Titel: Neue Mehlbeutel (Mehlsauberer); mitgetheilt von Hermann Fischer, Maschinen-Ingenieur in Bautzen.
Fundstelle: Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LXVI., S. 258
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LXVI. Neue Mehlbeutel (Mehlsauberer); mitgetheilt von Hermann Fischer, Maschinen-Ingenieur in Bautzen. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1863 S. 105. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Fischer, über neue Mehlbeutel. Im Jahrgang 1862 der Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins besprach ich den Mehlsauberer von Lucas und Reinsch.Im polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 267; man siehe auch in Bd. CLXVII S. 19 die Beschreibung des verbesserten Mehlbeutelzeugs von Lucas. A. d. Red. Dort machte ich auf die höchst unvortheilhafte Wirkungsweise der sogenannten Cylinderzeuge aufmerksam, den erstgenannten Sauberern den Vorzug gebend. Diese meine Ansicht hat sich nicht nur durch ferner gemachte Beobachtungen bestätigt, sondern findet auch ihren Ausdruck in dem fortgesetzten Bemühen verschiedener Praktiker, genannte Cylinder durch andere Mechanismen zu ersetzen, welche das zu behandelnde Schrot weniger ungesetzmäßig gegen die Siebfläche werfen, als dieses bei jenen der Fall ist. Zu diesen Vorrichtungen gehören die Sauberer mit mehr oder weniger flach und horizontal ausgebreiteten Siebflächen. Die gesammte Methode der Absonderung des Mehles von der Kleie beruht auf dem Erfahrungssatz, daß der weißere innere Theil des Getreidekornes leichter zu zermalmen ist, als die zähe, holzartige Oberhaut, wie auch die unter letzterer liegende kleiehaltige Schicht. Es werden also, wird das Korn zermalmt, die Trümmer des inneren Theiles von geringeren Dimensionen seyn, als die der genannten einschließenden Schichten. Die Cylinderzeuge wie auch die Sauberer von Lucas und Reinsch benutzen nur diesen Satz, indem sie das Schrot über eine Gazefläche von bestimmter Maschenweite hinführen, wobei die feineren Mehltheilchen hindurchtreten, die gröberen und namentlich die Theile der Rinde aber, ohne hindurchfallen zu können, fortgeführt werden. Die Sauberer mit flacher, horizontal ausgebreiteter Siebfläche stützen sich aber außerdem auf ein zweites Erfahrungsresultat, das dem erstgenannten an Wichtigkeit nur um weniges nachsteht. Die Rinde des Kornes, welche fortzuschaffen die hauptsächlichste Aufgabe eines jeden Sauberers ist, ist nicht allein schwerer zu zermalmen, sondern sie ist auch specifisch leichter als alle übrigen Theile; sie wird deßhalb, sofern dem Schrote nur die nöthige Ruhe gelassen wird, immer ihren Platz über den das Mehl ausmachenden Theilen des Schrotes einnehmen. Aber nicht allein die sogenannte Kleie hält sich unter der hier gemachten Voraussetzung von der Siebfläche entfernt, sondern auch alle Schrotkörner größerer Dimensionen, so lange noch feinere Mehltheilchen vorhanden sind. Um diese Erscheinung zu erklären, welche übrigens jedem aufmerksamen Müller der älteren Schule bekannt ist, nehme ich an, ein stärkeres Korn befinde sich inmitten einer Menge kleinerer Körner. Es finde nun eine Schwingung der Siebfläche nach oben statt: das stärkere Korn wird wohl auf seine kleineren Geschwister drücken, kann dieselben aber nicht verdrängen, da sie sich gegen die Unterlage stemmen. Bei der Schwingung nach oben werden indessen dem stärkeren Korn weniger Schwierigkeiten entgegengesetzt, sich aus seiner ursprünglichen Lage zu entfernen, es drängt die über ihm liegenden kleineren Theile mehr oder weniger bei Seite, kann aber bei der nun folgenden Schwingung nach oben seinen früheren Platz nicht mehr einnehmen, indem die kleinere Gesellschaft bereits in Folge der gleichzeitigen seitlichen Schwingung denselben in Besitz genommen hat. Sämmtliche