Titel: Der norwegische Fisch-Guano und seine Bedeutung für die Landwirthschaft; von Dr. H. Vohl in Bonn.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. CVI., S. 389
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CVI. Der norwegische Fisch-Guano und seine Bedeutung für die Landwirthschaft; von Dr. H. Vohl in Bonn. Vohl, über den norwegischen Fisch-Guano und seine Bedeutung für die Landwirthschaft. Es ist eine bekannte Thatsache, daß man dem Boden die Bestandtheile, welche man demselben durch den Ertrag der Früchte nimmt, wiedergeben muß, wenn die Ertragsfähigkeit desselben nicht beeinträchtigt werden soll. Diesen Ersatz der Bodenbestandtheile gewähren wir dem Boden hauptsächlich durch die Düngung (abgesehen von dem Verwitterungsproceß, Brache), und es müssen demnach die Bestandtheile des Düngers, wenn auch nicht gleich, doch nahezu gleich denen der in der Ernte entnommenen seyn. Selbstredend hat man weniger Sorge für die Zufuhr an Kohlenstoff und Wasserstoff zu tragen, da ja der Kohlenstoff aus der Kohlensäure und der Wasserstoff größtentheils aus dem Wasser genommen wird, beide aber als Atmosphärilien der Pflanze in hinreichender Menge geboten werden. Wenn wir die durch die Ernte dem Boden entnommenen Bestandtheile, resp. Mineralsubstanzen, einer näheren Betrachtung unterwerfen, so finden wir, daß dieselben hauptsächlich aus nachgenannten Substanzen bestehen: Kalk, Magnesia, Kieselsäure, Kali, Natron, Phosphorsäure; außerdem kommen in geringerer Menge als nie fehlende Bestandtheile in den geernteten Pflanzen Schwefelsäure, Eisen und Mangan vor. Neben diesen eigentlichen Mineralbestandtheilen tragen wir in erheblicher Menge Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff von unsern Feldern, und von diesen sog. organischen Bestandtheilen haben wir nur dem Stickstoff eine Zufuhr zu schaffen. Die festen Excremente, die Fäces der Thiere, haben nun als Mineralbestandtheile die oben erwähnten mit Ausschluß der Alkalien, und da der Harn der Thiere eine reiche Stickstoffquelle in dem Harnstoff und der Harnsäure bietet, gleichzeitig aber auch die Alkalien in demselben vertreten sind, so sind alle Factoren eines kräftigen Düngers in der Mischung der Thier-Excremente gegeben. Die Erfahrungen von Jahrtausenden haben dieß bestätigt. Die Excremente der Vögel enthalten sowohl die Mineral- wie auch die stickstoffhaltigen Substanzen, letztere in der Form von harnsauren Salzen. Bekanntlich findet bei den Vögeln keine besondere Harnausscheidung statt, und fallen die beiden verschiedenen Excrementarten in der Cloake selbst zusammen; wir haben demnach auch in den Vögel-Excrementen einen kräftigen Dünger. Ich darf nur auf die Wirkung des eigentlichen Guanos verweisen, welcher aus nichts anderem, als aus den Excrementen von Seevögeln besteht, die sich größtentheils von Fischen und anderen Seethieren nähren. Schon seit 20 Jahren werden an den Küsten von Sussex, Kent und Essex eine Menge kleiner Fische gefangen, die man zerstampft als Dünger für Weizen und Hopfen benutzt. Es ist dieß eine kleine Häringsart, Clupea sprattus, sog. Sprotten, die sich zu gewissen Zeiten in unglaublich großer Menge an den genannten Küsten zeigt. (Journal of the Royal Agricultural Society of England, vol. X part 2 und Jahresbericht von Liebig und Kopp, für 1849). Das Knochengerüst, die Gräten der Fische repräsentiren eine reiche Quelle von Phosphorsäure und den anderen Mineralsubstanzen, das Fleisch und die leimgebenden Gewebe