Titel: Ueber die Verfälschung von Gewürzen; von Dr. H. Schröder in Mannheim.
Autor: H. Schröder
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. LVI., S. 228
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LVI. Ueber die Verfälschung von Gewürzen; von Dr. H. Schröder in Mannheim. Schröder, über die Verfälschung von Gewürzen. Eine amtliche Erhebung hat dem Verf. vor längerer Zeit Gelegenheit gegeben, eine große Anzahl unerwartet erhobener Proben gemahlener Gewürze auf ihre Reinheit zu untersuchen. Da das Resultat dieser Untersuchung eine allgemeine und keineswegs etwa nur örtliche Bedeutung hat, so glaubt er verpflichtet zu seyn, dasselbe der allgemeinen Beachtung vorzulegen. Er glaubt vorausschicken zu müssen, daß alle bis jetzt in verschiedenen Werken angegebenen chemischen Untersuchungsmittel sich völlig fruchtlos und unsicher erwiesen haben, um Verfälschungen der Gewürze zu erkennen. Als das eigentliche Entdeckungsmittel für diese Verfälschungen hat sich lediglich das Mikroskop ergeben. Es ist untrüglich, wenn man sich die reine Substanz, in der Weise gemahlen, wie sie in den Handel kommt, zu verschaffen weiß, und wenn man ebenso die Fälschungsmittel, welche angewendet werden, sich zu verschaffen Gelegenheit hat. Jedes Fälschungsmittel erweist sich bei näherem Studium unter dem Mikroskope durch irgend eine charakteristische Eigenthümlichkeit ausgezeichnet, die, wenn man das Fälschungsmittel für sich studirt hat, sogleich in die Augen fällt. Dagegen ist es kaum möglich und wird jedenfalls nur in seltenen Fällen gelingen, solche Fälschungsmittel zu entdecken, auf welche man nicht im Voraus aufmerksam ist, deren Verhalten im gemahlenen Zustande unter dem Mikroskope nicht im Voraus studirt ist; doch kann man in reinen Substanzen sich von ihrer Abwesenheit dadurch überzeugen, daß bei näherem Studium nichts Fremdartiges vorkommt, was nicht in dem unverfälschten Gewürz ebenfalls gefunden wird. Da es nun möglich war, den hier ausgesprochenen Bedingungen größtentheils zu genügen, da ihm die unvermischten Gewürze und die üblichen Fälschungsmittel im gemahlenen Zustande zur Vergleichung zugestellt waren, so glaubt der Verf. ein sicheres, sehr beachtenswerthes Resultat mit Hülfe eines sorgfältigen mikroskopischen Studiums erhalten zu haben. 1) Gemahlener Pfeffer. a) Weißer Pfeffer, das sind reif gepflückte, in Wasser gequollene und dann durch Reiben von ihrer Fruchthülle befreite, wegen dieser Behandlung weniger scharfe Beeren. Vier Proben gemahlenen weißen Pfeffers waren unverfälscht. Es waren dem Verf. mehr nicht übergeben worden. b) Schwarzer Pfeffer. Es sind die unreif gepflückten Beeren der Pfefferpflanze. Es sind dem Verf. 42 Proben gemahlenen schwarzen Pfeffers aus verschiedenen Quellen des Klein- und Großhandels vorgelegt worden. Von diesen erwiesen sich 10 Proben als völlig rein und unvermischt. 20 Proben waren mit Rübsamenölkuchen versetzt, der, lediglich nur zwischen den Fingern zerrieben, ein dem gemahlenen Pfeffer sehr ähnlich aussehendes Pulver gibt. Der Rübsamenölkuchenzusatz beträgt nach Schätzung durch das Mikroskop 1/10 bis 4/5; etwa die Hälfte von diesen 10 Proben enthielt mehr Rübsamenölkuchen als Pfeffer, war also Oelkuchen mit Pfeffer, nicht Pfeffer mit Oelkuchen. Mit gebrannten und gemahlenen Eicheln waren versetzt 3 Proben. Mit getrockneten und gemahlenen Brodrinden waren versetzt 6 Proben. Mit einem nicht näher zu ermittelnden Zusatz waren verfälscht 3 Proben. Fast die Hälfte aller Proben war demnach mit Rübsamenölkuchen versetzt. 