Titel: | Das amerikanische Erdöl im Vergleich mit dem Braunkohlentheer; Beiträge zur Kenntniß des Werthes und Wesens derselben von R. Jacobi, Techniker aus Hettstädt. |
Autor: | Robert Jacobi |
Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XXIX., S. 120 |
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XXIX.
Das amerikanische Erdöl im Vergleich mit dem
Braunkohlentheer; Beiträge zur Kenntniß des Werthes und Wesens derselben von R. Jacobi, Techniker aus Hettstädt.
Jacobi, über das amerikanische Erdöl im Vergleich mit dem
Braunkohlentheer.
Um Destillationsversuche zur Entscheidung der Frage anstellen zu können, ob Amerika's
Oelquellen unserer Theer- und Mineralölindustrie eine gefährliche Concurrenz
zu machen vermögen, bezog, wie mehrere derartige Etablissements in hiesiger Gegend,
auch die Photogen- und Paraffinfabrik von Franz Fischer bei Halle a. S. im Herbst 1862 von Uhlmann und Comp. in Hamburg größere Partieen
Petroleum, von welchem 100 Pfund netto loco Halle, resp.
loco Fabrik, auf 5 Rthlr. 28 Sgr. zu stehen kamen.
Einige Zeit später war jedoch die Waare loco Hamburg per 100 Pfund auf nahe 19 Mark gestiegen, weßhalb die
projectirten weiteren Beziehungen unterblieben. Hr. Fischer hatte sich wegen der Behandlung des Petroleums meines Rathes
bedient und gestattete mir in seiner Fabrik die nachstehend mitgetheilten Versuche
anzustellen.
Das Oel war in soliden Fässern von circa 210 Pfund
Füllung enthalten. In jedem Fasse fanden sich außer dem Oel mehr oder weniger fremde
Substanzen, Holz, Wasser, Sand etc., deren Gewicht per
Faß jedoch 5 Pfund im Durchschnitte nicht überstieg. Es verbleiben für obigen Preis
mithin nur circa 98 Pfd. Oel, oder 100 Pfd. Oel kosteten
circa 6 Rthlr.
Fast jedes Faß enthielt Oele von anderen specifischen Gewichten; bei 14° R.
wogen die leichtesten Oele 0,800, die schwersten hingegen 0,824.
Die fractionirte Destillation von 100 Theilen Oel ergab an fertigen Producten:
Benzin
von
durchschnittlich
0,700
spec.
Gewicht
circa
10 Theile
Photogen
„
„
0,775
„
„
„
23 „
Solaröl
„
„
0,822
„
„
„
43 „
Schmieröl
11 „
Verlust
13 „
–––––––––––––––––
100 Theile.
Sämmtliche Destillationen giengen leicht und sicher von statten. Ueberhaupt bot die
Rectification sämmtlicher Producte geringere Schwierigkeiten als diejenige des
Braunkohlentheers. Das zuerst übergehende Benzin wog gewöhnlich 0,600 oder nur wenig mehr. Das
Schmieröl enthielt so geringe Mengen eines sehr weichen Paraffins, daß die
Reindarstellung des letzteren als nicht lohnend unterblieb.
Die fertigen Producte verwertheten sich nach den zu jener Zeit bestandenen
Marktpreisen in folgender Weise:
10 Pfund Benzin
à 100 Pfund 13
Rthlr.
=
1 Rthlr. 9 Sgr. – Pf.
23 Pfd. Photogen
à 100 Pfund 12 1/2
Rthlr.
=
2 Rthlr. 26 Sgr. 3 Pf.
43 Pfd. Solaröl
à 100
Pfund 9 1/2
Rthlr.
=
4 Rthlr. 2 Sgr. 7 Pf.
11 Pfd. Schmieröl
à 100 Pfund
Rthlr.
=
– Rthlr. 13 Sgr. 2 Pf.
–––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa:
=
8 Rthlr. 21 Sgr. – Pf.
Davon ab für Kosten des Oeles
6 Rthlr. – Sgr. – Pf.
––––––––––––––––
Bleiben für Chemikalien, Arbeit etc.
2 Rthlr. 21 Sgr. – Pf.
Der Braunkohlentheer, wie er jetzt in einem Quantum von 4–500 Centner per Tag allein in den Schwelereien der Provinz Sachsen
gewonnen wird, und dessen Marktpreis per 100 Pfund zu
durchschnittlich 4 1/6 Rthlr. angenommen werden kann, liefert nach den mir
vorliegenden Resultaten verschiedener Sorten, deren Verarbeitung in verschiedenen
Fabriken erfolgte, im großen Durchschnitt
per 100 Pfd. an fertigen Producten:
Photogen von 0,800–0,820 spec. Gew. circa
27 Pfd.
Solaröl „ 0,810–0,850
spec. Gew. „
28 Pfd.
Paraffinöl
10 Pfd.
Paraffin
12 Pfd.
Verlust
23 Pfd.
––––––––––––––––
100 Pfd.
Rechnet man, wie vorn, auch diese Producte nach den zur Zeit bestandenen Marktpreisen
zu Geld, so beträgt ihr Werth:
27 Pfund Photogen
à 100 Pfd.
