Titel: Ueber einige praktische, mit der Anilinfarben-Fabrication zusammenhängende Fragen; von Dr. P. Bolley.
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. XVI., S. 51
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XVI. Ueber einige praktische, mit der Anilinfarben-Fabrication zusammenhängende Fragen; von Dr. P. Bolley.Vom Verfasser aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, Bd. VIII S. 28, mitgetheilt. A. d. Red. Bolley, über einige praktische Fragen bezüglich der Anilinfarben-Fabrication. 1) Die Rolle der Arsensäure bei Erzeugung des Anilinroth. – Obgleich die Mittel, deren die Industrie sich zur Darstellung des Anilinroth bedient, sämmtlich darauf hindeuten, daß (wahrscheinlich neben anderen Vorgängen) die Umwandlung des Anilins in das rothe Pigment auf einer Oxydation, beziehungsweise Wasserstoffentziehung, beruht, und diese Annahme eine directe Bestätigung erfährt durch die Beobachtung, daß Quecksilbersalze, die man nach dem Vorgang von Gerber-Keller anwendet, theilweise zu metallischem Quecksilber werden, hat dieselbe doch einen Widerspruch in den Mittheilungen der HHrn. Persoz, de Luynes und Salvetat Comptes rendus, 1860, t. LI p. 538; polytechn. Journal Bd. CLIX S. 221. erfahren. Nicht sowohl um eine veraltete, wie mir vorkommt durch das seitherige Stillschweigen der Chemiker entschiedene Frage aufzufrischen, als im Hinblick auf die Quantitäten Arsensäure die zur Anilinrothbereitung nöthig sind, habe ich in meinem Laboratorium über diesen Gegenstand arbeiten lassen. a) Hr. Hannes aus Wesel mischte nach der Vorschrift von Girard und Delaire Polytechn. Journal Bd. CLIX S. 452. Gramme Arsensäure, 50 Gramme Wasser und 41,5 Anilin, und ließ diese Körper entsprechende Zeit und in der nöthigen Temperatur auf einander einwirken. Er fand nach Abscheidung des Roth durch Salzsäure, Versetzen der noch schwach sauren Lösung mit kohlensaurem Natron, Fällen der Arsensäure durch Lösung von Bittererdesalz und Salmiak unter Zusatz von Ammoniak, Filtriren und Fällen der arsenigen Säure aus dem angesäuerten Filtrat mit Schwefelwasserstoff, daß von den 50 Grm. Arsensäure 14,868 Grm. zu arseniger Säure reducirt worden waren. Die Arsensäure, die zu dem Versuch diente, war nicht sehr scharf getrocknet worden, so daß der Bittererdeniederschlag nicht ganz die Ergänzung der 14,868 Grm. zu 50 Grm. lieferte. b) Nach derselben, Levol'schen, Methode wurde von F. Bolley der Gehalt an Arsensäure und arseniger Säure in einer Flüssigkeit bestimmt, die aus einer Anilinfarbenfabrik bezogen worden war, worin das Roth in Säure gelöst und mit Sodalösung ausgeschieden worden war. In 40 Grm. dieser Flüssigkeit waren 3,370 Grm. Arsensäure und 1,590 arsenige Säure enthalten. Ehe ich weitere Folgerungen aus obigen Versuchen ziehe, nur ein kurzes Wort über einen Grund, welcher die Verschiedenheit dieser Resultate und derjenigen, welche die HHrn. Persoz, de Luynes und Salvetat erhielten, theilweise erklärt. Diese Chemiker haben den Rückstand, der nach Einwirkung der Arsensäure auf das Anilin blieb, mit lauwarmem Kalkwasser behandelt und so das Fuchsin entfernt. Was nicht gelöst worden, wurde mit Alkohol und Aether von Spuren von „Harz“ und violettem Farbstoff „Indisin“ befreit. Der Kalkniederschlag, welcher blieb, in Salzsäure gelöst und mit Schwefelwasserstoff behandelt, lieferte unmittelbar keinen Niederschlag, nach längerer Zeit erst eine weißgelbliche Trübung. Dagegen erhielten sie darin eine reichliche gelbe Fällung, wenn die chlorwasserstoffsaure Lösung mit wäßriger schwefliger Säure versetzt, gekocht und nun einem