Titel: Bemerkungen zu den von Hrn. Perrot „über die Unwirksamkeit der gewöhnlichen Blitzableiter“ geäußerten Ansichten; von Professor C. Kuhn.
Autor: Carl Kuhn [GND]
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XXV., S. 111
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XXV. Bemerkungen zu den von Hrn. Perrot „über die Unwirksamkeit der gewöhnlichen Blitzableiter“ geäußerten Ansichten; von Professor C. Kuhn. Kuhn, über Perrot's Resultate hinsichtlich der Mängel der gewöhnlichen Blitzableiter. Eine am 2. August vorigen Jahres an der Prinz Eugen Caserne zu Paris vorgekommene Blitzesentladung gab Hrn. Perrot Veranlassung zu einigen Experimenten, welche über die Mängel der gewöhnlichen Blitzableiter Aufschluß geben, und die Ursache jenes Blitzschlages klar herausstellen sollen. Die von ihm angestellten Experimente, sowie die Folgerungen, die er hieraus zieht, hat Hr. Perrot in den nachbenannten Aufsätzen niedergelegt: 1) Sur l'inefficacité des paratonnerres actuels. Bulletin de la Société d'Encouragement, August 1862, S. 507-510. 2) Recherches relatives aux moyens d'augmenter l'efficacité des paratonnerres. Comptes rendus, t. LV p. 361-365. 3) Recherches concernant les moyens d'augmenter l'efficacié des paratonnerres. Ibid. p. 465-466. Da nun durch die von Hrn. Perrot erhaltenen Resultate die Wirksamkeit der Blitzableiter für manche Fälle in Frage gestellt werden müßte, wenn man die von ihm gegebene Erklärung zugeben könnte, so mag es nicht überflüssig seyn, auf eine kurze Beleuchtung der von dem Verfasser zu Grunde gelegten Anschauungen weiter einzugehen. Hr. Perrot ist nämlich der Ansicht, daß der genannte Blitzschlag nur dem Umstande zuzuschreiben sey, daß bei der Construction des fraglichen Gebäudes ausgedehnte Metallmassen verwendet worden sind, und derartigen Anordnungen, da sie der neueren und neuesten Zeit angehören, bei der Einrichtung der Blitzableiter nicht Rechnung getragen worden sey. Durch welche Ursachen aber das erwähnte Ereigniß herbeigeführt worden ist, läßt sich aus den uns vorliegenden Quellen nicht entnehmen, da der Verfasser bloß vorübergehend erwähnt, daß die Prinz Eugen Caserne mit sieben Blitzableitern versehen sey, deren einer die Entladung aufnahm und dieselbe in der Nähe des Bodens, gleichsam durch ein Abspringen des Blitzes, gegen das Wachtlocal geführt haben soll. Er schildert ferner die Folgen eines etwaigen Blitzschlages gegen das Pulvermagazin oder gegen das Patronengewölbe, wenn die Entladung einen anderen Weg genommen hätte als den bezeichneten; nur eine Beschreibung des wirklich eingetretenen Blitzschlages gibt der Verfasser nicht, obgleich es sehr wichtig gewesen wäre, den Einfluß der in der Nähe des Blitzableiters befindlichen Gasröhren zu ermitteln, und die Beschaffenheit der Bodenleitung genau anzugeben. Da aber bei Beurtheilung eines derartigen Ereignisses nur die aus dem Hergange der dabei beobachteten Erscheinungen sich ergebenden Thatsachen die einzigen wichtigen Hülfsmittel bilden, da man die Spuren der Entladung, so weit als dieß thunlich ist, verfolgen muß und alle sonstigen Nebenumstände, sowie auch die Anordnung des Blitzableiters, seine Verbindungsweise mit dem Gebäude sowie mit den an letzterem befindlichen Metallconstructionen, die Bodenbeschaffenheit des betreffenden Terrains, sowie die Art und Weise der Ausleitung des Blitzableiters in den Boden u.s.w. kennen muß, wenn man eine richtige Beurtheilung des ganzen Herganges vornehmen will, während der Verf. keinen einzigen der hiebei zu berücksichtigenden und maaßgebenden Umstände in Erwähnung bringt, so können wir vor allem gar nicht zugeben, daß Hr. Perrot die Gründe für das Eintreten jenes Blitzschlages bis jetzt richtig ermittelt hat. Die von ihm ausgeführten Experimente können also auch mit dem