Titel: Steuerung zur vortheilhaften Verwendung des von Hochdruckmaschinen entweichenden Dampfes; von Joachim Watzka in Prag.
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. II., S. 3
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II. Steuerung zur vortheilhaften Verwendung des von Hochdruckmaschinen entweichenden Dampfes; von Joachim Watzka in Prag.Diese Steuerung wurde dem Erfinder am 7. Februar 1862 für die österreichischen Staaten auf die Dauer eines Jahres patentirt. Mit Abbildungen auf Tab. I. Watzka's Steuerung zur vortheilhaften Verwendung des von Hochdruckmaschinen entweichenden Dampfes. Der Hochdruckdampf entweicht aus einem Cylinder auf zweifache Art: 1) entweicht der Ueberdruckdampf in einem Moment; 2) der Dampf von 1 Atmosphäre Spannung, welcher im Cylinder zurückblieb, wird durch den Kolben herausgeschoben. Diese getheilte Entweichung des Hochdruckdampfes veranlaßte mich einen diesem Principe entsprechenden Mechanismus folgender Art zu construiren. Auf das Ausströmungsrohr des Cylinders wird ein cylindrischer Schieberkasten gesetzt, in dessen innerem, glatt ausgebohrten Raume ein Kolben-Schieber über zwei Oeffnungen gleitet, wovon jede durch einige Stege unterbrochen ist, und durch seine eigenthümliche Bewegung den Ueberdruckdampf durch die Röhre B und den zurückgebliebenen Dampf durch die Röhre A entweichen läßt. Der Canal b, welcher mit dem Rohre B correspondirt, beginnt sich zu öffnen, wenn der Kolben 95 Procent seines Laufes zurückgelegt hat; er ist gänzlich offen, wenn der Kolben 100 Proc. desselben zurückgelegt hat, und er schließt sich, wenn der Kolben 5 Proc. seines Rückweges durchlaufen hat. Den ersten und dritten Fall zeigt Fig. 18; den zweiten Fall Fig. 17. Während nun der Kolben seinen Weg von 5 Proc. bis zu 95 Proc. zurücklegt, steht der Canal a, welcher mit dem Rohre A correspondirt, offen; der Dampf, vom Kolben geschoben, geht durch den hohlen Schieber und entweicht durch das Rohr A. Um sich die Beschaffenheit des Schiebers zu versinnlichen, denke man sich einen gewöhnlichen flachen Schieber in einen Kreis zusammengerollt. Die Bedeckungsflächen sind hier elastische Ringe, welche in Ruthen, die im Schieberkörper eingedreht wurden, gut eingepaßt sind, so daß sie sich bloß vermöge ihrer eigenen Elasticität an die cylindrische Fläche des Schieberkastens anlegen und wie ein Kolben hin und her gleiten. Diese Construction des Schiebers ist die zweckmäßigste hinsichtlich der Dichthaltung und der leichteren Bewegung, indem derselbe ein entlasteter ist. Wird dieser Mechanismus an einer Hochdruckmaschine angebracht, so kann der entweichende Dampf in eine getheilte Dampfheizung geleitet werden; größer wird aber der Effect, wenn z.B. das Rohr B zur Dampfheizung führt und das Rohr A mit einem Condensator in Verbindung steht. Ebenso von Vortheil ist dieser Mechanismus an einer Hochdruckmaschine mit Expansion und Condensation, indem bei Anwendung von höher gespannten Dämpfen der Ueberdruckdampf zum Rohre B entweichen und Dampf von bloß einer Atmosphäre Spannung zur Condensation gelangen kann. Es können folglich mittelst dieser Steuerung Maschinen, welche sogar mit 10 Atmosphären ohne Expansion arbeiten, vortheilhaft mit Kondensation functioniren. Auch bei Locomotiven ließe sich diese Steuerung mit Vortheil anwenden, wenn das Rohr B zum Blasrohr, das Rohr A zum Tender geleitet würde. Wenn man diesen Mechanismus so einrichten würde, daß der Schieber stehen bleibt und zugleich beide Canäle a und b bedeckt, somit jede Ausströmung unmöglich gemacht ist, so wäre dadurch ein energisches Anhalten erzielt. Wenn eine Hochdruckmaschine einen Cylinder von 14'' Durchmesser = 153,93 Quadratzoll Kolbenfläche hat, einen Hub von 30'' und 40 Umdrehungen per Minute macht, so ist der Vortheil = 10,8 Pferdekräfte; denn der Gegendruck auf den Kolben einer Hochdruckmaschine ist = 12,75 Pfd. per