Schwefelwasserstoffgasstrom ausgesetzt wurde. Ich bin nicht überrascht von der Abwesenheit der arsenigen Säure in dieser Lösung. Die arsenigsaure Kalkerde ist in namhafter Menge in verschiedenen Ammoniumsalzlösungen löslich, selbst in arsenigsaurem Ammoniak. Daß aber Ammoniak bei obiger Reaction gebildet werde, sowie daß diese Bildung ein Hinderniß ist für einigermaßen genügende Fällung der Arsensäure und arsenigen Säure aus den Rückständen, wird unten sub 4 gezeigt werden. Aus den angeführten Bestimmungen ergibt sich, daß in beiden Fällen nicht einmal ein Drittel vom Gewichte der Arsensäure reducirt worden. Es fragt sich daher, ob die Menge der Arsensäure nicht vermindert werden könne. Das Verhältniß von 12 Arsensäure und 10 Anilin gründet sich ohne Zweifel auf die Annahme, es sey einfach-arsensaures Anilin herzustellen, da 93 Anilin 115 Arsensäure erfordern. Unten sub 2 wird wahrscheinlich gemacht werden, daß auf je ein Aeq. Anilin nur ein Aeq. O nöthig zu seyn scheint; wenn nach dem oben Gesagten noch weniger As O⁵ zerlegt wird, als nöthig wäre damit ein Aeq. O auf ein Aeq. Anilin abgegeben werde, so ist nicht zu vergessen, daß Rohanilin nicht C¹²H⁷N ist, sondern viel anderes Unbekanntes enthält. Béchamp sagt in einer seiner Abhandlungen, die Menge des erhaltenen Fuchsins stehe im Verhältniß zur Menge angewandter Arsensäure. Ich habe hierüber mehrere Versuche anstellen lassen, und fand bei einfacher Verminderung der Arsensäure, daß auch wenn die Temperatur nicht über 160° C. gesteigert wird, ziemlich viel Anilin verdunstet und darum die Ausbeute verringert wird. Bei Mengung von z.B. arsensaurem mit kleesaurem Anilin, 10 Gramme Anilin mit entsprechenden Mengen beider Säuren gesättigt und gemischt, zeigte sich, daß zwar die Bildung von Fuchsin geringer war als bei Anwendung von nur arsensaurem Anilin, jedoch lange nicht im Verhältniß zur Verminderung der Arsensäure, und daß in sehr großer Menge der blauviolette Körper gebildet wurde, von welchem unten sub 3 die Rede seyn wird. Es ist sehr gut möglich, daß bei den so modificirten Versuchen andere Temperaturen eingehalten werden sollten. Ich gewann die Ueberzeugung, daß über diesen Punkt in etwas größerem Maaßstab gearbeitet werden sollte, um sichere Anhaltspunkte zu gewinnen. Auch wäre zu versuchen, ob sich nicht ein passendes Anilinsalz mit zwei Säuren darstellen lasse, wovon die eine Arsensäure ist, weil erwartet werden kann, daß so der abgeschiedene Sauerstoff der Arsensäure gleichmäßiger auf das vorhandene Anilin einwirke als in einer Mengung zweier Salze. 2) Das Ammoniak, ein Nebenproduct bei Erzeugung des rothen Farbstoffs aus Anilin. – Sobald die von Hofmann aufgestellte Formel für das Rosanilin bekannt worden war, mußte man der Vermuthung Raum geben, daß neben dem rothen Farbstoff ein anderer stickstoffhaltiger Körper gebildet werde. Bringt man den der Reaction zu Grunde gelegten Körper und den resultirenden auf gleichen Kohlenstoffgehalt, d.h. vermehrt man das Aequivalent des Rosanilins mit 3, das des Anilins mit 10, so erhält man 10 × C¹²H⁷ N   = C¹²⁰H⁷⁰N¹⁰   3 × C⁴⁰H¹⁹N³ = C¹²⁰H⁵⁷N⁹ ––––––––––– und es bleibt nach der Subtraction des einen vom      anderen H¹³N d.h. man kann sich vorstellen, es werden aus 10 Aeq. Anilin 1 Aeq. Ammoniak = NH³ und 3 Aequivalente Rosanilin gebildet und gleichzeitig 10 Atome Wasserstoff in Wasser, oder bei Anwendung von HCl in Chlorwasserstoff verwandelt austreten. Es ist mir verschiedenemale der Ammoniakgeruch aufgefallen, der sich in Anilinrothfabriken ergibt beim Einlaufenlassen der Sodalösung in die kochende saure Flüssigkeit, die den Farbstoff