fraglichen Ereignisse in gar keine Verbindung gebracht werden, und wir müssen daher bei unseren nachstehenden Betrachtungen, in so weit sich diese auf die vom Verfasser geäußerten Ansichten beziehen, von dem gedachten Blitzschlag ganz und gar Umgang nehmen. Hingegen scheint Sacré, dessen uns vorliegende Arbeit wir unten erwähnen werden, sachgemäße Vermuthungen, und selbst diese nur mit Vorsicht aufgestellt zu haben, als er den Blitzschlag gegen die Prinz Eugen Caserne bei seinen Erläuterungen über die Anordnung der Blitzableiter in Erwähnung bringt. Von den vier Experimentalreihen, welche Hr. Perrot anstellte, sind nur drei hervorzuheben; von diesen bezieht sich die erste auf die Anzahl der Spitzen, mit welchen man das obere Ende eines Blitzableiters versehen soll; die zweite auf die Spitzenwirkung der einfachen Spitze; endlich soll die dritte die gefährliche Einwirkung eines Blitzableiters gegen die umgebenden Objecte erläutern. Die erste Versuchsreihe aber, durch welche der Verfasser nachzuweisen versuchte, was man von der Wirkungssphäre eines Blitzableiters zu halten habe, können wir um so mehr umgehen, als die bekannte Charles'sche Regel schon längst nicht mehr anerkannt wirdPolytechn. Journal Bd. CLV S. 283 f., dann S. 286.; nur mag bezüglich der vom Verfasser hiebei angewendeten Methode bemerkt werden, daß es nicht zulässig ist, die Rolle einer Gewitterwolke durch einen an dem Conductor einer Elektrisirmaschine aufgehängten Baumwollenballen zu ersetzen, und es kann daher die hieraus gezogene Folgerung, vermöge welcher der Schutz eines Blitzableiters gleichsam mit dem eines Regendaches gegen heftigen Regen verglichen werden könne – eine Phrase, die an die bekannten Einwendungen erinnert, wie solche schon im vorigen Jahrhundert gegen Franklin's Ansichten gemacht wurden –, auf die Wirksamkeit der Blitzableiter keine Anwendung finden. Was nun zunächst seine zweite Versuchsreihe betrifft, so stellt Hr. Perrot derselben einen Satz voran, den zu widerlegen seine Absicht ist; dieser Satz heißt beiläufig: „Man nimmt gewöhnlich an, daß eine einzige an einem elektrisirten Körper angebrachte Spitze die Entladung weit schneller vornimmt als deren mehrere etc.“ Zu dem Ende bringt der Verfasser vor die elektrisirte Scheibe (disque électrisé) eine Spitze, sowie eine Reihe von solchen, ferner eine einen Blitzableiter repräsentirende Vorrichtung an, die bald mit einer Spitze, bald aber mit einer kronenförmig angeordneten Spitzenreihe versehen ist, und findet, daß von letzterer die Scheibe unter allen von ihm beobachteten Umständen rascher entladen wird als durch eine einzige Spitze. Ob jene Scheibe die der Elektrisirmaschine selbst, oder eine isolirte mit dem Conductor in Verbindung gebrachte Metallscheibe war, sagt zwar der Verfasser nicht; aber wir müssen doch wohl letzteres voraussetzen, da sonst anzunehmen wäre, daß der Verfasser von dem Verhalten eines sogenannten Isolators im elektrischen Zustande sich nicht die gehörige Vorstellung machen könne. Nehmen wir daher an, die elektrisirte Scheibe sey aus Metall gewesen und durch den Conductor der Maschine in den elektrischen Zustand versetzt worden, was auch aus den weiteren Versuchen des Hrn. Perrot hervorzugehen scheint, bei welchen er die Function einer Gewitterwolke durch jene Scheibe ersetzt, so sind wir gezwungen, aus den vorliegenden Versuchen zu schließen, daß der Verfasser die Vertheilungsweise der Elektricität an einer Scheibe von der an einem kugelförmigen Leiter etc. nicht zu unterscheiden weiß, und daß derselbe ferner die Art und Weise der Einwirkung eines elektrisirten Körpers auf einen in seiner Nähe befindlichen – isolirten oder nicht isolirten – Leiter sich nicht klar zu machen im Stande ist. Will der Verfasser die Spitzenwirkung an elektrischen Körpern