Titel: | Neues Sicherheitsventil für Dampfkessel; von A. Bachmann, Ingenieur zu Hamburg. |
Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LVII., S. 241 |
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LVII.
Neues Sicherheitsventil für Dampfkessel; von A.
Bachmann, Ingenieur zu Hamburg.
Aus dem Civilingenieur, 1863, Bd. IX S.
146.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Bachmann's neues Sicherheitsventil für Dampfkessel.
Die Sicherheitsventile bekommen, wenn ihre Einrichtung in der gesetzmäßig
vorgeschriebenen Weise ausgeführt wird, namentlich bei großen Dampfkesseln und hoher
Spannung so große Dimensionen und bedürfen dann bei directer Belastung so schwerer
Gewichte, bei indirecter Belastung aber so langer kräftiger Hebel nebst Scharnier
und Gewicht, daß sie in vielen Fällen nur unbequem auf dem Kessel anzubringen
sind.
Zudem erschweren die großen Gewichte und Hebel der gewöhnlichen Sicherheitsventile
sehr wesentlich das Nachsehen, ist doch mitunter mehr als ein Mann erforderlich, um
dieß bewirken zu können. Solche Unbequemlichkeiten werden aber dann Ursache, daß die
Instandhaltung der Ventile nur zu leicht vernachlässigt wird – Einfachheit
ist die erste praktische Bedingung jeder Sicherheitsvorrichtung.
Schwere Belastungen sind überdieß höchst nachtheilig für die Conservirung der
Sitzflächen, denn wenn, wie doch sehr leicht geschieht, Unreinigkeiten, kleine harte
Gegenstände zwischen das Ventil und die Sitzfläche gelangen, so drücken sie sich
sogleich sehr fest in den Sitz ein; auch das Heben und Fallen stark belasteter
Ventile beim Abblasen wirkt sehr zerstörend.
Das von mir construirte Sicherheitsventil, welches ich in Nachstehendem beschreiben
will, dürfte frei seyn von den gerügten Mängeln. Es ist ein zweisitziges Ventil,
dessen Sitzflächen einander nahezu gleich sind, so daß nur eine geringe Belastung
zum Verschluß erforderlich ist; die Belastung ist eine directe, so daß keine Hebel
und Scharniere erforderlich sind und nur wenig Raum in Anspruch genommen wird; die
Ventile können jederzeit leicht probirt werden und der Apparat ist ohne alle
Schwierigkeit zugänglich.
Dieses Ventil ist in den Figuren 19 bis 22 dargestellt
und zwar gibt
Fig. 19 einen
Längendurchschnitt durch den ganzen Apparat nach der Linie AB in Fig. 20,
Fig. 20 eine
obere Ansicht desselben, nach Entfernung des Deckels des Gehäuses und der
Ventile,
Fig. 21 eine
Seitenansicht und
Fig. 22 eine
Vorderansicht des geschlossenen Gehäuses.
Dieser Apparat besteht also aus einem verschließbaren gußeisernen Gehäuse mit zwei
doppelsitzigen Ventilen. Das Gehäuse besitzt nämlich einen dreifachen Boden. Der
Raum g, g zwischen dem mittleren und oberen Boden (die
Dampfkammer) communicirt durch das Gabelrohr c, h, c mit
dem Dampfraume des Kessels, der Raum t, t zwischen dem
untersten und mittleren Boden durch die Röhre d mit dem
oberen Raume f des Gehäuses und dem Ausblaserohre e. Hebt sich ein solches Doppelventil, so gelangt der
Dampf theils durch die obere Ventilöffnung r direct nach
dem Ausblaserohre, theils durch die untere Ventilöffnung v in den Bodenraum t, t und durch das
Rohrstück d aus diesem nach dem Austrittsrohre.
Die Sitzflächen der Doppelventile sind nur 2 1/2 Millimeter breit und eben: das obere
Ventil hat 4 3/8, das untere 4 1/8 Zoll Durchmesser. Sitzflächen und Ventile sind
aus hartem Rothguß gefertigt. Jedes Doppelventil ist aus einem Stück hergestellt und
das untere Ventil nur um so viel kleiner genommen als erforderlich ist, um es gut
durchbringen zu können, ohne den Sitz des oberen Ventiles zu beschädigen. Die
Ventilsitze o, o und p, p
sind in dem mittleren und oberen Boden des Gehäuses paarweise senkrecht übereinander
befestigt; sie sind äußerlich conisch abgedreht und mit gutem Kitt fest
eingetrieben.