und die beiden Arsensäuren enthält. Daß sich hierbei nicht alles Ammoniak entwickeln kann, weil man weder großen Ueberschuß von Sodalösung zusetzt, noch weiter erhitzt, wenn der Zusatz erfolgt ist, ist begreiflich. Ich habe mir von diesen Salzlösungen, die nach der Farbstoffabscheidung blieben, eine gewisse Quantität verschafft und sie auf Ammoniakgehalt untersuchen lassen. F. Bolley erhielt folgendes Ergebniß: Ein Liter der Lösung wurde mit etwas Kalkmilch und Aetznatron versetzt in einen geräumigen Kolben gebracht und erhitzt. Die Röhre, durch welche die Dämpfe entwichen, wurde in eine Vorlage geleitet, in welcher sich 100 K. C. Normalschwefelsäure befanden. Davon wurden nach Beendigung der Destillation gesättigt gefunden: 62,7 K. C. Eine vor dem Titriren der Flüssigkeit weggenommene und eingedampft Menge derselben ließ einen Salzrückstand, der sich als schwefelsaures Ammoniak erwies. In einem Liter dieser Lösung war nach Obigem 1,0659 Grm. Ammoniak enthalten. Es konnte hierbei die Frage sich aufwerfen ob dieß Ammoniak nicht vielleicht schon im Anilin, das angewendet worden, enthalten gewesen, da nach Scheurer-Kestner's, von mir bestätigter Beobachtung, aus Nitrobenzin unter allzuheftiger Einwirkung des Eisens und der Essigsäure Benzol rückgebildet und Ammoniak erzeugt werden kann, das sich dem Anilin beimischt. Ich habe aus derselben Fabrik mir von dem gleichen (französischen) Rohanilin verschafft, was sie auf die rothen Farbstoffe verarbeitet und nur ganz schwache Spuren von Ammoniak darin entdecken können. 3) Der sogenannte „harzige“ Körper, das Nebenproduct neben dem rothen Farbstoff. – Alle Mittheilungen der Chemiker und Fabrikanten von Anilinfarben stimmen darin überein, daß neben dem „Fuchsin“ ein harziger Körper gewonnen werde. Es ist aber für manche Folgerungen, die aus dieser Annahme gezogen werden können, von Wichtigkeit, dieselbe näher zu betrachten. Deßhalb ließ ich aus einer Anilinrothfabrik von der dickteigigen, grünbraunen Masse kommen, die sich ausscheidet, wenn das gepulverte, noch mit den Säuren des Arsens gemengte rohe Roth mit verdünnter Salzsäure ausgekocht wird, und die man die harzige nennt, und suchte festzustellen, welcher Natur sie sey. Dieselbe enthielt namhafte Mengen von ganz brauchbarem Roth, das sich durch wiederholtes Zerreiben und Auskochen mit verdünnter Säure nebst Arsensäure entfernen ließ. Als die Lösungen nur noch sehr wenig gefärbt erschienen, wurde der mit Wasser ausgewaschene Rückstand gut getrocknet und mit starkem Alkohol gekocht. Es blieb ein Rückstand, der aus Sand, etwas schwefelsaurem Kalk, Kohle, Holztheilchen, kurz aus Verunreinigungen mechanischer Art bestand, die meist in Folge der sorglosen Aufbewahrungsart dieses werthlosen Ausscheidungsproductes hineingekommen seyn mochten. Die alkoholische Lösung war schön violett. Seide darin gefärbt wurde dagegen rothgrau. Der Alkohol wurde abdestillirt, der Rückstand war braun, hart, spröde, zu einem schwärzlichen Pulver zerreiblich. Benzin nahm nur sehr wenig bräunlich-rothe Materie daraus auf; Aetzammoniak war ohne Wirkung. Concentrirte Schwefelsäure löste die Masse zu einer braunen, etwas trüben Flüssigkeit, ließ sie aber bei Verdünnung mit vielem Wasser wieder als violettschwarze, lockere Flocken fallen, während das saure Wasser unschön violett gefärbt wurde. Diese stockige Masse löste sich wiederum mit Zurücklassung von wenig Kohle in starkem Weingeist, die Farbe erschien etwas lebhafter als vor der Behandlung mit Schwefelsäure, lieferte aber ebenfalls nicht hinlänglich feurige Nüancen beim Färben. Die Schwefelsäure hatte