studiren, so muß er den metallischen Leiter selbst zuvörderst mit einer Spitze oder deren mehreren versehen, um sich überzeugen zu können, ob dabei der Körper eine Ladung annimmt etc.; will derselbe aber den Einfluß kennen lernen, den ein in die Nähe des isolirten Leiters gebrachter indifferenter Leiter auf seine Entladungszeit hat, so muß er wohl noch auf andere Umstände Rücksicht nehmen, als dieß bei seinen Versuchen geschehen ist. Wie aber Hr. Perrot dazu kömmt, seine Versuchsresultate dazu anzuwenden, um darzuthun, daß das obere Ende eines Blitzableiters in eine Spitzenkrone ausgehen müsse, um die Gewitterwolke rasch und vollständig zu entladen, ist jetzt leicht zu erklären, da derselbe dem Blitzableiter eine Function beilegt, auf die man die Wirksamkeit der Blitzableiter bei ihrer Anordnung nicht zu gründen vermag. Wenn gleichwohl durch vielfache Erfahrungen, die bei einer anderen Gelegenheit zusammengestellt worden sind, nachgewiesen werden kann, daß durch eine Reihe von vielen Blitzableitern die Ladung der Gewitterwolken vermindert werden und unter günstigen Umständen sogar neutralisirt werden kann, so schreibt man dennoch einem Blitzableiter sowie einem an einem Gebäude angebrachten Systeme derselben eine derartige Wirksamkeit nicht zu, sondern man will durch einen Blitzableiter nur die gegen das Gebäude von Seite der Gewitterwolke ausgeübte Influenzwirkung unschädlich machen. 9 Jede Gewitterwolke kann nämlich, auch wenn sie sich in weit größerer Entfernung als die Schlagweite beträgt von der Erde befindet, gegen die an der Erde befindlichen Objecte Fernwirkungen ausüben, die denen ähnlich sind, mit welchen ein elektrisirter Körper gegen andere nicht mit ihm in Verbindung stehende Leiter einzuwirken sucht. Diese Influenzerscheinung ist als eine gegenseitige Einwirkung der elektrischen Gewitterwolke und der an der betreffenden Erdstrecke befindlichen Elektricitätsleiter anzusehen; den hierüber bekannten Thatsachen gemäß kömmt dieselbe nur dann merklich zum Vorschein, wenn der betreffende Theil der Erdstrecke, der noch von der Gewitterwolke influencirt werden kann, auf ausgedehnten Wasserstrecken ruht, hingegen kommen Blitzschläge in solchen Gegenden, wo das unterirdische Wasser sehr tief unter der Oberfläche liegt, entweder gar nicht, oder wenigstens nur dann vor, wenn durch heftige Regengüsse eine leitende Verbindung mit dem Grundwasser schon hergestellt worden ist. Der Weg also, den ein Blitzschlag gewöhnlich nimmt, ist in der Regel schon durch die Terrainbeschaffenheit sowie durch die Leitungsstrecke zwischen dem unterirdischen Wasser und dem hervorragendsten Theil des oberirdischen Objects vorgeschrieben. Soll daher der Blitzableiter von Nutzen seyn, so muß derselbeS. polytechn. Journal Bd. CLV S. 274 f. vor allem mit seinem unteren Ende bis zu jenen unterirdischen Wassercanälen reichen, er muß mit allen metallischen und leitenden Objecten, zu deren Schutz er bestimmt ist, in solcher Verbindung stehen, daß das ganze System einen continuirlichen Leiter bildet. Damit der Blitzableiter auch während einer noch so kurzen Zeit keine Ladung behalten kann, muß sein oberes Ende in eine einfache geeignet angeordnete Spitze ausgehen. Daß ein nicht isolirter Blitzableiter, der ein vollkommen metallisches und continuirliches System von Leitern bildet, und die ausreichende Leitungsfähigkeit besitzt, keine Ladung annehmen kann, wenn derselbe bloß mit einer einfachen vollkommenen Spitze versehen ist, geht aus bekannten Thatsachen hervor, während durch diese nachgewiesen wird, daß die Spitzenwirkung eines Blitzableiters durch das Anbringen mehrfacher Spitzen beeinträchtigt wird. – So viel mag einstweilen der Ansicht entgegen gehalten werden, welche Hr. Perrot bei der Benutzung der Resultate seiner zweiten Versuchsreihe