Titel: Ueber die patentirten Philippi'schen Achsenlager.
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LXXII., S. 335
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LXXII. Ueber die patentirten Philippi'schen Achsenlager. Ueber die Philippi'schen Achsenlager. Zu den bedeutendsten, stets wiederkehrenden Ausgaben für Reparaturen beim Eisenbahnbetriebe gehören unstreitig jene für die Erneuerung der Zapfenlager zu den Achsen der Waggons, und es ist daher von vielen Ingenieuren versucht worden, diese Ausgaben auf ein größeres Mindermaaß zu stellen. Eine durchschlagende allgemein aufgenommene Neuerung in diesem Zweige ist indeß uns nicht zur Kenntniß gekommen. Viele Ingenieure haben die Weißgußlager angenommen, die meisten bleiben aber bei den alten Rothgußlagern, einige ziehen für schwere Belastung die Rothgußlager den Weißgußlagern vor, und wenden letztere nur für leichte Belastungen an. In Oesterreich behauptet man gefunden zu haben, daß die Weißgußlager, namentlich die Ausfüllungen von Weißguß in Rothgußlager, die Achsen verderben. In Rußland ist Buquiot's Mischung beliebt, in England sind hin und wieder die Quecksilbermischungen angenommen worden. In Amerika sind gußeiserne Lagerschalen mit Hanfpackungen in Vorschlag gebracht worden. Wir sind nun in der Lage, von einer Neuerung berichten zu können, welche wir der Aufmerksamkeit unserer Eisenbahningenieure bestens empfehlen. Der Eisenwerkbesitzer Philippi bei Stromberg in Rheinpreußen ist Mitbesitzer eines industriellen Etablissements, auf dem er in Eisenblech Hohlgefäße aller Art, namentlich Kochgeschirre, preßt. Nach der Pressung werden diese Gefäße einer Politur auf der Drehbank unterworfen, wobei die Drehbankspindel eine Geschwindigkeit von 500 bis 600 Umdrehungen in der Minute hat. Die Belastung der Spindel ist 15 bis 20 Centner. Das Lager der Spindel hat eine Querschnittsfläche von 6 Quadratzoll. Die reibende Kraft auf diesem Lager ist so stark, daß bei voller Schmiere innerhalb zwei Monaten die Lager in Rothguß ausgeschliffen waren, und schon nach den ersten vier Wochen zitternde Bewegungen der Drehbankachse veranlaßten. Hr. Philippi war daher genöthigt, auf eine Verbesserung dieser Lager zu sinnen. Er gieng dabei von der Grundanschauung aus, daß die Reibung von Metall auf Metall stets Wärme erzeuge, und daß, da starke Wärmeerzeugung stets der Begleiter starker Reibung ist, die Reibung von Metall auf Metall noch immer eine zu große seyn müsse. Die Thatsache, daß man zwischen die reibenden Flächen einen vegetabilischen Körper (Oel) bringen müsse, um die Reibung und Wärmeerzeugung zu vermeiden, spricht dafür, daß Metall und vegetabilischer Körper eine mindere Reibung veranlassen. Es kam also darauf an, einen vegetabilischen Ersatz für das metallische Lager zu finden. Die Schwierigkeit dabei war, daß nur die zarteren vegetabilischen Körper gewählt werden können und diesen gerade eine große Festigkeit abgeht, eine Festigkeit welche bei der Waggonachse so groß seyn muß, daß sie der centrifugirenden, 500 Fuß in der Minute (bei 3'' Achse) zurücklegenden, 75 Centner starken Kraft zu widerstehen im Stande ist. Die Lösung der Aufgabe wurde auf dem Wege gefunden, daß man die gewöhnlichen Rothgußlager aushöhlt, und in diese Aushöhlung eine Composition, welche wesentlich aus Papier besteht, unter sehr starkem Drucke festpreßt. Die ersten auf solche Weise hergestellten Lager wurden am 10. April 1861 an den oben näher bezeichneten Polir-Drehbänken in Stromberg eingesetzt, und waren im Juli 1862 ausgenutzt, haben also 15 Monate gehalten, ungefähr 7 mal länger als die metallenen. Das gute Resultat ließ den Erfinder sogleich weiter gehen, und schon am 9. Februar 1862 wurden auf der rheinischen Eisenbahn unter Anordnung des Ober-Maschinenbaumeisters Leonhardi sechs Eisenbahnwaggon-Lager in Thätigkeit gesetzt; am 20. August dieses Jahres wurden die Lager revidirt und es lautet der Revisionsbefund des Hrn. Leonhardi wie folgt: „Dem Hrn. Philippi in Stromberg bescheinige ich hiermit auf Ersuchen, daß ich an einem Personenwagen II. Cl. auf seinen Wunsch vier Lagerschalen seiner Composition gegen zwei gewöhnliche Messinglager verwendet habe. Der Wagen hat damit 5520 Meilen zurückgelegt, wobei die Lager des Hrn. Philippi sich nur 1''' abgenutzt hatten, während die Messinglager schon nach zurückgelegten 2900 Meilen eine Abnutzung von 4 1/2''' zeigten. Diese Composition kann demnach als zweckmäßig empfohlen werden.