Quadratzoll und der Gegendruck vom Condensator nur 2 1/5 Pfd., somit sind 12,75 – 2,75 = 10 Pfd. per Quadratzoll der Kolbenfläche durch Condensation gewonnen. Die Kolbenfläche ist = 153,93 Qdrtzoll × 10 = 1539,3 Pfd. × mit 90 Procent des Kolbenhubes = 2,25' = 3463,42 Fußpfund per Kolbenhub; bei 80 Hüben per Minute 277073,60 Fußpfd. = 10,8 Pferdekräften. Der kubische Inhalt des Cylinders ist 4617,90 Kubikzoll und 90 Proc. desselben entsprechen 4156,11 Kubikzoll, die mit 80 multiplicirt 332488,8 Kubikzoll oder 192,4 Kubikfuß Dampf von 1 Atmosphäre ergeben, welcher in einer Minute zu condensiren wäre, wozu 2,04 Kubikfuß Wasser per Minute oder 122,40 Kbf. per Stunde erforderlich sind. Der Nutzeffect bei der Anwendung dieser Steuerung an der Locomotive berechnet sich folgendermaßen: Hat ein Cylinder 3916 Kubikzoll Inhalt und werden 10 Proc. des diesem Inhalt entsprechenden zurückgebliebenen Dampfes dem Blasrohr noch zugeführt, während 30 Proc. desselben zur Compression gelangen, so kommen bei einem Kolbenhube zur Condensation 60 Proc. oder 2349,6 Kubikzoll Dampf von 1 Atmosphäre; folglich auf eine Umdrehung 2349,6 × 4 = 9398,4 Kubikzoll und auf eine Meile, wenn das Treibrad 4' im Durchmesser hat, 10390,36 Kubikfuß = 346,34 Pfd. Dampf, welche 6,14 Kubikf. Wasser liefern. Der absolute Wärmegehalt dieses Dampfes ist = 193953,2 Wärmeeinheiten; werden diese einem Tender zugeführt, der 300 Kubikf. Wasser enthält, so erwärmt sich dieses bei der ersten Meile Fahrt um 11,4°, ohne daß an der Maschine der Luftzug merklich beeinträchtigt würde. Man gewinnt also 6,14 Kubf. reines Wasser zur Speisung und durch das vorgewärmte Wasser eine bessere Dampferzeugung, welche den Kohlenverbrauch vermindert, und da überdieß keine Unreinigkeit aus dem Rauchkasten in die Cylinder kommen kann, so erzielt man auch eine längere Dauer der Kolbenringe. Das auf diese Steuerung begründete Dampfmaschinen-System besteht darin, daß man eine Niederdruckmaschine mit einer Hochdruckmaschine verkuppelt und den aus der Röhre B entweichenden Ueberdruckdampf der Niederdruckmaschine zuführt, in welcher derselbe mit Expansion wirkt und dann condensirt wird; den im Cylinder der Hochdruckmaschine zurückgebliebenen Dampf leitet man, wenn derselbe nicht anders benutzt wird, ebenfalls in den Condensator. Die Verkuppelung geschieht der Art, daß die Kurbeln beider Maschinen unter einem Winkel von etwa 45° zu einander stehen; jedoch muß die Kurbel der Niederdruckmaschine der Kurbel der Hochdruckmaschine vorlaufen. Diese Stellung der Kurbeln ist für die Expansion des Dampfes im großen Cylinder eine sehr günstige, indem diese vor sich geht, wenn der kleine Kolben sich dem Ende seines Weges nähert und von demselben entfernt, hingegen der Gang des großen Kolbens ein beschleunigter ist. Die Drehung wird ohne Schwungkraft bewirkt; denn die Function des Schwungrades ist nur die Ausgleichung der Bewegung und nicht die Ueberwindung der todten Punkte, daher dasselbe leichter seyn kann. Auch kann seiner Zeit der kleine Cylinder für sich allein, so auch der große Cylinder mit directem Dampf betrieben werden. Fig. 20 ist eine Skizze eines solchen Dampfmaschinen-Systems. Tritt der directe Dampf durch die Röhre a in den Schieberkasten des kleinen Cylinders und auf dessen Kolben, so wird der Zufluß durch den Vertheilungsschieber bei 65 Proc. des Kolbenganges abgesperrt; hierauf beginnt die Expansion. Bei 85 Proc. des Ganges des kleinen Kolbens öffnet der Vertheilungsschieber die Ausströmung; der Dampf tritt durch b, b, b, b, b in den Schieberkasten des großen Cylinders, dessen Kolben an seinem Ende steht. Die Communication dauert nun so lange, bis der kleine Kolben sein Ende erreicht und wieder 15 Proc. seines Weges zurückgelegt hat. Der große Kolben erreicht unter dieser Communication und Expansion 55 Proc. seines Weges; der im großen Cylinder befindliche Dampf wirkt