11 1/2 Rthlr.
=
3 Rthlr. 3 Sgr. 2 Pf.
28 Pfund Solaröl
à 100 Pfund
9 Rthlr.
=
2 Rthlr. 15 Sgr. 7 Pf.
10 Pfund Paraffinöl
à 100 Pfund
6 Rthlr.
=
– Rthlr. 18 Sgr. – Pf.
12 Pfd. Paraf. I u. II
à 100 Pfund
30 Rthlr.
=
3 Rthlr. 18 Sgr. – Pf.
––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa:
=
9 Rthlr. 24 Sgr. 9 Pf.
Davon ab Kosten des Theeres
4 Rthlr. 5 Sgr. – Pf.
–––––––––––––––––
Bleiben für Chemikalien, Arbeit etc.
5 Rthlr. 19 Sgr. 9 Pf.
Letzterer Posten ist folglich 5 Rthlr. 19 Silbgr. 9 Pf. minus 2 Rthlr. 21 Sgr. = 2 Rthlr. 28 Silbgr. 9 Pf. höher als der
vorhergehende.
Die Rectificationskosten von 100 Pfund Braunkohlentheer sind circa 1 Rthlr. höher als die Rectificationskosten von 100 Pfund Petroleum;
zieht man diesen von obigen 2 Rthlr. 28 Sgr. 9 Pf. ab, so verbleibt zu Gunsten des Braunkohlentheers
noch immer ein Plus von 1 Rthlr. 28 Sgr. 9 Pf.
Vorausgesetzt nun, es sey der Werth der Petroleum-Rectificate wirklich ein
höherer als der Werth des Photogens und Solaröls, und es würden sich, wie vorn
berechnet, ihre Preise per 100 Pfund dauernd um einen,
respective einen halben Rthlr. höher behaupten, so müßte der in Rechnung gezogene
Preis des Petroleums per 100 Pfund mindestens um obige 1
Rthlr. 28 Sgr. 9 Pf. sinken, bevor dasselbe bezüglich der Concurrenz auf gleicher
Stufe mit dem Braunkohlentheer steht; loco Hamburg z.B.
dürften 100 Pfund Petroleum folglich nicht viel über 3 Rthlr. kosten; der Import
desselben würde bei diesen Preisen nicht mehr lohnen. Der Schwelereibetrieb, sofern
er auf geeignete Kohle gründet, verträgt aber ein Herabgehen der Theerpreise um
einen Thaler recht gut, und bleibt bei circa 3 1/6
Rthlr. per 100 Pfund schon bei der jetzigen, noch immer
sehr unvollkommenen Methode seiner Gewinnung ein leidlich rentables Geschäft. Bei
dieser Preisermäsigung müßten selbstredend auch die Preise des Petroleums um einen
Thaler sinken, oder es müßte dasselbe loco Hafen per 100 Pfund nur wenig über 2 Rthlr. kosten, um für
hiesigen Markt Nehmer zu finden. Bei diesem Preis verbietet sich der Import aber von
selbst. Die amerikanischen Rohöle werden folglich schon binnen kurzem vom hiesigen
Markte verschwinden. Ob es möglich ist, ihre schon jetzt in ihrer Heimath
dargestellten und zu uns gebrachten Rectificate so billig nach hier zu legen, daß
sie dauernd Nehmer finden, kann nur die Zukunft lehren. Zur Entscheidung wird diese
Frage voraussichtlich erst dann kommen, wenn die Vermehrung unserer Schwelerien,
Photogen- und Paraffinfabriken ein Herabgehen der Oelpreise auf diejenige
Höhe bedingt, welche ihre Rentabilität in ein richtigeres Verhältniß bringt zu den
Renten anderer Fabricationszweige, deren Betrieb die gleichen Mittel erfordert. Da
die bestehenden Fabriken sich dauernd erweitern, da immer neue Etablissements
begründet werden, und da sowohl der Schwelproceß, als auch sämmtliche andere
Fabricationsprocesse sich stetig vervollkommnen, so wird dieses Herabgehen der
Preise ziemlich schnell eintreten. Es ist daher mit größter Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, daß unsere Industrie, wie den directen Ausfluß der amerikanischen
Oelquellen auf hiesigen Markt, so auch den Import ihrer Rectificate mit alleiniger
Ausnahme des Benzins, für welches sie einen gleich billigen Ersatz nicht bietet,
verstopfen wird, nicht aber, daß sie jemals von den amerikanischen Producten
erstickt werden kann.
Grube v. d. Heydt bei Halle a. S., den 5. März 1863.