sehr wenig verkohlt, die Hauptmasse war ein violetter Farbkörper. Es ist auf den ersten Blick klar, daß er mit den violetten Anilin-Pigmenten, Parme, Pensée, Mauve u.s.w., die man im Handel findet, nicht verwechselt werden darf, von welchen er sich durch etwas geringere Löslichkeit in Alkohol und einen trüben Ton unterscheidet. Ganz ähnliche Ergebnisse erhielt ich bei mehrfach wiederholten Versuchen mit 5, 10–20 Grm. käuflichem Anilin und Arsensäure. Immer nur wurde nach dem Filtriren der angesäuerten Lösung ein blauvioletter Körper erhalten, der an Benzin fast nichts abgab, in concentrirter Schwefelsäure sich löste und durch starkes Verdünnen größtentheils abgeschieden wurde. Auf diesen Körper haben auch andere Chemiker schon aufmerksam gemacht. E. Kopp z.B. unterscheidet dieses noch unvollkommen untersuchte violette Pigment, welches in Begleitung der Fuchsinbereitung auftritt, von dem Violett von Perkin und den übrigen des Handels. Zuweilen war der Körper (wie es übrigens von Anderen ebenfalls schon beobachtet wurde, so z.B. von Persoz, de Luynes und Salvetat)Polytechn. Journal Bd. CLX S. 71 und 390. völlig blau. Irgend erhebliche Mengen eines harzartigen Körpers konnte ich niemals finden. Was sich von ähnlicher Substanz finden mag, ist höchstens so viel, als in dem angewandten Anilin vorkommen mag, das bekanntlich gewöhnlich etwas bräunlich Theerartiges enthält. Daß bei der Fuchsinbereitung andere als roth, violett oder blau gefärbte Producte (neben Ammoniak, wie ich oben bemerkte) erzeugt werden, bezweifle ich nach den gemachten Erfahrungen. Man kann das jedoch zugeben bei der Reaction der Chromsäure, die vielleicht weiter geht. Eine Verwendung für die violette Substanz wüßte ich vorderhand nicht anzugeben, ihre Nüance ist wirklich nicht klar genug. Da sie sich anders verhält als das gewöhnliche Anilinviolett, so darf man vielleicht vermuthen, es sey kein solches, sondern das entsprechende Product aus höheren Homologen des Anilins. Ob es sich in Blau umwandeln lasse, in ähnlicher Weise wie das Fuchsin, wäre einiger Versuche werth, die ich vornehmen zu lassen gedenke. 4) Ueber die Mittel, die arsenige und Arsensäure aus den flüssigen Rückständen der Fuchsinbereitung wieder nutzbar zu machen. – Gesundheitspolizeiliche Rücksichten vor Allem, gewiß aber auch die Betriebscalculation lassen es wünschenswerth erscheinen, daß diese Flüssigkeiten in der Fabrik selbst wieder ihre Verwendung finden. Es kann viele Localitäten geben, an welchen es schwer ist, diesen giftigen Flüssigkeiten einen ungefährlichen Abzug zu verschaffen, und der Verbrauch der Arsensäure ist so groß in den täglich sich vermehrenden Anilinfarbenfabriken, daß die Nachfrage und der Preis sich möglicherweise bald steigern wird, während gegenwärtig schon es lohnen würde, wenn man dieses täglich centnerweise gebrauchte Hülfsmittel durch Regeneration aus den Abgängen auf nicht zu kostenvollem Wege wieder gewinnen könnte. Man hat vorgeschlagen, den Flüssigkeiten, die Kochsalz, arsenigsaures und arsensaures Natron und, je nachdem sie ungenau gesättigt sind, eine kleine Menge kohlensaures Natron oder Salzsäure enthalten, einen Ueberschuß von Kalkmilch zuzusetzen, um die Säuren des Arsens in eine feste Form zu bringen und die Flüssigkeit unangefochten beliebig auslaufen lassen zu können. Ich habe mich überzeugt, daß dieß, wie ich oben sub 1 bemerkte, ein sehr ungenügendes Mittel sey. Kalkmilch sowohl als Chlorcalciumlösung mit Kalkmilch in allen möglichen Verhältnissen zu einer solchen Flüssigkeit gebracht, in gewöhnlicher Temperatur gelassen oder gekocht, wird stets