durch Expansion bis an das Ende des Kolbenschubes, wornach ihn der Vertheilungsschieber in den Condensator entweichen läßt. Der im kleinen Cylinder befindliche Dampf, welcher 85 Proc. seines Raumes füllt, gelangt zum Condensator durch die Röhre c, welche der cylindrische Schieber hierzu öffnet. Der kleine Kolben legt so 15 Proc. seines Weges unter Communication mit dem großen Cylinder, und 85 Proc. unter Condensation zurück; der große Kolben functionirt wie bei einer gewöhnlichen Niederdruckmaschine. Vergleichung einer Woolf'schen Maschine mit einer nach dem beschriebenen System eingerichteten. Beide Maschinen haben gleiche Cylinder; der kleine hat 1,01', der große 1,85' Durchmesser. Die Fläche des kleinen Kolbens beträgt 113,09, diejenige des großen 366,43 Quadratzoll. Der Inhalt des kleinen Cylinders ist 4749,78 und derjenige des großen 15390,06 Kubikzoll. Die Maschinen machen 25 Umdrehungen per Minute, ihr Hub beträgt 42'' und der Dampfdruck im Kessel 4 Atmosphären. Die Zulassung des Dampfes wird bei 65 Proc. des Kolbenganges abgesperrt. Die Leistung einer solchen Woolf'schen Maschine beträgt 24 Pferdekräfte. Der Vortheil, welcher durch das oben beschriebene System erzielt wird, ist in dessen Construction und in der Verwendung des Dampfes in demselben begründet. Bei demselben ist die Condensation im kleinen Cylinder zum Nachtheil des Expansivkraft-Effectes im großen Cylinder, im Vergleich mit der Woolf'schen Maschine. Aber die Condensation im kleinen Cylinder behebt hier den durch die Expansion im großen Cylinder verursachten Gegendruck auf den kleinen Kolben; wenn bei diesem System Dampf ohne Condensation im kleinen Cylinder verwendet würde, so würde derselbe den gleichen Effect hervorbringen wie in einer Woolf'schen Maschine. Der durch die Condensation im kleinen Cylinder verursachte Nachtheil besteht darin, daß der Druck auf den großen Kolben für die Periode, wo derselbe noch 45 Proc. seines Ganges zurückzulegen hat, geringer wird, und zwar ist der vor dem Beginne der Condensation auf den großen Kolben stattfindende Druck = 0,972 Atmosphären; dieses ist aber auch der Gegendruck auf den kleinen Kolben. Würde nun im kleinen Cylinder kein Dampf zur Condensation gelangen, so wäre am Ende des Ganges des großen Kolbens der Druck auf denselben 0,6 Atmosphären; diese wären aber auch der Gegendruck am Ende des Ganges des kleinen Kolbens. Da jedoch der Dampf, welcher 0,972 Atmosphären Druck hat, im großen Cylinder eingesperrt bleibt, sich folglich noch um 45 Proc. ausdehnt, so behält er am Ende nur noch eine Spannung von 0,544 Atmosphären. Der durchschnittliche Druck auf den großen Kolben wäre im ersten Falle für die letzten zurückzulegenden 45 Proc. seines Ganges = 0,788 Atmosphären; im zweiten Falle wäre er 0,760 Atmosphären. Dieses gibt (0,357 Pfd. per Quadratzoll) auf die Kolbenfläche des großen Cylinders 130,8 Pfd. und auf den Kolbenweg 206,0 Fußpfund, als Verlust an Effect der Expansion im großen Cylinder. Der Gegendruck auf den kleinen Kolben ohne Condensation (in seinem Cylinder) ist nach zurückgelegten 15 Proc. seines Ganges = 0,972 Atm. und am Ende des Ganges wäre derselbe 0,6 Atm. Der durchschnittliche Gegendruck beträgt also 0,78 Atm. während 85 Proc. des Ganges des kleinen Kolbens. Auf die Kolbenfläche des kleinen Cylinders erhält man (der Druck im Condensator = 2 Pfd. per Quadratzoll) 9,9 – 2 = 7,9 Pfd. per Quadratzoll = 893,4 Pfd. Druck; auf den zurückzulegenden Kolbengang von 2,975' = 2657,8 Fußpfund. Dieser Druck wird durch die Condensation behoben, somit zur Kraft, und von dieser ist der Verlust im großen Cylinder abzuziehen; man hat somit 2657,8 – 206,0 = 2451,8 Fußpfund per Kolbenhub als Gewinn an Kraft; bei 50 Kolbenhüben per Minute also 122590 Fußpfd. oder 4,8 Pferdekräfte, während der Kohlen- und Wasserverbrauch derselbe bleibt.

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