aufgestellt hat. Hr. P. hätte also seinen Versuch nicht in der Art anstellen sollen, daß er zu ergründen suchte, ob seine improvisirte Wolke durch mehrere Spitzen rascher entladen werde als durch eine derselben genäherte Spitze, sondern er hätte im Gegentheile zeigen müssen, ob die von ihm benutzte dem Blitzableiter ähnliche Vorrichtung selbst durch eine an ihrem oberen Ende befindliche Spitzenreihe schneller entladen werden kann, als durch eine einfache Spitze, wenn er einen passenden und dem in Rede stehenden Zwecke entsprechenden Versuch hätte anstellen wollen. Durch seine dritte Versuchsreihe will der Verfasser einen Satz widerlegen, den Niemand vor ihm bis jetzt noch aufgestellt hat. Hr. Perrot glaubt nämlich, daß man bis jetzt angenommen habe, die Spitzenwirkung sey von den Dimensionen des Kegels, der die Spitze bildet, ganz unabhängig, und weist nun mittelst der bereits erwähnten Methode nach, daß ein stumpfer Kegel (cône obtus) keine Spitzenwirkung ausübe; ferner behauptet Hr. P., daß bei Kegeln von gleicher Basis die Spitzenwirkung weit mehr als im quadratischen Verhältnisse der Höhe des Kegels zunehmen soll. Wie weit dieses von dem Verfasser vermuthete Gesetz richtig ist, haben wir nicht zu entscheiden, aber es mag genügen, wenn wir bemerken, daß man einen vollkommen spitzen Kegel – gleichviel mit welcher Basis – in der Wirklichkeit gar nicht herstellen kann, und daß, wie thatsächlich nachgewiesen worden ist, bei Kegeln von gleicher Basis die Spitzenwirkung mit der Höhe des letzteren zwar wächst, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze, daß aber selbst innerhalb dieser Grenze ein bestimmtes Gesetz für die Spitzenwirkung sich bis jetzt noch nicht herausgestellt hat. Auf die Construction des oberen Endes der Blitzableiter hat jedoch dieser Umstand weniger Einfluß als der, daß bei einer etwa wirklich eintretenden Entladung zwischen Wolke und Blitzableiter die Leitungsfähigkeit der obersten Strecke der Auffangstange zwischen der indifferenten Schichte und der Spitze noch so groß seyn muß, daß an dieser eine Wärmewirkung unter keinerlei Umständen eintreten kann. Welchen Anforderungen aus diesem Grunde die Spitze des Blitzableiters genügen muß, ist bei anderen Gelegenheiten schon umfassend erörtert worden. Endlich die vierte von dem Verfasser vorgenommene Versuchsreihe, über welche er in den Comptes rendus seine Untersuchungen niederlegte, hat den Zweck nachzuweisen, „daß ein Blitzableiter für die Umgebung gefährlich werden könne, wenn in dieser sich ausgedehnte Metallconstructionen befinden, und daß ein mit dem Blitzableiter in Verbindung stehendes Metalldach eines Gebäudes die am Boden des letzteren befindlichen Metallobjecte nicht gegen das Einschlagen der Blitze schützen könne, selbst wenn auch der Blitzableiter von untadelhafter Construction sey.“ Die von Hrn. Perrot zur Begründung dieser Behauptung angestellten Versuche sind jedoch nicht geeignet, irgend welchen Nachweis zu liefern, der mit der Construction eines Blitzableiters für ein Gebäude in irgend welchem Zusammenhange steht. Er benutzt bei seinen Experimenten eine gewölbte Scheibe, die mit dem Conductor der Elektrisirmaschine in Verbindung gebracht wird, bringt unterhalb dieser Scheibe, welche die Gewitterwolke darstellen soll, eine Metallröhre an, die auf der Erde aufsteht, und nennt diese Röhre den zu jener Wolke gehörigen Blitzableiter. Versetzt man nun die Elektrisirmaschine in Thätigkeit, und bringt mit der Röhre eine parallel zur oberen Scheibe gehaltene Metallplatte o. dgl. in Verbindung, so erhält man starke Commotionen beim Berühren dieser Scheibe. Aus diesen und einigen anderen derartigen Versuchen, die der Verfasser unter Benutzung mehrerer parallelen Platten u. dgl. in derselben Weise anstellte, schließt Hr. P., daß