Titel: Verbessertes Verfahren zur Rübenzuckerfabrication; von L. Keßler.
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. LXXXVI., S. 291
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LXXXVI. Verbessertes Verfahren zur Rübenzuckerfabrication; von L. Keßler. Aus den Comptes rendus, t. LVI p. 132. Keßler's verbessertes Verfahren zur Rübenzuckerfabrication. Diese Verbesserungen sind folgende: 1) Saftextraction mittelst einer besondern Art der Auslaugung; 2) Scheidung mit Magnesia, mit oder ohne zweite Scheidung mit Kalk; 3) Abscheidung des Kalküberschusses durch ein Fettfilter.Die beiden letzteren Vorschläge dürften doch wohl kaum ernstlich gemeint seyn, und sich jedenfalls leicht als im Großen unausführbar erweisen. A. d. Red. I. Saftextraction. – Die gewöhnlichen Pressen liefern 82 Proc. Saft und 18 Proc. Rückstände. Meist setzt man dem Rübenbrei 1/5 Wasser zu und gewinnt dann 85 Proc. Saft, nämlich von 100 Kil. Rüben 106 Kil. verdünnten Saft mit 21 Kil. Wassergehalt. Es scheint mir vortheilhafter, statt der Presse „Auslaugetische“ (tables de déplacement) anzuwenden, ähnlich denjenigen, welche in den nach meinem System arbeitenden Brennereien gebraucht werden. Die gewaschenen Rüben werden gerieben, der Brei wird durch Schlagen homogen gemacht und in einer Höhe von 0,10 bis 0,15 Met. auf eine Art ebener Filter ausgebreitet. Wenn man nun diese Breischichte mit Wasser begießt, so erhält man zunächst aus 100 Kil. Brei: 110 Kil. schweren Saft mit 1/5 oder 22 Kil. Wasser, und 88 Kil. reinen Saft; hernach schwachen Saft von 1–1 1/2º Baumé, welcher bis auf 1/2 Proc. den ganzen noch übrigen Saft enthält. Diese dünnen Säfte kann man zur Brennerei verwenden, oder auch damit den nächsten Tisch begießen und so 115 bis 116 Kil. schweren Saft (von 1/5 Wasser und 4/5 reinem Saft) erhalten, welcher 92–94 Kil. reinen Saft repräsentirt. Da die Rübe überhaupt nur 95 Proc. Saft enthält, so kann man die wenigen in laufender Arbeit entfallenden schwachen Säfte vernachläßigen und sie höchstens zum Waschen der Filter und Apparate der Fabrik benutzen. Die Kosten für die Auslaugetische betragen etwa 1/10 derjenigen für Pressen; sie bedürfen keiner bewegenden. Kraft, und nur 1/6 – 1/7 der bei den Pressen erforderlichen Handarbeit. Verarbeitet man die dünnen Säfte in der Brennerei, so kann man zur Zuckerfabrication mehr als 3/4 des Saftes fast ohne Wasser verwenden. Ich bemerke dazu, daß dieses Verfahren sich unter den Händen der Landwirthe (?) bewährt hat. II. Scheidung mit Magnesia. – Die Nachtheile der Kalkscheidung sind bekannt. Sie ist oft, ohne daß die Ursache ersichtlich wäre, bei anscheinend vortrefflichen Rüben unausführbar. Immer ist es eine schwierige Operation, da die richtige Kalkmenge zwischen engen Grenzen begriffen ist und sowohl ein Mehr wie ein Weniger den Erfolg verfehlen läßt. Die richtige Menge ist nach den Rüben und der Jahreszeit, sowie nach der Säuerlichkeit des Saftes verschieden, welche, wie ich oft gefunden habe, mit der Dauer und Ausdehnung seiner Berührung mit der Luft wechselt. Außerdem ist bei derselben passenden Kalkmenge der plötzliche oder allmähliche Zusatz des Kalkes, sowie die dabei stattfindende Temperatur von Einfluß. Beim Aufkochen werden fast alle Scheidungen, auch die wohl gelungenen, verdorben und der Schaum wird „fettig.“ Endlich löst der nothwendige Kalküberschuß mehrere Stoffe wieder auf, welche sich später färben und die weitere Anwendung von Knochenkohle unumgänglich machen. Die Magnesia dagegen besitzt alle Eigenschaften für eine gute Scheidung, welche dem Kalke fehlen. Alkalisch genug, um das Pectin in pectinsaure Salze überzuführen, läßt sie doch in Folge ihrer Unlöslichkeit und ihrer Unfähigkeit sich mit dem Zucker zu verbinden, die Säfte beinahe neutral. Sie fällt die Farbstoffe ohne sie wieder zu lösen, und ein Ueberschuß von ihr schadet nie. Der mit Magnesia geschiedene Saft ist daher viel reiner als der mit Kalk behandelte und da er sich weiterhin nicht färbt, so ist die Anwendung der Knochenkohle nicht nothwendig. Ich habe noch nicht untersuchen können, ob die Magnesia alle Phosphorsäure oder alles Ammoniak als phosphorsaure Ammoniak-Magnesia fällt, und ob, nach der Ansicht von Paul Thenard, die Unveränderlichkeit des Saftes der Abwesenheit der phosphorsauren Alkalien zuzuschreiben ist. Man nimmt von der Magnesia 1 1/2 Proc. des Gewichtes der Rüben, oder 5–10 Proc. Magnesia in teigförmigem Zustande. Man verdünnt dieselbe mit etwas