Titel: Anwendung des Wasserdruckes zur Verminderung der Zapfenreibung, von D. Girard.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CII., S. 410
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CII. Anwendung des Wasserdruckes zur Verminderung der Zapfenreibung, von D. Girard. Girard's Anwendung des Wasserdruckes zur Verminderung der Zapfenreibung. Girard hat der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine Abhandlung eingereicht, worin er die Anwendung des von ihm bereits für Eisenbahnwagen in Vorschlag gebrachten PrincipsPolytechn. Journal Bd. CLXV S. 178. zur Verminderung der Zapfenreibung bespricht. Wir geben seine Mittheilungen im Auszuge nach den Comptes rendus t. LV p. 926. Girard hatte Gelegenheit zwei Turbinen zu je 135 Pferdekräften bei 50 Meter Fall für die Spinnerei Possaccio (am La maggiore) zu construiren. Die großen Geschwindigkeiten und Belastungen, unter denen diese Motoren arbeiten mußten, ließen die Anwendung gewöhnlicher Zapfen fast unmöglich erscheinen; der Constructeur kam daher auf den Gedanken, sein zur Aufhebung der Reibung in Vorschlag gebrachtes Princip des hydraulischen Druckes in diesem Falle auszuführen. Zu diesem Zwecke brachte er zwei gußeiserne Scheiben von 0,3 Meter Durchmesser in Anwendung; die eine dieser Scheiben wurde auf dem Roste des Abflußcanals befestigt, die andere war mit der Welle unterhalb des Turbinenrades verbunden. Das direct aus dem Speiserohre der Turbine entnommene Wasser kann nunmehr durch eine Oeffnung unter der Mitte der ringförmigen Oberfläche der oberen Platte dringen und sich in einem größeren Raume darunter verbreiten, worauf es, indem es besagte Platte hebt, kleinere Abtheilungen durchströmt, um vom inneren nach dem äußeren Umfange des ringförmigen Ansatzes der Platte zu entweichen; auf diese Weise wird die Berührung der metallischen Oberflächen der beiden Platten vollständig aufgehoben und alle zerstörende Reibung beseitigt. Um für alle Fälle gesichert zu seyn, hatte man das eine Wellenende mit einem gewöhnlichen Zapfen versehen, und ließ, um die Verhältnisse zu prüfen, die Turbine versuchsweise auf diesem Zapfen laufen; aber bereits nach einer halben Stunde entstand eine solch starke Erhitzung, daß der Gang unterbrochen werden mußte und bei der Untersuchung zeigte sich eine starke Deformirung der reibenden Oberflächen. Sicher werden ähnliche Verhältnisse wie die oben angedeuteten bei allen stark belasteten und schnell laufenden Zapfen eintreten. Die oben besprochenen Turbinen sind dagegen mit der neuen Art der Auflagerung bereits neun Monate im Gange, ohne daß irgendwie Bedenken gegen das neue Princip erweckt worden wären, so daß man demselben mit Recht eine große Bedeutung für die Praxis beilegen kann. An einem Wasserrade von 300 Kilogr. Gewicht, welches auf zwei gußeisernen Zapfen von 0,15 Meter Durchmesser mittelst der neuen Methode aufgelagert war, haben sich nach dem Referat folgende Resultate ergeben: Sobald die Zapfen vollständig mit Wasser benetzt waren, betrug der Widerstand der Reibung 0,5 des übertragenen Gewichtes, sobald dieselben dagegen vollständig eingeölt waren 0,1, und sobald die Wassercirculation zwischen den reibenden Oberflächen unter hohem Drucke stattfand, nur 0,001. Der Verbrauch an Wasser, welches unter dem Drucke einer Wassersäule von 7,5 Meter oder 3/4 Atmosphäre zuströmte, betrug 1/8 Liter per Secunde. Vorausgesetzt, daß man einen Wasserdruck von 30 Metern oder 3 Atmosphären anwendet, so wird man 1/4 Liter per Secunde verbrauchen, weil sich die verbrauchten Quantitäten wie die Quadratwurzeln aus den Pressungen verhalten, und das übertragene Gewicht steigt mit Anwendung auf obige Zapfendimensionen auf 1200 Kilogr. Um nach obigen Grundsätzen den Durchmesser für die Zapfen eines Schwungrades von 40000 Kilogr. und den Verbrauch an Wasser für 30 Meter Druck zu finden, ist folgende Berechnung anzustellen: Vorausgesetzt wird, daß das übertragene Gewicht proportional dem Quadrat des Durchmessers der Zapfen, die Längen letzterer proportional ihren Durchmessern und der Wasserbedarf proportional den Durchmessern sey. D sey der Durchmesser für die Wellzapfen des fraglichen Schwungrades, der durch das Gewicht desselben bestimmt wird; Q sey das Wasservolum, welches für diese Zapfen per Secunde nöthig wird; ferner sey d der Durchmesser der Zapfen bei dem obenerwähnten Versuchsrade und q das für diese Zapfen verbrauchte Wasservolum; es ist demnach d = 0,15 Meter und q = 1/4 Kilogr. und es bestehen die Gleichungen: D = √40000/1200 × d       Q = D/d × q oder D = 5,77 × 0,15 Mtr. = 0,865 Mtr.; Q = 5,77 × 1/4 = 1,442 Liter. Die Arbeit für die Wasserhebung, die zu diesem Zwecke im Allgemeinen nöthig wird, beträgt, wenn man den Nutzeffect der Pumpe zu 70 Proc. annimmt 1,442/0,70 × 30 = 61,8 Kilogr.-Mtr. Die durch den Reibungswiderstand aufgezehrte Arbeit wird seyn T = f × π D × n/60, wobei n = 100 Umdrehungen per Minute, f Erfahrungscoefficient = 0,001 des Schwungradsgewichts d. i. f = 40 Kilogr.; daher T = 40 × (π × 0,865) × 1,666 = 181,06 Kilogr.-Mtr. Die zur Bewegung eines Schwungrades von 40000 Kilogr. Gewicht bei 100 Umdrehungen per Minute aufgewendete mechanische Totalarbeit ist daher 61,8 Kilogr.-Meter + 181,06 Kilogr. Meter. = 242,86 Kilogr.-Mtr. = 3,24 Pferden. Berechnet man annähernd die Arbeit der gewöhnlichen Zapfenreibung, welche sich unter den angenommenen Verhältnissen herausstellen würde, so findet sich Folgendes: der Durchmesser der Zapfen soll beim möglichen Minimalwerthe 0,35 Mtr. betragen und der Reibungscoefficient sey zu 10 für 100 angenommen: man hat daher T = (π × 0,350 × 4000 × 1,666)/75 = 96,4 Pferde anstatt wie oben 3,24 Pferde, was einer Oekonomie von 96,4 – 3,24 = 93,16 Pferden oder einer Kraftersparniß von mehr als 96 Proc. entspricht. (Deutsche Industriezeitung, 1863, Nr. 8.)