1/5 aller Proben enthielt mehr Oelkuchen als Pfeffer, 1/7 aller Proben war mit Brodrinden versetzt; nicht 1/4 aller Proben war rein und unverfälscht. Die Proben waren aber nicht etwa nur da erhoben, wo man Verdacht hatte, sondern sie waren gleichmäßig aus allen Handlungen eines Ortes genommen. Schädliche Beimischungen sind das Alles nicht, aber sie beruhen dennoch auf einem förmlichen Betruge. Selbst gute und rechtschaffene Häuser werden durch die Einsichtslosigkeit des Publikums genöthigt, den Betrug mitzumachen; denn der gefälschte gemahlene Pfeffer wird billiger abgegeben; ein Kaufmann, der ihn nicht ebenso billig abgibt, verliert seine Kunden. Die Folge ist, daß die Verfälschung fabrikmäßig betrieben wird; so hat der Verf. z.B. von einer Bäckerei gehört, welche besonders geeignete Brodkrusten zum Zweck der Beimischung bäckt. Eicheln werden ebenfalls im Großen einer besonderen Röstung zu diesem Zweck unterworfen und dazu in den Handel gebracht. Die Rübsamenölkuchen sind unmittelbar brauchbar. Einige Reisende besorgen die Verbreitung einzelner Fälschungsmittel und verkaufen den einzelnen Handlungen die Instruction zu deren Gebrauch. Die Erkennungsmittel der oben bezeichneten nachweisbaren Verfälschungsmittel sind: Rübsamenölkuchen ist im gemahlenen Pfeffer bei 60- bis 80maliger Vergrößerung unter dem Mikroskop zu erkennen an den dünnen braunen Samenschalen, deren Oberfläche ganz fingerhutartig mit Vertiefungen bedeckt ist, und dem daran sitzenden gelblichen Samenmehl. Hat man einmal reinen Pfeffer und Rübsamenölkuchen für sich unter dem Mikroskop aufmerksam studirt, so erkennt man die Beimischung sehr leicht und sicher. Gebrannte Eicheln und Brodrinden erkennt man wie folgt: Man reibt eine kleine Portion der Probe mit ein paar Tropfen Wasser und einer Lösung von Jod in Jodkalium in der Achatreibschale zu feinem Pulver. Unter dem Mikroskop bei 200maliger Vergrößerung zeigen sich die Stärkekügelchen des Pfeffers weißgrün, ein kleinerer Theil blau, aber sehr klein und ganz rund. In Eichelmehl findet man viel größere, bis zu 20mal so große blaue Stärkemehlkörner; bei weitem noch größere und, wie im Eichelmehl, ovale zeigen sich in den Brodrinden. Das Maaß der Stärkekörner ist hier völlig entscheidend. 2) Gemahlene Nelken. Es sind dem Verf. 40 Proben gepulverte Nelken übergeben worden. Ihre Prüfung ist viel schwieriger als die des Pfeffers, weil die Pulver viel feiner gemahlen und die Fälschungsmittel zahlreicher sind. Es ist kaum möglich, Verfälschungen als solche zu erkennen, wenn man das Verfälschungsmittel nicht daneben hat. Eine Probe war bezeichnet als Nelkenstengel und bestand in der That aus solchen. Als unverfälschte reine Zanzibarnelken erwiesen sich 6 Proben. Kleine Nelkenstiele mit wenig oder keinen Nelken waren 2 Proben. Mit wenig Nelkenstielen versetzt war 1 Probe. Zugleich mit Sandelholz vermischt, um den Nelkenstielen die rechte Farbe zu geben, waren 3 Proben. Aus Nelkenstielen mit Ziegelmehl versetzt, um denselben die rechte Farbe zu geben, war 1 Probe. Wegen ihrer dunkeln Farbe wahrscheinlich mit entölten Nelken versetzt waren 3 Proben. Mit Piment waren versetzt 11 Proben. Außer mit Piment und Sandelholz oder auch ohne diese mit irgend einem Mehl, Eichelmehl, Brodrinden, Oelkuchen und unbekannten Zusätzen verfälscht waren 12 Proben. Alle die letztgenannten 12 Sorten enthielten irgend ein Mehl. Drei der letzten Proben enthielten keine Spur Nelken und verdankten ihren Geruch wahrscheinlich dem Zusatz von ein paar Tropfen Nelkenöl. Der Verfälschungsmittel der Nelken haben sich demnach acht ergeben: 1) Nelkenstiele; 2) Sandelholz; 3) Ziegelmehl; 4) Piment; 5) Eichelmehl; 6) Brodrinden; 7) irgend ein Oelkuchen oder Mehl; 8) entölte Nelken. Wenigstens 10 der Proben waren überdieß mit einem fetten Oel versetzt, um dem werthlosen Pulver ein fetteres Ansehen zu geben. Nur 1/7 aller Proben war rein und unverfälscht. Die Versetzung der gemahlenen Nelken mit fettem Oel zeigt sich bald, wenn das Pulver in Papier gewickelt wird; das Papier nimmt nicht wieder verschwindende Fettflecken an; die Erkennungsmittel der übrigen Verfälschungen sind: Nelkenstiele und Nelken, in der Achatreibschale mit etwas Jod und Jodkaliumlösung fein gerieben, zeigen unter dem Mikroskop gar keine Stärkemehlkörner oder höchst selten nur vereinzelte; sie bleiben bei Piment meistens im Zellgewebe eingeschlossen, liegen aber bei Eichelmehl und Brodkrusten frei. Nelkenstiele zeigen bei 200maliger Vergrößerung eine Menge spießartig geformter langgestreckter Zellen und viele leicht wieder zu erkennende Spiralgefäße und Sternzellen. Reine Nelken enthalten weder jene spießartig gestreckten Zellen, noch Spiralgefäße, noch Sternzellen. Ziegelmehl und Sandelholz erkennt man bei 60maliger Vergrößerung direct. Sandelholz auch mit Jodlösung gerieben, bleibt rein roth. 3) Gemahlenes Piment. Es waren dem Verf. 35 Proben gemahlenen Piments übergeben. Da es ein billigeres Gewürz ist, zeigt es sich weniger, doch immer noch sehr häufig verfälscht. 