Titel: Ueber das Verfahren von Gélis zur Blutlaugensalz-Fabrication mit Hülfe von Schwefelkohlenstoff; von A. Payen.
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. LXIII., S. 219
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LXIII. Ueber das Verfahren von Gélis zur Blutlaugensalz-Fabrication mit Hülfe von Schwefelkohlenstoff; von A. Payen. Aus den Annales du Conservatoire des arts et métiers, t. III p. 50. Payen, über Gélis' zur Blutlaugensalz-Fabrication. Das neue Verfahren zur Blutlaugensalz-Fabrication von A. Gélis in Paris (rue Meslay 47) eignet sich für solche Localitäten, wo die ammoniakalischen Producte der Steinkohlengasanstalten wenig gesucht sind und man sich daher das Schwefelammonium zu einem sehr billigen Preise verschaffen kann; wo ferner der Preis der Steinkohlen ein niedriger ist, folglich der Schwefelkohlenstoff wohlfeil dargestellt werden kann. Der dritte Rohstoff zur Cyanerzeugung ist bei diesem Verfahren der Schwefel, welcher aber bei den Operationen fortwährend regenerirt wird; Gélis vergleicht seine Wirkung mit der Rolle, welche die Salpetersäure bei der Schwefelsäurefabrication spielt: ebenso wie nämlich das Stickstoffoxyd als Mittel dient, um den Sauerstoff der Luft auf die schweflige Säure zu übertragen, ist der Schwefel das vermittelnde Agens zwischen dem Kohlenstoff und Stickstoff, welche durch ihre Vereinigung das Cyan bilden müssen. Die Operationen des neuen Verfahrens bestehen in Folgendem: Indem man in einem geschlossenen, mit Rührvorrichtung versehenen Gefäße in der Kälte Schwefelkohlenstoff mit concentrirtem Schwefelammonium mischt, erhält man leicht deren Verbindung, das schwefelkohlensaure Ammoniak. Wird letzteres mit Zusatz von Schwefelkalium in einer Destillirblase bis 100° C. erhitzt, so entwickelt es Dämpfe von Schwefelammonium und Schwefelwasserstoff; diese Dämpfe, durch Condensation gesammelt und mit Ammoniak gesättigt, dienen zur folgenden Operation. Den Destillationsrückstand, welcher aus Schwefelcyankalium besteht, braucht man nur zu trocknen, dann in einer gußeisernen Schale mit Eisengranalien zusammenzuschmelzen und hernach auszulaugen, um einerseits unlösliches Schwefeleisen und andererseits eine Lösung von Cyaneisenkalium zu erhalten, welche nach dem Abdampfen krystallisirtes Blutlaugensalz liefert. Die Apparate, mittelst deren dieses Verfahren schon mit mehr als 1000 Kilogr. Rohmaterialien auf einmal ausgeführt wurde, sind: 1) Ein geschlossener Mischapparat, worin in der Kälte die Verbindung des SchwefelkohlenstoffsAls geeigneter Apparat zur Fabrication des erforderlichen Schwefelkohlenstoffs, welcher selbstverständlich im rohen Zustande verwendet werden kann, ist derjenige von Galy-Cazalat und Huillard (polytechn. Journal Bd. CXLIX S. 31), sowie derjenige von Deiß (polytechn. Journal Bd. CLIX S. 436) zu empfehlen.A. d. Red. mit dem Schwefelammonium bewirkt wird, um das schwefelkohlensaure Ammoniak zu erhalten: 2CS² + 2(SH⁴N) = C⁴S⁴, S²H⁸N². 2) Ein Destillirapparat zur Zersetzung des schwefelkohlensauren Ammoniaks und dessen Umwandlung in Schwefelcyankalium; in diesem Apparat, einem mit Dampf geheizten Kessel, erhitzt man das Gemenge von 2 Aequiv. schwefelkohlensaurem Ammoniak mit 1 Aequiv. SchwefelkaliumDas Schwefelkalium erhält man durch Zersetzung von schwefelsaurem Kali mit Kohle in einem Flammofen (Sodaofen). A. d. O. auf 100° C.; es entbindet sich Schwefelammonium nebst Schwefelwasserstoff und als Destillationsrückstand bleibt Schwefelcyankalium: C²S⁴, S²H⁸N² + KaS = C²N, S²Ka + SH,SH⁴N + 3(HS) Mit diesem Apparat steht ein geschlossener