ein Blitzableiter von dem Gebäude, zu dessen Schutz derselbe dienen soll, isolirt werden müsse. Da Hr. Perrot schon bei den erstgenannten Versuchen dargethan hat, daß er sich die von ihm beobachteten Erscheinungen nicht zu erklären weiß, so können wir nunmehr seinen Anschauungsweisen keine Beachtung mehr schenken, da er gerade Thatsachen aufführt, die man erwarten mußte, während der Verfasser gerade solche Vorgänge hätte beibringen müssen, die mit den von ihm beobachteten nicht im Einklang stehen, wenn er etwas Neues hätte beibringen wollen. Ein Blitzableiter kann allerdings in denselben Fällen, in welchen derselbe zum Schutze eines Bauwerkes dienen soll, auch gefährlich für dieses werden, jedoch nur dann, wenn seine Construction tadelhaft ist, und nicht wie Hr. Perrot meint, wenn seine Anordnungen tadelfrei sind; als tadelfrei kann aber ein Blitzableiter oder ein Blitzableitersystem nur dann betrachtet werden, wenn seine Anordnung allen bekannten AnforderungenS. a. a. O. Genüge leistet. Bekanntlich hängt die Größe der von den influencirten Objecten aufgenommenen und abzuführenden Ladung von der Ausdehnung der Gewitterwolke, von der Elektricitätsmenge der letzteren, von der Form und den Dimensionen der influencirten Leiter, sowie von der gegenseitigen Lage und Entfernung der Wolke und des irdischen Leiters ab. Obgleich wir nun über alle diese Elemente nur unsichere Angaben zu liefern im Stande sind, und überhaupt eine mathematische Theorie der Blitzableiter sich hierauf nicht gründen läßt, so kann man dennoch ein Blitzableitersystem so anordnen, daß dasselbe in jedem vorkommenden Falle die Entladung in sicherer Weise bewerkstelligt, wenn man nicht bloß auf die herrschenden Umstände bei der Anlegung von Blitzableitern gehörig Rücksicht nimmt, sondern auch von den bekannten Erfahrungen den gehörigen Gebrauch macht. In einem Falle, wie ihn der fragliche darbietet, hat man unter sonst gleichen Umständen insbesondere die Zahl der Ableitungen, mit welchen das Gebäude zu versehen ist, sowie ihre sichere metallische Verbindungsweise unter sich, ferner die Dicke der Leitungen oberhalb und in der Erde, die Anordnung der Bodenleitung etc. gehörig in Rücksicht zu ziehen, die Verbindungsweise der an dem Gebäude befindlichen Metalltheile mit dem Blitzableiter zweckmäßig anzuordnen u.s.w., wenn der Blitzableiter die zur Entladung kommenden Elektricitätsmengen sicher zur Ausgleichung bringen soll. Auf das Detail dieser Anordnungen hier einzugehen, kann um so weniger die Absicht des Referenten seyn, als derselbe bei anderen Gelegenheiten umfassende Erörterungen hierüber vorgenommen hat.Allgemeine Encyklopädie der Physik, Bd. XX, Abschn. I, Cap. III und IV. (Ein Auszug, der über die Anordnung der Blitzableiter an Gebäuden die allgemeinen Umrisse enthält, ist in diesem Journal, Bd. CLV S. 273 f. gegeben worden.) Bei diesen Erörterungen wurde unter Anderm auch gezeigt, in wie ferne durch einen Blitzableiter bei einem etwa eintretenden Blitzschlage auch seitliche (nämlich Influenz-, sowie Inductions-) Wirkungen eintreten können, und es mag daher die Bemerkung genügen, daß die Erscheinung, die man mit dem sog. Abspringen des Blitzes vom Blitzableiter aus gegen andere Objecte der Umgebung bezeichnet, nicht vorkommen kann, wenn der Blitzableiter tadellos construirt worden ist, und allenfallsige Gebrechen desselben stets sorgfältig beseitigt werden. Wenn daher an dem Blitzableiter der Prinz Eugen Caserne ein Abspringen des Blitzes gegen die GasleitungEin derartiger Fall, wie er vor nicht langer Zeit in München sich ereignete, ist in der „Zeitschr. des deutsch.