dieser Thiere sind eine reiche Stickstoffquelle. Im Jahre 1853 ließ sich Pettitt ein Verfahren, aus Häringen oder Breitlingen künstlichen Guano zu bereiten, für England patentiren und sprechen sich Way und Thompson sehr günstig über diesen neuen Düngstoff aus. Nach deren Analysen schwankt der Ammoniakgehalt zwischen 16,8 und 13,6 Proc., die phosphorsauren Erden betragen 23,3 Proc. und die Alkalien 1,3–2,2 Proc. (aus dem London Journal of arts, Mai 1853, S. 352 im polytechn. Journal Bd. CXXIX S. 159). Auch wurde später ein anderer Düngstoff unter dem Namen Granat-GuanoPolytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 466. aus sogenannten Seespinnen, kleinen Krebsen (Garnaelen) fabricirt. In neuester Zeit wurde auchanch in Norwegen eine Düngerart aus Seefischen bereitet, die im Handel unter dem Namen Fisch-Guano vorkommt und die ihrer hohen Düngkraft wegen eine allgemeine Aufnahme und Verbreitung verdient. Ich unternahm eine genaue Analyse dieses Fisch-Guanos, den ich von Hrn. Altgelt in Crefeld erhielt. 100 Gewichtstheile Fisch-Guano des Hrn. Altgelt enthielten: Mineralbestandtheile. EisenoxydMagnesiaKalkKieselsäureSchwefelsäurePhosphorsäureChlornatrium (Kochsalz)ChlorkaliumFluor und ManganSand als Verunreinigung 0,093780,5453914,389890,041840,5276213,290871,649160,53688Spuren1,55511 Aschenbestandtheile. Organische Bestandtheile und Wasser. StickstoffKohlenwasserstoffe und KohlenhydrateWasser 7,7465043,0179616,71500–––––––––100,00000 Verbrennliche undflüchtigeBestandtheile. Aus dieser Analyse ist leicht ersichtlich, daß der norwegische Fisch-Guano eine reiche Quelle von Phosphorsäure, alkalischen Erden, Alkalien und Stickstoff (7,74 Proc.) bietet und mit Recht dem Peru-Guano an die Seite gestellt werden kann. Das Ammoniak ist in dem Fisch-Guano nicht fertig gebildet, sondern wird während der Fäulniß in dem Boden aus den eiweißartigen stickstoffhaltigen Gebilden nach und nach erzeugt, so daß er eine stetige, nachhaltige Ammoniak- resp. Stickstoffquelle den Pflanzen bietet. Dieses Verhalten des Fisch-Guanos bevorzugt denselben vor den gewöhnlichen Guanosorten, welch letztere das Ammoniak theils schon fertig gebildet enthalten, theils den Stickstoff in der Form von Harnsäure bieten, die sehr leicht der Zersetzung unterworfen ist. Der gewöhnliche Guano, der aus Vogelexcrementen besteht, liefert das Ammoniak momentan massenhaft den Pflanzen, weßhalb seine Wirkung nicht sehr nachhaltig ist, wohingegen der Fisch-Guano das Ammoniak nur nach und nach proportional dem Zersetzungs- und Fäulnißprocesse erzeugt und somit eine viel nachhaltigere, ersprießlichere Wirkung bei der Ernährung der Pflanzen hervorruft. Will man eine schnellere Wirkung mit diesem Düngstoff erzielen, so geschieht dieß sehr leicht dadurch, daß man denselben mit 10 Proc. Schwefelsäure, die man vorher mit dem 30fachen Gewicht Wasser versetzt hat, mischt. Es wird dadurch der in den Gräten enthaltene phosphorsaure Kalk in sauren phosphorsauren Kalk bei gleichzeitiger Bildung von Gyps verwandelt und außerdem die leimgebende stickstoffhaltige Substanz des Fisch-Guanos in eine löslichere und schneller in Fäulniß übergehende Form gebracht. Den Verfälschungen, denen der gewöhnliche Guano so leicht unterworfen ist, unterliegt der Fisch-Guano viel weniger. Auf dem Lager verliert derselbe nichts an seiner Güte, wohingegen der Guano von Vogelexcrementen durch das Verdunsten des Ammoniaks bedeutend an düngender Kraft einbüßt. Bonn, im Januar 1863.