bedeutende Mengen der beiden Arsensäuren, namentlich arsenige, in der Lösung lassen. Von Gefahrlosmachen der Lösung auf diesem Wege ist nicht die Rede. Sowohl der basisch-arsenigsaure als arsensaure Kalk sind in einer ganzen Reihe ammoniakalischer und anderer alkalischer Salzlösungen, wohl durch wechselseitige Zerlegung, in beträchtlichem Maaße löslich; es sind aber sowohl Ammoniaksalze als Natronsalze in beträchtlicher Menge vorhanden. Das Erzeugen eines solchen Niederschlags zum Zweck der Wiedergewinnung von Arsensäure wäre aber überhaupt ein Umweg, da man nachher die Säuren doch wieder auszuscheiden hätte. Nach mancherlei Versuchen, die sämmtlich für eine Anwendung im Großen zu zeitraubend und kostenvoll sich erwiesen, kam ich zu der Meinung, es sey immerhin das einfachste Mittel, die Destillation der mit Salzsäure, oder wenn Chlornatrium darin enthalten ist, der mit etwas Schwefelsäure versetzten Flüssigkeit. Ueber die Umstände, unter welchen das Arsen als Chlorarsen zum großen Theil wiedergewonnen werden kann, wird, um Wiederholungen zu vermeiden, in nachfolgender Notiz gesprochen werden. Den Rückstand absolut von Arsen zu befreien, wird freilich auch auf diesem Wege sich nicht ausführen lassen. 5) Sind die Dämpfe beim Auskochen des rohen Fuchsins mit Salzsäure, Arsengehalts wegen bedenklich für die Arbeiter und die benachbarte Vegetation und wie lassen sie sich vermeiden? – Es ist bekannt, daß Chlorwasserstoffsäure, mit arseniger Säure oder Arsensäure zusammengebracht und erwärmt, letztere unter Wasserbildung, Chlorarsen, AsCl³ bilden, eine Substanz, die sehr flüchtig ist und sich den Dämpfen der verflüchtigten Chlorwasserstoffsäure beimischt, die ferner in arsenige Säure und Chlorwasserstoff zerfällt, sobald sie mit größeren Mengen Wasser zusammenkommt. Die Menge und der Grad der Verflüchtigung dieser Substanz hängt offenbar mit dem nachfolgenden Verhalten der wässerigen Chlorwasserstoffsäure zusammen. Aus verdünnter Chlorwasserstoffsäure treten beim Kochen vorwiegend Wasserdämpfe, aus concentrirter aber Salzsäuredämpfe aus, natürlich beide nicht unvermischt; in beiden Fällen steigt der Siedepunkt bis auf 110–111° C. und es geht dann eine Flüssigkeit über, die wie der Rückstand zusammengesetzt ist und 20–21 Proc. Säuregehalt bei einem spec. Gewicht von 1,102–1,105 hat. Um zu entscheiden, ob die Mengen verflüchtigten Arsens mit den Mengen überdestillirten Chlorwasserstoffs in einem Rapport stehen, beauftragte ich Hrn. Born aus Frankfurt a. O. mit der nachfolgenden Untersuchung. Ich finde über den Grad der Verflüchtigung des Chlorarsens aus dem Gemisch von arseniger und Salzsäure nur die Notiz von Diesing, daß dieselbe unter 100° C. unbedeutend, über 100° sehr stark sey. (In Otto's Lehrbuch.) Diese Angabe verstehe ich nicht. Unter 100° C. siedet nur eine sehr starke Salzsäure, die mit Wasser stark verdünnte beginnt immer wenig über 100° C. zu sieden. In starker Salzsäure, die unter 100° C. zu kochen beginnt, wird aber gerade sehr viel Chlorarsen gebildet, wie am Schluß dieser Notiz gezeigt werden wird. Es wurden 6,500 K. C. wässriger Chlorwasserstoffsäure von 7,38 Proc. Chlorwasserstoffgehalt mit 10 Grm. As O³ versetzt und unter Einsenkung eines Thermometers in die Retorte der Destillation unterworfen. Bis das Thermometer auf 105° C. gestiegen war, gierigen über 123,5 K. C. Das Destillat enthielt in 100 K. C.   0,01 Grm. As O³   „             „               „          „        „ 0,185 Grm. HCl Der Rückstand i. d. Retorte in 100 K. C. 2,475 Grm. As O³   „             „               „          „        „   8,39 Grm. HCl