Es erheischen diese Ventile eine richtige und saubere Ausführung, welche leicht
erzielt wird, wenn man bei der Bearbeitung wie folgt verfährt:
Sitzen die Ringe fest in dem mittleren und oberen Boden, so wird das Ventilgehäuse
abermals vor die Bohrbank gespannt, um die Flächen der Sitzringe genau
correspondirend abzudrehen. Ist dieses geschehen, so werden die Doppelventile
eingepaßt, welche alsdann die Dampfkammer g, g dicht
gegen den oberen und unteren Raum des Gehäuses abschließen werden.
Da die beiden Teller jedes Doppelventiles an einer Stange a,
a sitzen, so sucht der Kesseldampf durch seinen Druck auf den unteren
Teller das Ventil zu schließen, durch den Druck gegen den oberen Teller aber es zu
öffnen, und da der obere Teller größer als der untere ist, so würde das Doppelventil
aufgestoßen werden, wenn es nicht belastet wäre. Die Stange des Ventiles ist aber
nach oben verlängert und trägt scheibenförmige Gewichte.
Um die Ventile ohne Oeffnung des Gehäuses Probiren zu können, geht neben jedem
Ventile eine Achse m quer durch das Gehäuse, welche
einen gabelförmigen Daumen n trägt, der unter den am
oberen Ende der Ventilstange befindlichen Riegel q
greift, wenn die Achse gedreht wird. Hierzu kann aber ein Hebel an dem vor das
Gehäuse hervortretenden Ende der Achse angesteckt werden.
Man kann demnach dieses Ventil nur heben, nicht aber belasten.
Der Verschluß des Ventilgehäuses k geschieht vermittelst
des Deckels x, welcher sich auf der einen Langseite in
einem Scharniere dreht und auf der gegenüberstehenden Seite mittelst Oesenschrauben
z, z geschlossen wird. Damit aber der Arbeiter das
Gehäuse nicht willkürlich öffnen könne, ist die mittlere Schraube mit einem
Vorlegeschloß versehen, dessen Schlüssel einer sicheren Person in Verwahrung gegeben
wird. Nach dem Innern hat der Deckel einen hervorspringenden Rand, welcher die
Gummidichtung besser in der einmal gegebenen Lage erhält; er ist aber auch noch mit
einem nach außen vorspringenden Rande versehen, um etwaigem Durchbiegen beim
Anziehen der Oesenschrauben z, z vorzubeugen.
Eine einfache Rechnung zeigt, wie viel geringer die Belastung meiner Doppelventile
gegenüber derjenigen der gewöhnlichen Sicherheitsventile ausfällt.
Ein einfaches Ventil von 6 Zoll Durchmesser muß bei 20 Pfund Kesseldruck pro Quadratzoll eine Belastung erhalten, welche (mit
Einschluß des Gewichtes des Ventiles)
(6² . π)/4 . 20 = 565,2
Pfund
beträgt. Wendet man dagegen ein Doppelventil von der Größe des
dargestellten Ventiles an, also von 4 3/8 Zoll oberem und 4 1/8 Zoll unterem
Durchmesser, welches mindestens dieselbe Austrittsöffnung bietet, so braucht man, da
die Differenz zwischen der Fläche des oberen und des unteren Tellers nur 1,67
Quadratzoll beträgt, auch nur eine Belastung von
1,67 . 20 = 33,4 Pfund,
oder etwa den 17ten Theil soviel als bei gewöhnlichen
Sicherheitsventilen.Ich habe derartige Ventile bereits in verschiedenen Größen praktisch
ausgeführt und sehr gute Resultate erhalten. Gefällige Bestellungen wolle
man unter der Adresse A. H. C. Bachmann, Hamburg,
Spaldingstr. Nr. 23, an mich gelangen lassen.
