Titel: Die Ursachen und Wirkungen der Explosionen und einige Anwendungen derselben auf die Kriegskunst; von F. A. Abel, Chemiker des brittischen Kriegsdepartements.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XLVIII., S. 201
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XLVIII. Die Ursachen und Wirkungen der Explosionen und einige Anwendungen derselben auf die Kriegskunst; von F. A. Abel, Chemiker des brittischen Kriegsdepartements. Nach einem Vortrag desselben in der Royal Society, aus der Chemical News, 1862, vol. V pag. 270. Abel, über die Ursachen und Wirkungen der Explosionen und einige Anwendungen derselben auf die Kriegskunst. Die Ursachen einer durch chemische Wirkungen veranlaßten Explosion sind: 1) die Entwicklung einer hohen Temperatur, entsprechend der Stärke der chemischen Thätigkeit; 2) die Veränderung des Aggregatzustandes der vorhandenen flüssigen oder festen Körper, welche augenblicklich oder doch sehr rasch in den gasförmigen Zustand übergehen und so einen unverhältnißmäßig größeren Raum einnehmen. Wirken beide Ursachen zugleich, so ist die Explosion außerordentlich heftig. Folgende Versuche constatiren die Wärmeentwickelung bei chemischen Processen: Auflösung von Zinkoxyd (bekanntlich einer schwachen Basis) in Salzsäure und Schmelzung des Gefäßes von leichtflüssigem Metall, worin die Säure enthalten war, in Folge der erhöhten Temperatur. Entzündung von Schießbaumwolle durch die Verbindung von wasserfreier Phosphorsäure mit Wasser. Explosion durch die Verbindung des Broms mit Kalium, trotz der Entstehung eines festen Körpers. Heftige Explosion durch Verbindung von Chlor mit Wasserstoff, beide im gasförmigen Zustand. Explosionen entstehen noch öfter in Folge von Zersetzungen als von Verbindungen; sie sind um so heftiger, je plötzlicher die Zersetzung, je beträchtlicher die Gasentwickelung und je höher die entstehende Hitze ist. Hierher gehören die Explosionen durch Zersetzung des Chlorstickstoffs, Jodstickstoffs etc., des Knallquecksilbers und Knallsilbers, gewisser organischer Stickstoffverbindungen wie der Schießbaumwolle, des Nitromannits und des Nitroglycerins. Letzteres explodirt schon, wenn man ein damit getränktes Stück Filtrirpapier auf einen Amboß legt und einen Schlag mit einem Hammer darauf führt. Durch Einwirkung der salpetrigen Säure auf das Anilin bei niedriger Temperatur wird eine sehr explosive Substanz, Hofmann's salpetersaures Diazobenzol gebildet, welches ein untergelegtes Kupferblech bei seiner Explosion in Stückchen zerreißt. Diese Substanz steht in ihren explosiven Eigenschaften dem Knallsilber nahe, unterscheidet sich jedoch auch wesentlich von demselben. Knallsilber detonirt durch die geringste Reibung mit einem harten Körper, während man das salpetersaure Diazobenzol zwischen harten Körpern lange zerreiben kann ehe eine Explosion eintritt, die dann offenbar der durch Reibung entwickelten Wärme zuzuschreiben ist. In der Wärme explodirt dagegen das Knallsilber viel schwerer, da man es in einer Glasröhre ohne Gefahr im Wasserbad erhitzen kann, während das Anilinproduct unter denselben Umständen mit der größten Heftigkeit explodirt. Auch mechanische Gemische von gewissen Substanzen sind im Stande Explosionen zu veranlassen. Solcher Gemische gibt es bekanntlich viele: sie enthalten meist einerseits sehr sauerstoffreiche Körper, die ihren Sauerstoff leicht abgeben, wie die Superoxyde, die salpetersauren und chlorsauren Salze, und andererseits solche Substanzen, welche große Verwandtschaft zum Sauerstoff besitzen, wie Schwefel, Phosphor, Kohle, Kohlenwasserstoffe, Schwefelmetalle und selbst leicht oxydirbare Metalle. So brennen Gemische von Schwefel oder reducirtem Eisen und manchen Superoxyden äußerst leicht und manche explodiren sogar durch den Schlag. Die verschiedenen Gemische brennen um so intensiver und die