Zwischen 105° und 108° waren 157 K. C. übergegangen. Das Destillat enthielt in 100 K. C. 0,041 Grm. As O³   „             „               „          „        „   0,21 Grm. HCl Der Rückstand i. d. Retorte in 100 K. C.   4,03 Grm. As O³   „             „               „          „        „ 14,23 Grm. HCl Zwischen 108° und 110,5° waren 116,3 K. C. übergegangen. Das Destillat enthielt in 100 K. C.   0,523 Grm. As O³   „             „               „          „        „     8,37 Grm. HCl Der Rückstand i. d. Retorte in 100 K. C.   5,374 Grm. As O³   „             „               „          „        „ 20,820 Grm. HCl Man sieht also, daß mit der Concentration und dem reichlicheren Uebergehen des HCl auch reichlicher As O³ übergeht. Es kann der Gehalt an As O³ im verflüchtigten Theile einer arsenhaltigen, starkverdünnten, durch längeres Kochen aber bis auf 20 Proc. starkgewordenen Salzsäure im Liter 5,23 Grm. betragen. Daß es hierbei auch auf den ursprünglichen Arsengehalt der Salzsäure ankommt, ist begreiflich; an Arsensäure fehlt es aber in den Flüssigkeiten von der Fuchsinbereitung nicht. Um ein directeres Beispiel aus der Praxis anführen zu können, wurden 250 K. C. der Flüssigkeit, die in einer sehr angesehenen Anilinfarbenfabrik durch Versetzen des rohen Fuchsins mit Salzsäure erhalten worden war, in ganz ähnlicher Weise der Destillation unterworfen. Dieselbe fing bei 105° C. an zu kochen; bis der Siedepunkt auf 110,5° gestiegen war, waren 72,7 K. C. übergegangen. Dieß Destillat enthielt auf 100 K. C. 0,068 Grm. As O³   „         „          „        „        „ 0,085 Grm. HCl Die Flüssigkeit selbst wurde auf Arsensäure- und Salzsäuregehalt geprüft. Letzteres geschah nicht acidimetrisch, sondern, weil der Farbstoff durch NaO, CO² abgeschieden werden mußte, durch Bestimmen des Chlors mittelst Silberlösung. Es wurde auf diesem Wege gefunden daß sie in 100 K. C. enthalte   2,623 Grm. As O³ und       „          „          „ 14,457 Grm. HCl Hierbei ist freilich der gebundene (zur Bildung eines Rosanilin- oder Ammoniaksalzes etc. nöthige) Chlorwasserstoff mitgerechnet. Es werden, wie man sieht, beim Kochen einer solchen Mischung etwas mehr als 1/2 Grm. arsenige Säure im Liter verdampfter Flüssigkeit sich befinden können. Ich halte diese Menge für die Vegetation der Umgegend nicht für bedenklich, vielleicht wäre es mehr der Salzsäuredampf an sich. Für die mit dem Umrühren, Abschäumen, Einlaufenlassen von Sodalösung beschäftigten Arbeiter möchten Vorsichtsmaaßregeln allerdings zu empfehlen seyn, wohin vor Allem ein sehr guter Abzug der Dämpfe durch den Kamin zu rechnen ist. Sehr einfach läßt sich helfen durch Ausschluß der Salzsäure und ihre Substituirung durch Schwefelsäure. Es kann aufs Positivste versichert werden, das nach gemachten, lange fortgesetzten Beobachtungen hinsichtlich Ausbeute und Qualität des Productes, diese Stellvertretung genau dasselbe leistet, was das gewöhnlich angewandte Mittel der Lösung des Fuchsins. Es bildet sich natürlicherweise nach der Sättigung mit Sodalösung schwefelsaures Natron, das als Glaubersalz beim Erkalten in sehr großer Menge auskrystallisirt. Ich fand, daß in einem Ballon dieser gesättigten Lösung auf 77 1/2 Pfd. Mutterlauge 57 1/2 Pfd. Glaubersalzkrystalle gebildet worden waren. Dieß nur durch Abkühlung, Abdampfung möchte nicht lohnen, um den Rest zu erhalten, allein diese Masse ließe sich unbedenklich zur Glasfabrication gebrauchen, wenn man sie mittelst abgängiger Hitze von Wasser befreit an Glashütten verkaufen wollte. Die heutigen Schwefelsäurepreise sind gewiß kein Hinderniß mehr, für