Aus dem Vorstehenden wird genügend erhellen, welche Vorzüge die beschriebenen
Sicherheitsventile bezüglich der bequemen Zugänglichkeit, Sicherheit gegen
Mißbrauch, geringen Belastung und Raumersparniß gegenüber den gewöhnlichen
Sicherheitsventilen, besitzen.
Ich füge noch die Zeichnung und Beschreibung eines von mir ausgeführten großen dreisitzigen Sicherheitsventils bei, welches bei den
Windregulatoren der Georg-Marien-Hütte bei Osnabrück angewendet
ist.
Fig. 23 zeigt
ein solches Ventil im Durchschnitt nach der Linie CD,
Fig. 24 gibt
den Grundriß desselben in 1/8 der natürlichen Größe.
Die betreffenden Windregulatoren werden von zwei Dampfgebläsen à 150 Pferdestärken gespeist und sollten mit Sicherheitsventilen
von solcher Oeffnungsweite versehen werden, daß sie zum Abblasen des überflüssigen
Windes ausreichten, wenn etwa plötzlich der Wind von dem einen Hohofen abgestellt
würde. Es war hierzu ein Durchmesser von 12 Zoll englisch erforderlich, und da die
Pressung des Windes 5 Pfund pro Quadratzoll beträgt, so
ergab sich unter Annahme gewöhnlicher Ventile ein sehr großes Belastungsgewicht als
erforderlich.
Nun war aber andererseits der Windbehälter nur aus schwachem Blech hergestellt und es
würde sonach das Aufschlagen so schwer belasteter Ventile ohne Zweifel bald
nachtheilig für den Kessel gewesen seyn, weßhalb ich eine Ventilconstruction
aufsuchen mußte, welche mit weniger bedeutenden Belastungen auszukommen gestattete.
Dieß führte mich auf die Anwendung von Glockenventilen; weil aber ihre gewöhnliche
Form nicht dazu verwendbar war, so traf ich die Aenderung, daß der Untersitz
verengert und der Glocke noch ein mittleres Ventil a
beigefügt wurde, was auch vollständig gelang.
Die Einrichtung dieses Ventiles bedarf weiter keiner Erläuterung. Der Wind, welcher
die ganze Glocke erfüllt, sucht bei a, b und bei c zu entweichen; er drückt aber auf die Differenz der
Ringflächen bei c und b nach
unten, auf die Fläche des Tellerventiles a nach oben,
und man kann also a so annehmen, daß es nur etwa 1
Quadratzoll mehr Fläche bietet, als jene Differenz, in welchem Falle man auch die
Belastung nur so zu nehmen braucht, als der Druck pro
Quadratzoll beträgt.
Die Belastung dieses Ventiles geschieht in folgender Weise. An dem mittleren Ventile
a wird in dem Herzstück der vier Führungsflügel eine
Oese eingeschoben, an welcher einige Kettenglieder hängen. In diese kann man nun
eine Stange mit dem Gewichte einhaken.
Die beschriebenen Ventile spielen ganz genau und leicht; sie setzen sich beim
Abblasen in eine rotirende Bewegung, was von Vortheil ist, indem sich dann nicht
immer dieselben Punkte berühren, also die Abnutzung geringer seyn wird.
Wenn nach den Mittheilungen des Freiherrn v. Burg in der
Akademie der Wissenschaften zu Wien die Versuche, welche derselbe über die Wirkung
des Dampfabflusses bei Sicherheitsventilen angestellt hat, gelehrt haben, daß die gewöhnlichen
Sicherheitsventile keineswegs den Erwartungen genügen, welche man der Theorie nach
davon zu hegen berechtigt ist, indem sie das berechnete Dampfquantum nicht
abzuführen im Stande sindMan s. polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 322., so bin ich überzeugt, daß meine dreisitzigen Ventile diesem Uebelstande
sicher abzuhelfen im Stande seyn werden, da hier die Dämpfe nach allen Seiten ihren
Ausweg finden und die Oeffnung dieser Durchgangswege weit genug gemacht werden kann,
ohne auf unbequeme und zu große Belastungsgewichte zu führen.