Explosion ist um so stärker, je inniger die Körper vermengt sind. Auch üben in manchen Fällen die chemischen und physikalischen Eigenschaften der gemischten Körper einen Einfluß aus, indem die Verflüchtigung in hoher Temperatur die Entzündung erleichtert. So entzündet sich Schwefel leichter als Kohle, obwohl die Verwandtschaft der letzteren zum Sauerstoff größer ist und bei dem Schießpulver wird aus dieser Eigenschaft des Schwefels Nutzen gezogen. Dieß erläuterte der Vortragende durch folgenden Versuch: Ein großes Glasgefäß war mit Sauerstoffgas gefüllt. Auf die obere Oeffnung wurde eine stark erhitzte Eisenplatte gelegt, welche jedoch nicht so heiß war, daß dadurch die Entzündung der Kohle erfolgen konnte. Durch den Boden des Gefäßes giengen nebeneinander zwei verticale Glasröhren, durch die man Schwefelstaub und Kohlenstaub einblasen und von innen gegen die Eisenplatte treiben konnte. Beim Einblasen von Kohle entstand keine Feuererscheinung, der schwarze Staub fiel in das Gefäß zurück; als aber ein Paar Secunden darnach Schwefel eingeblasen wurde, entzündete sich dieser an der heißen Platte und in demselben Augenblicke wurde auch die Entzündung des in dem Sauerstoffgas suspendirten Kohlenstoffs unter der schönsten Lichtentwickelung vermittelt. Die Sauerstoffverbindungen bieten ebenfalls sehr erhebliche Unterschiede dar, woraus man bei der Zusammensetzung der explosiven Gemische zur Regulirung ihrer Explosion Nutzen zieht. So enthalten das chlorsaure und das salpetersaure Kali gleichviel Sauerstoffatome: wenn man aber diese beiden Salze mit der gleichen Menge gepulverten amorphen Phosphors vermischt und die Gemische anzündet, so ist das Resultat ein sehr verschiedenes. Das Gemisch des Salpeters mit dem Phosphor brennt nur mit einer äußerst glänzenden und hellen Flamme, dasjenige mit chlorsaurem Kali aber explodirt mit Heftigkeit und unter Zertrümmerung des dasselbe enthaltenden Gefäßes. Wir kennen explodirende Mischungen von solcher Unbeständigkeit, daß schon die geringste Störung eine Entzündung bewirkt, welche sich, einmal an einem Punkte begonnen, mit Schnelligkeit und unaufhaltsam durch die ganze Masse fortpflanzt. Ist noch ein weit weniger entzündliches explosives Gemisch zugegen, so wird auch dieses entzündet und die ganze Masse explodirt gemeinschaftlich. Auch die mechanischen Wirkungen der Explosionen sind verschieden, wenn die Geschwindigkeit in der Fortpflanzung der Entzündung Verschiedenheiten darbietet. Man braucht nur an die Explosionen von Schießpulver und von Knallsilber oder Knallquecksilber zu denken. Entzündet man einen Pulverstreifen, so kann man die Verbrennung fast mit den Augen verfolgen; Knallquecksilber detonirt dagegen auch in einem längeren Streifen fast augenblicklich. Der Vortragende legte Stücke zweier gesprungenen Bomben vor, deren eine mit 100 Gran Knallquecksilber, die andere mit 765 Gran Schießpulver geladen gewesen war. Die erstere war so zu sagen zu Pulver zersprungen, man fand nur noch Stücke im Gewicht von 1/7 der Bombe, unweit der Explosionsstelle, während die Stücke von der mit Pulver geladenen Bombe weit weggeschleudert und dabei viel größer und weniger zahlreicher waren. In letzterem Falle war zur Entzündung eine meßbare Zeit erforderlich gewesen, daher nur ein Theil der Kraft zum Zertrümmern der Bombe und ein Theil derselben zum Fortschleudern der Trümmer verwendet wurde. Die allmähliche Entzündung des Pulvers und die ebenso allmähliche Entwickelung der Projectionskraft ist für die Feuerwaffen sehr wichtig und günstig: die Kraft der ersten Entzündung wird zum Ueberwinden der Trägheit des Projectils verwandt, wornach die Wirkung zwar schnell aber doch nach und nach wächst und somit die Kugel fortgetrieben wird, ohne daß das Rohr einem zu starken Druck ausgesetzt würde. Die Knallmetalle dagegen explodiren fast augenblicklich und