Kessel zur Erzeugung des gasförmigen Ammoniaks in Verbindung, und ein vollständig mit Wasser umgebener Cylinder von Eisenblech, worin sich die aus beiden Kesseln entwickelten Producte condensiren, nämlich einerseits das Ammoniak und andererseits der Schwefelwasserstoff und das Schwefelammonium, welche durch ihre Vereinigung wieder neutrales Schwefelammonium bilden, das zu den folgenden Operationen anwendbar ist. Die gußeiserne Schale, worin man das Schwefelcyankalium mit reducirtem Eisen zum Dunkelrothglühen erhitzt, ist mit einem sie luftdicht schließenden Deckel von Eisenblech versehen; die Umwandlung jener Materialien in Blutlaugensalz erfolgt darin nach der Gleichung: 3(C²N, S²Ka) + 6 Fe = 2 C²NKa, C²NFe + 5(SFe) + SKa. Die Hauptvortheile dieses Verfahrens bestünden in der ökonomischen Erzeugung des Blutlaugensalzes, wovon eine der von der Theorie angegebenen ziemlich gleichkommende Quantität erhalten wird, während man nach der alten Methode bei Behandlung halbverkohlter Thierstoffe das kohlensaure Kali in großem Ueberschuß anwendet und nur einen Theil des Stickstoffs benutzen kann. Aus diesen Gründen ist das sinnreiche Verfahren von Gélis der Beachtung der Fabrikanten sehr zu empfehlen. Hinsichtlich der Darstellung der Rohstoffe und der Anwendung der Rückstände sind für den ökonomischen Erfolg der Operation einige wesentliche Bedingungen zu erfüllen, welche mir Hr. Gélis mitgetheilt hat. Zur Darstellung des reducirten Eisenoxyds wendet man Drehspäne von Schmiedeeisen und Gußeisen an, welche man frei von Oel in den mechanischen Werkstätten vorfindet. In diesem Zustande verwandelt sich das Eisen leicht in Oxydhydrat, wenn man es feucht, in dünner Schicht der Einwirkung der Luft aussetzt. Dieses Oxyd, von den Stücken durch Sieben gesondert, wird in den metallischen Zustand zurückgeführt, indem man es mit 25 Procent Kohlenpulver in einem gußeisernen Cylinder mit flachem Boden (ähnlich den Gasretorten) unter einem Gewölbe und bloß zur Dunkelrothgluth erhitzt; die Kohle bemächtigt sich des Sauerstoffs des Oxyds und bildet Kohlenoxydgas; die Operation ist beendigt, sobald die Gasentbindung aufhört; das erhaltene Product ist ganz sauerstofffrei und enthält einen geringen Ueberschuß von Kohle, welcher gar keinen Nachtheil veranlaßt. Eine andere Quelle für Eisenoxydhydrat ist das bei der Operation selbst erzeugte Schwefeleisen: wenn man nämlich dieses Schwefeleisen an der Luft ausbreitet und mit Wasser begießt, um das Eisen zu oxydiren und den Schwefel (ohne Röstung oder Verbrennung) zu isoliren, so gibt es Oxydhydrat, welches man durch Kohle auf vorher angegebene Weise reducirt. Wir haben gesehen, wie sich im Verlauf der Reactionen das Schwefelammonium erzeugt; da diese Verbindung unaufhörlich in reichlichem Ueberfluß wieder gewonnen wird, so verwendet man sie theilweise durch Zersetzung mittelst Eisenoxydhydrat (dessen beide Hauptquellen wir soeben angegeben haben); es entbindet sich hierbei Ammoniakgas, welches unmittelbar benutzt wird, und als Destillationsrückstand verbleibt im Kessel Schwefeleisen gemengt mit Schwefel: 3(SH, NH³) + Fe²O³ = NH³ + 2(FeS) + S + 3 HO. Das so erhaltene Schwefeleisen kann auf zweierlei Art benutzt werden: 1) Indem man es in einem Ofen der Röstung unterzieht, erhält man schweflige Säure zur Darstellung der schwefligsauren oder unterschwefligsauren Salze, oder zur Fabrication der Schwefelsäure in den Bleikammern. 