Theile, welche nichts mit der Siebfläche zu thun haben, kommen daher verhältnißmäßig wenig mit derselben in Berührung, sie gestatten dem eigentlichen Mehl einen größeren Raum, zu dem Zwecke durch die Maschen der Siebfläche zu treten und ermöglichen also ein Herabziehen der Siebfläche auf geringere Dimensionen. Nicht unwesentlich ist das Entfernthalten der Rindentheilchen von der Siebfläche auch insofern, als eine geringere Abnutzung und Versackung der letzteren im Gefolge ist. Angesichts dieser Vortheile des flachen Sauberers, namentlich gegenüber dem Cylinderzeuge, müssen wir den Bemühungen derjenigen Männer Anerkennung zollen, welche Muth genug haben, den bei vielen Constructeuren aus blinder Hinneigung zu außerdeutschen Erfindungen zum Evangelium gewordenen Cylindersieben entgegenzutreten und, soweit es in ihren Kräften steht, richtigeren Ansichten entsprechende Mechanismen zu schaffen. Die Siebvorrichtungen, welche ich hier zu beschreiben mir erlauben werde, bedürfen des Hinweises auf das Verdienst überhaupt ein besseres Princip zur Geltung gebracht zu haben, indem ihre Construction selbst nicht großen Beifall finden wird. Absichtlich habe ich die Zeichnungen streng nach ausgeführten Exemplaren entworfen, um demjenigen, welcher sich von der Vorzüglichkeit der verwendeten Grundsätze im Allgemeinen überzeugt, bei etwaigen Entwürfen möglichst freie Hand zu lassen. Fig. 15 und 16 stellen einen in der Mühle des Hrn. Plathe in Rückerswalde bei Annaberg ausgeführten Mehlsauberer dar. In eine sechseckige Welle A sind die Arme a, a, a eingezapft, welche ihrerseits die Latten b, b tragen, an welche die Seidengaze mittelst Leistchen e, e befestigt ist. Bei B, dem Eintrittspunkte des Schrotes, ist eine Stirnwand c angebracht, die sowohl ein Herausfallen des Schrotes zu verhindern, als auch den Latten b, b eine sichere Stütze zu geben hat. Zwischen dieser Wand c und der Gaze ist ein Streifen Leinwand angebracht, um nicht die Gaze dem Stoße des einfallenden Schrotes auszusetzen. An den Arm f faßt eine Stange, welche andererseits mit einer sich rasch drehenden Kurbel (200 bis 250 Umdrehungen per Minute) in Verbindung steht und so dem Sauberer die entsprechende Bewegung mittheilt. Fig. 17 u. 18 stellen einen anderen, dem Mühlenbauer Kunath in in Opitz bei Pirna patentirten Sauberer dar, und zwar bezieht sich die Zeichnung auf ein von dem Mühlenbauer Herberg in Stadt-Wehlen für den Freigutsbesitzer Ernst Forker in Langenwolmsdorf bei Stolpen ausgeführtes Exemplar. Zwei Leisten a, a werden an ihrem einen Ende von elastischen Trägern (Holz, Eisen, Leder), an dem anderen Ende von den Kurbeln der Welle A getragen. An a, a sind Breter c, c geschraubt, die ihrerseits die Latten e, e tragen. An diese Latten ist auf ähnliche Weise wie oben angegeben wurde die Gaze d, d befestigt, wie auch bei der Einfallsstelle B der Stoß des Schrotes nicht auf die Gaze trifft, sondern (in dem vorliegenden speciellen Falle) auf ein muldenförmig ausgehöhltes Bret. Der Querriegel f gibt dem Ganzen mehr Steifigkeit. Die Lagerung der Kurbelwelle A geschieht bei i, i in den Wänden des zugehörigen Kastens; durch die Stufenscheibe h erhält sie ihre Bewegung (180 bis 300 Umdrehungen in der Minute). Um den ungleichmäßigen Widerstand der Kurbel zu egalisiren, ist ein Schwungrad auf der Kurbelwelle angebracht, welches (in unserem speciellen Falle) eine Warze zum Betriebe eines Griessortirers trägt. Beide Sauberer arbeiten trotz ihrer sehr mangelhaften Construction zur vollkommensten Zufriedenheit ihrer Besitzer, womit die Richtigkeit des angewendeten Princips genügend bestätigt seyn dürfte. Die Aufgabe tüchtiger Constructeure ist aber, dem Princip eine Form anzupassen, welche den Fortschritten der Jetztzeit entspricht.

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