“     Cöln, den 16. Septbr. 1862. Dieses Zeugniß von einem anerkannten Techniker bestätigt die fast siebenfach größere Dauer der neuen Composition, wie sie in den Werkstätten bei Philippi und Cetto in Stromberg bereits festgestellt war. Der Oberingenieur Hr. Pronnier (Crédit mobilier) in Paris, welcher schon frühzeitig für diese Lager sich interessirt hatte, unterzog dieselben ebenfalls einer Probe und hat sich nach derselben sofort zur Anschaffung der neuen Lager für die Madrid-Lissaboner Eisenbahn entschlossen. Die österreichische k. k. Staatsbahn unterhandelt bereits wegen Anschaffung der Lager mit dem Erfinder, nachdem auch sie Proben damit angestellt hatte. Weitere Proben werden eben auf der Nahebahn durch den Obermaschinenmeister Hrn. Schäfer, auf der sächsischen Staatsbahn durch den Obermaschinenmeister Hrn. Nowotny, und endlich auf der hessischen Ludwigsbahn durch den Obermaschinenmeister Hrn. Thomas gemacht. Auf der Nahebahn fährt eine Locomotive mit den neuen Lagern. Mit der längeren Dauer der neuen Lager ist indeß ihre Leistungsfähigkeit nicht abgeschlossen. Eines Tages bemerkte Hr. Philippi, daß auf den Polirbänken seines Etablissements die Lager ganz trocken liefen; der Arbeiter, darüber zur Rede gestellt, erklärte einfach, daß die Lager kein Oel bedürften. Der Wagenmeister Rosbach auf der rheinischen Eisenbahnstation Cöln, welcher vier Wagen mit der gleichen Quantität Oel gespeist hatte, theilt mit, daß drei Wagen nach dem vierten Tage ihr Oel verbraucht hatten; der vierte, mit Lagern Philippi'scher Construction, hatte am eilften Tage sein Oel noch nicht ganz consumirt. Ein Wagenwärter hat einen Wagen mit Philippi'schen Lagern böswilligerweise fünf Tage lang trocken laufen lassen, das Lager war aber nicht wann geworden. Seit dem Bekanntwerden dieser Thatsachen gibt man in den Werkstätten von Philippi und Cetto in Stromberg einem Probelager, welches ein 19 Fuß hohes und 4 Fuß breites eisernes Wasserrad (mit Wasserbelastung von circa 100 Ctr.) mittragen hilft, gar kein Oel mehr und in 20 Tagen hat das ungeschmierte Lager keine Wärmeentwickelung gezeigt. Die auf der hessischen Ludwigsbahn laufenden neuen Lager bekamen Saugdochte von der halben Dicke der früheren; die Lager können daher nur die halbe Quantität Oel zugeführt erhalten. Der betreffende Waggon, welcher diese Lager trägt, läuft seit vier Wochen, ohne daß von ihm irgend Nachtheiliges gemeldet worden. Die Versuche, wie weit die Oelersparniß auf der Eisenbahn ausgedehnt werden kann, werden fortgesetzt. Es scheint fast, daß eine der bedeutendsten Ausgaben, der Oelverbrauch für Achsenlager, künftig fast ganz fortfallen kann. Aus dem geringen Verschleiße der Lagerschalen und aus dem bereits constatirten Minderverbrauch an Oel (50 Proc.) darf auf eine Verminderung des Reibungscoefficienten der Achse geschlossen werden. Directe Versuche hierüber sind noch nicht angestellt worden, wir hoffen aber darüber bald nähere Mittheilungen machen zu können. Die neuen Lagerschalen für Locomotiven-, Tender-, Waggonachsen, sowie für alle Maschinenachsen werden von Philippi und Cetto auf dem Eisenwerk zu Stromberg (Rheinpreußen) nach einzusendenden Modellen oder Zeichnungen zu dem Preise von 16 Sgr. per 1 Pfd., exclusive 10 Proc. für Patententschädigung, geliefert, wobei zu bemerken ist, daß ein Lager neuer Construction circa, 10 Proc. weniger wiegt als dasselbe Lager nach alter Construction. Möchten die Herren Techniker durch diese Mittheilung veranlaßt werden, mit dieser jedenfalls bedeutenden Neuerung sich zu beschäftigen und ihre Resultate zu veröffentlichen.