bewirken den höchsten Grad der Spannung der erzeugten Gase, bevor noch das Geschoß Zeit gehabt hat sich in Bewegung zu setzen, so daß das Rohr unter dem Einfluß des plötzlich entstandenen ungeheuren Druckes platzen kann, ohne daß dabei das Geschoß erheblich fortgetrieben worden wäre. Diese Erscheinungen brachte der Vortragende mittelst kleiner Kanonen aus dünnem Kupferblech zur Anschauung. Bei einer Pulverladung trieben sie den Pfropf ohne Nachtheil für das Rohr ziemlich weit weg; bei einer auch noch so kleinen Ladung mit Knallquecksilber oder Knallsilber wurde hingegen der Pfropf nicht abgeschossen, wohl aber das Kanönchen an der Stelle wo die Ladung befindlich gewesen, zerrissen und zertrümmert. In Steinbrüchen, wo man große Felsmassen lösen aber möglichst wenig zertheilen will, bedient man sich daher stets eines sehr langsam brennenden Pulvers, welches nach Art eines allmählich eindringenden Keils wirkt; Knallmetalle würden dagegen den Felsen an Ort und Stelle zu Pulver zersprengen, aber schwerlich solchen Erfolg haben wie das Sprengpulver. Indessen kann die Wirkung des Pulvers, so langsam sie gegenüber derjenigen des Knallsilbers erscheint, dennoch in manchen Fällen eine zu rasche seyn. Neuere Versuche ergaben, daß bei sehr langen und weiten Kanonen die Ladung verbrannt seyn kann, bevor die Kugel erheblich weit fortgeschoben ist; die Folge davon ist das Platzen des Rohrs, entweder durch die schlechte Qualität des Metalls oder durch die zu starke Ladung, und zwar wird stets der zwischen den Schildzapfen und dem Stoße befindliche Theil der Kanone gesprengt. Die amerikanische Dahlgreenkanone ist daher an diesem Theile außerordentlich dick im Eisen, um der Einwirkung der starken Ladungen widerstehen zu können. In allen Fällen, wo man leicht entzündliches Pulver in gußeisernen Geschützen anwenden will, muß man dieselben von dem Stoße gegen die Schildzapfen, trotz der dadurch vermehrten Schwierigkeit des Gusses, sehr dick machen. Nimmt man dagegen weniger verbrennliches Pulver, so kann die Wandstärke viel gleichmäßiger seyn, da sich der Druck der Gase auf einen größeren Theil der Rohrlänge vertheilt. Ebenso ist eine allmählich zunehmende Wirkung der Explosion bei allen gezogenen Kanonen von der größten Wichtigkeit. Bei Mörsern und Haubitzen hingegen hat das Geschoß nur einen kleinen Weg zu durchlaufen und man wendet dabei demgemäß ein sehr leicht entzündliches Pulver an; nimmt man dasselbe Pulver wie bei den gewöhnlichen Kanonen, so wird immer ein Theil davon unverbrannt fortgeschleudert. Glücklicherweise kann man die Verbrennung des Pulvers auf mancherlei Weise modificiren; dieß geschieht entweder durch Aenderung in der Zusammensetzung, oder durch unvollkommenere Mischung, oder endlich – und zwar am rationellsten – durch verschiedene Körnung des Pulvers. Je feiner das Pulver gekörnt ist, desto rascher verbrennt es. Man hat auch Pulver in sehr groben Körnern oder Brocken versucht, und dabei gefunden, daß unter gewissen Umständen und bei richtiger Anwendung solchen Pulvers, die Kugeln ebenso weit und viel gleichmäßiger als durch gewöhnlich gekörntes Pulver geworfen wurden. In der Feuerwerkerei erzielt man mancherlei Wirkungen dadurch, daß man einen gleichmäßigen und genau regulirten Druck mit Modificationen in der physikalischen und chemischen Beschaffenheit des Pulvers combinirt und dasselbe zugleich in passende Hüllen einschließt. Hierher gehören z.B. die Zünder der Bomben, welche die Zeit zwischen dem Abschießen der Bombe und der Entzündung der Ladung der letztern ganz genau zu reguliren gestatten. Signale und andere pyrotechnische Einrichtungen sind auf dasselbe Princip basirt. Es kann aber auch Fälle geben, wo die zertrümmernde Kraft gewisser augenblicklich entzündlicher Mischungen von großem Nutzen ist, wie z.B. bei Minenoperationen, deren Zweck möglichst große