Anwendung derselben zu genanntem Zweck. Es wurden 100 K. C. Salzsäure von 36,245 Grm. HCl Gehalt und 5 Grm. As O³ gemengt und der Destillation unterworfen. Nachdem 82,7 K. C. übergegangen waren, wurde unterbrochen. Das Destillat enthielt 31,6825 HCl und 4,9876 As O³. Daraus geht hervor, daß der Chlorwasserstoffgehalt im Rückstand etwas geringer als im Destillat war (die 82,7 K. C. Destillat sollten bei gleichem Gehalte nur etwa 29 HCl enthalten), daß aber beinahe sämmtliche arsenige Säure übergieng. Wahrscheinlich geschah dieß gleich Anfangs, zumeist da sich in der Vorlage zwei Schichten zeigten, wovon die eine unzweifelhaft Arsensuperchlorür war. Handelt es sich um Wiedergewinnung des Arsens aus den Rückständen (siehe 4), so kann durch langsames Verdunsten des Wassers, Zusatz starker Salzsäure und Destillation, diese sehr leicht zum größten Theil wieder gewonnen werden. Verdünnt man das Destillat mit Wasser, so fällt das As O³ heraus, die verdünnte Säure kann zum Auskochen des Rohfuchsins gebraucht werden. 6) Das Erythrobenzin, ein Product, das sich aus 2 Theilen Nitrobenzol mit 4 Theilen feiner Eisenfeile und 1 Theil starker käuflicher Salzsäure nach 24stündigem Stehen in gewöhnlicher Temperatur bilden und im Allgemeinen die Eigenschaften des Fuchsins haben soll, und dessen Darstellung, von Fol angegeben, dem Hause Laurent und Casthelaz patentirt wurde, ist in dieser Zeitschrift bereits kurz besprochen worden.Polytechn. Journal Bd. CLXVI S. 215 und 239. Es ist nicht zu verkennen, daß die Erzeugung eines rothen, das Fuchsin ersetzenden Pigmentes aus dem Nitrobenzol direct und mit Umgehung des Anilins eine Sache von großer Wichtigkeit wäre. Ich ließ deßhalb darüber ebenfalls Versuche anstellen. Das glaube ich sagen zu dürfen, daß, wenn genau nach der Vorschrift gearbeitet wird, und diese vollständig im Obigen gegeben ist, weder in Menge noch Eigenschaften ein entsprechendes Product erzielt werden kann. Mehrere Wiederholungen des Versuchs lieferten braunrothe Flüssigkeiten von wenig Gehalt an charakteristischer brauchbarer Farbsubstanz. Hr. Hannes von Wesel variirte den Versuch auch dahin, daß er Nitrobenzin auf Anilin unter verschiedenen Umständen einwirken ließ. Dieser Abänderung lag der Gedanke zu Grunde, daß, wenn die Voraussetzungen richtig sind, auf welche sich die Darstellung des Erythrobenzins gründet, d.h. daß der Farbstoff zwischen Anilin und Nitrobenzin in der Mitte stehe, und sich durch weniger vollkommene Reduction aus Nitrobenzin bilde, während Anilin das Product kräftiger Reduction ist, auch aus der Mischung und Einwirkung beider aufeinander sich vielleicht der rothe Farbstoff herstellen lasse. Beim Stehen in gewöhnlicher Temperatur, wie beim Erwärmen und bei verschiedenen Quantitäten der auf einander einwirkenden zwei Stoffe wurde ein deutlich rothes Pigment erhalten. Die Ausbeute davon war aber immer so gering, daß von weiterer Verfolgung der Sache abgestanden wurde. Es führten mich mehrerlei Umstände auf die Annahme, daß die Erzeugung des rothen Pigments auf diesem Wege nur dem oxydirten Stickstoffmolecül, dem Körper NO⁴, nicht aber dem Zusammentreten des Nitrobenzols mit dem Anilin zuzuschreiben sey. Nitrobenzol, das etwas Binitrobenzol enthielt, wirkte am kräftigsten, immer aber nicht genug, um ein Verfahren, das genügende Ausbeute liefern könnte, darauf gründen zu können. Das Nitrobenzol war auch nach lange fortgesetzter Reaction immer noch sehr deutlich zu erkennen. Es scheint die Sache auf eine unvortheilhafte Modification des Verfahrens von Lauth und Depouilly hinauszulaufen, indem das gebundene NO⁴ wie freies NO⁵ wirkte. Ich muß annehmen, in der Patentbeschreibung für Erythrobenzingewinnung sey etwas absichtlich oder absichtslos ausgelassen. Von der Rolle dieses Körpers im Handel und der Industrie habe ich noch nichts vernehmen können; bis Näheres darüber bekannt ist, möchte ich von Bemühungen, den Körper nach der angegebenen Vorschrift zu gewinnen, abrathen. 