2) Indem man den Schwefel nach folgender Methode regenerirt: das Schwefeleisen wird unter einem Schoppen ausgebreitet und feucht erhalten, wobei es rasch den Sauerstoff der Luft absorbirt und sich, wie wir schon gesehen haben, in Oxyd verwandelt, indem es den Schwefel frei läßt (es entstehen kaum Spuren von schwefelsaurem Eisen); die Reaction erfolgt nach der Formel: 2(FeS) + O³ = Fe²O³ + S Wenn dieses Gemenge zur Zersetzung einer neuen Quantität von Schwefelammonium angewandt wird, so nimmt es bei jeder der aufeinander folgenden Behandlungen mehr Schwefel auf. Gélis konnte so Gemenge erzielen, welche 9 Theile Schwefel auf 1 Th. Oxyd enthielten. Aus einem solchen Gemenge kann man aber leicht den Schwefel ökonomisch gewinnen, indem man ihn (in einem Apparate ähnlich demjenigen von Deiß) mittelst Schwefelkohlenstoff auflöst. Das vom Schwefel befreite Eisenoxyd kann zu den folgenden Operationen benutzt werden. Endlich hat Gélis neuerlich noch zwei andere Vorsichtsmaßregeln beobachtet, wovon die eine darin besteht, dem Schwefelcyankalium das letzte Aequivalent Wasser, welches mit ihm vereinigt bleibt, vollständig zu entziehen, indem man es über freiem Feuer in einem gußeisernen Gefäße unter beständigem Umrühren drei Stunden lang auf 140 bis 160° C. erhitzt. – Die andere Vorsichtsmaßregel hat zum Zweck, die gußeiserne Schale worin man das Schwefelcyankalium mit dem reducirten Eisen erhitzt, ziemlich luftdicht zu schließen. Diesen Verschluß (welcher den Luftzutritt verhüten muß, damit nicht Cyan unter Ammoniakbildung zerstört wird) bewerkstelligt man, indem man im Rand der Schale eine halbcylindrische Nuth anbringt und die Ränder des Deckels in einem Wulst endigen läßt, welcher mit Reibung in diese Nuth paßt, wornach eine dünne Thonschicht genügt, um das Eindringen von Luft zu verhüten. Endlich gestattet ein kleiner Ansatz am oberen Theil dieses Deckels, bei Beginn der Operation die letzten Spuren von Wasserdampf abziehen zu lassen und gegen das Ende der Operation sich zu versichern, daß die Umwandlung vollständig ist, indem man einen Glasstab einsenkt, um eine kleine Menge des Productes herauszunehmen und sich überzeugt, daß es mit einer Lösung von Eisenoxydsalz kein Anzeichen von Schwefelcyankalium mehr gibt.Ich verdanke Hrn. Gélis folgende Angaben über die Fabricationskosten, wobei die Herstellung von 30,000 Kilogr. Blutlaugensalz nach seinem Verfahren zu Grunde gelegt ist:Schwefelkohlenstoff35,000 Kilogr.à 45 Fr.die 100 Kilogr.15,750 Fr.schwefelsaures Kali36,400    „à 40  „  „     „     „14,560  „Schwefelammonium25,300    „à 35  „  „     „     „  8,875  „zertheiltes Eisen50,000    „à 10  „  „     „     „  5,000  „gebrannter Kalk17,500     „à   4  „  „     „     „     700  „Reduction des schwefelsauren Kalis zu Schwefelkalium, 3 Fr. die  100 Kilogr., Arbeitslohn und Brennstoff  1,092  „Tagelohn, 12 Arbeiter à 3 1/2 Fr. täglich 30 Tage  1,260  „Brennmaterial     600  „Miethe, allgemeine Unkosten, 30 Tage  1,000  „Verlust, 15 Proc. der Unkosten  7,322  „–––––––––56,139 Fr.     Davon ist abzuziehen der Werth der Producte, nämlich1/3 des Kalis, welches als Potasche verkauft wird  5,000 Fr.25,000 Kilogr. Natron à 15 Fr.  3,250 Fr.–––––––––  8,250 Fr.Es bleiben daher für die 30,000 Kilogr. Blutlaugensalz47,889 Fr.Das Kilogr. kostet mithin 1 Fr. 59 Centimes. Das Eisen ist in der Rechnung nur mit 10 Fr. aufgeführt, weil es immer wieder in die Fabrication zurückkehrt (an der Luft geht das Schwefeleisen in Oxyd und in Schwefel über, welcher letztere mittelst Schwefelkohlenstoff extrahirt wird). Der Schwefel ist nur mit 13 Fr. die 100 Kilogr. in Anschlag gebracht (d.h. zur Hälfte seines wirklichen Werthes), weil ein großer Theil desselben immer wieder verwendet wird. A. d. O.