12 Proben konnten als rein bezeichnet werden. Lediglich mit Nelkenstielen waren versetzt 5 Proben. Mit Nelkenstielen und Sandelholz, um eine bessere Farbe zu geben, waren versetzt 5 Proben. Gefärbte Holzarten, Oelkuchen, vielleicht auch Cichorienkaffee und Anderes mag sich darunter befunden haben. Mehr als 12 Proben waren mit fettem Oel geschönt. Also selbst dieses billige Gewürz wurde kaum zu einem Dritttheil rein angetroffen. Die erkannten Verfälschungsmittel sind die nämlichen wie bei den Nelken; ihre Erkennungsmittel sind daher schon angegeben. 4) Gemahlener Zimmt. Es waren dem Verf. 42 Proben gemahlenen Zimmts zur Untersuchung übergeben. Dem Zimmt scheinen verschiedene Arten gemahlenen Holzes beigemischt zu werden. Mahagoni-, Cedern- und Bleistiftholz, welches in Mainz zum Zweck von Beimischungen gemahlen werden soll, und Mandelschalen, hat der Verf. mit voller Sicherheit nicht nachweisen können, obgleich von diesen sämmtlichen Hölzern angegeben wird, daß sie als Zusatz verwendet werden. Auf andere Holzarten ist er speciell aufmerksam gemacht worden. Die Fälschungen mit ganz fremden Substanzen sind hier seltener; dagegen scheint es sehr viele werthlose Zimmtsorten zu geben, mit deren Unterschiebung an die Stelle des reinen Zimmts man sich begnügt. Eigentlich ächter und reiner Ceylonzimmt, d. i. die Rinde von Persia cinnamomum, fand sich gar keines unter den 35 Proben. Mit unbekannten Hölzern und fettem Oel versetzten Ceylonzimmt enthielten 4 Proben. Alle übrigen Sorten sind nicht Ceylonzimmt, sondern gemeiner chinesischer Zimmt oder Caneel, d.h. die Rinde von Persia cassia. Was als ächter chinesischer Zimmt in den Handel kommt, ist die bessere Sorte Caneel, d. i. die innere Rinde der nicht zu alt gewordenen Aeste. Was im Handel als Cassia vorkommt, wird aus den äußeren und gröberen, älteren und dickeren Rinden der Persia cassia und aus Gewürzrinden ohne Zweifel auch noch anderer Bäume gewonnen. Allen, auch den reinsten Sorten gemahlenen chinesischen Zimmts waren einige Tropfen Mandelöl gleichsam als Schminke zugesetzt; die schlechteren Sorten waren förmlich eingeölt. Als ächter chinesischer Zimmt erwiesen sich 15 Proben. Mit gemeiner Cassia versetzt waren 8 Proben. Lediglich gemeine Cassia waren 7 Proben. Noch andere, nicht mit Sicherheit näher ermittelte Hölzer enthielten 5 Proben. Mit fremdartigen Hölzern und noch überdieß mit einem Mehl, wahrscheinlich Eichelmehl, versetzt waren 3 Proben. Die grobe Cassia, mit Jodlösung angerieben, hat durchschnittlich kleine und weniger einzelne Stärkemehlkörner, als ächter chinesischer Zimmt. Aechter Ceylonzimmt unterscheidet sich vom chinesischen Zimmt und von der Cassia schon bei 60maliger Vergrößerung durch die große Anzahl durchsichtiger spießförmiger Zellenbildungen, wovon in chinesischem Zimmt und Cassia durchaus nichts Aehnliches vorkommt. 5) Gemahlener Ingwer. Es wurden dem Verf. 32 Proben übergeben. Das Ingwermehl wird mit Erbsen-, Linsen- oder Bohnenmehl verfälscht, und läßt sich von dem letzteren unter dem Polarisationsmikroskop bei 200- bis 500maliger Vergrößerung unterscheiden. Die Stärkekörner von Erbsen, Linsen oder Bohnen erscheinen unter dem Polarisationsmikroskop im dunklen Feld hell mit schwarzem Andreaskreuz; die Stärkekörner des Ingwers haben nur einzelne helle Stellen, oder bleiben ganz dunkel, zeigen aber nicht das Andreaskreuz. Als reiner entschälter Ingwer erwiesen sich 9 Proben. Nicht völlig oder nicht entschält, aber sonst rein, waren 4 Proben. Mit Mehl von Erbsen, Linsen oder Bohnen waren versetzt 13 Proben. Lediglich Gelbwurz, d. i. Curcuma, die im Handel auch fälschlich unter dem Namen gelber Ingwer erscheint, waren 2 Proben. Mit Zusätzen, die nicht näher ermittelt werden konnten, waren versetzt 4 Proben. Curcuma ist bei 200maliger Vergrößerung leicht an den gelben kugeligen Farbstoffzellen zu erkennen. (Polytechnische Centralhalle.)