-österr. Telegraphen-Vereins von W. Brix,“ Bd. IX S. 13, von mit beschrieben worden. Nach den gewöhnlichen Anschauungsweisen hätte man zur Erklärung desselben angenommen, daß die bezüglich der Wirkungssphäre immer noch herrschende Regel hier eine Ausnahme zeigte. In der Wirklichkeit war aber die Sache anders; es war nämlich unter Anderm die Bodenleitung des betreffenden Blitzableiters mangelhaft, und wird vielleicht später ihre Mängel wieder erkennen zu geben einmal eine passende Gelegenheit finden. stattgefunden hat, so geht daraus nur hervor, daß derselbe entweder nicht richtig construirt oder mangelhaft geworden war, und daß namentlich die Bodenleitung nicht die geeignete Anordnung hatte. Diese Vermuthung dürfte vielleicht durch die von Sacré gegebene Beschreibung seiner Blitzableiter-Einrichtungen [Comptes rendus, t. LV p. 444], die durch das vorgekommene Ereigniß hervorgerufen worden zu seyn scheint, auch gerechtfertigt seyn. Vermöge dieser Beschreibung weicht man nämlich in Frankreich nicht unwesentlich von den Anhaltspunkten ab, wie dieselben von Seite der akademischen Commission zu Paris im Jahre 1854 gegeben wurden. In jener Beschreibung, die im Allgemeinen bekannte Anordnungen für die Blitzableiter angibt, finden wir keinen einzigen Punkt, in welchem zu erkennen gegeben wäre, auf welche Umstände bei der Bestimmung der Dicke der cylindrischen Leitung, bei der Ermittelung der Anzahl der Ableitungen etc. man besonders Rücksicht zu nehmen hat. Was aber am meisten auffällt, das ist die Einrichtung, wie man sie für die Bodenleitung der Blitzableiter wählt. Wenn nämlich keine natürlichen Gewässer in der Nähe der Gebäude angetroffen werden, so wird der untere Theil der Leitung durch eine gußeiserne Röhre geführt, und sein Ende mit einer Kupferplatte von 1 bis 2 Quadratmeter Oberfläche (und noch mehr) versehen, um eine möglichst große Berührungsfläche mit der Erde zu erhalten. Ueber die Länge der gußeisernen Röhre ist nichts erwähnt; dieselbe wird mit gut ausgeglühten Kohlen gefüllt und dann verschlossen. Daß diese Anordnung nur dann ausreichen würde um die Leitung zu conserviren, wenn dabei die Kohle in einem luft- und wasserfreien Raume für immer bleiben würde, wurde schon bei früheren Gelegenheiten erörtert.Polytechn. Journal Bd. CLV S. 281. Da aber diesen Bedingungen niemals genügt werden kann, so wird diese Anordnung selbst durch mannichfache chemische und elektrolytische Einwirkungen mit der Zeit die Quelle für die Zerstörung des unterirdischen Theiles der Leitung. Durch diese Einrichtung der Bodenleitung ist also der Wirksamkeit der Blitzableiter nicht Rechnung getragen, indem man dabei von den oben angegebenen Principien keinen Gebrauch macht. Daß man den unterirdischen Theil des Blitzableiters, wenn man die Anlagekosten nicht scheuen will, so einrichten kann, daß derselbe einige Jahrzehnte seine vollkommene Brauchbarkeit behalten kann, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, und da man außerdem ausreichende Mittel besitzt, um die Leitungsfähigkeit etc. eines Blitzableiters seiner ganzen Ausdehnung nach zu prüfen und von Zeit zu Zeit untersuchen zu können, so kann man die Schwierigkeiten, welche die Einrichtung der Bodenleitung darbietet, als überwunden ansehen. Zum Schlusse mag endlich erwähnt werden, daß die vorstehenden Bemerkungen insbesondere durch den Umstand veranlaßt worden sind, daß die in Rede stehenden Abhandlungen in Zeitschriften veröffentlicht sich befinden, welche für Fragen der vorliegenden Art in der Regel nur maaßgebende und entscheidende Ansichten beibringen. Die vorliegenden Erscheinungen dürften also wohl nur als Ausnahmen von den gewöhnlichen Regeln anzusehen seyn, denn es dürfte wohl kaum anzunehmen seyn, daß ein Rath, vermöge welchem man „die Leitung eines Blitzableiters in einen Blumentopf einsetzen, denselben vom Gebäude isoliren, und sodann sein oberes Ende mit einer Spitzenkrone versehen soll,“ in ernster Weise aufgenommen werden könne.