschlagene Wein in ein weiteres Stadium der Verderbniß (die Fäulniß) übergeht, so findet man außer dem Milchsäureferment eine Masse Vibrionen darin. Ich habe ferner beobachtet, daß während ein Wein umschlägt, sich kein Gas entwickelt, und daß auch jede Gasentwickelung aufhört, wenn ein Wein während der Gährung – mit Kohlensäureentwickelung – umschlägt. Dieß stimmt mit der Beobachtung Pasteur's überein, daß beim Uebergang der alkoholischen in die Milchsäure-Gährung alle Gasentwickelung aufhört, selbst dann, wenn noch viel Zucker vorhanden ist. Der Grund davon ist, daß in dem einen wie in dem anderen Falle die Milchsäure auf Kosten des Zuckers entsteht.