Zerstörung ist. Viele Versuche sind in dieser Richtung gemacht worden, aber nur die Anwendung der Schießbaumwolle hat einigen praktischen Werth erlangt. Das chlorsaure Kali mußte man ungeachtet seiner vorzüglichen Eigenschaften fast gänzlich aufgeben, weil die Handthierung damit, auch bei der größten Aufmerksamkeit, mit zu großer Gefahr verbunden ist. Beispiele solcher Compositionen sind: das Sprengpulver aus chlorsaurem Kali und Auripigment; das weiße Pulver aus chlorsaurem Kali, gelbem Blutlaugensalz und Zucker. Diese und ähnliche Mischungen entzünden sich viel zu leicht durch den Schlag. Manche explodirenden, chlorsaures Kali enthaltenden Pulver können durch Berührung mit Schwefelsäure entzündet werden; so chlorsaures Kali mit Zucker oder mit Schwefelantimon. Andere, wie chlorsaures Kali und rother Phosphor, explodiren bei der geringsten Reibung. Armstrong hat hiervon kürzlich eine Anwendung gemacht, indem er das Gemisch mit Gummilack überzieht und in eine Höhlung in einem Holzstück versenkt. Steckt man nun einen Stift bis in das Gemisch, so entzündet sich dieses durch einen schwachen, auf den Kopf des Stiftes geführten Schlag. Der Vortragende beschrieb einige Fälle von Explosionen, welche bei Pulvermühlen trotz der Anwendung der größten Sorgfalt vorgekommen sind. In einem dieser Fälle wurde die Entzündung von einer Mühle auf die andere durch eine Transmissionswelle übergetragen, welche selbst dazu bestimmt war, mittelst eines besonderen Apparates eine große Wassermasse auf die Mühle auszuschütten, wenn irgendwo eine Entzündung vorkommen sollte. Allein gerade die der Welle anhängenden Pulvertheilchen pflanzten die Entzündung durch die Zwischenmauern fort und vereitelten durch die überall plötzlich eintretende Explosion die Wirkung des hydraulischen Apparates. Die außerordentlich leicht entzündlichen explosiven Gemische haben trotz ihrer Gefährlichkeit mannichfache und nützliche Anwendung gefunden. Die gewöhnlichen Zündhütchen z.B. sind mit einer Mischung von Knallquecksilber und chlorsaurem Kali gefüllt; das Gemisch von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon wird zu Frictions- und Percussionszündern, sowie zum Entzünden von Signalen mit Hülfe von Schwefelsäure benutzt, und ähnliche Zünder wandten die Russen im Krimkriege zum Sprengen von unterseeischen Minen gegen Kriegsschiffe an. Diese Minen enthielten nämlich ein dünnes Glasfläschchen mit Schwefelsäure, umgeben von dem erwähnten Gemisch. Ueber der Flasche befand sich ein Eisenstab, welcher, von Schiffen getroffen, die Flasche zerbrach und die Zündmasse, mithin auch die Mine zur Explosion brachte. Noch manche andere Zünder werden auf gleiche Weise angesteckt. Eine Bombe mit einem solchen würde also explodiren, so wie sie plötzlich aufgehalten wird, weil der dadurch bewirkte heftige Stoß die Entzündung des Knallgemisches und somit der Ladung veranlaßt. Eine solche Vorrichtung ist z.B. eine dünne Bleihülse, die sich beim Abfeuern abplattet und eine Kugel mit dem explosiven Gemisch frei macht. Diese Kugel bleibt ruhig an ihrer Stelle, so lange das Geschoß seinen Weg fortsetzt; so wie es aber aufschlägt, wird sie auf die gegenüberliegende Wandung des Geschosses geschleudert, der Inhalt explodirt und entzündet mittelst einer rasch abbrennenden Lunte die Ladung des Geschosses. Wenn Minen mittelst Elektromagnetismus entzündet werden sollen, so müssen die betreffenden Mischungen bis zu einem gewissen Grade Leiter der Elektricität seyn, damit auch schwache Ströme die Unterbrechung der Leitung überwinden können. Solche Kompositionen besitzt man jetzt mehrere von vorzüglicher Beschaffenheit und Wheatstone hat ein tragbares und stets zur Wirkung fertiges Instrument für Zwecke der Kriegführung erfunden, mit welchem man eine gewisse Anzahl von einander mehr oder weniger entfernter Minen gleichzeitig entzünden kann.