Saft und setzt etwa 1/4 der Mischung kalt zum Uebrigen, erhitzt dann und fügt zwischen 80° und 95° C. die übrige Magnesia in mehreren Zwischenräumen zu. Den klaren Saft zieht man nach 10–15 Minuten Ruhe ab. Der Schaum ist fest und trocken; man läßt ihn abtropfen und preßt ihn mit Leichtigkeit aus. Der aus dem Kessel ablaufende Saft muß hell, klar und blaß grünlich-gelb seyn, andernfalls ist noch Magnesia zuzusetzen. Man verdampft in irgend einer Weise bis auf 25° Baumé, klärt auf mechanischem Wege und verarbeitet den Dicksaft auf gewöhnliche Art. Der vom Zucker getrennte Syrup enthält sehr wenig Magnesia und sein Geschmack ist dadurch nicht verändert. Indessen muß ich doch rathen, dieser ersten Scheidung noch eine zweite mit Kalt folgen zu lassen, wozu die passende Menge in 1 Procent Kalkmilch von 15° Baumé besteht. Ich bemerke, daß die Alkalität des Saftes keineswegs ein Beweis ist daß der Kalk seine fällende Wirkung gänzlich ausgeübt hat, und doch ist diese Alkalität dem Kalk und nicht dem Ammoniak zuzuschreiben, da sie beim Verdampfen nicht verschwindet und die Lösung durch Kohlensäure gefällt wird. Der Niederschlag bei dieser zweiten Scheidung ist unbedeutend; man benutzt ihn, um den zur ersten Scheidung bestimmten Saft in der Kälte zu sättigen. III. Saturation des Kalkes. – Nach der zweiten Scheidung dampft man den Saft auf 20–25° Baumé ein und nimmt vor dem Fertigkochen den Ueberschuß an Kalk weg, welcher zwar während des Eindampfens die Umwandlung des Zuckers in Melasse verhindert, aber beim Kochen und Krystallisiren des concentrirten Saftes schädlich wirken würde. Die Fettsäuren sind schon früher zum Entkalken vorgeschlagen worden; allein die Schwierigkeit, sie anzuwenden, hat sie immer wieder von der Praxis fern gehalten. Indessen erreicht man einen vorzüglichen Erfolg auf folgendem Wege: Mit dem groben Pulver eines von Säuren nicht angreifbaren Körpers, z.B. mit Kohks- oder Sandsteinpulver, mischt man trocken und in der Kälte 15 Proc. des Gewichtes an Oelsäure. Mit dem Gemisch beschickt man ein Filter und läßt den kalkhaltigen Saft darüber gehen. Dabei bildet sich ölsaurer Kalk, welcher im Pulver zurück bleibt, und der Saft, welcher vor dem Filtriren das Curcumapapier bräunte, läßt es beim Ausfließen unverändert. Sobald die Reaction die Anwesenheit des Kalkes im filtrirten Safte anzeigt, läßt sich das Filter mit einer geringen Menge Salzsäure leicht wieder beleben. Es bildet sich lösliches Chlorcalcium und die Fettsäure bleibt im Pulver zurück. Sollte sich das Filter durch fremde Körper verstopfen, so füllt man es mit Wasser, und bringt so den oberen Theil seines Inhaltes (der einzige, welcher sich verschmutzt) zum Schwimmen, worauf sich der Schlamm leicht abgießen und entfernen läßt. Die Anwendung dieses Apparates, welcher für die nur mit Kalk arbeitenden Fabriken noch wichtiger ist, tritt mit Vortheil an die Stelle der Saturation mit Kohlensäure. Er gestattet, die Verdampfung der Säfte sehr weit zu treiben, und dabei die Alkalität zu erhalten, was von besonderem Werthe ist, da man dann in einer Operation den Syrup klären und entkalken kann. Dieß war bisher weder durch Knochenkohle noch mit Kohlensäure zu erreichen, da bei der ohnehin geringen Verwandtschaft der ersteren zum Kalk, die Wirkung durch die Concentration des Saftes noch mehr vermindert wurde, und letztere die Säfte verschleimt. Nach dem Durchgang durch das Fettfilter ist der Geschmack des Syrups rein süß; der schwach ölige Beigeschmack verschwindet beim ersten Aufkochen. Er kann unmittelbar zum Consum übergehen. Das Kochen etc. geschieht wie gewöhnlich; das Korn bildet sich leicht, die Füllmasse ist schwach gelb gefärbt. Die anzuwendende Magnesia ist aus dem Salz- und Meerwasser durch bloßen Zusatz von Kalk und einmaliges Auswaschen zu gewinnen. Die Mutterlaugen der Salzgärten bestehen, wenn die alkalischen Doppelsalze daraus nach der Balard'schen Methode abgeschieden sind, fast nur aus concentrirter Chlormagnesium-Lösung. Man dampft dieselbe auf 45° Baumé ein, worauf sie sich leicht nach den Zuckerfabriken transportiren läßt. Das Meer ist eine unbegrenzte Magnesiaquelle und die Magnesia wird so wohlfeil herzustellen seyn, daß man sie aus dem Schlamm nicht wieder zu gewinnen braucht. Dieser wird vielmehr, ohne Verlust für die Melasse, in Folge der darin enthaltenen phosphorsauren Ammoniak-Magnesia, dem Boden die wichtigsten Bestandtheile der Pflanze, den Phosphor und den Stickstoff, zurückerstatten.