7) Die Darstellung des Anilinblau, nach der Methode von Girard und Delaire,Polytechn. Journal Bd. CLXII S. 297. durch Mengen ungefähr gleicher Theile von trocknem Fuchsin und Rohanilin, und sechsstündiges Erwärmen auf 165° C. mit sorgfältiger Beachtung, daß die Temperatur nicht auf 180° steige, ist leicht ausführbar und hat bei verschiedenen Wiederholungen im technischen Laboratorium des Polytechnicums ganz gute Resultate gegeben. Das Blau war in den meisten Fällen, wenn die Temperatur des Versuchs recht geführt worden war, ohne Stich ins Rothe; auch das Violett, das man vor dem vollständigen Auswaschen mit verdünnter Salzsäure erhält, war in der Regel sehr lebhaft. Die Versuche wurden in kleinerem Maaßstabe durch Einschließen der Mischung in zugeschlossenen Glasröhren vorgenommen. Unter den verschiedenen Beimischungen, die in französischen Fabriken üblich seyn sollen, oder auf welche andere Gründe führten, zeigte sich als die vortheilhafteste die Benzoesäure. In mehreren Versuchen, die in der Absicht angestellt waren, unter ganz gleichen Umständen den Effect beigemischter Benzoesäure zu messen, ergab es sich, daß dieselbe auf die Ausbeute günstigen Erfolg hatte. Ich ließ, nachdem dieß festgestellt war, auch Hippursäure anwenden; sie hatte keinen schädlichen Einfluß, Vortheil wurde aber in ihrer Anwendung auch nicht erkannt. Daß Versuche über ähnliche Materien im kleinen Maaßstab hinsichtlich der Quantitäten, die man erhält, nicht maaßgebend sind, indem allerlei Verluste die Ausbeute verringern, erfährt jeder, der ähnliche Arbeiten macht; ich kann daher den im technischen Laboratorium erhaltenen nicht das Gewicht normalen Verhaltens beilegen. Die Mehrausbeute an Blau bei Anwendung von etwa 25 Proc. Benzoesäure auf das genommene Fuchsingewicht belief sich durchschnittlich auf 20 Proc. 8) Ueber lösliches Anilinblau. – Das Bleu soluble,“ das jetzt im Handel vorkommt, hat den doppelten Vortheil vor dem gewöhnlichen Anilinblau, daß die Nüance reiner und daß es in Wasser löslich ist, während das gewöhnliche zur Lösung Weingeist oder Essigsäure bedarf, seine Verwendung daher in der Färberei erschwert ist. Gewöhnliches trockenes Anilinblau läßt sich in lösliches umwandeln durch Behandeln mit möglichst concentrirter Schwefelsäure. Von rauchender Schwefelsäure braucht man weniger als von englischer. Es ist zweckmäßig, das blaue Pigment allmählich in die Schwefelsäure einzutragen und in einer Porcellanreibschale immer umzurühren, da leicht starke Wärmeentwickelung, Aufschäumen und hinterlassen einer bräunlichen Masse erfolgt, wenn das Blau plötzlich in größerer Menge zur Schwefelsäure kommt. Beinahe gänzliche Umwandlung der unlöslichen in die lösliche Modifikation des Blau wurde erhalten durch allmähliches Eintragen von 1 Gewichtstheil Anilinblau in 8–10 Gewichtstheile engl. Schwefelsäure und langes Erwärmterhalten auf etwa 130° C., Eingießen in eine größere Menge Wassers, Filtriren, Abscheiden des blauen Farbstoffs aus der Lösung durch Sättigen der freien Säure mit Sodalösung und Versetzen mit einem Salz, Kochsalz z.B., da das Blau in verschiedenen Salzlösungen löslich ist. Bei etwas höherer Temperatur läßt sich die Säuremenge schwer vermindern. – (Die Fortsetzung folgt.)